21.12.2011
Landesarbeitsgericht Sachsen: Beschluss vom 10.08.2011 – 4 Ta 177/11
Eine Kostenfestsetzung zugunsten eines Streitverkündeten kommt nur in Betracht, wenn im Urteilstenor eine entsprechende Kostengrundentscheidung ausgesprochen worden ist.
Sächsisches
Landesarbeitsgericht
Az.: 4 Ta 177/11 (6) Chemnitz, 10.08.2011
7 Ca 7065/09 ArbG Bautzen, Außenkammern Görlitz
B E S C H L U S S
In dem Kostenfestsetzungsverfahren
unter Beteiligung von:
...hat die 4. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung am 10. August 2011 beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Streithelferin der Beklagten vom 15.04.2011 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen/AK Görlitz vom 28.03.2011 - wird kostenpflichtig
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 3.242,90 €.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit, dem die Streithelferin durch Schriftsatz vom 18.07.2009 (Bl. 96 ff. d. A.) beitrat, hat das Arbeitsgericht die auf Feststellung des Bestehens eines zwischen den Parteien begründeten Arbeitsverhältnisses, eines Anspruchs auf Eingruppierung in eine bestimmte Entgeltgruppe des TVöD sowie auf Zahlung bestimmter Differenzlohnansprüche gerichtete Klage durch Urteil vom 07.01.2010 (Bl. 246 bis 270 d. A.) abgewiesen.
Dieses Urteil enthielt eine Kostenentscheidung, durch die die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt wurden. Eine Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention erging nicht.
Die gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 07.01.2010 eingelegte Berufung des Klägers vom 15.03.2010 wurde durch Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 30.07.2010 auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Tenor des Berufungsurteils hat folgenden Wortlaut:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 07. Januar 2010 - 7 Ca 7065/09 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Revision ist nicht zugelassen.
Eine Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention erging, obwohl sich der Streithelfer durch Schriftsatz vom 22.07.2010 auf Seiten der Beklagten auch in der Berufungsinstanz angezeigt hatte, vorliegend ausdrücklich nicht.
Der Prozessbevollmächtigte des Streitverkündeten und Beschwerdeführers des hiesigen Verfahrens beantragte die Festsetzung seiner Rechtsanwaltskosten gegen den Kläger/Berufungskläger. Ein entsprechender Kostenfestsetzungsbeschluss wurde zunächst erlassen.
Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 03.01.2011 (Bl. 498/499 d. A.). Zur Begründung wurde geltend gemacht, im Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 30.07.2010 fehle eine Kostenentscheidung hinsichtlich der Nebenintervention. Nach dem Wortlaut des § 101 Abs. 1 ZPO müsse über die Kosten der Nebenintervention aber ausdrücklich gesondert im Urteil entschieden werden, da die Kosten der Nebenintervention nicht von dem Begriff "Kosten des Rechtsstreits" im Sinne des § 91 ZPO erfasst würden.
Daraufhin hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 28.03.2011 den vorliegenden Kostenfestsetzungsbeschluss im Rahmen der Abhilfe aufgehoben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass eine Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten der Nebenintervention/Streitverkündung nicht vorliege.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass es vorliegend eines Antrages auf Urteilsergänzung hinsichtlich der Kosten - und Nebenintervention nicht bedurft hätte, da sich die Kostenfolge zwanglos durch Auslegung ermitteln lasse. Zwar enthalte die Urteilsformel vorliegend keinen direkten Ausspruch über die Kosten der Nebenintervention, jedoch sei diese Entscheidung im Wege der Auslegung wie folgt zu ermitteln:
Das Gericht der zweiten Instanz habe entschieden, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen auf Kosten des Klägers zurückgewiesen werde. Das Gericht habe vorliegend gerade nicht nur über die "Kosten des Rechtsstreits" entschieden, sondern habe mit dieser Formulierung sämtliche Kosten, d. h. auch die Kosten der Nebenintervention, dem Kläger auferlegen wollen.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Streitverkündeten/Beschwerdeführers durch Beschluss vom 28.06.2011 nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde (§§11 Abs. 1, 21 Ziff. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 567 Abs. 2 ZPO) ist nicht begründet.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht durch den angegriffenen Beschluss vom 28.03.2011 eine Kostenfestsetzung zugunsten des Streitverkündeten und Beschwerdeführers abgelehnt.
1. Maßgebend ist die Vorschrift des § 101 ZPO. Nach § 101 Abs. 1 S. 1 ZPO sind die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten dem Gegner der Hauptpartei nur aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 - 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Dabei muss über die Kosten der Nebenintervention im Urteil gesondert befunden werden. Denn die Kosten der Nebenintervention werden nicht von dem Begriff "Kosten des Rechtsstreits" im Sinne des § 91 ZPO umfasst. Die Kostenfolge tritt nicht automatisch ein, es bedarf vielmehr einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung (s. Baumbach u. a. ZPO 68. Auflage 2010, § 101 ZPO, Rz. 12). § 101 ZPO setzt voraus, dass eine solche Kostengrundentscheidung im Urteil ergeht (s. Prütting/Gehrlein, Kommentar zur ZPO 2. Auflage 2010, § 101 ZPO, Rz. 3). Die Notwendigkeit einer Kostengrundentscheidung über die Nebenintervention folgt bereits aus dem Wortlaut des § 101 ZPO, und zwar aus der Formulierung "sind aufzuerlegen".
Befindet das Urteil nur über die Kosten des Rechtsstreits, so liegt ein Titel über die Kosten der Nebenintervention nicht vor, weshalb diese auch nicht im nachfolgenden Verfahren nach § 103 beantragt werden kann (Herget in Zöller, Kommentar zur ZPO, 27. Auflage, § 101 ZPO, Rz. 5 m. w. N. aus der Rechtsprechung; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 21. Auflage § 101 Rdnr. 3). Beim rechtsirrigen Übersehen einer Kostengrundentscheidung bezüglich der Nebenintervention ist der Antrag auf Urteilsergänzung nach § 321 ZPO die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit für den Streitverkündeten, eine Kostengrundentscheidung in seinem Sinne zu erlangen (s. OLG München, Beschluss vom 16.06.2003 - 7 W 1516/03 -, NJW-RR 2003, Seite 1440; Zöller, Kommentar zur ZPO, 27. Auflage, § 101 ZPO, Rz. 5). Von dieser Möglichkeit hat der Beschwerdeführer in der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO, also innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung des Urteils, keinen Gebrauch gemacht. Das Urteil ist dem Beschwerdeführer und Streitverkündeten am 22.08.2010 zugestellt worden. Innerhalb der zweiwöchigen Frist ist kein Antrag gemäß § 321 ZPO eingegangen.
2. Ein gestellter Kostenfestsetzungsantrag kann regelmäßig nicht als Antrag auf Ergänzung einer Kostengrundentscheidung ausgelegt werden (s. OLG München, Beschluss vom 16.06.2003 - 7 W 1516/03 -, NJW-RR 2003, Seite 1440).
3. Etwas anderes mag dann gelten, wenn sich im Wege der Auslegung ermitteln lässt, dass sich der Ausspruch gleichwohl auf die Kosten der Nebenintervention erstrecken sollte (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 101 Rdnr. 12; a.A. wohl Herget aaO. und Wolst in Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 101 Rdnr. 5). Für eine solche Auslegung ist hier aber kein Raum. Die Begründung der Kostenentscheidung im Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts gibt weder im Hinblick auf ihre Wortwahl noch in Bezug auf die angeführte Rechtsvorschrift einen entsprechenden Willen zu erkennen.
Auch in der Formulierung in dem Urteil vom 30.07.2010 "auf Kosten des Klägers" ist keine Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention enthalten. Denn bereits der Wortlaut "auf Kosten des Klägers" (vom Gericht unterstrichen) macht hier deutlich, dass ausdrücklich kein Ausspruch über die Kosten der Nebenintervention getroffen werden sollte, nachdem gemäß § 101 ZPO nach herrschender Meinung (vgl. die oben zitierten Fundstellen) gerade über die Kosten der Nebenintervention im Urteil gesondert befunden werden muss.
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen/AK Görlitz vom 28.03.2011 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren folgt für die außergerichtlichen Kosten aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 34 GKG.
Der Wert des Beschwerdegegenstands richtet sich nach dem Umfang der Anfechtung.
Mit der sofortigen Beschwerde verfolgte der Beteiligte zu 1. die Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bautzen/AK Görlitz vom 28.03.2011 und die Erstattung der von dem Beteiligten zu 1. beantragten Kosten in Höhe von 3.242,90 € an den Kläger.
Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§§ 567 Abs. 1, 568 Satz 1 ZPO, 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 S. 1 ArbGG).
Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG) ist nicht ersichtlich. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar.