· Fachbeitrag · Widerspruch
Das gilt zum Widerspruchsrecht bei fehlendem Hinweis auf die Schriftform in der Belehrung
| Der fehlende Hinweis auf die erforderliche Schriftform des Widerspruchs kann dem VN die Möglichkeit nehmen, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. In diesem Fall liegt kein geringfügiger Belehrungsfehler vor, der einer Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 242 BGB entgegensteht. |
1. Der Ausgangsfall
In dem Begleitschreiben des VR zum Versicherungsschein war folgende Widerspruchsbelehrung enthalten: „Dem Abschluss dieses Vertrags können Sie innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der beigefügten Unterlagen widerspre-chen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
2. Die Belehrung war fehlerhaft
Der BGH hielt diese Belehrung für nicht ausreichend (6.9.23, IV ZR 150/21, Abruf-Nr. 237517). Sie belehre nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. über das Widerspruchsrecht:
- Die Widerspruchsbelehrung enthält keinen Hinweis auf die nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG in der ab dem 29.7.94 gültigen Fassung erforderliche Schriftform des Widerspruchs. Dieses Formerfordernis konnte der VN nicht aus der Formulierung entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge.
- Der Belehrung lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass die Schriftform abbedungen und dem VN die Möglichkeit eines Widerspruchs auch in mündlicher Form eingeräumt werden sollte (vgl. BGH 15.3.23, IV ZR 40/21, VersR 2023, 631 Rn. 10; vom 29.7.15, IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 24; jeweils m. w. N.).
3. Geringfügiger Belehrungsfehler hat keine Auswirkungen
Der BGH hat erst kürzlich entschieden (15.2.23, IV ZR 353/21, VK 23, 63), dass ein Bereicherungsanspruch nach § 242 BGB wegen rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen ist, wenn dem VN durch eine fehlerhafte Information in der Widerspruchsbelehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. Unter diesen (engen) Voraussetzungen liegt ein geringfügiger Belehrungsfehler vor, der einer Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 242 BGB entgegensteht.
4. Fehlender Hinweis auf Schriftform
Im vorliegenden Fall musste daher geklärt werden, ob der VN durch den fehlenden Hinweis auf die nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG in der ab dem 29.7.94 gültigen Fassung erforderliche Schriftform des Widerspruchs die Möglichkeit genommen wurde, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.
Der BGH ist der Ansicht, dass in diesem Fall kein geringfügiger Belehrungsfehler mehr vorliegt. Er verweist dazu auf seine Entscheidung vom 15.3.23 (IV ZR 40/21, VK 23, 86). Danach liegt kein geringfügiger Belehrungsfehler im oben genannten Sinne vor, wenn eine Widerspruchsbelehrung keinen Hinweis auf die nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a. F. erforderliche Form (hier: Schriftform) enthält. Allein dem in der Belehrung enthaltenen Hinweis, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung der Widerspruchserklärung genüge, wird der VN nicht entnehmen, dass ein Widerspruch in Schriftform erforderlich ist. Vielmehr wird er annehmen, dass ein formloser Widerspruch ebenfalls genügt.
5. Eine Besonderheit besteht bei der Nachbelehrung
Eine Besonderheit kann sich aber für den Fall ergeben, dass der VN vom VR später eine ordnungsgemäße Nachbelehrung erhalten hat. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht noch keine Feststellungen zu dem Vortrag der Beklagten, der Kläger habe mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 eine ordnungsgemäße Nachbelehrung erhalten, getroffen hat.
Wie der Senat mit Urteil vom 15.3.23 (a. a. O.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, kann eine solche Nachbelehrung, unabhängig davon, ob sie geeignet ist, die Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. noch in Gang zu setzen, als besonders gravierender Umstand gewertet werden, sodass dem VN die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs nach § 242 BGB verwehrt wäre. Dies setzt vor allem voraus, dass die Nachbelehrung die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung ‒ abgesehen vom Zeitpunkt der Erteilung ‒ nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. erfüllt. Erforderlich ist zudem ein hinreichend deutlicher Bezug zu dem Vertrag, dessen Abschluss der VN noch widersprechen konnte.
Arbeitshilfe / Prüfungsschema zum wirksamen Widerspruch |
Es ergibt sich damit folgendes Prüfungsschema:
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