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  • 21.12.2011 · IWW-Abrufnummer 120217

    Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 11.07.2011 – 9 Ta 1418/11

    Bei der Feststellung des maßgeblichen Einkommens ist grundsätzlich nur das Einkommen des Antragstellers zu berücksichtigen. Ehegatteneinkommen wird nur bei der Feststellung der Freibeträge berücksichtigt.


    Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

    9 Ta 1418/11

    1 Ca 547/11

    Arbeitsgericht Berlin

    Beschluss

    In der Beschwerdesache

    pp
    hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 11. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht W.-M. als stellvertretendem Vorsitzenden beschlossen:

    Tenor:

    1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 22. Juni 2011 wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Cottbus vom 1. Juni 2011 - 1 Ca 547/11 abgeändert. Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 5. Mai 2011 mit der Maßgabe bewilligt, dass hinsichtlich der Prozesskosten vorläufig kein eigener Beitrag zu leisten ist.

    2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    3. Gegen diesen Beschluss ist für die Klägerin kein Rechtsmittel gegeben.

    Gründe

    I. 1. Unter dem 21.4.2011 erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage vor dem Arbeitsgericht Cottbus und wandte sich gegen eine Kündigung vom 14. April 2011 zum 30. April 2011 mit dem Ziel, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31. Mai 2011 beendet sei. Mit Schreiben vom 5. Mai 2011 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung. Eine Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ohne Datum, allerdings mit Belegen des Monats April 2011, war beigefügt.

    Nachdem die Beklagte im Gütetermin am 24. Mai 2011 den klägerischen Anspruch anerkannt hatte und ein Anerkenntnisurteil gegen die Beklagte ergangen war, wies das Arbeitsgericht Cottbus mit Beschluss vom 1. Juni 2011 den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zurück, da sie aufgrund des zu berücksichtigenden Familieneinkommens über einzusetzendes Einkommen verfüge und angesichts der voraussichtlichen Prozesskosten von 275,10 EUR die nach § 115 Abs. 4 ZPO notwendige Zahl von vier Raten nicht überschritten werden würden.

    2. Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10. Juni 2011 zugestellten Beschluss erhob dieser unter dem 22. Juni 2011 sofortige Beschwerde. Er verwies darauf, dass nach der Rechtsprechung des LAG Köln der steuerfreie Verpflegungszuschuss an den Ehemann der Klägerin durch seinen Arbeitgeber nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

    Mit Beschluss vom 30. Juni 2011 half das Arbeitsgericht Cottbus der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

    II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin ist gem. §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig, da die Klägerin die unzutreffende Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse rügt.

    1. In der Sache ist die sofortige Beschwerde auch begründet. Dabei kann dahinstehen, ob der Rechtsprechung des LAG Köln zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit eines steuerfreien Verpflegungszuschusses für Berufskraftfahrer zu folgen ist.

    2. Nach § 114 S. 1 ZPO erhält eine Partei auf Antrag Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Einsatz von Einkommen und Vermögen bestimmt sich nach § 115 ZPO.

    Die wirtschaftlichen Voraussetzungen des § 115 ZPO sind gegeben. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Berücksichtigung des Einkommens des anderen - nicht klagenden - Ehegatten im Prozesskostenhilfeverfahren in den nach § 11 a Abs. 3 ArbGG auch im Arbeitsgerichtsverfahren anzuwendenden §§ 114 ff. ZPO abschließend geregelt. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 5. April 2006 - 3 AZB 61/04 - ausgeführt:

    "Vom Einkommen der antragstellenden Partei sind Unterhaltsfreibeträge für den Ehegatten und andere unterhaltsberechtigte Personen abzusetzen, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 1 ZPO. Hat die unterhaltsberechtigte Person, also auch der Ehegatte, eigenes Einkommen, so vermindert sich der für ihn beim Antragsteller einzusetzende Unterhaltsfreibetrag in der Höhe dieses Einkommens (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 2 ZPO). Damit regelt das Gesetz die Behandlung des Ehegatteneinkommens im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abschließend (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 11a Rn. 28; GK-ArbGG/Bader § 11a Rn. 49). Eine weitergehende Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens hat weder im Prozess- noch im Familienrecht eine gesetzliche Grundlage, da im gesetzlichen Güterstand die Vermögen der Ehegatten getrennt bleiben (§ 1363 Abs. 2 Satz 1 BGB)."

    Diese Auffassung ist auch in der Literatur und von zahlreichen anderen Gerichten anerkannt. Maßgebend ist das Einkommen der Partei, nicht das Familieneinkommen beider Ehegatten (Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 115 Rz. 7 m.w.N., LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. März 2009 - 2 Ta 25/09). Der Lebensunterhalt und Lebensstandard des Einzelnen bestimmt sich zwar nicht allein durch sein Einkommen; die Einkünfte der anderen Familienmitglieder kommen letztlich allen zu Gute; es wird regelmäßig "aus einem Topf" gewirtschaftet. Dennoch schließt § 115 ZPO eine Zusammenrechnung der Einkommen sämtlicher Familienmitglieder eindeutig aus. Dies ist als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen. Eine andere Betrachtungsweise ist auch nicht in Folge der derzeitigen Gestaltung des Vordrucks über die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO) geboten, wonach auch nach dem Einkommen des Ehegatten gefragt wird. Denn dies beruht nicht auf gesetzlichen Vorgaben. Das Einkommen eines gut verdienenden Hausgenossen findet allein dann Berücksichtigung, wenn dem Antragsteller tatsächliche geldwerte Leistungen zugute kommen; diese rechnen dann zu seinem Einkommen.

    3. Zu berücksichtigen sind aber auch Ansprüche auf Prozesskostenvorschuss gegen den anderen Hausgenossen; diese stellen dann einen Bestandteil des Vermögens der Klägerin dar.

    Vorliegend entspricht die Geltendmachung eines Prozesskostenvorschusses der Klägerin gegenüber ihrem Ehegatten bezüglich des Zahlungsteils nicht der Billigkeit i. S. v. § 1360 a Abs. 4 BGB. Zwar ist die Klägerin bedürftig, da sie die Prozesskosten nicht allein aufbringen kann. Allerdings setzt der Prozesskostenvorschussanspruch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (hier des Ehegatten) voraus. Darüber hinaus darf die Belastungsverpflichtung nicht unzumutbar sein, denn der Prozesskostenvorschuss wird nur nach Billigkeit geschuldet.

    Angesichts des verhältnismäßig geringen Einkommens des Ehegatten der Klägerin sowie der erheblichen Wohnkosten, die, wie die übrigen Kreditraten, zumindest weit überwiegend von ihm getragen werden müssen, kommt es nicht darauf an, ob ein Selbstbehalt von 1.000,-- EUR der Billigkeitsgrenze entspricht. Denn diese Grenze ist in jedem Fall deutlich unterschritten.

    III. Ein Grund, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG rechtfertigen könnte, besteht nicht.

    VorschriftenZPO § 115