· Fachbeitrag · Vertragsgestaltung
Unternehmen: Unwirksamer Rechtsschutzentfall bei Überschreiten eines bestimmten Werts
von RA Dr. Friedrich Bultmann, Berlin
Eine Klausel in einem Rechtsschutzvertrag für Unternehmen und freie Berufe, wonach Versicherungsschutz im Vertrags- und Sachenrecht nur bis zu einem Wert von 250.000 EUR besteht und bei Werten die darüber liegen vollständig entfällt, ist überraschend und wird nicht Vertragsbestandteil (LG Heidelberg 21.9.12, 1 O 44/12, Abruf-Nr. 123934). |
Sachverhalt
Der VR verlangt vom VN Rückzahlung von Versicherungsleistungen. Im Rechtsschutzversicherungsvertrag (ARB 2000) heißt es:
|
Der Versicherungsschutz umfasst Rechtsschutz für Vertrags- und Sachenrecht, für die gerichtliche Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Versicherungsverträgen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der versicherten gewerblichen, freiberuflichen oder sonstigen selbstständigen Tätigkeit stehen. Versicherungsschutz besteht, soweit der Wert des Interesses 250.000 EUR nicht übersteigt. Für Streitwerte, die über dieser Summe liegen, besteht Versicherungsschutz auch nicht anteilig. |
Der VN meldete einen Rechtsschutzfall, wonach er für einen Brandschaden bei seinem Gebäude-VR Versicherungsleistungen in Höhe von 386.000 EUR verlangte. Der VR lehnte zunächst mit Hinweis auf die vorstehende Klausel Deckungsschutz ab. Der VN übersandte sodann eine Klageschrift, in der er gegen den Gebäude-VR 238.271 EUR für den reinen Gebäudeschaden geltend macht. Weitere Schadenspositionen behielt er sich in der Klage vor.
Der VR erteilte Deckungszusage. Er wies darauf hin, dass bei einer Klageerhöhung auf einen Streitwert über 250.000 EUR insgesamt kein Versicherungsschutz bestehe. Danach erbrachte er Versicherungsleistungen in Höhe von 9.134 EUR. In der Folgezeit erweiterte der VN seine Klage ohne den VR zu informieren. Das LG wies die Klage gegen den Gebäude-VR ab und setzte den Streitwert auf 489.465 EUR fest. Daraufhin forderte der VR die geleisteten Versicherungsleistungen zurück.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Ein Rückzahlungsanspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB. Der VR hat die Leistung mit Rechtsgrund erbracht. Rechtsgrund ist zwar nicht die Deckungszusage, die vom VR ausdrücklich nur für ein Klageverfahren mit einem Streitwert 238.271 EUR erteilt worden war mit Hinweis darauf, dass bei Klageerhöhung über 250.000 EUR insgesamt kein Kostenschutz bestehe. Für den danach erhöhten Streitwert hatte der VR keine Deckungszusage erteilt.
Rechtsgrund ist der Versicherungsvertrag. Grundsätzlich besteht Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht gemäß § 28 Abs. 3a ARB 2000 bei Selbstständigen nur im privaten Bereich oder soweit die Ausübung nicht selbstständiger Arbeit betroffen ist. Der vorliegende Vertrag erweitert den Rechtsschutz auch für firmenbezogene Streitigkeiten bis zu Streitwerten von 250.000 EUR. Diese Erweiterung wird nach Ansicht des VR allerdings in der Klausel durch den kompletten Wegfall des Versicherungsschutzes bei Überschreiten der Streitwertgrenze relativiert.
Diese Einschränkung ist - nach Auffassung des LG Heidelberg - nicht Bestandteil des Versicherungsvertrags geworden. Sie ist eine überraschende Klausel i.S. von § 305c Abs. 1 BGB. Die Klausel ist objektiv ungewöhnlich, weil sie mit dem Leitbild des Vertrags nicht zu vereinbaren ist. Ursprünglich war in den ARB 75 Rechtsschutz für Streitigkeiten aus Versicherungsverhältnissen grundsätzlich ausgenommen. Um Deckungslücken zu vermeiden wurde der Versicherungsvertragsrechtsschutz teilweise in die nachfolgenden ARB aufgenommen. In firmenbezogenen Risikoverhältnissen besteht weiterhin kein Versicherungsvertragsrechtsschutz (zum Hintergrund: Mathy, NVersZ 01, 433). Die hier streitige Klausel ist insoweit eine Erweiterung. Es ist deshalb nicht ungewöhnlich, dass der VR das zusätzlich übernommene Risiko begrenzt. Die Begrenzung auf eine bestimmte Versicherungssumme ist üblich (so in § 28 Abs. 3 a) ARB 2000, bzw. § 28 Abs. 3 a) bb) ARB 2005). Weiter besteht die Möglichkeit, anteilig Versicherungsschutz zu gewähren wie in § 28 Abs. 3 a) bb) ARB 2005. Eine Klausel, die selbst anteiligen Kostenschutz entfallen lässt, wenn eine Streitwertgrenze auch nur geringfügig überschritten wird, führt jedoch zu völliger Leistungsfreiheit des VR. Sie ist damit eine vom berechtigten Interessen des VR nicht mehr gedeckte, einseitige Bevorzugung.
Die Klausel ist auch überraschend. Ob ein Kunde mit ihr rechnen muss, beurteilt sich nach den Erkenntnismöglichkeiten des typischen Kunden. Danach kann das Ergebnis einer objektiven Beurteilung der Klausel durch konkrete Umstände bei Vertragsabschluss modifiziert werden. Hierzu fehlt vorliegend jeder Sachvortrag. Der durchschnittliche Kunde kann jedenfalls nicht damit rechnen, dass das Erweiterungspaket „kompakt-plus-Rechtsschutz“ eine Regelung enthält, die zu einem rückwirkenden Wegfall des gesamten Versicherungsschutzes führen kann. Er geht vielmehr davon aus, dass mindestens anteilige Kostenübernahme erfolgt und nicht, dass bei Überschreitung der Streitwertgrenze der VR gar nicht leisten muss.
Danach verstößt die Klausel gegen 305c Abs. 1 BGB und ist nicht Vertragsbestandteil. Der übrige Vertrag bleibt gemäß § 306 Abs. 1 BGB wirksam. Das gilt insbesondere für Satz 1 und Satz 2 der Leistungserweiterung. Folge ist, dass Kostenschutz bis zu einem Streitwert von 250.000 EUR besteht.
Praxishinweis
Die Entscheidung entspricht der Linie vergleichbarer Urteile zum Leistungsausschluss bei vorhergehender Leistungserweiterung (vgl. LG München VersR 88, 1171). Der BGH hat zu einer vergleichbaren Klausel in einer Neuwertversicherung die Normen der Inhaltskontrolle (§§ 307 ff. BGB) angewendet (BGH NJW 10, 1132).