05.08.2009 · IWW-Abrufnummer 165268
Bundesarbeitsgericht: Beschluss vom 22.04.2009 – 3 AZB 90/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT BESCHLUSS 3 AZB 90/08 In dem Prozesskostenhilfeverfahren hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 22. April 2009 beschlossen: Tenor: Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30. September 2008 - 3 Ta 376/08 - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Gründe: I. Die Rechtsbeschwerde betrifft die Festsetzung von Raten in Höhe von 60,00 Euro monatlich im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens. Die Pflicht zur Ratenzahlung entstand dadurch, dass das Arbeitsgericht den Freibetrag aufgrund von Erwerbseinkommen nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO in Höhe von 176,00 Euro nicht zur Anwendung gebracht hat, da die Klägerin Krankengeld bezog. Das hat das Arbeitsgericht nicht als "Einkommen aus Erwerbstätigkeit" im Rahmen der Vorschrift angesehen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der dahingehende Beschluss wurde der Beschwerdeführerin nicht zugestellt, ihrem Bevollmächtigten jedoch formlos zugeleitet. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf Anrechnung des Erwerbstätigenfreibetrages weiter. II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie hat in der Sache insoweit Erfolg, als das Verfahren an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ist. 1. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begegnet keinen Bedenken. Eine den Fristbeginn auslösende Zustellung des angefochtenen Beschlusses erfolgte nicht, so dass die Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde nicht begonnen hat. Das Rechtsmittel ist trotzdem wirksam eingelegt und begründet. Voraussetzung dafür ist allein, dass die Entscheidung bereits in der Welt ist. Das ist hier der Fall, obwohl sie lediglich formlos mitgeteilt wurde (vgl. BAG 25. November 2008 - 3 AZB 55/08 - zu II 1 der Gründe). 2. Aufgrund der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht entscheiden, ob zu Gunsten der Klägerin der Erwerbstätigenfreibetrag in Ansatz zu bringen ist oder nicht, so dass die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ist (§ 577 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass dann, wenn ein Prozesskostenhilfeberechtigter Krankengeld bezieht, der Erwerbstätigenfreibetrag nicht in Ansatz zu bringen ist. Krankengeld werde nicht für die Tätigkeit gezahlt, sondern weil der Antragsteller nicht in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (übereinstimmend bereits LAG Baden-Württemberg 27. Juni 2007 - 9 Ta 8/07 - zu B II der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg 17. Juli 2008 - 21 Ta 1105/08 - zu II 2 a bb der Gründe; sowie wohl auch LAG RheinlandPfalz 21.März 2006 - 2 Ta 25/06 - zu II der Gründe; differenzierend jedoch LAG Köln 24. August 1999 - 11 Ta 322/98 -). Dem kann in dieser Allgemeinheit jedoch nicht gefolgt werden: Nach § 44 Abs. 1 SGB V steht Versicherten bei Arbeitsunfähigkeit oder stationärer Behandlung Krankengeld zu. Versichert in diesem Sinne sind im Wesentlichen Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Der Krankengeldanspruch knüpft deshalb prinzipiell an ein Arbeitsverhältnis und damit an eine Erwerbstätigkeit an und ist dementsprechend nach § 47 SGB V als Anteil vom regelmäßig erzielten Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen berechnet. Das Krankengeld beträgt 70% des dort genannten Brutto-, höchstens 90% des Nettoeinkommens. Allerdings beschränkt sich der Krankengeldanspruch nicht auf diese, mit dem Arbeitsverhältnis oder der Erwerbstätigkeit zusammenhängende Fallgestaltung. Versichert und krankengeldberechtigt können vielmehr auch Personen sein, die Arbeitslosengeld beziehen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). In diesem Fall wird die Höhe des Krankengeldes nach § 47b SGB V der Höhe nach entsprechend dem Arbeitslosengeld berechnet. In diesem Fall hat das Krankengeld keinen Bezug zur Erwerbstätigkeit und damit zum Erwerbseinkommen. Für die Berücksichtigung des Erwerbstätigenfreibetrages bedeutet dies, dass Krankengeld, das anstelle von Arbeitsentgelt gezahlt und der Höhe nach als Anteil vom Arbeitsentgelt berechnet wird, als Erwerbseinkommen zu betrachten ist, während Krankengeld, das während der Arbeitslosigkeit gezahlt wird, nicht als Erwerbseinkommen zu berücksichtigen ist. Diese Unterscheidung entspricht dem Zweck des Erwerbstätigenfreibetrages. Er soll pauschaliert die erhöhten Aufwendungen ausgleichen, die einem aktiv im Arbeitsleben stehenden Arbeitnehmer entstehen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 21. März 2006 - 2 Ta 25/06 - zu II der Gründe). Dabei geht es nicht um konkrete Kosten, da diese ohnehin als § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1a ZPO iVm. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII als "die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben" geltend gemacht werden können, solange sie tatsächlich anfallen. Vielmehr geht es um nicht näher spezifizierbare und damit zu pauschalierende Aufwendungen. Das Gesetz geht davon aus, dass derartige Aufwendungen solange anfallen, wie der Prozesskostenhilfeantragsteller im Erwerbsleben steht. Nach der aufgezeigten Systematik des Krankengeldrechts muss davon solange ausgegangen werden, wie der Arbeitnehmer Krankengeld erhält, das sich nach § 47 SGB V anhand seines Einkommens berechnet. Es kommt daher auf die vom Landesarbeitsgericht bislang nicht geklärte Frage an, ob die Antragstellerin ein nach § 47 SGB V oder ein nach § 47b SGB V berechnetes Krankengeld bezogen hat. Das wird das Landesarbeitsgericht nach der Zurückverweisung zu klären haben. III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.