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  • · Fachbeitrag · Krankenversicherung

    In diesen Fällen ist das vorbehaltlose Begleichen von Arztrechnungen ein Anerkenntnis des VR

    von RA Nikolaos Penteridis, FA VersR, MedR und SozR, Bad Lippspringe

    Die vorbehaltlose Begleichung von Arztrechnungen durch den Krankenversicherer stellt ein Anerkenntnis dar, wenn über die Erstattungsfähigkeit der Rechnungen bereits ein Rechtsstreit geführt wird, die Rechnungen auf einen Hinweis des Gerichts durch die Ärzte neu begründet und sie von der Prozessbevollmächtigten des VN mit einem Begleitschreiben beim VR eingereicht wurden, in dem auf alle diese Umstände ausdrücklich hingewiesen wird (OLG Frankfurt a.M. 18.10.12, 3 U 278/11, Abruf-Nr. 130372).

    Sachverhalt

    Der VN begehrt vom VR Kostenerstattung von Aufwendungen i.H.v. 8.232,85 EUR, die er im Zusammenhang mit seiner Krebsbehandlung erbracht hat. Der VR weigerte sich, sodass der VN die Forderung gerichtlich geltend machte. Nach einem gerichtlichen Hinweis des LG Frankfurt a.M. reichte der VN über seinen Prozessbevollmächtigten neue Rechnungen seiner behandelnden Ärzte beim VR ein. Der neue Rechnungsbetrag lag bei 5.406,36 EUR. Er wurde mit dem Hinweis versehen, dass die darin abgerechneten Leistungen Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung seien. Der VR erstattete den Betrag in voller Höhe, verlangte diesen aber bereits zwei Wochen später mit der Begründung zurück, es habe sich bei der Leistung um ein Versehen gehandelt.

     

    Der VN hat erstinstanzlich Zahlung des Restbetrags in Höhe von 2.826,49 EUR und Feststellung begehrt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe des Zahlungsbetrags erledigt habe. Der VR hat widerklagend den gezahlten Betrag zurückverlangt.

     

    Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. In der vorbehaltlosen Zahlung der Beklagten sei kein Anerkenntnis zu sehen. Der Senat hat das Urteil des LG teilweise dahin abgeändert, dass die Hauptsache in Höhe von 5.406,38 EUR erledigt sei. Im Übrigen hat es die Klage und die Widerklage abgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Senat hat - was hier allein interessiert - hinsichtlich der vorbehaltlosen Zahlung zutreffend entschieden. Unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH (11.11.08, VIII ZR 265/07, Abruf-Nr. 083789 m.w.N.) stellt das OLG zunächst klar, dass in der bloßen Bezahlung einer Rechnung ohne Erhebung von Einwendungen ein Anerkenntnis der damit geltend gemachten Forderung grundsätzlich nicht gesehen werden kann. Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält über seinen Charakter als Erfüllungshandlung (§ 363 BGB) hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen. Das gilt auch für die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen Anspruchsmerkmale.

     

    Zwar wird es in der Rechtsprechung des BGH nicht als ausgeschlossen angesehen, der vorbehaltlosen Begleichung einer Rechnung zugleich eine Anerkenntniswirkung hinsichtlich der zugrunde liegenden Forderung beizumessen. Dies erfordert aber stets ein Vorliegen weiterer Umstände, die geeignet sind, eine derartige Wertung zu tragen.

     

    • Die Wertung einer rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung als Anerkenntnis setzt eine Interessenlage voraus, die zur Abgabe eines Anerkenntnisses Anlass gibt.

     

    • Eine solche Interessenlage kann namentlich darin liegen, ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis einem Streit oder zumindest einer (subjektiven) Ungewissheit über den Bestand des Rechtsverhältnisses oder seine Rechtsfolgen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen zu entziehen (BGHZ 66, 250, 255; BGH WM 95, 402; BGH NJW-RR 07, 530).

     

    Nach Ansicht des OLG liegen derartige weitere Umstände vor. Denn die Rechnung wurde während eines Rechtsstreits über die Forderung korrigiert eingereicht. Der Prozessbevollmächtigte wies in dem Begleitschreiben auf das rechtshängige Verfahren und auf die Einwände der Beklagten hin. Der VR musste somit erkennen, dass von ihm eine Prüfung auf die Richtigkeit verlangt werde. Da er jedoch vorbehaltlos geleistet hat, konnte der VN darin die Erklärung sehen, dass zumindest dieser Rechnungsbetrag dem Streit entzogen werden soll und der VR keine Einwände erhebt.

     

    Soweit der VR einwendet, dass er pro Tag mehr als 10.000 Leistungsabrechnungen bearbeitet, dabei Prüfungen nur stichprobenweise vornimmt und die Leistungsbescheide nur mit Faksimileunterschriften versehen sind, wird er damit nicht gehört. Der Senat weist zutreffend darauf hin, dass es sich dabei um interne Organisationsmängel handelt, die eine Anfechtung der Erklärung nicht rechtfertigen.

     

    Praxishinweis

    In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass im Rahmen von Kostenerstattungsprozessen korrigierte, an der Auffassung des Gerichts orientierte Rechnungen eingereicht werden.

     

    Der VN-Anwalt sollte dabei so vorgehen, wie es der Kollege in dem hier besprochenen Fall getan hat: In einem Begleitschreiben sollte auf den rechtshängigen Prozess und die Einwände des VR gegen die ursprüngliche Rechnung hingewiesen werden. Sollte dann der VR vorbehaltlos zahlen, dürften die Voraussetzungen für ein Anerkenntnis entsprechend der Rechtsprechung des BGH regelmäßig vorliegen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Wie ist die Beweislast bei Rückforderung der unter Vorbehalt erbrachten Versicherungsleistung? OLG Koblenz VK 11, 85
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 46 | ID 38279100