· Fachbeitrag · Berufsunfähigkeitsversicherung
In diesen Fällen muss eine Parkinsonerkrankung ungefragt nicht angegeben werden
| Wird im Antragsformular für eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nach neurologischen Erkrankungen gefragt, ist der Antragsteller auch nicht verpflichtet, eine ihm bekannte Erkrankung an Parkinson „spontan“ anzugeben. Es kann sich jedoch aus anderen Gründen eine Offenbarungspflicht des VN ergeben. So entschied es das OLG Dresden. |
1. Die Grundsätze zur Anzeigepflicht des VN
Der VN muss bei Vertragsschluss seinen Anzeigepflichten nachkommen. Der VR kann den Vertrag nach § 22 VVG i. V. m. §§ 123 ff. BGB anfechten, wenn der VN seine Offenbarungspflicht arglistig verletzt. Die Voraussetzungen für eine solche Anfechtung des VR sind Folgende:
Übersicht / Voraussetzungen für das Anfechtungsrecht des VR |
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2. VN hat keine spontane Anzeigepflicht bei Parkinson
Fragt der VR in seinem Fragebogen explizit nach einer Parkinsonerkrankung, muss diese natürlich angegeben werden. Das gilt unabhängig davon, ob bereits eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit vorliegt.
Fragt der VR dagegen nicht nach einer Parkinsonerkrankung, muss der VN diese nicht als neurologische Erkrankung im Rahmen einer spontanen Anzeigepflicht angeben. Diese Klarstellung traf das OLG Dresden (21.3.24, 4 U 1975/23, Abruf-Nr. 241249). Es begründet seine Entscheidung so:
Arbeitshilfe / Argumente gegen eine spontane Offenbarungspflicht |
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3. Andere Gründe für eine Offenbarungspflicht
Es kann sich jedoch aus anderen Gründen eine Pflicht des VN ergeben, auf die Parkinsonerkrankung hinzuweisen. Denn auch wenn der VR nicht ausdrücklich nach einer Parkinsonerkrankung fragt, kann sich eine Offenbarungspflicht aus den anderen Fragen des VR ergeben.
Das OLG Dresden hat das im vorliegenden Fall angenommen. Es war der Ansicht, der VN hätte bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen die ihm obliegenden Offenbarungspflichten objektiv verletzt und den VR insoweit über seinen Gesundheitszustand arglistig getäuscht.
Das folge daraus, dass der VR im Formular auch nach „Erkrankungen oder Beschwerden des Bewegungsapparats“ gefragt hat. Solche hat der VN aber wissentlich verschwiegen. Denn ausweislich des Arztberichts der Uniklinik vom 2.6.15 lagen beim VN seit 2013 bemerkbare und sich seither schleichend verstärkende Beschwerden im rechten Arm und im rechten Bein im Sinne einer verminderten Beweglichkeit und Unterbrechungen bei feinmotorischen Bewegungen sowie ein Rigor im rechten Handgelenk und Ellbogengelenk vor. Die Falschbeantwortung der Frage nach „Beschwerden des Bewegungsapparates“ innerhalb der letzten zwei Jahre ist auch relevant, weil die vom VN verschwiegenen Umstände von ihm offensichtlich nicht als belanglos eingeschätzt wurden und einzustufen sind.
Merke | Ob eine bei Antragstellung anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen. Abzustellen ist auf das Gesamtbild, das die Erkrankungen über den Gesundheitszustand des VN vermitteln (OLG Dresden 18.9.20, 4 U 1059/20).
Die beim VN u. a. während des Skifahrens aufgetretenen Beschwerden des Bewegungsapparats waren immerhin so erheblich, dass er bei seinem Hausarzt und bei einem Neurologen vorstellig wurde und umfangreiche Untersuchungen vornehmen ließ. Außerdem holte er bei der Uniklinik eine Zweitmeinung ein. Dass die von ihm wahrgenommenen Beschwerden letztlich auf die Diagnose „Parkinson“ zurückgeführt wurden, vermag ihn von der Anzeigepflicht nicht zu entlasten. Der VR hatte nämlich allgemein nach „Beschwerden des Bewegungsapparats“ und nicht nach deren Ursache oder Diagnose gefragt.
Der VN hat diese offenbarungspflichtigen Umstände mit Täuschungsvorsatz verschwiegen. Es gibt zwar keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung dahin gehend, dass eine unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand immer oder nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Umgekehrt gilt aber auch, dass es sich bei der Arglist und dem Arglistvorsatz um eine innere Tatsache handelt, sodass der Beweis nur durch Indizien geführt werden kann. Dabei ist auf die konkreten Umstände und insbesondere auf die Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben, den Umfang der verschwiegenen Tatsachen, die Dauer der Störungen, die Auswahl der genannten und nicht genannten Befunde sowie die zeitliche Nähe zur Antragstellung abzustellen (OLG Brandenburg 11.12.18, 11 U 72/16; OLG München 30.3.12, 25 U 5453/09). Das starke Verharmlosen gewisser Umstände indiziert die Arglist hierbei ebenso, wie das Verschweigen entweder schwerer oder chronischer Erkrankungen (Nachweise bei Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 22 Rn. 15/16). Steht fest, dass Angaben beim Vertragsschluss objektiv falsch gewesen sind, trifft den VN zudem eine sekundäre Darlegungslast. In deren Rahmen muss er substanziiert und nachvollziehbar vortragen, wie und weshalb es dazu gekommen ist.