· Fachbeitrag · Filmapparateversicherung
Entschädigung bei Vereinbarung einer Taxe
von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln
In der Filmapparateversicherung ist die spezielle Vereinbarung einer Taxwert-Versicherung in „Geschriebenen Vereinbarungen“ so auszulegen, dass auch im Falle eines Totalschadens nicht nach Neuwertgrundsätzen gemäß § 5 Nr. 3 AVB Filmapparate (95.1) entschädigt wird, sondern nach dem Taxwert (OLG Köln 15.4.14, 9 U 202/13, Abruf-Nr. 141567). |
Sachverhalt
Der VN ist als Berufsfotograf tätig. Er hatte beim VR eine Film- und Fotoapparateversicherung abgeschlossen. Dem Versicherungsverhältnis lagen ursprünglich die Allgemeinen Bedingungen für die Filmapparate-Versicherung (GKA AVB Filmapparate 95.1) zugrunde (AH). Darin heißt es u.a.:
|
|
In der „Austauschseite zur Film- und Fotoapparate-Versicherung Nr. … gültig ab 12.11.10“ heißt es u.a.:
|
|
Bei einem Einbruch in Räume des VN wurde wertvolles Foto- und Beleuchtungsequipment entwendet. Zur Überbrückung der Zeit bis zur Neubeschaffung mietete der VN die Ausrüstungsgegenstände bei der C GmbH. Im Hinblick auf den Wert der entwendeten Gegenstände holte der VR ein Schadengutachten ein. Darin wurde der Zeitwert der entwendeten Gegenstände mit 29.943 EUR brutto angegeben. Auf diesen Betrag zahlte der VR unter Berücksichtigung des Selbstbehalts einen Betrag von 24.805,18 EUR an den VN. Der VN verlangte Regulierung auf Neuwertbasis. Insgesamt sei unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen B ein Betrag von 58.425 EUR gerechtfertigt. Das LG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage nur zu einem geringen Teil für begründet erachtet. Maßgebend sei der vom VN mit 40.375,90 EUR auf der Geräteliste angegebene Zeitwert als Taxe. Die Berufung des VN hatte keinen Erfolg
Entscheidungsgründe
Dem VN steht kein weitergehender Anspruch auf Entschädigung aufgrund der abgeschlossenen Film- und Fotoapparateversicherung zu.
Die im Grundsatz eingetretene Vertragsänderung des Versicherungsvertrags in eine Taxwert-Versicherung wird vom VN in der Berufungsinstanz nicht mehr in Abrede gestellt. Im Übrigen hat das LG zutreffend gesehen, dass die Parteien einverständlich eine Taxwertversicherung vereinbart haben. Das ergibt sich aus der Email des VN an den VR unter Bezugnahme auf die Geräteliste. Dem entspricht auch die Austauschseite zur Film- und Fotoapparate- Versicherung, die ab 12.11.10 gültig ist. Zuvor hatte der VR dem VN die Änderungen mitgeteilt und um Übersendung der aktuellen Geräteliste gebeten, was auch geschehen ist.
Soweit der VN geltend macht, im Falle des Totalverlustes sei stets der Neuwert nach Maßgabe des § 5 Nr. 3 AVB Filmapparate 95.1 zu erstatten, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Bestimmung sieht Neuwertentschädigung vor, es sei denn, dass der Zeitwert weniger als 40 Prozent des Neuwerts beträgt. Diese Klausel ist jedoch im Rahmen der Änderung in eine Taxwertversicherung durch die Geschriebenen Vereinbarungen durch vorgehende spezielle Regelungen abgeändert worden.
Allgemeine Versicherungsbedingungen - wie sie hier auch hinsichtlich der Geschriebenen Vereinbarungen für die Vereinsmitglieder vorliegen - sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei ist im Regelfall auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auch auf seine Interessen abzustellen. In erster Linie ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Der mit ihr verfolgte Zweck und der erkennbare Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind. Nach diesen Grundsätzen ergibt sich, dass auch im Falle eines Totalschadens die Taxwert-Versicherung gilt.
Ziffer 2 der Geschriebenen Vereinbarungen bestimmt, dass in Abänderung von § 5 Nr. 1 a) und b) der „GKA AVB Filmapparate 95.1“ eine Taxwert-Versicherung vereinbart ist. Der VR zahlt danach bei Eintritt des Versicherungsfalls die vereinbarte Taxe, es sei denn, dass sie den wirklichen Versicherungswert in diesem Zeitpunkt erheblich übersteigt. Auf § 76 VVG wird Bezug genommen. Der Versicherungsfall im Bedingungswerk ist in § 4 A. definiert. In Abschnitt II heißt es, dass insbesondere im Atelier, während der Benutzung und/oder bei selbstständigen Lagerungen der VR für Beschädigungen sowie gänzlichem oder teilweisen Verlust, u.a. durch Einbruchdiebstahl, haftet. Der durchschnittliche VN wird bei aufmerksamer Durchsicht erkennen, dass sich die Taxwert-Versicherung auf den Versicherungsfall auch bei Totalverlust bezieht. Unerheblich ist, dass Ziffer 2 der Geschriebenen Bedingungen nur auf § 5 Nr. 1 a) und b) Bezug nimmt. Dort geht es gerade um den Versicherungswert, der grundsätzlich durch die Taxwert-Versicherung abgeändert werden soll. Der verständige VN einer Filmapparate-Versicherung wird nach dem ihm bekannten Sinnzusammenhang erkennen, dass auch für den Fall des Totalverlustes die Taxwert-Versicherung vereinbart ist. Das gilt auch, wenn in den Geschriebenen Vereinbarungen auf § 5 Nr. 3 GKA AVB Filmapparate 95 nicht Bezug genommen wurde. Danach ergibt sich über den vom LG zugesprochenen Betrag hinaus kein weitergehender Entschädigungsanspruch.
Praxishinweis
Die allgemeinen Auslegungsgrundsätze gelten auch für die Geschriebenen Bedingungen, die in zahlreichen Fällen, u.a. im Berufsverband des VN, vereinbart sind. Abzustellen ist nach den Grundsätzen des BGH auf den verständigen VN nach näherer Maßgabe (vgl. nur BGH VersR 13, 853; VersR 12, 1149, VersR 09, 1617). Die vorliegende Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck der Taxwert-Versicherung. § 76 VVG ermöglicht den Vertragsparteien, den Versicherungswert durch eine pauschalierende Vereinbarung auf eine feste Taxe zu bestimmen. Dadurch sollen Streitigkeiten über die Höhe des Versicherungswerts möglichst vermieden werden. Zudem soll die Feststellung vereinfacht werden. Gerade der Fall des Totalschadens ist ein Hauptanwendungsfall der Taxe. Die Feststellung der Ersatzleistung des VR wird wesentlich erleichtert.
Übersteigt allerdings die Taxe den wirklichen Versicherungswert erheblich, ist der wirkliche Wert maßgebend und nicht die Taxe, § 76 S. 2 VVG. Die Erheblichkeit ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Eine feste Grenze besteht nicht. In der Regel wird eine Abweichung von mehr als 10 Prozent als erheblich angesehen (vgl. BGH VersR 01, 749). Ist die Versicherungssumme niedriger als die Taxe, ist Unterversicherung gegeben, auf die gemäß § 76 S. 3 VVG die Proportionalitätsregel Anwendung findet.
Wer sich auf die Vereinbarung einer Taxe beruft, hat dies zu beweisen. Die Beweislast für das erhebliche Übersteigen hat der VR. Demgegenüber muss der VN den wahren Versicherungswert nachweisen.
Weiterführender Hinweis
- Zu den Auslegungsgrundsätzen: Mit diesen Argumenten begründen Sie die Unwirksamkeit der Klausel Ziffer 10.3 AUB 2008: Penteridis, VK 13, 106