15.03.2022 · IWW-Abrufnummer 228054
Landesarbeitsgericht Hamburg: Beschluss vom 01.03.2022 – 7 Ta 1/22
1. Der Gegenstandswert für die Freistellung eines Arbeitnehmers, die länger als einen Monat dauert, ist pauschalierend in Höhe eines Monatsgehaltes des Arbeitnehmers festzusetzen.
2. Der Streitwert eines Vergleichs geht über den Streitwert des Verfahrens, in dem der Vergleich geschlossen wird, nur dann hinaus, wenn er Regelungen enthält, durch die andere Streitgegenstände beigelegt werden, die zwar nicht im vorliegenden Verfahren, wohl aber bereits in einem anderen Verfahren anhängig sind, oder über die die Parteien bislang zwar nur außergerichtlich gestritten haben, bei denen aber die konkrete Gefahr besteht, dass sie ohne die vergleichsweise Regelung alsbald in einem gerichtlichen Verfahren ausgetragen werden.
3. Der Gegenstandswert einer Zeugnisregelung beträgt ein Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers, sofern über den Inhalt des Zeugnisses eine Regelung getroffen wurde. Zeugnisregelungen in einem Vergleich sind auch dann werterhöhend zu berücksichtigen, wenn über sie zuvor nicht gestritten worden ist.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2021 - 16 Ca 284/21 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für die Klage auf 17.491,26 € festgesetzt.
Für den Vergleich vom 24. November 2021 wird ein Mehrwert von 29.236,89 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Gebühr für die Beschwerde nach Nr. 8614 Kostenverzeichnis als Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ist nicht zu erheben.
Gründe
I.
Die befristete Beschwerde richtet sich gegen die Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit, hier gegen die Höhe eines festgesetzten Vergleichsmehrwertes in einem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren.
Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien über eine Kündigungsschutzklage wegen einer von der Beklagten mit Wirkung zum 15. September 2021 ausgesprochenen Beendigungskündigung vom 10. August 2021, nachdem die Klägerin seit dem 01. Dezember 2019 zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von zuletzt 5.830,42 € bei der Beklagten als Assistentin der Geschäftsführung beschäftigt war.
Die Klägerin erhielt ferner eine Änderungskündigung vom 29. Oktober 2021 mit Wirkung zum 30. November 2021, mit der die Beklagte der Klägerin beginnend ab dem 01. Dezember 2021 eine Tätigkeit als Marketingspezialistin Events zu einer Bruttomonatsvergütung von 3.900,00 € anbot. Gegen diese Kündigung machte die Klägerin keinen Kündigungsfeststellungsantrag beim Arbeitsgericht anhängig.
Ferner erhielt die Klägerin von der Beklagten mit Schreiben vom 29. Oktober 2021 ein Angebot für ein ab dem 01. November 2011 seitens der Beklagten beabsichtigtes Prozessarbeitsverhältnis als Marketingspezialistin Events. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des insoweit angebotenen Prozessarbeitsvertrages wird auf Bl. 59 ff. d.A. verwiesen.
Mit gerichtlichem Vergleich vom 24. November 2021 - 16 Ca 284/21 - (Bl. 43 ff. d.A.) vereinbarten die Parteien u.a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Kündigung vom 10. August 2021 mit Ablauf des 31. Dezember 2021, ferner unter Ziff. 2 des Vergleichs, dass für das Jahr 2021 kein Anspruch auf eine variable Vergütung (Jahresprämie) bestehe, unter Ziff. 3 eine unwiderrufliche Freistellung der Klägerin für die Zeit vom 15. September 2021 bis zum 31. Dezember 2021, unter Ziff. 4 eine Zeugnisregelung mit einzelnen konkreten Zeugnisformulierungen und unter Ziff. 9 eine allgemeine Ausgleichsklausel.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Beschluss vom 13. Dezember 2021 - 16 Ca 284/21 - (Bl. 68 d.A.) auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach Anhörung der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten (Bl. 53 d.A.) den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Klage auf 17.491,26 € und für den Vergleich auf einen Mehrwert von 8.830,42 € festgesetzt und insoweit ausgeführt, Ziff. 2 des Vergleichs sei mit 3.000,00 € und Ziff. 4 des Vergleiches mit 5.830,42 € zu bewerten. Ein Vergleichsmehrwert der Ziff. 9 des Vergleiches falle nicht an. Die Wirksamkeit der Änderungskündigung vom 29. Oktober 2021 sei nicht zwischen den Parteien im Streit gewesen, da diese von der Klägerin nicht angegriffen wurde.
Gegen den am 17. Dezember 2021 (Bl. 74 d.A.) ihm zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einem am 17. Dezember 2021 (Bl. 76 d.A.) beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Der Vergleichsmehrwert sei auf 34.221,42 € festzusetzen.
Zur Begründung führt die Beschwerde aus, die Parteien hätten sich durch Abschluss des Vergleichs auch darüber verständigt, dass die Klägerin den bei Annahme des Änderungsangebots gemachten Vorbehalt einer Nachprüfung nicht habe weiterverfolgen müssen. Die Klägerin hätte bei einem nicht erfolgenden Vergleichsabschluss Klage gegen die Änderungskündigung eingereicht. Falsch sei daher die Annahme des Gerichts, dass über die Änderungskündigung kein Streit bestanden habe, dieser sei vielmehr durch den von der Klägerin angebrachten Vorbehalt einer Nachprüfung zum Ausdruck gekommen. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses sei die Frist für eine Änderungskündigungsschutzklage noch nicht abgelaufen, sodass folglich deren Erhebung durch den Vergleichsabschluss vermieden worden sei.
Auch darüber, dass Veränderungen gemäß Prozessarbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 01. November 2021 nicht vollzogen werden, hätten sich Parteien durch die Freistellungsregelung verständigt. Demzufolge sei insoweit für die Freistellung einen Mehrwert von zwei Gehältern des für die Tätigkeit angebotenen verringerten Gehalts anzusetzen. Insgesamt sei für die Regelung in Ziff. 2 (Jahresprämie) ein Wert von 3.000,00 €, für Ziff. 3 (Freistellung) ein Wert von 7.900,00 €, für Ziff. 4 (Zeugnis) ein Wert von 5.830,42 € und für Ziff. 9 wegen Vermeidung eines Streits über die Änderungskündigung ein Wert von 17.491,00 € anzusetzen.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat der Beschwerde durch Beschluss vom 11. Januar 2022 - 16 Ca 284/21 - (Bl. 82 f. d.A.) nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Gericht orientiere sich bei seiner Entscheidung an dem Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 09. Februar 2018. Ein Vergleichsmehrwert falle hiernach nur dann an, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt würden. Dabei müsse gerade über die Frage eines Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweilige Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung trete ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handele. Abzustellen sei auf die Umstände zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.
Ein zusätzlicher Vergleichsmehrwert in Höhe von 7.900,00 € für die unter Ziff. 3 des Vergleiches vereinbarte Freistellungsregelung sei nicht angemessen. Nur wenn eine Partei sich eines Anspruchs auf oder eines Rechts zur Freistellung berühmt habe, werde die Freistellungsvereinbarung mit bis zu einer Monatsvergütung bewertet. Die Freistellung werde nur zukunftsbezogen ab dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses berücksichtigt, etwaige Zeiten einer Freistellung zuvor spielten keine Rolle. Ausweislich der unter Ziff. 3 des Vergleiches vereinbarten Regelung sei die Klägerin vorliegend bereits seit dem 15. September 2021 unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Ein Streit über das Recht der Beklagten zur Freistellung habe vor diesem Hintergrund zum Zeitpunkt des Vergleiches nicht bestanden.
Auch hinsichtlich der unter Ziff. 9 des Vergleiches vereinbarten Ausgleichsquittung bestehe kein Mehrwert. Ausgleichsklauseln würden nur dann den Vergleichswert erhöhen, wenn durch sie ein streitiger oder ungewisser Anspruch erledigt werde. Abzustellen sei auf das wirtschaftliche Interesse der in Anspruch genommenen Partei. Vorliegend habe die Klägerin das Änderungsangebot der Beklagten vom 29. Oktober 2021 angenommen, ohne eine Klage nach § 2 KSchG zu erheben. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Feststellung des Vergleichsabschlusses am 24. November 2021 sei die Frist nach § 4 Satz 2 KSchG verstrichen und damit ein etwaiger Vorbehalt der Klägerin gegen das Änderungsangebot nach § 7 KSchG erloschen. Soweit der Prozessbevollmächtige der Klägerin mit der Beschwerde vorgetragen habe, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die Frist nach § 4 Satz 2 KSchG nicht verstrichen sei, fehle es an einem entsprechenden Tatsachenvortrag, dass die per Boten zugestellte Änderungskündigung vom 29. Oktober 2021 der Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sei.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zur Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts und hat mit Schriftsatz vom 25. Januar 2022 unter Bezugnahme auf einen an das Arbeitsgericht gerichteten Schriftsatz vom 17. Januar 2022 ausgeführt, für die Frage, ob eine Angelegenheit zwischen den Parteien streitig war, könne es nicht auf das Datum des Vergleichsbeschlusses durch das Gericht ankommen. Insbesondere sei nicht maßgeblich, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsbeschlusses die Frist für die Erhebung einer Klage gegen die Änderungskündigung bereits abgelaufen war. Die Prozessbevollmächtigten der Parteien hätten eine Einigung herbeigeführt, die der Prozessbevollmächtigte der Beklagten durch Schreiben vom 04. November 2021 bestätigt habe. Der abgestimmte Vergleichstext sei am 16. November 2021 an die Beklagte übermittelt worden. Dass die Übermittlung des zwischen den Parteien abgestimmten Textes durch die Beklagte an das Arbeitsgericht erst mit Schreiben vom 22. November 2021 erfolgt sei, habe nicht dazu geführt, dass sich der Streit zwischen den Parteien über die Änderungskündigung von alleine erledigt hätte. Es sei nur durch die Mitwirkung beider Prozessbevollmächtigter möglich gewesen, auch hierüber durch Vergleich den nicht rechtshängigen Streit beizulegen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Januar 2022 stellt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ergänzend darauf ab, dass durch den Vergleich auch eine Einigung über das angebotene Prozessarbeitsrechtsverhältnis herbeigeführt worden sei. Dies sei mit zwei weiteren Gehältern zu bewerten, wobei der Prozessbevollmächtigte der Klägerin insoweit von einem Mehrwert von weiteren 10.000,00 € ausgeht.
II.
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat teilweise Erfolg. Sie ist zulässig und teilweise begründet.
1. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden.
a) Die Beschwerde ist statthaft, weil sie von einem Beschwerdeberechtigten eingelegt worden ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG).
aa) Beschwerde einlegen können die Antragsberechtigten. Dies ist u.a. der Rechtsanwalt (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RVG).
bb) Der Beschwerdewert ist der Unterschiedsbetrag zwischen derjenigen entstandenen und voraussichtlich noch entstehenden Gesamtvergütung des Rechtsanwalts (Gebühren und Auslagen einschließlich Umsatzsteuer), die sich aufgrund der bisherigen Festsetzung ergibt und derjenigen entstandenen und voraussichtlichen Gesamtvergütung, die sich nach dem behaupteten und mit der Beschwerde erstrebten Wert ergibt (Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl., § 33 RVG Rn. 20 i.V.m. § 32 RVG Rn. 17 m.w.N.). Dieser Unterschiedsbetrag beläuft sich auf mehr als 200,00 € und erreicht damit den erforderlichen Beschwerdewert. Der erstrebte Vergleichsmehrwert von jedenfalls 34.221,42 € führt gegenüber dem vom Arbeitsgerichts festgesetzten Mehrwert von 8.830,42 € - zu einer um mehr als 200,00 € erhöhten anwaltlichen Gesamtvergütung.
b) Die Beschwerde ist in der gesetzlichen Frist und Form bei dem dafür zuständigen Arbeitsgericht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3, Abs. 7 Satz 1 und 3 RVG). Gegen den am 17. Dezember 2021 ihm zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin innerhalb von zwei Wochen einen am 17. Dezember 2021 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz eingereicht, der den angefochtenen Beschluss bezeichnet und die Erklärung enthält, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde.
2. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Der auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin festzusetzende Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 Abs. 1 RVG) beträgt für die Klage - wie vom Arbeitsgericht zutreffend festgesetzt und mit der Beschwerde nicht angegriffen - 17.491,26 € (Vierteljahresverdienst, vgl. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG). Für den Vergleich ist ein Mehrwert von 29.236,89 € anzusetzen.
a) Für die Regelung in Ziff. 2 des Vergleichs hat das Arbeitsgericht zu Recht einen Wert in Höhe von 3.000,00 € angesetzt, da mit dieser Regelung auch die Höhe einer Jahresprämie als leistungsabhängige Vergütung für das Jahr 2021 geregelt wurde, die nach § 2, dritter Unterabsatz des Arbeitsvertrages der Parteien (bei 100% Zielerreichung) jährlich 3.000,00 € hätte betragen können.
b) Für die Zeugnisregelung in Ziff. 4 des Vergleichs hat das Arbeitsgericht zu Recht einen Wert in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes (5.830,42 €) angesetzt.Nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hamburg beträgt der Gegenstandswert einer Zeugnisregelung ein Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers, sofern über den Inhalt des Zeugnisses eine Regelung getroffen wurde (LAG Hamburg, Beschluss vom 04. Mai 2017 - 8 Ta 2/17 -, Rn. 4, juris, m.w.N.).Zeugnisregelungen in einem Vergleich sind auch dann werterhöhend zu berücksichtigen, wenn über sie zuvor nicht gestritten worden ist (LAG Hamburg, Beschluss vom 21. Dezember 2012 - 8 Ta 23/12 -, juris). Daran hält auch die erkennende Kammer fest.
c) Für die Regelung in Ziff. 3 des Vergleichs (Freistellung) hat das Arbeitsgericht zu Unrecht keinen Mehrwert angesetzt. Vielmehr war auch insoweit ein Wert in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes (5.830,42 €) anzusetzen.
Der Gegenstandswert für die Freistellung eines Arbeitnehmers, die länger als einen Monat dauert, ist pauschalierend in Höhe eines Monatsgehaltes des Arbeitnehmers festzusetzen (LAG Hamburg, Beschluss vom 08. Juni 2017 - 8 Ta 10/17 -, Rn. 4, juris; Beschluss vom 14. September 2016 - 6 Ta 23/16 -, Rn. 17, juris; Beschluss vom 07. Dezember 2011 - 7 Ta 31/11 -, juris). Der Grund für diese Bewertung liegt darin, dass der Freistellungsanspruch das "Gegenstück" zum Beschäftigungsanspruch ist, welcher ebenfalls pauschal mit einem Monatsgehalt bewertet wird. Gründe für eine Abweichung von dieser Rechtsprechung sind nicht ersichtlich, ergeben sich insbesondere nicht aus dem sog. Streitwertkatalog.
Soweit das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf den sog. Streitwertkatalog darauf abstellt, ein Vergleichsmehrwert komme insoweit nur in Betracht, wenn sich eine Partei eines Anspruchs oder Rechts zur Freistellung berühmt habe, ist dem nicht zu folgen. Grundsätzlich zutreffend geht das Arbeitsgericht zwar davon aus, dass nur solche Streitgegenstände werterhöhend zu berücksichtigen sind, über die zuvor zumindest außergerichtlich gestritten worden ist. Dass gilt jedoch nicht für Ansprüchen, über die typischerweise im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gestritten wird wie Zeugnis, Beschäftigung bzw. Freistellung (LAG Hamburg, Beschluss vom 08. Juni 2017 - 8 Ta 10/17 -, Rn. 4, juris).
Soweit das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf den Streitwertkatalog darauf abstellt, die Freistellung werde nur zukunftsbezogen ab dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses berücksichtigt, so dass etwaige Zeiten einer Freistellung zuvor keine Rolle spielten, spricht dies im vorliegenden Fall ebenfalls nicht gegen eine Berücksichtigung eines Mehrwerts in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes. Mit Ziff. 3 des Vergleichs vom 24. November 2021 trafen die Parteien eine Freistellungsregelung, die auch zukunftsbezogen für die Zeit bis zum Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 2021, mithin für mehr als einen Monat ab Vergleichsschluss, die Rechtsbeziehung der Parteien gestaltete.
d) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin war der Regelung in Ziff. 3 des Vergleichs kein weitergehender Mehrwert beizumessen, weil die Beklagte der Klägerin außergerichtlich mit Schreiben vom 29. Oktober 2021 ein Prozessarbeitsverhältnis Wirkung ab dem 01. November 2021 angeboten hatte. Zwar mag zutreffend sein, dass mit der Freistellungsregelung zugleich ein etwaiger Streit hinsichtlich einer Prozessbeschäftigung im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses hinfällig würde.
Vorliegend war ein diesbezüglicher Mehrwert bereits deswegen nicht anzusetzen, da nicht einmal ersichtlich war, ob die Klägerin zum Abschluss eines Prozessarbeitsverhältnisses bereit gewesen wäre, geschweige denn ein solches befristetes Prozessarbeitsverhältnis formwirksam zustande gekommen wäre. Der Vergleich hat insoweit nicht geregelt, dass die Konditionen der angebotenen Prozessbeschäftigung nicht zur Anwendung kommen. Vielmehr ergab sich deren Nichtanwendung bereits aus der nicht erfolgten Annahme des Angebots auf Abschluss des Prozessarbeitsvertrages durch die Klägerin.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint, mit Ziff. 3 des Vergleichs sei auch eine Regelung über eine (nicht erfolgende) Beschäftigung im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses getroffen, beträfe dies die Art und Weise eines Beschäftigungsanspruchs. Dieser ist bereits mit der Festsetzung eines Wertes für die Freistellungsregelung abschließend berücksichtigt. Das fehlende Bedürfnis, "doppelt" einen Wert für eine Freistellung einerseits und eine Regelung zur Vermeidung einer Prozessbeschäftigung andererseits anzusetzen, ergibt sich daraus, dass der Freistellungsanspruch das "Gegenstück" zum Beschäftigungsanspruch ist (s.o.).
e) Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht ferner bei seiner Gegenstandswertfestsetzung für den Vergleich vom 24. November 2021 unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte mit Schreiben vom 29. Oktober 2021 eine weitere Kündigung ausgesprochen hat und deren Wirkungen über Ziff. 1 und 9 des Vergleichs mitgeregelt wurden.
aa) Der Streitwert eines Vergleichs geht über den Streitwert des Verfahrens, in dem der Vergleich geschlossen wird, nur dann hinaus, wenn er Regelungen enthält, durch die andere Streitgegenstände beigelegt werden, die zwar nicht im vorliegenden Verfahren, wohl aber bereits in einem anderen Verfahren anhängig sind, oder über die die Parteien bislang zwar nur außergerichtlich gestritten haben, bei denen aber die konkrete Gefahr besteht, dass sie ohne die vergleichsweise Regelung alsbald in einem gerichtlichen Verfahren ausgetragen werden (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 27. April 2021 - 4 Ta 5/21 -, Rn. 22, juris; Beschluss vom 22. Januar 2013 - 5 Ta 33/12 - juris).
Zwar ist dem Arbeitsgericht zuzustimmen, dass im Zeitpunkt des Vergleichsbeschlusses vom 24. November 2021 die Klagefrist des § 4 KSchG zur Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung bzw. der Änderung der Arbeitsbedingungen hinsichtlich der Kündigung vom 29. Oktober 2021 abgelaufen gewesen sein dürfte.
Gleichwohl bestand noch die konkrete Gefahr, dass ohne die vergleichsweise Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses alsbald in einem gerichtlichen Verfahren auch über die Rechtswirksamkeit der Änderungskündigung vom 29. Oktober 2021 gestritten worden wäre. Ausweislich des Akteninhalts korrespondierten die Prozessbevollmächtigten beider Parteien kurz nach Ausspruch der Änderungskündigung, wobei der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 04. November 2021 einen Vergleichsentwurf übermittelte, zu welchem für die Klägerin am 16. November 2021 gegenüber der Beklagten Zustimmung mitgeteilt wurde. Offenbar kamen die Prozessbevollmächtigten beider Parteien überein, dass es der Prozessbevollmächtigte der Beklagten übernimmt, gegenüber dem Arbeitsgericht unter Mitteilung des versicherten Einverständnisses des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und unter Übersendung des Vergleichstextes anzuregen, den Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festzustellen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin konnte - unter Zugrundelegung üblicher Arbeitsabläufe - davon ausgehen, dass dies unverzüglich nach dem Kläger seit signalisierten Einverständnis mit einem Vergleichsschluss am 16. November 2021 durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erfolgt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat ausgeführt, dass er nur vor dem Hintergrund der zwischen den Prozessbevollmächtigten bereits abgestimmten Einigung der Parteien von der Erhebung einer - ihrerseits kosten- und gebührenauslösenden - Klageerhebung hinsichtlich der Kündigung vom 29. Oktober 2021 abgesehen hat.
Wenn sodann tatsächlich - aus welchen Gründen auch immer - die Mitteilung des beabsichtigen Vergleichs gegenüber dem Arbeitsgericht und die Anregung, nach § 278 Abs. 6 ZPO zu verfahren, erst mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom
23. November 2021 (Bl. 36 d.A.) erfolgte und infolge dieses Zuwartens ein Vergleichsbeschluss durch das Gericht tatsächlich erst nach Ablauf der Klagefrist des § 4 KSchG erfolgt ist, ist anzunehmen, dass ohne den Vergleichsschluss die konkrete Gefahr bestanden hätte, dass die Parteien hinsichtlich der Klärung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 29. Oktober 2021 ein Kündigungsschutzverfahren ausgetragen hätten. Soweit dann infolge des zeitlichen Ablaufs der Vergleichsabstimmung über die Beklagte der Einwand geltend gemacht worden wäre, diese Kündigung gölte wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam, wäre damit zu rechnen gewesen, dass die Klägerin eine entsprechende Klage mit einem Antrag auf Klagezulassung nach § 5 KSchG verbunden und sich darauf berufen hätte, sie sei trotz Anwendung zuzumutender Sorgfalt verhindert gewesen, die Klage fristgerecht zu erheben.
bb) Werden in einem Rechtsstreit mehrere Kündigungen angegriffen, so ist jeder Klageantrag mit einem eigenen Gegenstandswert in Ansatz zu bringen. Die Gegenstandswerte sind gemäß § 5 ZPO zu addieren. Für einen Antrag nach § 4 KSchG ist nur dann ein geringerer Wert als der Wert des für die Dauer eines Vierteljahrs zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend, wenn die Zeitspanne bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Arbeitsverhältnis durch eine weitere Kündigung in Frage gestellt wird, weniger als ein Vierteljahr beträgt. In diesem Fall entspricht der Gegenstandswert dem für diesen Differenzzeitraum zu leistenden Arbeitsentgelt (LAG Hamburg, Beschluss vom 30. Mai 2002 - 6 Ta 14/02 -, juris).
Vor dem Hintergrund, dass die als "betriebsbedingt" ausgesprochene Kündigung vom 10. August 2021 mit Wirkung zum 15. September 2021 und die weitere Kündigung vom 29. Oktober 2021 mit Wirkung zum 30. November 2021 erklärt wurde, ergab sich ein Differenzzeitraum von zweieinhalb Monaten zwischen der ersten und der Folgekündigung. Dass es sich bei der Kündigung vom 10. August 2021 um eine Beendigungs- und bei der Folgekündigung vom 29. Oktober 2021 um eine Änderungskündigung handelte, führt zu keiner anderen Betrachtung.
Unter Zugrundelegung dessen war insoweit auch wegen der Miterledigung eines Streites über die Wirksamkeit der Änderungskündigung vom 29. Oktober 2021 ein Mehrwert in Höhe der zweieinhalbfachen durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung anzusetzen, mithin in Höhe von (2,5 x 5.830,42 € =) 14.576,05 €.
III.
1. Da die Beschwerde überwiegend Erfolg hatte, war dem Beschwerdeführer keine Gebühr nach Nr. 8614 Kostenverzeichnis als Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG aufzuerlegen.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens einander keine Kosten zu erstatten haben (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).
3. Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nicht statt (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).