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  • · Fachbeitrag · Steuerstrafverfahren

    Zur prozessualen Tatidentität zwischen Lohn- und Einkommensteuerhinterziehungen

    von RiLG Dr. Malte Merz und StA Markus Ebner, LL. M., Karlsruhe

    | In Fällen der Schwarzlohnabrede ist zwischen der Hinterziehung der vom Arbeitgeber regelmäßig monatlich anzumeldenden Lohnsteuer (LSt-Hinterziehung) und der Hinterziehung der jährlich zu erklärenden Einkommensteuer des Arbeitnehmers (ESt-Hinterziehung) zu unterscheiden. Dabei ist anerkannt, dass es sich jeweils um selbstständige Taten i.S. von § 53 StGB handelt, sodass es in einem Veranlagungszeitraum aufgrund desselben Lebenssachverhalts zu bis zu 13 materiell-rechtlichen Hinterziehungstaten kommen kann ( BGH 8.2.11, 1 StR 651/10, PStR 11, 136 ). |

    1. Eine prozessuale Tat?

    Bisher nicht entschieden ist indes die Frage, ob die monatlichen LSt-Hinterziehungen eines Jahres und die anschließende Hinterziehung der ESt des gleichen Jahres - genauso wie bei der USt-Hinterziehung (BGH 24.11.04, 5 StR 206/04, PStR 05, 30) - eine einheitliche prozessuale Tat i.S. von §§ 155, 264 StPO bilden. In der Rechtsprechung findet sich hierzu nur ein Beschluss des OLG Zweibrücken (29.4.05, 1 Ws 137/05, PStR 05, 207), in dem das verneint wird. Diese Entscheidung wurde in der Literatur bislang kommentarlos und ohne weitere kritische Prüfung übernommen (siehe nur Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, WirtschaftsStR, § 370 AO Rn. 572; FGJ/Joecks, SteuerStR, 7. Aufl., § 370 Rn. 309). Die Rechtsauffassung des OLG Zweibrücken kann jedenfalls in den Fällen, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine (Teil-)Schwarzlohnabrede getroffen haben, nicht überzeugen.

    2. Innerer Zusammenhang zwischen LSt und ESt

    Der für § 264 Abs. 1 StPO erforderliche innere Zusammenhang der in Tatmehrheit stehenden Hinterziehungstaten folgt - wie bei der USt-Hinterziehung - aus dem materiellen Steuerrecht. Denn auch bei der Schwarzlohnabrede sind die LSt-Anmeldungen des Arbeitgebers und die ESt-Erklärung des Arbeitnehmers eines Jahres hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Bedeutung innerlich derart miteinander verknüpft, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einzelnen Taten nur in der Zusammenschau richtig gewürdigt werden kann. Eine getrennte Würdigung und Aburteilung erschiene als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen, von den Besonderheiten des materiellen Steuerrechts geprägten Lebensvorgangs (BGH 8.2.11, 1 StR 651/10, PStR 11, 136).

     

    Diese prozessuale Tatidentität ergibt sich schon daraus, dass sich LSt-Anmeldung und ESt-Erklärung auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen des jeweiligen Jahres beziehen. Die LSt stellt keine selbstständige Steuerart dar. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Erhebungsform der ESt (§ 38 Abs. 1 S. 1 EStG). Dem Arbeitgeber kommt im LSt-Abzugsverfahren die Stellung eines Entrichtungsverpflichteten zu. Schuldner der LSt ist nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer. Sie wird vom steuerpflichtigen Arbeitslohn einbehalten und für Rechnung des Arbeitnehmers an das Betriebstättenfinanzamt abgeführt. Die LSt-Zahlungen werden bei der ESt-Veranlagung des Arbeitnehmers wie ESt-Vorauszahlungen behandelt. Erfolgt eine Ahndung des Arbeitgebers sowohl wegen LSt-Hinterziehung als auch wegen (Beihilfe zur) ESt-Hinterziehung ist folgerichtig strafmildernd zu berücksichtigen, dass das Steueraufkommen nicht in Höhe der Summe der beiden hinterzogenen Steuern gefährdet ist, sondern nur einmal (Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, WirtschaftsStR, § 370 AO Rn. 467 ff.). Gleiches gilt umgekehrt für den Arbeitnehmer.

     

    Zudem lässt sich das Ziel der Schwarzlohnabrede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, eine dauerhafte Verkürzung der ESt zu bewirken, nur dadurch erreichen, dass sowohl der Arbeitgeber keine LSt-Anmeldungen abgibt als auch der Arbeitnehmer den Lohn in der ESt-Veranlagung nicht erklärt. Der Umstand, dass die Täter von Anfang an verabreden, im Zuge des gemeinsamen Tatplans keine zutreffende ESt-Erklärung abgeben zu wollen, ist auch deshalb schon für die Bestimmung des Hinterziehungsschadens der LSt-Hinterziehung von Bedeutung, weil sich hieraus ergibt, dass die LSt-Hinterziehung nicht nur „auf Zeit“, sondern „auf Dauer“ angelegt ist. Das hat zur Folge, dass der gesamte jeweils monatlich erlangte Vorteil als vom Vorsatz umfasstes Handlungsziel bei der Strafzumessung erschwerend zu berücksichtigen und in die Gesamtabwägung einzustellen ist (BGH 8.2.11, 1 StR 651/10, PStR 11, 136).

     

    Die dagegen vom OLG Zweibrücken (29.4.05, 1 Ws 137/05, PStR 05, 207) vorgebrachten Argumente verfangen vor dem Hintergrund dieser steuer- und steuerstrafrechtlichen Interdependenzen nicht. Den inneren Zusammenhang zwischen LSt und ESt können auch die bisweilen langen Zeiträume zwischen den LSt-Anmeldungen und der ESt-Erklärung nicht aufheben (BGH 8.2.11, 1 StR 651/10, PStR 11, 136). Ein weitergehender „zwingender Zusammenhang“ ist rechtlich nicht erforderlich. Ohne entscheidenden Belang ist auch, dass die LSt-Anmeldung - wie auch die USt-Voranmeldung - eine eigene Steuererklärung nach § 150 AO darstellt.

    3. Auseinanderfallen der Erklärungspflichtigen

    Der prozessualen Tatidentität steht ebenfalls nicht entgegen, dass hier - anders als bei der USt - die Erklärungspflichtigen auseinanderfallen (a.A. OLG Zweibrücken 29.4.05, 1 Ws 137/05, PStR 05, 207). Denn in den Fällen der Schwarzlohnabrede wirken Arbeitgeber und Arbeitnehmer kollusiv zusammen, sodass sich beide das Verhalten des jeweils anderen gemäß § 25 Abs. 2 StGB als Mittäter zurechnen lassen müssen. Sie handeln dann wie ein Täter/Steuerpflichtiger im Strafrechtssinne. Das gilt jedenfalls in Fällen der Falschabgabe (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

     

    In den Nichtabgabefällen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO würde eine mittäterschaftliche Begehung an der Einstufung als Sonderdelikt scheitern. Denn Täter kann hier nach bislang h.M. nur sein, wen selbst die steuerlichen Pflichten treffen. Danach ist Täter der LSt-Hinterziehung nur der Arbeitgeber und der ESt-Hinterziehung nur der Arbeitnehmer. In diesen Fällen kommt aber jedenfalls eine Beihilfe (§ 27 StGB) zur Hinterziehungstat des jeweils anderen in Betracht. Das ist prozessrechtlich für den inneren Zusammenhang i.S. von § 264 Abs. 1 StPO in Fällen der Schwarzlohnabrede ausreichend, weil die mittäterschaftliche Zurechnung allein an der fehlenden formalen Täterstellung scheitert. Für diese Wertung ist neben der zusätzlich eintretenden gemeinsamen „deliktischen“ Haftung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 71 AO auch zu berücksichtigen, dass die Einstufung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO als Sonderdelikt in der Literatur mit beachtlichen Argumenten in Frage gestellt wird (siehe nur Bender, wistra 04, 368, 371; FGJ/Jäger, SteuerStR, 7. Aufl., § 370 Rn. 224c). Wenn man dieser Ansicht folgte, käme auch hier eine mittäterschaftliche Zurechnung wie bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht.

    4. Praktische Auswirkungen

    Bedeutung hat die Zusammenfassung von LSt- und ESt-Hinterziehung zu einer prozessualen Tat in erster Linie für die Frage des Strafklageverbrauchs. Dabei darf insbesondere nicht aus dem Blick geraten, dass mit der Anklage der LSt-Hinterziehung eines Monats zugleich die bis zu 11 weiteren Monate desselben Veranlagungszeitraums und die entsprechende (Beihilfe zur) ESt-Hinterziehung des Arbeitnehmers mitangeklagt sind. Das hat zur Folge, dass auch die nicht ausdrücklich in der Anklage genannten Taten in das Urteil einbezogen werden können, ohne dass es einer Nachtragsanklage (§ 266 StPO) bedarf. Erforderlich wäre lediglich ein rechtlicher Hinweis entsprechend § 265 StPO. Umgekehrt kann gegen denselben Täter keine erneute Anklage erhoben werden, wenn er bereits wegen (Beihilfe zu) einer oder mehrerer der 13 tatmehrheitlichen Taten verurteilt ist.

     

    Außerdem scheidet - entgegen OLG Zweibrücken - eine gemeinschaftliche Verteidigung des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers durch denselben Verteidiger/Steuerberater (§ 392 AO) aus. Denn es handelt sich insgesamt auch um dieselbe Tat i.S. von § 146 StPO.

     

    Von dieser prozessualen Tatidentität nicht betroffen sind dagegen die mit der LSt-Hinterziehung in Schwarzarbeitsfällen regelmäßig tatmehrheitlich zusammentreffenden Vergehen gemäß § 266a StGB (Arbeitgeber) bzw. der (psychischen) Beihilfe hierzu (Arbeitnehmer). Dabei handelt es sich unstreitig um selbstständige Taten im materiell-rechtlichen (BGH 21.9.05, 5 StR 263/05, PStR 05, 277) und prozessualen Sinne (BGH 24.7.87, 3 StR 36/87, NJW 88, 1800, 1801).

    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 60 | ID 37869730