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  • · Fachbeitrag · Außerordentliche Kündigung

    ArbN verweigert Leistung: Fristlose Kündigung!

    | Macht der ArbN zu Unrecht von einem ihm vermeintlich zustehenden Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Gebrauch, kann dies nach einschlägigen Abmahnungen auch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB durch den ArbG rechtfertigen. So entschied es das BAG. |

     

    Sachverhalt

    Der ArbN war als IT-Spezialist tätig. In den letzten Monaten seiner Tätigkeit im Herbst 2012 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen ihm und dem ArbG über den Aufgabenbereich, eine von ihm angeregte Beförderung und die generelle Qualität seiner Arbeitsleistung.

     

    Der ArbN teilte der Geschäftsleitung mit, er fühle sich seelisch ausgebrannt und vermute, der ArbG habe gegen ihn eine „berufliche Entwicklungsblockade“ verhängt. Dies wirke sich negativ auf seine Gesundheit aus. Er verlangte hierbei eine bezahlte Freistellung von der Arbeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Als hierauf keine Reaktion des ArbG erfolgte, schrieb der ArbN an den ArbG, er mache „ab dem 1.10.12 von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 BGB Gebrauche“.

     

    Nach diesem Zeitpunkt erschien der ArbN nicht mehr zur Arbeit. Daraufhin kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis nach mehrfacher einschlägiger Abmahnungen wegen Nichterscheinens zur Arbeit außerordentlich. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage blieb in der Revisionsinstanz vor dem BAG ohne Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Die beharrliche Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, sei ein an sich geeigneter wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, so der 2. Senat des BAG (BAG 22.10.15, 2 AZR 596/14, Abruf-Nr. 185984). Die Frage der tatsächlich bestehenden Arbeitspflicht sei nach objektiver Rechtslage zu bewerten. Der sich auf ein Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht berufende ArbN trage daher auch das entsprechende Risiko, dass dieses nicht bestehe. Dies wirke sich zum einen auf die Vergütungspflicht des ArbG, zum anderen kündigungsrechtlich bei der Frage des Bestehens von Kündigungsgründen aus.

     

    In diesem Fall stehe dem ArbN weder ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, noch ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB zu.

     

    Ein Leistungsverweigerungsrecht im Sinne des § 275 Abs. 3 BGB bestehe, wenn dem Schuldner die ihm vertraglich obliegende Leistung unter Abwägung aller Umstände nicht zugemutet werden kann. Ein solcher Fall besonderer Leistungserschwerung sei hingegen nur gegeben, wenn der Schuldner Gefahr laufe, durch die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen in bedeutsamen eigenen Rechtsgütern verletzt zu werden.

     

    Zwar habe der ArbN vorgetragen, er fühle sich seelisch ausgebrannt und befürchte, zu erkranken. Eine objektive Arbeitsunfähigkeit des ArbN habe hingegen nicht vorgelegen. Sie sei auch im Rechtsstreit in keiner Instanz behauptet worden. Auch sei aus dem konkreten Sachvortrag des ArbN nicht ersichtlich, dass eine solche Arbeitsunfähigkeit zu erwarten gewesen wäre, wenn er seine Arbeitsleistung in der vertragsgemäßen Form fortgesetzt hätte. Mögliche Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch den ArbG ergäben sich aus dem Vortrag beider Parteien nicht. Vielmehr bestehe ein im Arbeitsleben üblicher Konflikt durch unterschiedliche Auffassungen über die Qualität der Arbeitsleistungen und Arbeitsergebnisse des ArbN.

     

    Der ArbN habe keinen Anspruch auf die angeregte Beförderung gehabt. Auch eine „Entwicklungsblockade“ durch den ArbG sei nicht ersichtlich, da Angebote zur Fort- und Weiterbildung nicht wahrgenommen worden seien.

     

    Es gebe auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB, auf das sich der ArbN nicht ausdrücklich berufen hat. Im Rahmen eines solchen Zurückbehaltungsrechts müsse der ArbN dem ArbG unter Angabe konkreter eindeutiger Gründe mitteilen, dass er im Hinblick auf eine konkret zu bezeichnende Gegenforderung von der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts Gebrauch mache. Es fehle im zu entscheidenden Fall bereits an einem durchsetzbaren Gegenanspruch, da der ArbN bis zum Zeitpunkt der Leistungsverweigerung vertragsgemäß beschäftigt und vergütet worden sei. Auch ein entschuldbarer Rechtsirrtum liege nicht vor. Der ArbN habe es versäumt, sich durch entsprechende rechtliche Beratung sachkundig zu machen - bevor er seine vermeintlichen Rechte geltend gemacht hat.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Arbeitsverweigerung als Druckmittel um tatsächliche oder vermeintliche Rechtspositionen durchzusetzen, ist für den ArbN nach dem Urteil des BAG gefährlich. Der Vertreter der ArbN-Seite ist gut beraten, die hohen Anforderungen an ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB bzw. ein Zurückbehaltungsrecht nach § 275 Abs. 2 und 3 BGB genau zu prüfen, bevor dieses Mittel angewandt wird. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, verliert der ArbN nicht nur den Vergütungsanspruch gegenüber dem ArbG, sondern schafft unter Umständen einen eigenständigen Kündigungsgrund durch sein arbeitsvertragswidriges Verhalten.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Haft als wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB? BAG in AA 16, 57
    • Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann fristlose Kündigung rechtfertigen: LAG Schleswig-Holstein in AA 16, 61
    • Kann einem Teamleiter wegen Verteilens von Flugblättern gekündigt werden? LAG Düsseldorf in AA 16, 3
    Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 93 | ID 44059545