· Fachbeitrag · Rechtsschutzversicherung
ARB: Zur Abgrenzung des beruflichen vom Privatbereich im Rechtsschutz für Selbstständige
von RA Dr. Friedrich Bultmann, Berlin
(OLG Nürnberg 21.1.13, 8 U 1537/12, Abruf-Nr. 130432) |
Sachverhalt
Der VN unterhält eine Rechtsschutzversicherung über Privat- und Verkehrsrechtsschutz für Selbstständige gemäß § 23 ARB 2002. Versicherungsschutz besteht für den VN und seinen Ehegatten, wenn einer oder beide eine gewerbliche, freiberufliche oder sonstige selbstständige Tätigkeit ausüben, für den privaten Bereich und für den beruflichen Bereich in Ausübung einer nicht selbstständigen Tätigkeit. Der Versicherungsschutz umfasst Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht gemäß § 2 d) ARB. Der VN betreibt ein im Handelsregister eingetragenes Unternehmen für Consultingleistung über Investitionen in Fotovoltaikanlagen. Er berät dabei von der Suche nach geeigneten Dächern über die Vermittlung von Pachtverträgen für solche Dächer, die Vermittlung von Krediten und Fördermitteln, die Einholung von Angeboten für die Anlagen und deren Installation, bis hin zur Vorbereitung der Verträge zwischen Kunde und Energieversorger über die Einspeisung des erzeugten Stroms.
Der VN kaufte bei der Firma E-GmbH eine Fotovoltaikanlage, die er auf ein von ihm angebrachtes Dach montieren ließ. Für den Kaufpreis in Höhe von 205.617 EUR inkl. Mehrwertsteuer investierte er 70.000 EUR Eigenkapital. Die Restsumme finanzierte er über ein Darlehen mit Fördermitteln. Aus den Einspeisungserträgen verbleibt dem VN ein Gewinn von ca. 1.000 EUR pro Monat. Die Verträge über den Erwerb der Anlage, die Finanzierung und die Förderung und die Einspeisungsverträge schloss der VN im eigenen Namen ab. Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit dem Projekt werden über ein vom Firmenkonto getrenntes Privatkonto des VN abgewickelt. Eine Baugenehmigung für die Errichtung der Anlage wurde nicht eingeholt. Für den Rechtsstreit zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen gegen die E-GmbH begehrt der VN Deckung aus der Rechtsschutzversicherung. Der VR hat Deckung abgelehnt. Er ist der Auffassung, Kauf und Betrieb der Anlage gehören zum Gewerbebetrieb des VN. Es handele sich um eine nicht versicherte selbstständige Tätigkeit.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des VR blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Bei der Auseinandersetzung zwischen dem VN und der E-GmbH handelt es sich nach Auffassung des Senats um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen für den privaten Bereich.
Grundsätzlich gehört die Verwaltung eigenen Vermögens, auch wenn es beträchtlich ist, zum privaten Bereich. Die Aufnahme von Fremdmitteln kann zur ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung gehören und lässt deshalb nicht zwangsläufig auf ein Gewerbe oder eine freiberufliche Tätigkeit schließen. Nicht einmal ein spekulativer Charakter der Geschäfte führt zwingend zu dem Schluss, diese Geschäfte würden als Beruf betrieben. Ausschlaggebendes Kriterium für die Abgrenzung der privaten von der berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung ist der Umfang und der für die Verwaltung notwendigen oder nützlichen Geschäfte. Berufsmäßig ist die Vermögensverwaltung, wenn der Umfang einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert, etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung der Geschäfte (BGH NJW 92, 3442).
Die eigene Vermögensverwaltung ist eine selbstständige Tätigkeit, wenn sie einen so außergewöhnlichen Umfang annimmt, dass sie neben einer sonstigen beruflichen Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann oder, wenn sie auf Erzielung von Einkünften ausgelegt ist, die das sonstige Einkommen praktisch ersetzen (OLG Celle 22.11.07, 8 U 110/07; OLG Frankfurt a.M. 30.3.01, 22 W 27/00). Die Rechtsangelegenheit des VN gegen die E-GmbH gehört damit zum Privatbereich, da
- die mit der Fotovoltaikanlage erzielten Einkünfte nicht so umfangreich sind, dass sie als berufsmäßige Einnahmequelle anzusehen sind,
- der Aufwand zur Betreuung der Anlage minimal ist und
- die Rahmenbedingung der Stromeinsparung langfristig staatlich reguliert sind; das Unternehmensrisiko daher zuverlässig kalkulierbar ist.
Dass der VN zu eigenen Zwecken Consultingleistungen aus dem Bereich seiner sonstigen nicht versicherten beruflichen Tätigkeit nutzt, steht der Zuordnung zum Privatbereich nicht entgegen. Der VN nutzt insoweit bei der privaten Vermögensverwaltung die bei ihm vorhandene Expertise. Im Rahmen seines Geschäftsbetriebs betreut er Investments seiner Kunden, erwirbt und betreibt aber derartige Anlagen nicht selbst. Die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB greift damit nicht ein. Die Verträge mit der E-GmbH und die sonst mit dem Projekt verbundenen Verträge hat der VN nicht unter seiner Firma geschlossen. Einnahmen aus dem Projekt fließen auf sein Privatkonto.
Die steuer- und gewerberechtliche Zuordnung von Investitionen dieses Umfangs in eine Fotovoltaikanlage als selbstständiger Gewerbebetrieb schließt eine Zuordnung zum Privatbereich in der Rechtsschutzversicherung nicht aus. Die Begriffe privater Bereich bzw. beruflicher Bereich in der Risikobeschreibung der ARB knüpfen nicht an steuer- und gewerberechtliche Begriffe an.
Der Baurisikoausschluss gemäß § 3 Abs. 1 d) ARB 2002 greift nicht ein. Es handelt sich bei der Fotovoltaikanlage nicht um ein Gebäude oder Gebäudeteil. Dies ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Definition des wesentlichen Bestandteils eines Gebäudes in § 94 Abs. 2 BGB. Es handelt sich auch nicht um eine bauliche Veränderung eines Gebäudes oder Gebäudeteils im Sinne von § 3 Abs. 1 d) cc) ARB 2002, da sich das Dach, auf dem die Fotovoltaikanlage installiert ist, nicht im Eigentum oder Besitz des VN befindet. Die Berufung des VR wird als unbegründet zurückgewiesen.
Praxishinweis
Die Rechtsprechung ordnet folgende Vermögensverwaltung dem Privatbereich zu:
- die Verwaltung von 12 Eigentumswohnungen (OLG Frankfurt a.M. r+s 01, 376);
- den Erwerb und die Veräußerung einer Immobilie zur Gewinnerzielung (OLG Frankfurt a.M. r+s 01, 466);
- die Inanspruchnahme einer Unfallversicherung wegen eines Wegeunfalls eines selbstständigen Handwerkers (OLG Karlsruhe VersR 04, 233; OLG Hamm VersR 08, 251);
- der Anspruch aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung eines Selbstständigen (OLG München VersR 05, 1073);
- die Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter an einer Publikums AG (OLG Celle VersR 05, 1139).
Zum selbstständigen und gewerblichen Bereich gehören nach der Rechtsprechung:
- der Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung einer Kfz-Werkstatt durch den Alleingesellschafter einer Autohaus GmbH (LG Köln r+s 92, 416);
- der Schadenersatzprozess gegen eine Anwaltskammer wegen verspäteter Wiederzulassung zur Anwaltschaft (LG Münster 8.5.03, 15 O 117/03);
- der Streit eines Architekten mit seinem Rechtsanwalt aus dem Anwaltsvertrag wegen der Geltendmachung von Architektenhonorar (LG Münster ZfS 87, 368).
Die Größe des verwalteten Vermögens, die Höhe einer Investition oder Beteiligung ist grundsätzlich kein Abgrenzungskriterium. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH seit 1992 (VersR 92, 1510; VersR 06, 1119). Wesentliches und häufig ausschlaggebendes Kriterium ist die Einrichtung eines planmäßigen Geschäftsbetriebs, der berufsmäßig betrieben wird, zur Schaffung einer ständigen Einnahmequelle.
Weiterführende Hinweise
- Wann werden Interessen im Zusammenhang mit einer selbstständigen Tätigkeit wahrgenommen? VK 07, 104f
- Abgrenzung privat und beruflich bei Ansprüchen aus einer Unfallversicherung für Selbstständige: OLG Hamm, VK 07, 215