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  • 19.03.2024 · IWW-Abrufnummer 240413

    Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 11.03.2024 – 4 Ta 21/24

    Einzelfallentscheidung zur Zwangsvollstreckung aufgrund eines Titels auf Weiterbeschäftigung als Produktionsleiter


    Tenor: 1. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 16.01.2024 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 02.01.2024 - 4 Ca 441/23 - abgeändert. Gegen die Schuldnerin wird wegen der Nichtvornahme der vertragsgemäßen Beschäftigung des Klägers als Produktionsleiter am Standort W gemäß Ziff. 3 des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 27.09.2023 - 4 Ca 441/23 - ein Zwangsgeld iHv. 9.500,00 Euro verhängt. Für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, wird für je 950,00 Euro ein Tag Zwangshaft festgesetzt, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Schuldnerin K R, C L und A N. Die Vollstreckung der Zwangsmittel entfällt, sobald die Schuldnerin ihrer Verpflichtung nachkommt. 2. Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen. 3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten über die Durchführung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme in Form der Weiterbeschäftigung des Gläubigers.

    Der Gläubiger war zuletzt als Produktionsleiter bei der Schuldnerin zu einer durchschnittlichen monatlichen Bruttovergütung iHv. rd. 9.500,00 Euro beschäftigt. Die Parteien führten nach arbeitgeberseitiger Kündigung einen Kündigungsschutzrechtsstreit. Das Arbeitsgericht hat durch noch nicht rechtskräftiges Urteil vom 27.09.2023 die Unwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt. In Ziff. 3 des Tenors hat es entschieden:

    Die Aufgaben eines Produktionsleiters umfassen entsprechend einer Stellenbeschreibung vom 19.12.2018 folgende Punkte:

    - eingehende Aufträge zu bearbeiten, Vorgaben auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen, Produktionsaufträge umzusetzen;

    - Materialdisposition und Abgleich mit Lagerbeständen;

    - Kontrolle von Vorgaben der Entwicklung und Konstruktion, Erstellen von Arbeitsanweisungen mit Fotodokumentation in Zusammenarbeit mit Entwicklung und Qualitätssicherung;

    - Kontrollieren, Abgleichen und Freigeben von Produkt- und Produktionsunterlagen wie z.B. Zeichnungen, Stücklisten, Produktionsaufträgen;

    - Herstellen von Mustern und Prototypen mit entsprechender Dokumentation und Materialdisposition, Kontinuierliche Optimierung von Produktionsprozessen.

    Die Parteien einigten sich in der Folgezeit auf einen Arbeitsbeginn des Gläubigers zum 23.10.2023.

    Microsoft Office sowie ein Internetzugang wurden dem Gläubiger erst ab dem 09.11.2023 zur Verfügung gestellt, zuvor wurde ihm eine ODT-Software zur Verfügung gestellt. Zunächst hatte der Gläubiger nur Zugang zu Werk 2. Am 23.11.2023 wurde dem Gläubiger ein Drucker zur Verfügung gestellt. Am 09.02.2024 wurde der Gläubiger darüber informiert, dass er nun auch Zugang zu Werk 1 habe. Einen dienstlichen E-Mail-Account richtete die Schuldnerin dem Gläubiger nicht wieder ein.

    Der Gläubiger ist der Auffassung, dass der ihm zugewiesene Einsatz nicht die von ihm begehrte Weiterbeschäftigung als Produktionsleiter sei. Die letzte ihm zugewiesene Aufgabe vom 23.10.2023 ("Planung für eine Automatisierung im Fertigungsprozess", Anl. B 20, Bl. 493 d.A.) habe er - so behauptet er - am 03.11.2023 erledigt; ab dem 06.11.2023 sei er in keiner Weise mehr beschäftigt worden; gleichzeitig habe er die Produktion nicht betreten dürfen. Ihm fehle weiterhin der Zugang zur Produktion, Informationen, ein externer Telefonanschluss, ein Zugriff zum Server und Software. Er habe seine Arbeit auch nicht selbständig eingestellt; vielmehr warte er derzeit auf eine Rückmeldung zu seinen Ausarbeitungen. Er habe mehrfach um eine Besprechung gebeten, jedoch keine Antwort erhalten. Er sei zur Erfüllung seines Weiterbeschäftigungsanspruches so einzusetzen, dass er grundsätzlich in der Lage sei und bleibe, das gesamte Spektrum der Arbeitsaufgaben bei Bedarf und Zuweisung adäquat erledigen zu können. Das sei hier nicht schon durch die Übertragung einer kleineren Teiltätigkeit aus dem gesamten Aufgabenspektrum erfüllt, wenn er gleichzeitig von jeglichem Kundenkontakt, vom innerbetrieblichen Arbeitsaustausch ferngehalten und ihm der Zugang und die Nutzung aller für das Geschäft der Schuldnerin notwendigen und üblichen - computerbasierten - Informationsquellen verwehrt werde. Ohne ständigen Zugang zu Markt- und Projektinformationen sowie die Teilnahme am Informationsaustausch mit Kollegen sei er nicht mehr in der Lage, seine Hauptaufgaben angemessen durchzuführen.

    Der Gläubiger beantragt,

    Die Schuldnerin beantragt,

    Sie ist der Auffassung, sie beschäftige den Gläubiger unter Ausübung des Direktionsrechts im vertraglich zulässigen Rahmen. Der Vortrag des Gläubigers sei vollkommen missverständlich. Er habe sich in Widersprüche dazu verstrickt, ob er gar nicht oder ob er nur nicht mit den von ihm gewünschten Aufgaben beschäftigt werde. Dem Gläubiger sei mittlerweile ein vollfunktionsfähiger Arbeitsplatz mit PC, Telefon, Internetzugang etc. zur Verfügung gestellt worden. Der Gläubiger habe nunmehr - unstreitig - Zutritt zu beiden Werken. Er habe zudem auch Zugang zur Produktion. Er komme den ihm übertragenen Aufgaben nicht bzw. nicht in der geforderten Zeitschiene nach und beschäftige sich hauptsächlich damit, immer wieder darauf hinzuweisen, dass ihm angeblich Informationen und erforderliche Abstimmungen vorenthalten würden. Dies sei nicht richtig. Es hätten nach dem Arbeitsauftrag vom 23.10.2023 in regelmäßigen Abständen immer wieder Abstimmungen zu den zugewiesenen Aufgaben zwischen dem Gläubiger und dem Geschäftsführer der Schuldnerin stattgefunden. Der Gläubiger habe - u.a. durch seine Schreiben vom 28.11.2023 und 08.12.2023 (Anl. B21 f., Bl. 495 f. d.A.) - selbst dokumentiert, dass er von der Schuldnerin beschäftigt werde. Unklarheiten über den Inhalt der Weiterbeschäftigungsverpflichtung dürften schließlich nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden.

    Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Gläubigers mit Beschluss vom 02.01.2024 zurückgewiesen. Der Beschluss ist dem Gläubiger am selben Tag zugestellt worden. Der Gläubiger hat unter dem 16.01.2024 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

    1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG iVm. § 793 ZPO an sich statthaft und wurde innerhalb der in § 569 Abs. 1 ZPO normierten Zweiwochenfrist eingelegt worden.

    2. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) liegen vor. Bei der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung handelt es sich nach einhelliger Auffassung um die Verurteilung zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung gemäß § 888 ZPO (vgl. etwa LAG Hessen 09.10.2015 - 12 Ta 84/15 - Rn. 12).

    3. Die Schuldnerin kommt der titulierten Verpflichtung zur Beschäftigung des Gläubigers als Produktionsleiter nicht in einer Weise nach, die als Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) angesehen werden könnte.

    a) Grundsätzlich kann sich der Schuldner auch im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens auf die Erfüllung der titulierten Verpflichtung berufen. Zwar handelt es sich dabei um einen Einwand, der unmittelbar den materiell-rechtlichen Bestand des titulierten Anspruchs betrifft, und nicht um einen Einwand gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung. § 888 ZPO spricht in seinem Wortlaut jedoch davon, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung anzuhalten ist. Das kann nur bedeuten, dass die Handlung noch nicht vorgenommen ist. Mit ihrer Vornahme entfällt die Notwendigkeit der Zwangsvollstreckung. Das gilt bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die sofortige Beschwerde und ist aus prozessökonomischen Überlegungen geboten (vgl. BGH 06.06.2013 - I ZB 56/12 - Rn. 9 f.; Zöller/Seibel ZPO 35. Aufl. § 888 Rn. 11).

    b) Die Schuldnerin beschäftigt den Gläubiger derzeit nicht als Produktionsleiter.

    aa) Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin dem Gläubiger einen ordnungsgemäß ausgestatteten Arbeitsplatz für diese Tätigkeit zur Verfügung stellt.

    (1) Die Schuldnerin trägt insoweit lediglich vor, dass dem Gläubiger "ein vollfunktionsfähiger Arbeitsplatz mit PC, Telefon, Internetzugang etc." zur Verfügung gestellt werde. Auf die Einwände des Gläubigers, dass ihm - unstreitig - kein E-Mail-Account eingerichtet worden sei und er keinen Zugriff auf den Server der Beklagten erhalte, ist die Schuldnerin nicht eingegangen. Die Kammer geht mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon aus, dass zumindest ein eigener E-Mail-Account sowie der Serverzugang bislang zur Arbeitsmittelausstattung des Gläubigers als Produktionsleiter gehörten und bei lebensnaher Betrachtung zur Erfüllung der Tätigkeiten eines Produktionsleiters auch erforderlich sind. Somit waren sie auch wiedereinzurichten.

    (2) Der Vollständigkeit halber - ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankäme - sei angemerkt, dass das übrige Vorbringen des Gläubigers im Hinblick auf die Zurverfügungstellung eines ordnungsgemäß ausgestatteten Arbeitsplatzes unergiebig blieb.

    (a) Soweit der Gläubiger das Fehlen eines "externen Telefonanschlusses" und den mangelnden Zugriff auf sonstige "Software" moniert, blieb mangels näherer Angaben jedenfalls eine Erforderlichkeit der Zurverfügungstellung unklar.

    (b) Soweit der Gläubiger anführt, dass er von jeglichem Kundenkontakt und vom innerbetrieblichen Arbeitsaustausch ferngehalten werde und er ohne ständigen Zugang zu Markt- und Projektinformationen sowie die Teilnahme am Informationsaustausch mit Kollegen nicht mehr in der Lage sei, seine Hauptaufgaben angemessen durchzuführen, hat er lediglich formelhaft Wendungen aus der Entscheidung des LAG Hessen (09.10.2015 - 12 Ta 84/15 - Rn. 16) übernommen ohne darzulegen, inwiefern diese auf seine Weiterbeschäftigung Anwendung finden. Jedenfalls erschließt sich nicht von selbst, inwiefern der Gläubiger als Produktionsleiter überhaupt in Kundenkontakt steht (anders als die regionale Vertriebsdirektorin in der Entscheidung des LAG Hessen) und "ständigen Zugang zu Markt- und Projektinformationen" benötigt.

    (c) Auch blieb im Dunkeln, inwiefern der Gläubiger weiterhin keinen Zugang zur Produktion haben will, obwohl ihm gleichzeitig - unstreitig - nunmehr der Zutritt zu beiden Werken möglich ist.

    bb) Darüber hinaus weist die Schuldnerin dem Gläubiger seit dem 06.11.2023 keine Tätigkeiten zu.

    (1) Die Schuldnerin hat dem Gläubiger unter dem 23.10.2023 eine Aufgabe zugewiesen ("Planung für eine Automatisierung im Fertigungsprozess"), welche der Gläubiger nach eigenem Bekunden bereits am 03.11.2023 erledigt hat. Soweit die Schuldnerin hiergegen einwendet, dass in der Folgezeit in regelmäßigen Abständen immer wieder Abstimmungen zu den zugewiesenen Aufgaben zwischen dem Gläubiger und dem Geschäftsführer der Schuldnerin stattgefunden hätten, was der Gläubiger selbst u.a. durch seine Schreiben vom 28.11.2023 und 08.12.2023 dokumentiert habe, vermag sie damit nicht durchzudringen. Die benannten Schreiben dokumentieren gerade keine Abstimmung zwischen dem Gläubiger und dem Geschäftsführer der Schuldnerin, sondern vielmehr nur die Aufforderung des Gläubigers an die Schuldnerin, ihm eine Rückmeldung zu seiner erledigten Aufgabe zu geben. Dass die Schuldnerin auf diese Aufforderungen in irgendeiner Weise eingegangen wäre, trägt sie bezeichnenderweise schon nicht vor.

    (2) Weitere Aufgaben hat die Schuldnerin dem Gläubiger nicht zugeteilt.

    c) Eine - generell unzulässige - Verlagerung von Unklarheiten über den Inhalt der Weiterbeschäftigungsverpflichtung aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren liegt nicht vor. Es geht vorliegend um das "Ob" der Beschäftigung, nicht um das "Wie".

    4. Es war ein Zwangsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts des Gläubigers, nämlich 9.500,00 Euro, festzusetzen. Das Zwangsgeld muss verhältnismäßig sein. Bei Titeln, die die Weiterbeschäftigung zum Gegenstand haben, wird regelmäßig ein Zwangsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts als verhältnismäßig angesehen, nur bei hartnäckiger Weigerung auch mehr (vgl. etwa LAG Hessen 09.10.2015 - 12 Ta 84/15 - Rn. 20 mwN). Hinreichende Anhaltspunkte für eine hartnäckige Weigerung der Schuldnerin sind - bislang - nicht gegeben.

    5. Die ersatzweise anzuordnende Zwangshaft für den Fall, dass das angeordnete Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, war mangels Handlungsfähigkeit der Schuldnerin als juristische Person gegen ihre Organe zu verhängen, also ihre Geschäftsführer nach § 35 Abs. 1 GmbHG (vgl. BGH 23.09.2021 - I ZB 20/21 - Rn. 76; Zöller/Seibel ZPO 35. Aufl. § 890 Rn. 16, jeweils mwN).

    6. Die Kosten des Verfahrens hat gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Schuldnerin zu tragen.

    7. Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG) war nicht ersichtlich. Damit ist der Beschluss unanfechtbar.

    Vorschriften§ 62 Abs. 2 ArbGG, § 793 ZPO, § 569 Abs. 1 ZPO, § 888 ZPO, § 35 Abs. 1 GmbHG, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO