· Fachbeitrag · Wohngebäudeversicherung
Leistungsfreiheit bei arglistiger Täuschung trotz nicht angepasster Bedingungen
von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln
(OLG Frankfurt a.M. 20.2.13, 7 U 229/11, Abruf-Nr. 134058) |
Sachverhalt
Das Einfamilienhaus des VN, für das eine Wohngebäudeversicherung auf Grundlage der VGB 96 besteht, stand leer und wurde zum Verkauf angeboten. Es wurde einmal wöchentlich vom Makler kontrolliert. Der VN selbst suchte das Haus alle zwei Wochen auf. Die Heizkörper waren bei niedrigen Außentemperaturen (- 15 °) auf Stufe 1 eingestellt. Es entstand ein Wasserschaden infolge von Frosteinwirkung. In der Schadensanzeige trug der VN bei der Frage: „Wie viele Personen leben regelmäßig in der versicherten Wohnung?“ die Zahl 1 ein. Der VR zahlte nur 30 Prozent des Zeitwertschadens.
Mit seiner Klage hat der VN die Zahlung des restlichen Zeitwertschadens begehrt. Der VR hat sich auf Leistungsfreiheit wegen Falschangaben, hilfsweise auf das Recht zur Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls, Verstoßes gegen die vereinbarten Sicherheitsvorschriften sowie Gefahrerhöhung infolge des Leerstands berufen. Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des VR hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Es ist zwar ein bedingungsgemäßer Leitungswasserschaden eingetreten. Dennoch ist der VR leistungsfrei. Nach § 21 Ziffer 1 VGB ist der VR von der Entschädigungspflicht frei, wenn der VN versucht, den VR arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben im Hinblick auf die Falschbeantwortung der Frage in der Schadensanzeige.
- Die Frage zielt darauf ab, von wie vielen Personen das Objekt regelmäßig im Sinne von dauerhaft bewohnt war. Das schließt auch die Frage ein, ob es überhaupt bewohnt war. Die Formulierung „leben regelmäßig“ in der Wohnung beinhaltet, dass die Personen im versicherten Objekt Tätigkeiten des privaten Lebens wie Essen, Schlafen und sonstige Aktivitäten - im Sinne von Wohnen - entfalten, und zwar dauerhaft und nicht nur sporadisch.
- Leer stehend bedeutet nicht nur unmöbliert, sondern nach allgemeinem Sprachgebrauch auch unbewohnt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der VN alle 14 Tage auf einer aufblasbaren Matratze in seinem leer stehenden Haus genächtigt hat, ist die Frage objektiv falsch beantwortet.
- Der VR muss beweisen, dass der VN mit der objektiv falschen Erklärung das Regulierungsverhalten bewusst beeinflussen wollte. Weil das Vorliegen von Arglist eine innere Tatsache betrifft, kann dieser Beweis grundsätzlich nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Liegt jedoch objektiv eine Falschangabe vor, dann muss der VN nachvollziehbar erklären, wie es hierzu gekommen ist. Das hat der VN vorliegend nicht getan.
- Auf die Frage der Kausalität der Täuschung für die Entscheidung des VR kommt es nach der vereinbarten Klausel nicht an. Es genügt bereits der Versuch einer arglistigen Täuschung.
Mangels Vertragsanpassung kann sich der VR zwar nicht auf die Verletzung der Auskunftsobliegenheit berufen. Wie der BGH (VK 11, 201) entschieden hat, führt die Abweichung vom Sanktionensystem des § 28 Abs. 2, 3 VVG n.F. zum Nachteil des VN zur Unwirksamkeit der Klausel. § 21 Ziffer 1 VGB ist jedoch eine Verwirkungsvorschrift mit Strafcharakter, der eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BGH VersR 01, 1020). Die Unwirksamkeit der Regelung über die Auskunftsobliegenheit in § 20 VGB berührt daher nicht den besonderen Verwirkungsgrund der arglistigen Täuschung gemäß § 21 VGB.
Praxishinweis
Der BGH hat entschieden, dass die Sanktionsregelung bei Verletzung einer vertraglich vereinbarten Obliegenheit unwirksam ist, wenn der VR von der Möglichkeit der Vertragsanpassung (Art. 1 Abs. 3 EGVVG) keinen Gebrauch gemacht hat. Nach OLG Frankfurt a.M. gilt das aber nicht für die arglistige Täuschung i.S. des § 21 VGB. Gleiches gilt bei der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls gemäß § 81 Abs. 2 VVG (BGH VK 11, 201). In beiden Fällen kann sich der VR weiterhin auf Leistungsfreiheit berufen.
Eine vorherige Belehrung über die Folgen einer arglistigen Täuschung ist nicht erforderlich, da der arglistig Täuschende nicht schutzwürdig ist (vgl. OLG Köln VK 12, 120). Auch im Rahmen des § 28 VVG n.F. bedarf es im Falle der Arglist keiner Belehrung. Eine solche Einschränkung des Belehrungserfordernisses ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 4 VVG n.F., jedoch aus der Gesetzesbegründung zum VVG n.F. (BT-Drucksache 16/3945 S. 69). Dort heißt es ausdrücklich zu § 28 Abs. 4 VVG, dass es im Falle der Arglist keiner Belehrung bedürfe (zum alten Recht BGH VersR 09, 968).
Checkliste / Wann liegt Arglist vor? |
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