In Sachen
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin,
pp.
Kläger, Berufungskläger und Revisionsbeklagter,
hat
der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 22. Oktober 2015 durch den Vorsitzenden Richter am
Bundesarbeitsgericht Kreft, die Richterin am Bundesarbeitsgericht
Rachor, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Niemann sowie die
ehrenamtlichen Richter Krichel und Eulen für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts München vom 28. Mai 2014 - 10 Sa 770/13 - im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es der Berufung des Klägers
gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Juni 2013 - 19 Ca
13099/12 - stattgegeben hat.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München wird insgesamt zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
2
Der
Kläger wurde 1961 geboren, ist verheiratet und zwei Kindern zum
Unterhalt verpflichtet. Er war seit 1989 - zunächst als Systemanalytiker
und zuletzt als IT-Spezialist - bei der Beklagten beschäftigt. Die
vereinbarte Wochenarbeitszeit belief sich auf 35 Stunden. Sein
Arbeitsverhältnis war nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 des
Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und
Elektroindustrie (MTV) vom 23. Juni 2008 verhaltensbedingt nur noch aus
wichtigem Grund kündbar.
3
Zwischen
den Parteien kam es mehrfach zu Unstimmigkeiten über die dem Kläger
zugeteilten Aufgaben und sein berufliches Fortkommen. Mit E-Mail vom 30.
März 2009 forderte dieser die Beklagte auf, ihn vertragsgemäß zu
beschäftigen und sein "Aschenputtel-Dasein" zu beenden. Die Beklagte übe
"Psychoterror" aus. Sie versuche, ihn zu zermürben und zu demütigen,
was bei ihm zu einer seelischen Erkrankung geführt habe. Gleichzeitig
kündigte er an, ggf. von einem Zurückbehaltungsrecht gemäß §
273 BGB
Gebrauch machen zu wollen. Nach mehreren Gesprächen wurde ihm für die
Zeit ab Oktober 2009 einvernehmlich die Tätigkeit eines
IT-Chefarchitekten und die Leitung eines Projekts übertragen.
4
Das
dem Kläger anvertraute Projekt endete spätestens im September 2011. Im
Mai 2011 wurde ihm die Aufgabe eines sog. Blueprint-Vorfilterers und im
Februar 2012 diejenige eines "TRM-Koordinators" jeweils mit seinem
Einverständnis übertragen. Nachdem die Einarbeitung abgeschlossen war,
lasteten diese Tätigkeiten ihn für drei bis vier Stunden pro Woche aus.
Das ihm im Juni 2012 unterbreitete Angebot, zusätzlich im Projekt
"SharePoint" tätig zu werden, lehnte er ab.
5
Mit
E-Mail vom 10. September 2012 richtete der Kläger eine Petition an die
Personalleitung der Beklagten. In der beigefügten
PowerPoint-Präsentation führte er aus, dass seit 1996 eine "massive
Entwicklungsblockade" gegen ihn verhängt worden sei. Trotz seiner
"ständig sehr guten Ergebnisse" und der "mustergültigen Einhaltung aller
geltenden Regeln" sei er nicht befördert worden. Dieses
"unternehmensbedingte, großangelegte Mobbing" habe bei ihm zu "totaler
Frustration" geführt. Seine Arbeitsmoral liege "brach", die "innere
Kündigung (sei) perfekt". Die Beklagte habe ihn "krank gemacht", für
eine "neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr". Er sei
"körperlich erschöpft, sowie seelisch und geistig ausgebrannt". Die
Beklagte habe sein "Potenzial definitiv und unwiederbringlich kaputt
gemacht". Man befinde sich in einem Dilemma wie in einer "schlechten
Ehe" und solle sich "lieber heute als morgen voneinander trennen". Die
von ihm "bevorzugte Lösung" sei deshalb eine "bezahlte Freistellung mit
garantiertem Bestandsschutz bis zum Eintritt in die gesetzliche Rente
bzw. die Freizeitphase der Altersteilzeit". In einer weiteren E-Mail vom
20. September 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, ihm sei es
nicht mehr möglich und zumutbar, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ab
dem 1. Oktober 2012 werde er von einem Leistungsverweigerungsrecht nach §
275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen.
6
Die
Beklagte wies die Vorwürfe mit Schreiben vom 28. September 2012 zurück
und ließ den Kläger wissen, dass sie es als schwerwiegende Verletzung
seiner Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche
Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung ziehen werde, wenn er der Arbeit
fernbleiben sollte. Zugleich lud sie ihn für den 1. Oktober 2012 zu
einem Personalgespräch ein. Der Kläger erwiderte mit E-Mail vom gleichen
Tag, er sei "sprachlos" aufgrund der "inhaltslosen Aussagen" und
"billigen Drohungen". Die Beklagte habe "die Zusammenarbeit unmöglich
gemacht" und "ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und
unwiederbringlich kompromittiert".
7
Der
Kläger erschien - wie angekündigt - ab dem 1. Oktober 2012 nicht mehr
zur Arbeit. In der Folge entspann sich zwischen den Parteien ein nicht
geringer Schrift- und E-Mail-Wechsel, in dessen Zuge die Beklagte den
Kläger zweimal wegen Arbeitsverweigerung abmahnte und ihn noch weitere
drei Mal vergeblich zu einem Personalgespräch einlud. Im fünften Anlauf
kam für den 15. Oktober 2012 ein solches Gespräch zustande, in dem die
Parteien keine Einigung erzielen konnten. Mit Schreiben vom 17. Oktober
2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine "letztmalige Abmahnung".
Nachdem auch diese fruchtlos geblieben war, kündigte sie dessen
Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom
26. Oktober 2012 außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich
mit Auslauffrist zum 31. Mai 2013.
8
Hiergegen
hat der Kläger sich rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Er
hat gemeint, er habe seine Arbeitspflicht nicht verletzt, weil er
wirksam ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht habe. Angesichts
der gegen ihn verhängten "Entwicklungsblockade" und des fortwährenden
"Mobbing" sei es ihm unzumutbar, weiterhin seine Arbeitsleistung zu
erbringen. Die Kündigung stelle sich als Maßregelung dar.
9
Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt
festzustellen,
dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die
außerordentliche fristlose Kündigung vom 26. Oktober 2012 noch durch die
außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist vom 26. Oktober 2012
aufgelöst worden ist.
10
Die
Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der
Kläger habe seine Arbeitspflicht beharrlich verletzt. Er sei nicht
berechtigt gewesen, die Leistung zu verweigern. Die von ihm - ohnehin
unsubstantiiert - erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Der Kläger habe
sich auch nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Vielmehr
sei er sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos bewusst
gewesen.
Das
Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat
ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel, das
erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe11
Die Revision ist zulässig und begründet.
12
A.
Der Senat kann über die Revision entscheiden. Es kommt nicht darauf an,
ob der Rechtsstreit deshalb nach §
244 Abs. 1 ZPO unterbrochen gewesen
ist, weil der ursprüngliche Prozessbevollmächtigte des Klägers im Laufe
des Revisionsverfahrens die Zulassung zur Anwaltschaft und damit gemäß §
11 Abs. 4 ArbGG die Fähigkeit verloren hat, die Vertretung seiner
Partei fortzuführen (gegen eine Unterbrechung bei Bestellung eines
Abwicklers BFH 10. Februar 1982 -
I R 225/78 -
BFHE 135, 445; für eine
Unterbrechung trotz Bestellung eines Abwicklers OLG Köln 3. Juni 1993 -
12 W 19/93 - zu I der Gründe; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 244 Rn.
9). Eine mögliche Unterbrechung ist jedenfalls dadurch beendet worden,
dass der Abwickler der Kanzlei des früheren Prozessbevollmächtigten mit
Schriftsatz vom 30. April 2015 seine Bestellung gegenüber dem
Bundesarbeitsgericht angezeigt hat und die Anzeige der Beklagten
zugestellt worden ist ( §
244 Abs. 1 , §
250 ZPO ). Bei einem amtlich
bestellten Abwickler handelt es sich um einen "bestellten neuen Anwalt"
iSv. §
244 Abs. 1 ZPO ( BAG 13. Mai 1997 -
3 AZR 66/96 - zu A der
Gründe).
14
B. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sie ordnungsgemäß begründet worden.
15
I.
Nach §
72 Abs. 5 ArbGG iVm. §
551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum
notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der
Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss der vermeintliche Rechtsfehler
des Landesarbeitsgerichts so aufgezeigt werden, dass Gegenstand und
Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die
Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des
angefochtenen Urteils enthalten. Das erfordert die genaue Darlegung der
Gesichtspunkte, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein
soll (vgl. BAG 29. August 2013 -
2 AZR 273/12 - Rn. 16).
16
II.
Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte
wendet sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, unter Abwägung
der beiderseitigen Interessen sei es ihr zumutbar, das
Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Sie legt dar, welche von ihm
festgestellten Umstände es außer Acht gelassen habe und wie daraus ein
anderes Ergebnis folge. Diese Sachrüge wäre im Fall ihrer Begründetheit
geeignet, das Berufungsurteil - soweit es durch die Beklagte angefochten
wird - zu Fall zu bringen. Das reicht als Revisionsangriff aus. Darauf,
ob die Beklagte die von ihr zudem erhobenen Verfahrensrügen ausreichend
begründet hat, kommt es für die Zulässigkeit der Revision deshalb nicht
an.
17
C.
Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der
Kündigungsschutzklage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist unbegründet. Die
außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2012
hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Sie
ist wirksam.
18
I. Es besteht ein wichtiger Grund iSv. §
626 BGB iVm. § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV .
19
1.
Nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV können die Arbeitsverhältnisse von
Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - das 50. Lebensjahr vollendet und
dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben,
verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Mit dem
Begriff des "wichtigen Grundes" knüpft der MTV an die gesetzliche
Regelung des §
626 Abs. 1 BGB an (für insoweit vergleichbare
Tarifverträge BAG 28. Oktober 2010 -
2 AZR 688/09 - Rn. 31; 12. Januar
2006 -
2 AZR 242/05 - Rn. 24).
20
2.
Gemäß §
626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund
derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der - ggf.
fiktiven - Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist
zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen
Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet
ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der
konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider
Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist
oder nicht ( BAG 23. Oktober 2014 -
2 AZR 865/13 - Rn. 19, BAGE 149,
355; 29. August 2013 -
2 AZR 273/12 - Rn. 19). Bei der
Interessenabwägung ist die ordentliche Unkündbarkeit seines
Arbeitsverhältnisses - hier: nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV - nicht
gesondert zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG 27.
Januar 2011 -
2 AZR 825/09 - Rn. 48 mwN,
BAGE 137, 54).
21
3.
Der Kläger hat einen "an sich" wichtigen Grund iSv. §
626 Abs. 1 BGB
herbeigeführt, indem er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung
beharrlich verweigerte.
22
a)
Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich
geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist "an sich" geeignet, eine
außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer
verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst
und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung
verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage.
Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er
handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen,
dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist ( BAG 29.
August 2013 -
2 AZR 273/12 - Rn. 29, 32).
23
b)
Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle
Umstände, die einen wichtigen Grund iSv. §
626 Abs. 1 BGB begründen
sollen. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen
Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund
ausschließen. Allerdings hat hierzu der Arbeitnehmer seinerseits nach §
138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen; er muss darlegen, warum sein
Fehlen als "entschuldigt" anzusehen sei. Nur die im Rahmen der insofern
abgestuften Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitnehmer behaupteten
Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen (vgl. BAG 17. Juni 2003 - 2
AZR 123/02 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. Mai 1992 -
2 AZR 10/92 - zu II
2 b bb der Gründe,
BAGE 70, 262).
24
c)
Der Kläger verweigerte seit dem 1. Oktober 2012 die von ihm geschuldete
Arbeitsleistung. Er war grundsätzlich verpflichtet, die ihm mit seinem
Einverständnis übertragenen Tätigkeiten eines "Blueprint-Vorfilterers"
und eines "TRM-Koordinators" auszuführen.
25
d)
Der Kläger war nicht berechtigt, die Arbeitsleistung zu verweigern,
weil es ihm gemäß §
275 Abs. 3 BGB unzumutbar gewesen wäre, sie zu
erbringen.
26
aa)
Nach §
275 Abs. 3 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn
er sie persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des ihr
entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers
nicht zugemutet werden kann. Die Vorschrift betrifft das
Spannungsverhältnis von Vertragstreue und Unzumutbarkeit der
Arbeitsleistung ( BAG 13. August 2010 -
1 AZR 173/09 - Rn. 12, BAGE 135,
203). Sie löst es (nur) dann zugunsten des Schuldners auf, wenn für
diesen die Leistungserbringung in hohem Maße belastend ist
(MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 116), weil ein Fall besonderer
Leistungserschwerung vorliegt (Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn.
70). Dem Schuldner kann die Erfüllung der von ihm persönlich zu
erbringenden Leistung unzumutbar sein, wenn er dadurch Gefahr läuft, in
bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden (vgl. Staudinger/Caspers
(2014) § 275 Rn. 112: Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit). Im Falle
einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung des Arbeitnehmers
selbst - nicht eines seiner nahen Angehörigen - ist umstritten, ob die
Leistungsbefreiung automatisch gemäß §
275 Abs. 1 BGB eintritt oder der
Betreffende erst von einem Leistungsverweigerungsrecht nach §
275 Abs. 3
BGB Gebrauch machen muss (zum Streitstand siehe Alpmann in jurisPK-BGB
7. Aufl. § 275 Rn. 71; MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 118).
27
bb) Dem Kläger war es nicht unzumutbar, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
28
(1)
Er beruft sich nicht etwa darauf, dass er bereits arbeitsunfähig
erkrankt gewesen sei. Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung gemäß §
5 EFZG hat er nicht vorgelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine
Arbeitsunfähigkeit zumindest zu erwarten gewesen wäre, wenn er seine
Tätigkeit fortgesetzt hätte. Zwar hat der Kläger behauptet, an einer
psychischen Erkrankung zu leiden. Jedoch hat er diese nur
schlagwortartig umschrieben. Es fehlt an Vortrag zu den Symptomen und
dazu, wie sich die Krankheit - die ihm offenbar seit Jahren bekannt ist -
in der jüngeren Vergangenheit entwickelt hat, welche konkreten
Auswirkungen die Situation am Arbeitsplatz hatte und warum es ihm
deshalb nicht mehr zugemutet werden konnte, die Arbeitsleistung
fortzusetzen.
29
(2)
Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass es dem
Kläger nicht aufgrund von - drohenden -
Persönlichkeitsrechtsverletzungen unzumutbar gewesen sei, die
geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (zur eingeschränkten
Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Würdigung vgl. BAG 28. Oktober 2010
-
8 AZR 546/09 - Rn. 20; 24. April 2008 -
8 AZR 347/07 - Rn. 36).
30
(a)
Nicht jedes den Arbeitnehmer belastende Verhalten des Arbeitgebers oder
eines seiner Repräsentanten ( §
278 BGB ) stellt einen Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers oder eine Verletzung
vertraglicher Pflichten zur Rücksichtnahme ( §
241 Abs. 2 BGB ) dar.
Persönlichkeitsrechte werden nicht allein dadurch verletzt, dass im
Arbeitsleben übliche Konflikte auftreten, die sich durchaus über einen
längeren Zeitraum erstrecken können. Sozial- und rechtsadäquates
Verhalten muss aufgrund der gebotenen objektiven Betrachtungsweise - dh.
ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen
Arbeitnehmers - von der rechtlichen Bewertung ausgenommen werden.
Mangels entsprechender Systematik und Zielrichtung werden keine Rechte
des Arbeitnehmers beeinträchtigt, wenn er von verschiedenen
Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich
aufeinanderfolgen, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht
beurteilt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn seine Arbeitsleistung
nicht nur beanstandet oder ignoriert, sondern auch positiv gewürdigt
wird. Ebenso müssen Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorge-
setzten unberücksichtigt bleiben, die lediglich eine Reaktion auf
Provokationen durch den vermeintlich "gemobbten" Arbeitnehmer
darstellen. Insoweit fehlt es an der eindeutigen
Täter-Opfer-Konstellation ( BAG 16. Mai 2007 -
8 AZR 709/06 - Rn. 86,
BAGE 122, 304).
31
(b)
Zur Begründung des Vorwurfs, er sei systematisch in seiner beruflichen
Entwicklung "blockiert" worden, beruft der Kläger sich darauf, dass ihm
Zwischenzeugnisse mit unrichtigem Inhalt erteilt, ein Telearbeitsplatz
verweigert, Leistungspunkte gestrichen, keine herausfordernden Aufgaben
übertragen und eine Fortbildung und Beförderung verwehrt worden seien.
Weitere Verhaltensweisen der Beklagten hat er nicht konkret dargetan; es
ersetzt keinen substantiierten Sachvortrag, Vorschriften zu benennen,
gegen die sie verstoßen haben soll.
32
(c)
Mit dem Landesarbeitsgericht lassen die vom Kläger geschilderten
Verhaltensweisen weder einzeln für sich noch in ihrer Gesamtschau den
Schluss auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu. Zwischen
den Parteien bestanden lediglich Konflikte wie sie im Arbeitsleben
üblich sind. Sie ergaben sich aus unterschiedlichen Auffassungen über
die Qualität der Arbeitsleistung und -ergebnisse des Klägers. Es ist
nicht ersichtlich, dass die Beklagte oder einer ihrer Repräsentanten ( §
278 BGB ) auch nur in einem Einzelfall die Ebene der Sachlichkeit
verlassen hätte. Im Übrigen würde selbst dies nicht ausreichen, um eine
Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. BAG 16. Mai 2007 -
8 AZR 709/06 - Rn.
76,
BAGE 122, 304).
33
(aa)
Der Kläger mag es als erniedrigend empfunden haben, dass ehemalige
Kollegen zu seinen Vorgesetzten wurden. In diesem Empfinden mag er
dadurch bestärkt worden sein, dass seine Arbeitsleistung schlechter
beurteilt wurde, als er es für gerechtfertigt hielt. Er hatte jedoch
keinen Rechtsanspruch darauf, gleichfalls befördert zu werden (vgl. zur
"Fürsorgepflicht" des Arbeitgebers BAG 23. September 1992 -
5 AZR 526/91
- zu II 6 der Gründe). Die Beklagte hat substantiiert dargetan, dass
sie ihn nicht als "Führungskraft" sehe, weil er aus ihrer Sicht nicht
über ausreichende Gestaltungsfähigkeiten bei komplexen, noch unklaren
Sachverhalten und nicht über das erforderliche Team- und
Kommunikationsverhalten verfüge.
34
(bb)
Es ist nicht ersichtlich, dass gegen den Kläger eine
"Entwicklungsblockade" verhängt worden wäre. Ihm sind Angebote zur Fort-
und Weiterbildung unterbreitet worden. Diese hat er entweder nicht
angenommen oder er hat die begonnenen Schulungen - etwa das sog.
Gallup-Stärkentraining - vorzeitig abgebrochen. Wenn Probleme in seinem
Arbeitsumfeld aufgetreten sind, hat die Beklagte versucht, Tätigkeiten
in anderen Bereichen für ihn zu finden und ihm einen "unbelasteten
Neustart" zu ermöglichen. Nach seinen eigenen Angaben ist er nicht nur
kritisiert, sondern verschiedentlich für seine Arbeitsleistung und seine
Arbeitsergebnisse auch gelobt worden. Zu keiner Zeit wurde ihm eine
Aufgabe entzogen. Die Notwendigkeit, ihm neue Tätigkeiten zuzuweisen,
ergab sich vielmehr dadurch, dass die ihm übertragenen Projekte
abgeschlossen waren. Dass der Kläger mit den ihm zuletzt übertragenen
Tätigkeiten eines "Blueprint-Vorfilterers" und eines "TRM-Koordinators"
nicht ausgelastet war, lässt nicht den Schluss zu, die Beklagte habe ihn
auf das "Abstellgleis" geschoben. Ihm ist zusätzlich ein Einsatz im
Projekt "SharePoint" angeboten worden. Diesen hat er - mit der
Begründung, dass er sich dafür zunächst hätte fortbilden müssen -
abgelehnt. Er hat auch im Prozess keine Angaben dazu gemacht, welche
möglichen Aufgaben, die den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen
entsprochen und nicht eine Beförderung bedeutet hätten, die Beklagte ihm
"vorenthalten" habe.
35
(cc)
Es kommt hinzu, dass die Auseinandersetzungen um den Telearbeitsplatz
und die Streichung von Leistungspunkten bei Beginn der
Arbeitsverweigerung bereits im Sinne des Klägers "ausgestanden" waren.
Ihm war ein Telearbeitsplatz eingerichtet worden. Sein Vorgesetzter
hatte ihm lediglich nahegelegt, in seinem - des Klägers - eigenen
Interesse gleichwohl ausreichend im Unternehmen "präsent" zu sein. Die
nach den bei der Beklagten üblichen Gepflogenheiten anlässlich eines
Aufgabenwechsels "gehaltsneutral" gestrichenen Leistungspunkte waren ihm
auf seinen "Protest" hin wieder gutgeschrieben worden. Das hatte für
ihn eine Gehaltserhöhung zur Folge, obwohl er sich in der neuen
Tätigkeit noch nicht in der dazu erforderlichen Weise "bewährt" haben
konnte.
36
e)
Die Arbeitsverweigerung durch den Kläger war nicht in Ausübung eines
Zurückbehaltungsrechts gemäß §
273 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.
37
aa)
Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner, der aus dem gleichen
Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen
Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis
nichts anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die
ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dem Arbeitnehmer kann ein Recht
zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine
aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten
schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der
Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten ( §
278 BGB ) die
Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in
erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist.
Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Gebot von Treu
und Glauben nach §
242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe
des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde
dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung
wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den
möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen.
Wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise von einem Zurückbehaltungsrecht
Gebrauch macht, liegt keine Arbeitsverweigerung vor (vgl. BAG 13. März
2008 -
2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff. mwN).
38
bb)
Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger kein
Zurückbehaltungsrecht nach §
273 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Obwohl ihm
ausweislich vorheriger Mitteilungen - etwa in der E-Mail vom 30. März
2009 - der Unterschied zwischen beiden Normen bestens bekannt war, hat
er die Beklagte mit E-Mail vom 20. September 2012 (lediglich) wissen
lassen, dass ihm die weitere Arbeitsleistung unzumutbar sei und er ab
dem 1. Oktober 2012 von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach §
275
Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen werde. Noch in der Klageschrift
hat er sich ausschließlich auf §
275 BGB bezogen. Dementsprechend hat er
von der Beklagten nicht etwa verlangt, bestimmte Ansprüche zu erfüllen,
Maßnahmen zu ergreifen oder Zustände zu beenden. Mithilfe der
Weigerung, seine Arbeitsleistung zu erbringen, wollte er weder eine
vertragsgemäße Beschäftigung noch die Unterlassung von weiterem
"Mobbing" erreichen. Vielmehr hat er lediglich "vorgeschlagen", ihn
unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze
von der Arbeitsleistung freizustellen. Darin erblickte er nicht mehr als
die Festschreibung dessen, was nach §
275 Abs. 3 iVm. §
326 Abs. 2 BGB
ohnehin - unveränderlich - gelte.
39
cc)
Gemäß den Ausführungen zu §
275 Abs. 3 BGB bestanden im Übrigen keine
Gegenansprüche, auf die der Kläger ein Recht, seine Arbeitsleistung
zurückzuhalten, erfolgreich hätte stützen können. Zwar hatte er einen
Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Umfang von 35
Wochenstunden. Auch wurde dieser von der Beklagten bei weitem nicht
vollständig erfüllt, weil der Kläger nach den tatsächlichen
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit den ihm zuletzt
übertragenen Tätigkeiten eines "Blueprint-Vorfilterers" und eines
"TRM-Koordinators" nur im Umfang von drei bis vier Stunden pro Woche
ausgelastet war. Die "Unterbeschäftigung" beruhte jedoch darauf, dass
der Kläger die ihm ergänzend angetragene Tätigkeit im Projekt
"SharePoint" nicht hatte übernehmen wollen. Unter diesen Umständen wäre
es rechtsmissbräuchlich iSv. §
242 BGB , die Arbeitsleistung mit dem
Ziel zurückzuhalten, weitere Aufgaben zugewiesen zu bekommen.
40
f) Der Kläger hat seine geschuldete Arbeitsleistung bewusst und nachhaltig verweigert.
41
aa)
Obgleich die Beklagte ihn mit Schreiben vom 28. September 2012 darauf
hingewiesen hatte, dass sie dies als schwerwiegenden Verstoß gegen seine
Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche
Konsequenzen ziehen werde, blieb er ab dem 1. Oktober 2012 der Arbeit
fern und nahm sie trotz dreier Abmahnungen und mehrerer Aufforderungen
der Beklagten bis zum Kündigungszeitpunkt - über mehr als dreieinhalb
Wochen - nicht wieder auf.
42
bb) Der Kläger befand sich nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.
43
(1)
Der Geltungsanspruch des Rechts bewirkt, dass der Schuldner das Risiko
eines Rechtsirrtums grundsätzlich selbst trägt und es nicht dem
Gläubiger überbürden kann ( BAG 19. August 2015 -
5 AZR 975/13 - Rn.
31). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur vor, wenn der Schuldner
seinen Irrtum auch unter Anwendung der zu beachtenden Sorgfalt nicht
erkennen konnte. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es reicht nicht
aus, dass er sich für seine eigene Rechtsauffassung auf eine eigene
Prüfung und fachkundige Beratung stützen kann. Ein Unterliegen in einem
möglichen Rechtsstreit muss zwar nicht undenkbar sein (vgl. BAG 12.
November 1992 -
8 AZR 503/91 - zu I 1 der Gründe,
BAGE 71, 350).
Gleichwohl liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum nur dann vor, wenn der
Schuldner damit nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht
zu rechnen brauchte; ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht
(vgl. BAG 29. August 2013 -
2 AZR 273/12 - Rn. 34; BGH 6. Dezember 2006 -
IV ZR 34/05 - zu II 1 a aa der Gründe; 27. September 1989 - IVa ZR
156/88 - ).
44
(2)
Der Kläger hat sich nicht fachkundig beraten lassen, bevor er die
Arbeitsleistung verweigert hat. Nach seinem eigenen Vorbringen war er
sich des Risikos, dass ein Leistungsverweigerungsrecht von den Gerichten
verneint werden könnte, vollauf bewusst. Unter diesen Umständen kann
von einem entschuldbaren, unvermeidbaren Rechtsirrtum keine Rede sein.
45
4.
Bei der abschließenden Interessenabwägung überwiegt - entgegen der
Ansicht des Landesarbeitsgerichts - das Interesse der Beklagten an der
sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dessen Fortsetzung war
ihr selbst für den Lauf der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist
von sieben Monaten zum Schluss eines Kalendermonats ( § 8 Ziff. 2 Abs. 2
Satz 1 MTV ) nicht zuzumuten.
46
a)
Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung
jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist,
ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der
sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des
Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des
Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu
erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen
ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende
der Frist für eine ordentliche Kündigung zuzumuten war oder nicht, nicht
abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das
Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad
des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr
sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier
Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es
keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil
dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar
sind. Sie scheidet aus, wenn es ein "schonenderes" Gestaltungsmittel -
etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls
geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck
- nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die
Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu
erreichen (vgl. BAG 20. November 2014 -
2 AZR 651/13 - Rn. 21; 23.
Oktober 2014 -
2 AZR 865/13 - Rn. 47,
BAGE 149, 355).
47
b)
Dem Berufungsgericht kommt bei dieser Prüfung und Interessenabwägung -
obwohl es sich um Rechtsanwendung handelt - ein gewisser
Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz
aber daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts
unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden
Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat ( BAG 20. November 2014 - 2
AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 -
2 AZR 646/11 - Rn. 42). Eine
eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die
des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche
relevanten Tatsachen feststehen ( BAG 27. September 2012 -
2 AZR 646/11 -
aaO.; 19. April 2012 -
2 AZR 258/11 - Rn. 16).
48
c)
Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagten sei die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten gewesen, hält der
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
49
aa)
Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist
insoweit nicht zu beanstanden, wie es zugunsten des Klägers die lange
Dauer des Arbeitsverhältnisses, dessen von erheblichen
Pflichtverletzungen freien Verlauf, seine Unterhaltspflichten und den
Umstand berücksichtigt hat, dass die Beklagte nicht nach weiteren
Möglichkeiten gesucht hat, ihn vertragsgemäß in Vollzeit zu
beschäftigen. Dass der Kläger einen Einsatz im Projekt "SharePoint"
abgelehnt hatte, führte zwar dazu, dass er seine Arbeitsleistung nicht
mit dem Ziel zurückhalten durfte, man möge ihm weitere Aufgaben
übertragen. Dies entband die Beklagte jedoch nicht davon, "von sich aus"
andere bzw. zusätzliche Tätigkeiten für ihn zu suchen.
50
bb)
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der anderen Seite die Schwere
der Pflichtverletzung und den Grad des ihn treffenden Verschuldens
zulasten des Klägers berücksichtigt.
51
(1)
Die Pflichtverletzung des Klägers war schwerwiegend. Er hat gegen seine
Hauptleistungspflicht verstoßen und es der Beklagten unmöglich gemacht,
mit der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung zu planen. Dabei kommt es
nicht darauf an, ob und ggf. welche Arbeiten aufgrund seiner Abwesenheit
nicht erledigt wurden (vgl. dazu BAG 29. August 2013 -
2 AZR 273/12 -
Rn. 43). Ebenso wenig ist es von Belang, dass er mit den Tätigkeiten als
"BlueprintVorfilterer" und "TRM-Koordinator" lediglich für drei bis
vier Wochenstunden ausgelastet war. Wollte man dies anders sehen,
müssten geringfügig Beschäftigte selbst dann nicht mit einer Kündigung
rechnen, wenn sie die Arbeitsleistung noch so beharrlich verweigern
sollten.
52
(2)
Den Kläger traf ein erhebliches Verschulden. Er war sich des mit seinem
Vorgehen verbundenen Risikos nach eigenem Bekunden hinlänglich bewusst.
Die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung hatte er
ausdrücklich ins Kalkül gezogen.
53
cc)
Das Landesarbeitsgericht durfte angesichts aller Umstände nicht
annehmen, die Interessen des Klägers überwögen, weil der Beklagten eine
mildere Reaktionsmöglichkeit zur Verfügung gestanden habe.
54
(1)
Es hat gemeint, die Beklagte habe dem Kläger spätestens in dem
Personalgespräch am 15. Oktober 2012 eine Verbesserung der von ihm als
unerträglich empfundenen Arbeitssituation in Aussicht stellen und ihm so
"den Weg zurück (...) ebnen" müssen. Es könne "nicht von vornherein
ausgeschlossen" werden, "dass (er) ein solches Angebot wahrgenommen
hätte". Es sei ihm "gerade um eine angemessene Beschäftigung" gegangen.
Der Beklagten sei es deshalb zumutbar gewesen, dem Kläger zunächst "ein
Entgegenkommen bei der Übernahme weiterer Aufgaben zu zeigen".
55
(2)
Die Annahme, darin habe ein milderes Mittel bestanden, das geeignet
gewesen wäre, die Arbeitsverweigerung zu beenden, ist rechtsfehlerhaft.
Sie steht im Widerspruch zu der Intention des Klägers, wie sie aus
dessen vorangegangenen Bekundungen und - diese bestätigend - seinem
Prozessvortrag deutlich geworden ist.
56
(a)
Ausweislich seiner E-Mails vom 10., 20. und 28. September 2012 hielt
der Kläger es für unzumutbar iSv. §
275 Abs. 3 BGB , die geschuldete
Arbeitsleistung zu erbringen. In Festschreibung dessen, was gemäß §
326
Abs. 2 BGB ohnehin gelte, "bevorzuge" er eine bezahlte Freistellung bis
zum Eintritt in die Regelaltersrente. Er war danach unter keinen
Umständen (mehr) bereit, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen. Die
Beklagte musste mit Blick auf diese Äußerungen annehmen, dass sie ihn
nicht dazu hätte bewegen können, seine ablehnende Haltung aufzugeben,
indem sie ihm die Übernahme weiterer, den Vereinbarungen der Parteien
entsprechender Aufgaben anböte. Eine "angemessene Beschäftigung" wäre
vielmehr in den Augen des Klägers - so musste es sich ihr darstellen -
allenfalls eine solche gewesen, die eine Beförderung in den Bereich der
"AT-Angestellten" bzw. der "Führungskräfte" bedeutet hätte. Und selbst
das musste zweifelhaft erscheinen, nachdem er mit der E-Mail vom 28.
September 2012 mitgeteilt hatte, die "innere Kündigung" sei "perfekt",
für eine "neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr", die
Beklagte habe "die Zusammenarbeit unmöglich gemacht" und "ihre
Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich
kompromittiert".
57
(b)
Dass er schlechterdings nicht (mehr) bereit war, den bestehenden
Arbeitsvertrag zu erfüllen, hat der Kläger durch seinen prozessualen
Vortrag untermauert. So hat er im Schriftsatz vom 28. Mai 2013
ausgeführt, es sei "offensichtlich", dass die "Vertrauensbasis nicht
wiederhergestellt" werden könne und die Prognose für eine erfolgreiche
Zusammenarbeit "negativ" sei. In seinem Schriftsatz vom 10. Juni 2013
hat er die einzigen Wege beschrieben, die er als gangbar ansehe, um den
Konflikt der Parteien zu lösen: entweder eine bezahlte Freistellung bis
zum Erreichen der Regelaltersgrenze oder die Zahlung einer Abfindung
iHv. 1.502.550,00 Euro zzgl. einer Betriebsrente iHv. 600,00 Euro pro
Monate. Als "worst case" komme auch eine Fortführung des
Arbeitsverhältnisses in Betracht, allerdings nur bei Gewährung einer
Gehaltserhöhung, Zusage von Altersteilzeit und Androhung eines
Ordnungsgelds für die Beklagte.
58
d)
Gab es demnach kein milderes Mittel, um den Kläger dazu zu bewegen,
künftig seinen Arbeitsvertrag zu erfüllen, überwog das Interesse der
Beklagten daran, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Da der Kläger
bei vollem Risikobewusstsein seine Hauptleistungspflicht nachhaltig
verletzt und deren weitere Erfüllung abgelehnt hatte, ohne dass die
Aussicht bestanden hätte, ihn "zur Umkehr" bewegen zu können, hat er der
Beklagten selbst die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
unzumutbar gemacht. Nicht anders läge es, wenn er sie - im Sinne des von
ihm beschriebenen "worst-case"-Szenarios - dazu hätte "nötigen" wollen,
ihn zu befördern, ihm Altersteilzeit zu bewilligen und ihm eine
Betriebsrente in der geforderten Höhe zu zahlen.
59
5.
Die Beklagte hat die Erklärungsfrist des §
626 Abs. 2 BGB gewahrt. Sie
hat die Kündigung damit begründet, der Kläger weigere sich beharrlich,
die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Damit hat sie einen
Dauertatbestand geltend gemacht, der sich fortlaufend neu verwirklichte
(vgl. BAG 29. August 2013 -
2 AZR 273/12 - Rn. 45; 13. Mai 2004 - 2 AZR
36/04 - zu II 1 der Gründe).
60
II.
Die Kündigung ist nicht deshalb nach §
134 BGB nichtig, weil sie gegen
das Maßregelungsverbot des §
612a BGB verstieße. So läge es nur, wenn
tragender Beweggrund, dh. wesentliches Motiv für sie eine zulässige
Rechtsausübung gewesen wäre (vgl. BAG 20. Dezember 2012 -
2 AZR 867/11 -
Rn. 45; 19. April 2012 -
2 AZR 233/11 - Rn. 47). Das wiederum setzte
voraus, dass das geltend gemachte Recht tatsächlich existierte
(ErfK/Preis 15. Aufl. §
612a BGB Rn. 5; KR/Treber 10. Aufl. §
612a BGB
Rn. 6). Dem Kläger stand aber weder ein Leistungsverweigerungsrecht nach
§
275 Abs. 3 BGB noch ein Zurückbehaltungsrecht nach §
273 Abs. 1 BGB
zu. Er hat kein Recht in zulässiger Weise ausgeübt, sondern beharrlich
die von ihm geschuldete Arbeitsleistung verweigert.
61
III.
Die Kündigung ist nicht nach §
102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der
Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört worden. Hierüber besteht zwischen
den Parteien kein Streit.
62
D. Die Kostenentscheidung folgt aus §
91 Abs. 1 , §
97 Abs. 1 ZPO .
KreftRachorNiemannKrichelEulen
Verhältnis zu bisheriger Rechtsprechung:
Zu OS 1.: im Anschluss an BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 -
Zu
OS 2.: im Anschluss an BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 -; 29. August
2013 - 2 AZR 273/12 -; 12. November 1992 - 8 AZR 503/91 - BAGE 71, 350;
BGH 6. Dezember 2006 - IV ZR 34/05 -; 27. September 1989 - IVa ZR
156/88 -
Zu OS 3.: im Anschluss an BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - BAGE 135, 203
Zu OS 4. u. 5.: im Anschluss an BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 -
Weiterführender Hinweis:
Der
Senat musste nicht entscheiden, ob in einem Anwaltsprozess auch dann
eine Unterbrechung nach § 244 Abs. 1 ZPO eintritt, wenn für die Kanzlei
des Bevollmächtigten, der seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
verloren hat, ein Abwickler amtlich bestellt wird (gegen eine
Unterbrechung in solchen Fällen BFH 10. Februar 1982 - I R 225/78 - BFHE
135, 445; dafür OLG Köln 3. Juni 1993 - 12 W 19/93 - ).