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  • 17.01.2012 · IWW-Abrufnummer 120501

    Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 16.09.2011 – 6 Sa 909/11

    1.Ein Ausbildungsverhältnis kann bereits vor Beginn der Probezeit gemäß § 22 Abs.1 BBiG gekündigt werden, sofern nicht ausnahmsweise etwas anderes vereinbart worden ist. 2.Die Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses durch den Ausbildenden verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, sofern sie erfolgt ist, weil der Ausbildende (eine Sparkasse) aufgrund bestehender Verbindlichkeiten der Auszubildenden Zweifel an deren Geeignetheit für den Beruf der Bankkauffrau hat. 3.Artikel 21 Abs.1 EU-GR Charta, der eine Diskriminierung wegen des Vermögens untersagt, ist bei Kündigungen weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar.


    Tenor:

    I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 30.06.2011 - AZ: 4 Ca 3402/10 - wird zurückgewiesen.

    II.

    Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

    III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    T A T B E S T A N D :

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses.

    Die am 05.01.1986 geborene Klägerin schloss mit der Beklagten am 29.01.2010 einen schriftlichen Ausbildungsvertrag. Danach sollte die Klägerin ab dem 01.08.2010 als Bankkauffrau ausgebildet werden. Es wurden eine Probezeit von vier Monaten sowie für das erste Ausbildungsjahr eine Vergütung in Höhe von 736,16 € brutto vereinbart. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anlage 1, Bl. 3 - 4 d.A., Bezug genommen.

    In einem Gespräch am 21.06.2010 wurde die Klägerin von Vertretern der Beklagten zu vermeintlichen Verbindlichkeiten befragt. Anlass des Gesprächs war eine von der Beklagten eingeholte Schufa - Auskunft, aus der sich angebliche Schulden der Klägerin ergaben. Die Klägerin überreichte im Rahmen des Gesprächs eine Liste, in der insgesamt Verbindlichkeiten in Höhe von 12.800,- € aufgezählt wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf die mit der Überschrift "Schuldenregulierung RA S. Düsseldorf" versehene Aufstellung (Bl. 27 d.A.) verwiesen. Auf die Frage, wie sie die Verbindlichkeiten zurückführen wolle, teilte die Klägerin mit, die Summen würde ihr Großvater vorstrecken. Am 29.06.2010 folgte dann ein weiteres Gespräch der Parteien. Dabei teilte die Klägerin auf Nachfrage mit, sie habe bisher keinen Kontakt zu ihrem Großvater aufgenommen.

    Mit einem Schreiben vom 05.07.2010 kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis "vor Beginn Ihrer Ausbildung zum 01.08.2010". Unter dem Datum des 15.07.2010 stellte die Klägerin bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer einen Antrag auf Verhandlung vor dem Ausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden gemäß § 111 Abs.2 ArbGG. Die Schlichtungsverhandlung endete am 09.12.2010 mit folgendem Ergebnis: "Kein Spruch/kein Vergleich". Daraufhin hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung vom 05.07.2010 mit der am 16.12.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 22.12.2010 zugestellten Klage geltend gemacht.

    Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Es liege eine missbräuchliche Berufung auf die Probezeitbestimmungen des Berufsbildungsgesetzes vor. Sie hat darauf hingewiesen, dass laut einer Bescheinigung des Amtsgerichts Grevenbroich vom 06.12.2010 - unstreitig - bezüglich ihrer Person keine Eintragungen in der Schuldnerkartei vorlägen.

    Die Klägerin hat beantragt,

    1.

    festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Klägerin durch schriftliche Kündigung der Beklagten vom 05.07.2010 zum 01.08.2010 nicht aufgelöst worden ist;

    2.

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endete, sondern zu unveränderten Bedingungen über den Beendigungszeitpunkt hinaus fortbesteht;

    3.

    die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu den im Ausbildungsvertrag vom 29.01.2010 geregelten Arbeitsbedingungen als Bankkauffrau auszubilden.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat behauptet, die Angaben der Klägerin zu den Schulden seien lückenhaft und widersprüchlich gewesen. Insgesamt hätten sie die Zuverlässigkeit und Geeignetheit der Klägerin im Umgang mit Geld mehr als zweifelhaft erscheinen lassen.

    Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat die Klage mit Urteil vom 30.06.2011 abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne ein Berufsausbildungsverhältnis, soweit keine abweichende Regelung bestehe oder der Ausschluss der Kündigung sich nicht aus anderen Gesichtspunkten ergebe, bereits vor Antritt der Berufsausbildung gekündigt werden. Die Kündigung vom 05.07.2010 verstoße weder gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB noch sei sie sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB. Die Bedenken der Beklagten seien nachvollziehbar. Die Wertung der Beklagten, zum Umgang mit Geld sei die Klägerin in Anbetracht der Unfähigkeit einer angemessenen Regulierung der eigenen Verbindlichkeiten nicht geeignet, sei nicht zu beanstanden.

    Gegen dieses Urteil, welches ihr am 18.07.2011 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit einem am 19.07.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 01.08.2011 begründet.

    Die Klägerin rügt, die Kündigung stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar und sei auch sittenwidrig. Sie werde durch die von der Beklagten vorgeschobenen Kündigungsgründe bloßgestellt, weil sie den Verdacht erregt haben soll, sie könne am Schalter nicht ordentlich mit den Geldern der Bankkunden umgehen. Das Arbeitsgericht habe seiner Entscheidung einen streitigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Es werde bestritten, dass die Klägerin Schulden habe. Die Klägerin behauptet, sie habe auf Bitten ihres Vaters eine Bürgschaft übernommen. Diese sei bereits vor Ausspruch der Kündigung aufgehoben worden.

    Zum Inhalt von Schufa - Eintragungen verweist sie auf eine Bonitätsauskunft vom 17.09.2010 nebst Anmerkungen, welche sie als Anlagen 1a (B. 85) und 2 - 9 (Bl. 87 - 95) zur Gerichtsakte gereicht hat.

    Die Klägerin ist der Ansicht, selbst bei Schufa - Eintragungen sei die Eignung für eine Ausbildung zur Bankkauffrau nicht in Frage zu stellen. Es läge ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, dessen § 1 dahingehend zu ergänzen sei, dass auch Benachteiligungen wegen des Vermögens zu verhindern und zu beseitigen seien. Dies ergebe sich aus Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 01.12.2009 unmittelbar geltendes und für deutsche Gerichte zu beachtendes Recht darstelle.

    Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 30.06.2011 - AZ: 4 Ca 3402/10 - abzuändern und festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Klägerin durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 05.07.2010 zum 01.08.2010 nicht aufgelöst worden ist.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

    Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie behauptet, bei dem Gespräch am 21.06.2010 habe die als Anlage B 2 überreichte Schufa - Auskunft mit "Auskunftsdaten vom 07.04.2009, 13.33 Uhr" (Bl. 81) zugrunde gelegen. Sie trägt vor, von ihr sei beanstandet worden, dass der Klägerin zum Teil die Forderungen gar nicht bekannt gewesen seien, zum Teil die beabsichtigten Rückforderungsmodalitäten widersprüchlich geschildert worden seien. Die Klägerin habe zu Punkt 1 der "Schuldenregulierung RA S. Düsseldorf" gar nichts sagen können.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhaltes sowie des widerstreitenden Sachvortrages wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 16.09.2011 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    A.

    Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

    I.Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 64 Abs. 1, 2 Ziff. c) ArbGG.

    II.Die Berufung ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Ausbildungsverhältnis der Klägerin ist durch die Kündigung vom 05.07.2010 wirksam beendet worden.

    1. Die Klage ist zulässig.

    § 111 Abs.2 S.1 ArbGG steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, da die Klägerin vor Einreichung der Klageschrift den zuständigen Ausschuss zur Beilegung der Streitigkeiten aus Berufsausbildungsverhältnissen angerufen hat. Unerheblich ist, dass dieses Verfahren nicht durch einen Spruch beendet worden ist, da dies außerhalb des Einflussbereichs der Klägerin liegt.

    2. Die Klage ist unbegründet.

    a) Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil sie bereits vor Beginn des Ausbildungsverhältnisses erklärt worden ist.

    aa) § 22 Abs.1 BBiG steht einer Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses vor dessen Beginn nicht entgegen (allgemeine Meinung seit BAG v. 17.09.1987 - 2 AZR 654/86 - AP Nr. 7 zu § 15 BBiG; vgl. nur: Ascheid/Preis/Schmidt [APS]- Biebl, Kündigungsrecht, 3. Auflage 2007, § 22 BBiG Rn. 3; Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungschutzrechtlichen Vorschriften [KR] - Weigand, 9. Auflage 2009, §§ 21 - 23 BBiG Rn. 41; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 10. Auflage 2010, Rn. 515; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht - Schlachter, 11. Auflage 2011, BBiG § 22 Rn. 2).

    Da § 22 Abs.1 BBiG die Kündigung vor Ausbildungsantritt nicht regelt, sind gemäß § 10 Abs.2 BBiG die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsgrundsätze und Rechtsvorschriften anzuwenden, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Berufsausbildungsverhältnisses nichts anderes ergibt. Zu diesen Rechtsgrundsätzen gehört es, dass ein Arbeitsverhältnis regelmäßig bereits vor seinem Beginn gekündigt werden kann, wenn die Arbeitsvertragsparteien nichts anderes geregelt haben oder sich der Ausschluss der Kündigung nicht aus anderen Umständen ergibt (allgemeine Meinung, vgl. nur BAG v. 25.03.2004 - 2 AZR 324/03 - NZA 2004, 1089; BAG v. 14.12.1988 - 5 AZR 10/88 - n.v., zitiert nach juris; APS - Linck, § 622 BGB Rn.70 m.w.N.). Denn mit Abschluss des Arbeitsvertrags entstehen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertragliche Beziehungen, mag auch das Arbeitsverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt aktualisiert werden. Daher haben beide Vertragspartner das Recht, die zwischen ihnen existierende vertragliche Bindung durch Kündigung zu beenden (APS - Linck a.a.O.). Beim Berufsausbildungsverhältnis bestehen insoweit keine Besonderheiten. Da dieses sogar am ersten Tag des Ausbildungsbeginns ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, gibt es kein Schutzbedürfnis des Auszubildenden, eine Kündigung vor Ausbildungsbeginn auszuschließen. Im Gegenteil: Der Auszubildende hat ein Interesse daran, möglichst frühzeitig zu erfahren, dass die Ausbildung nicht durchgeführt wird, damit er schnellstmöglich die Gelegenheit hat, sich um einen Ersatz zu kümmern. Diesem Interesse würde es zuwiderlaufen, wenn man eine Kündigung erst ab Ausbildungsbeginn zuließe.

    bb) Im Streitfall gibt es keine Besonderheiten, die ausnahmsweise eine Kündigung vor Ausbildungsbeginn ausschließen. Ein solcher Kündigungsausschluss ist weder im Ausbildungsvertrag geregelt noch ist aus sonstigen Umständen ein dahingehender Wille der Parteien ersichtlich.

    b) Die Kündigung ist nicht gemäß § 242 BGB unwirksam.

    aa) Allerdings kann - zumindest aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst werden - eine Kündigung gemäß § 242 BGB wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben unwirksam sein (vgl. BAG v. 23.06.1994 - 2 AZR 617/93 - AP Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 242). Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, wobei eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung nach der genannten Rechtsprechung als unzulässig angesehen wird. Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben ergeben, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden (BAG v. 23.06.1994 a.a.O.). In diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht eine Kündigung für unwirksam gehalten, die - bei bestätigten guten Leistungen - nur wegen der Homosexualität des Arbeitnehmers ausgesprochen wird (BAG v. 23.06.1994 a.a.O.). Die Gestaltung des privaten Lebensbereichs stehe außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers und werde durch arbeitsvertragliche Pflichten nur eingeschränkt, als sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirke und dort zu Störungen führe.

    bb) Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Kündigung seitens der Beklagten nicht treuwidrig.

    (1) Dem steht schon entgegen, dass das Verhalten der Klägerin, welches die Kündigung veranlasst hat, nicht ausschließlich dem privaten Bereich zuzurechnen ist. Die Beklagte hat nämlich keineswegs unmittelbar nach Vorliegen einer Schufa - Auskunft aufgrund hieraus sich ergebender vermeintlicher Verbindlichkeiten gekündigt, sondern die Klägerin zu ihrer Vermögenssituation angehört. Aus dem Verhalten der Klägerin im Rahmen der Anhörung hat sie dann Rückschlüsse auf deren fehlende Eignung gezogen. Die Klägerin hat sich insoweit widersprüchlich geäußert. Während sie im ersten Gespräch angegeben hat, mit Hilfe ihres Großvaters die Schulden zurückführen zu wollen, hat sie im zweiten Gespräch eingeräumt, mit diesem noch nicht einmal darüber gesprochen zu haben. Daraus resultierende Zweifel an der Eignung der Klägerin im Umgang mit finanziellen Angelegenheiten sind durchaus nachvollziehbar. Ob diese Zweifel im Ergebnis berechtigt sind, bedarf hier keiner Prüfung, da die zugrunde liegenden Erwägungen jedenfalls nicht willkürlich sind.

    (2) Unabhängig davon hatte die Beklagte aufgrund einer von der Klägerin selbst überreichten Aufstellung "Schuldenregulierung RA S. Düsseldorf" Anlass für Zweifel an der Eignung der Klägerin. Dabei bedarf es keiner Aufklärung, ob die Klägerin im Dezember 2010 noch Schulden hatte bzw. zum heutigen Zeitpunkt schuldenfrei ist. Aufgrund der von ihr überreichten Aufstellung durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin zumindest im Juni 2010 Verbindlichkeiten in Höhe von 12.800,- € hatte. Darüber hinaus lässt sich der Aufstellung entnehmen, dass diese ursprünglich höher waren und ein Rechtsanwalt S. sich um die Schuldenregulierung gekümmert hat. Der rechten Spalte der Aufstellung lässt sich sodann entnehmen, dass im Wege von Vergleichen eine Reduzierung der Verbindlichkeiten erreicht werden konnte. Auch wenn dieser Sachverhalt im privaten Bereich liegt, so gibt er doch Anlass zu Zweifeln hinsichtlich der Fähigkeit der Klägerin, mit Geld umzugehen. Diese Zweifel - mögen sie berechtigt sein oder nicht - schließen die Treuwidrigkeit aus, da für die Ausübung des Berufs einer Bankkauffrau die Fähigkeit des Umgangs mit Geld vorausgesetzt wird.

    cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Artikel 21 Abs.1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union eine Diskriminierung u.a. wegen des Vermögens untersagt.

    (1) Zum einen liegt hier keine Diskriminierung wegen des Vermögens vor. Die Beklagte hat sich hier auf das Verhalten der Klägerin in den Gesprächen am 21.06 und 29.06.2010 berufen.

    (2) Zudem ist das auf das Vermögen bezogene Diskriminierungsverbot des Art. 21 Abs.1 GR-Charta nicht anwendbar.

    Gemäß Art. 51 Abs.1 S.1 GR-Charta gilt die Charta für "die Mitgliedsstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union". Die Bindung der Mitgliedsstaaten setzt damit zweierlei voraus: das Vorhandensein von Unionsrecht und seine Durchführung durch die Mitgliedsstaaten (Callies/Ruffert - Thorsten Kingreen, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, GrCh Art. 51 Rn.8). Unter Unionsrecht fallen neben dem Primärrecht alle in Art. 288 AEUV genannten Handlungsformen der Union, insbesondere Verordnungen und Richtlinien, aber auch andere Handlungsformen wie Fördermaßnahmen oder Verträge (Callies/Ruffert - Thorsten Kingreen, GrCh Art. 51 Rn.8). Durchführung ist der Oberbegriff von Umsetzen und Vollziehen, umfasst also sowohl die legislative Umsetzung von Richtlinien als auch den administrativen Vollzug von Verordnungen bzw. unmittelbar anwendbaren Richtlinien durch die Mitgliedsstaaten (vgl. wiederum Callies/Ruffert - Thorsten Kingreen, GrCh Art. 51 Rn.8; Streinz, EUV/EGV, Kommentar, 2003, Art. 51 GR-Charta, Rn. 8; Meyer-Borowsky, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Auflage 2006, Art. 51 Rn.26).

    Die Überprüfung der Rechtswirksamkeit von Kündigungen erfolgt grundsätzlich nicht in Durchführung einer europäischen Richtlinie (vgl. hierzu die Ausführungen von Willemsen/Sagan NZA 2011, 258, 259, die wiederum auf einen Beschluss des EuGH v. 16.01.2008 - AZ: C-361/07 - in Sachen "Polier" verweisen, in welchem sich der EuGH hinsichtlich eines Vorabentscheidungsersuchens betreffend Art. 30 und 33 GR-Charta für offensichtlich unzuständig erklärt hat).

    Etwas anderes könnte dann gelten, wenn im Streitfall § 1 AGG im Rahmen der Prüfung nach § 242 BGB heranzuziehen wäre. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dient nämlich der Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2004/113/EG. § 1 AGG ist aber nicht einschlägig, da hierin keine Diskriminierung wegen des Vermögens geregelt ist. Die Rechtsauffassung der Klägerin, § 1 AGG sei europarechtskonform dahingehend ergänzend auszulegen, dass auch Benachteiligungen aus Gründen des Vermögens zu untersagen sind, ist offensichtlich falsch. Dementsprechend wird diese Ansicht - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum vertreten. Die Aufzählung in § 1 AGG ist abschließend (ErfKomm- Schlachter, AGG § 1 Rn.15; Hey - Beitze, Kommentar zum AGG, 2009, § 1 Rn.2; Wendeling-Schröder/Stein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2008, § 1 AGG Rn.8; Däubler/Bertzbach, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Auflage 2008, § 1 AGG Rn.6-8; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH v. 11.07.2006 - C-13/05 - "Navas", NZA 2006, 839). Die Klägerin übersieht, dass die Europäischen Richtlinien keine Regelungen über eine Diskriminierung wegen des Vermögens enthalten. Dies steht wiederum im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die oben genannten Richtlinien basieren auf Art. 13 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), der zwischenzeitlich durch Art. 19 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) abgelöst worden ist (hierzu: Grabitz/Hilf/Nettesheim - Grabenwarter, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Loseblatt (Stand: Mai 2011), AEUV Art. 19 Rn.4). In den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta von den Gerichten der Mitgliedsstaaten zu berücksichtigenden Erläuterungen zu Artikel 21 GR-Charta ist niedergelegt, dass in Artikel 19 AEUV der Union die Zuständigkeit übertragen wird, "Gesetzgebungsakte & zur Bekämpfung bestimmter Formen der Diskriminierung, die in diesem Artikel erschöpfend aufgezählt sind, zu erlassen" (Hervorhebung durch Unterzeichner). In Art. 19 AEUV wird das Vermögen aber nicht genannt. Art. 21 GR-Charta behandelt hingegen "die Diskriminierung seitens der Organe und Einrichtungen der Union im Rahmen der Ausübung der ihr nach den Verträgen zugewiesenen Zuständigkeiten und seitens der Mitgliedsstaaten im Rahmen der Umsetzung des Unionsrechts. Mit Absatz 1 wird daher weder der Umfang der nach Artikel 19 zugewiesenen Zuständigkeiten noch die Auslegung dieses Artikels geändert." Für eine erweiternde Auslegung der auf Art.19 AEUV basierenden Richtlinien bleibt demzufolge kein Raum (vgl. wiederum EuGH v. 11.07.2006 - C-13/05 - "Navas", NZA 2006, 839).

    c) Die Kündigung ist nicht gemäß § 138 BGB wegen einer Sittenwidrigkeit unwirksam. Die Ausführungen zu § 242 BGB gelten entsprechend.

    B.

    I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.

    II. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 Nr.1-3 ArbGG bestehen nicht.