04.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122853
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 17.04.2012 – 8 Sa 1334/11
1.Eine in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Bestimmung, wonach sich Umfang und Lage der geschuldeten Arbeitszeit "wegen des schwankendem und nicht vorhersehbaren Umfangs der Arbeiten... nach dem jeweiligen Arbeitsanfall" richten, benachteiligt den Arbeitnehmer gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen.
2.Bei Fehlen einer (wirksamen) Vereinbarung zur Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist die Vertragslücke jedenfalls bei fehlender Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. 3. Für die Feststellung des mutmaßlichen Parteiwillens ist die tatsächliche Vertragsdurchführung von erheblicher Bedeutung.
Tenor:
1. | Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 27.10.2011 - Az. 3 Ca 1585/11 - abgeändert. Es wird festgestellt, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers wöchentlich 40 Stunden beträgt. Die Beklagte (zu 2)) wird verurteilt, den Kläger als Versandhilfskraft im Arbeitsumfang von wöchentlich 40 Stunden zu beschäftigen. |
2. | Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger. Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Kläger zu 10 %, die Beklagte (zu 2) zu 90 %. |
3. | Die Revision wird für die Beklagte (zu 2)) zugelassen. |
Tatbestand
Die Parteien streiten dar über, in welchem zeitlichen Umfang der Kläger einzusetzen ist.
Der 36 Jahre alte Kläger (ledig, ein unterhaltsberechtigtes Kind) war seit dem 01.07.1995 bei der Beklagten zu 1) als Versand-Hilfskraft beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 19.12.1996, wegen dessen weiteren Inhalts auf Blatt 17 f. der Akte verwiesen wird, heißt es unter anderem wie folgt:
"...
Wegen des schwankenden und nicht vorhersehbaren Umfangs dieser Arbeiten richten sich Umfang und Lage Ihrer Arbeitszeit nach dem jeweiligen Arbeitsanfall (§ 4 Abs. 1 Beschäftigungsbeförderungsgesetz). Die Lage der Arbeitszeit werden wir Ihnen anhand eines Einsatzplanes bekanntgeben.
...
Tarifliche Regelungen finden auf das Arbeitsverhältnis für das § 4 des Beschäftigungsförderungsgesetzes gilt, keine Anwendung"
Die Beklagte zu 1) beschäftigte in ihrem Betrieb in F. auf Basis vergleichbarer Verträge etwa 200 Arbeitnehmer, von denen 80-100 werktäglich im Einsatz waren. Der Kläger, der Mitglied des für die F.ner Betriebsstätte gebildeten Betriebsrats ist, bezog zuletzt einen Stundenlohn von 10,75 € brutto.
Der Kläger wurde seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ohne regelmäßige Arbeitszeit in wöchentlich schwankendem Umfang eingesetzt. Nach Maßgabe der von ihm für den Zeitraum ab Januar 2008 eingereichten Stundenaufstellungen lag die wöchentliche Arbeitszeit zumeist oberhalb von 40 Stunden. Wegen der Einzelheiten der Aufstellungen wird auf Blatt 244 ff., 330 ff. der Akte Bezug genommen. Der Kläger erhielt monatliche Bruttoeinkünfte inklusive Zuschlägen von zwischen 2.250,00 € und 2.700,00 €. Mit Wirkung zum 01.01.2012 übernahm die Beklagte zu 2) - damals noch firmierend unter X. Preprint Verwaltungs GmbH - den Betrieb der Beklagten zu 1). Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht, nachdem er bereits mit Schreiben vom 18.11.2011 "nach § 613a Abs. 5 BGB" über den Betriebsübergang und seine Folgen unterrichtet worden war.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei bereits bei Einstellung mitgeteilt worden, er solle in Vollzeit eingesetzt werden, nicht nur bei Bedarf oder in geringfügigem Umfang. Damit deckten sich die tatsächlich absolvierten - erstinstanzlich nur für die ersten sieben Kalendermonate des Jahres 2011 mitgeteilten - Einsatzzeiten. Ein Abrufarbeitsverhältnis sei weder gewollt gewesen noch seien die vertraglichen Bestimmungen insoweit wirksam. Durch den Arbeitsvertrag der Parteien würde das Wirtschaftsrisiko der Beklagten in unzulässiger Weise auf den Kläger verlagert.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Versandkraft in einem Arbeitsumfang von wöchentlich 40 Stunden zu beschäftigen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat den Willen zur Begründung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses bestritten; vielmehr sei tatsächlich ein Abrufarbeitsverhältnis gewollt gewesen und auch gelebt worden, wie sich an den zwischen 32 und 50 Wochenstunden schwankenden Einsatzzeiten zeige. Es gebe keine Anspruchsgrundlage für die Festschreibung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Da der Arbeitsvertrag der Parteien aus dem Jahre 1996 stamme, seien die §§ 305 ff. BGB vorliegend nicht anwendbar.
Das Arbeitsgericht hat die in erster Instanz nur gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne aus keinem Rechtsgrund verlangen, von der Beklagten im Umfang von 40 Stunden in der Woche beschäftigt zu werden. Eine vertragliche Vereinbarung mit diesem Inhalt sei weder schriftlich noch mündlich noch konkludent geschlossen worden. Im Übrigen sei wegen der gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksamen Abrufabrede im Arbeitsvertrag der Parteien zwar eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, diese stütze aber wegen der in den ersten sieben Kalendermonaten des Jahres 2011 vom Kläger durchschnittlich nur 38,05 abgeleisteten Wochenstunden nicht die Rechtsauffassung des Klägers, die Beklagte müsse ihn 40 Stunden pro Woche einsetzen.
Gegen das ihm am 14.11.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit einem am 17.11.2011 beim Landesarbeitsgericht geingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, am 03.01.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet.
Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe die Klage selbst bei Richtigkeit seiner Argumentation zumindest nicht zur Gänze abweisen dürfen, da auch die Festschreibung einer 38,05 Stundenwoche als Minus im Klageantrag enthalten gewesen sei. Wie sich aus den weiter vorgelegten Stundenaufstellungen für die Zeit ab Beginn des Jahres 2008 ergebe, liege der Einsatzdurchschnitt des Klägers bei mehr als 40 Stunden pro Woche und weise die erforderliche Stetigkeit in diesem Bereich auf. Selbst wenn ursprünglich wirksam ein Abrufarbeitsverhältnis begründet worden sein sollte, wäre dieses in Ansehung des Dauereinsatzes des Klägers gemäß § 313 BGB an die neuen Verhältnisse anzupassen. 40 Wochenstunden sei, so die Behauptung des Klägers, die betriebsübliche Arbeitszeit eines "normalen" Vollzeitbeschäftigten. Auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben bzw. der Gleichbehandlung dürfe die Arbeitgeberin den Kläger nicht weniger als 40 Stunden pro Woche beschäftigen.
In Ansehung des erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vollzogenen Betriebsübergangs hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 14.02.2012 ergänzend gegen die Beklagte zu 2) gerichtet. Er hat zunächst die Klage gegen die Beklagte zu 1) als vergangenheitsbezogene Feststellungsklage aufrecht erhalten, um bei Rechtskraft "Ansprüche nach § 615 BGB" dieser gegenüber geltend zu machen. Auf Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2012 hat er die Klage gegen die Beklagte zu 1) zurückgenommen.
Er beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 27.10.2011 Az.: 3 Ca 1585/11 abzuändern und
1. | festzustellen, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 40 Stunden beträgt, hilfsweise 38,5 Stunden im äußersten Fall hilfsweise 35 Stunden, |
2. | die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger künftig als Versandkraft in einem Arbeitsumfang von wöchentlich 40 Stunden hilfsweise von 38,05 Stunden, im äußersten Fall hilfsweise 35 Stunden zu beschäftigen. |
Die Beklagte zu 2) beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie räumt die Unvereinbarkeit der arbeitsvertraglichen Abrufklausel ein, ist aber der Auffassung, die entstehende Regelungslücke sei unter Berücksichtigung der arbeitgeberseits gewollten höchstmöglichen Flexibilität des Arbeitseinsatzes und der in der Vergangenheit gelebten 5-Tage-Arbeitswoche zu schließen. Bei im Durchschnitt maximal zulässigen 40 Stunden Arbeitseinsatz pro Woche und einem von der Rechtsprechung anerkannten Abrufkontingent von 25% der Arbeitszeit führe die ergänzende Vertragsauslegung zu einer wöchentlichen (Mindest-)Arbeitszeit von 32 Stunden. Selbst bei Annahme eines Vollzeitarbeitsverhältnisses spreche die gelebte Vertragspraxis wegen der starken Einsatzschwankungen nicht für eine Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden, zumal der Kläger immer wieder neue, korrigierte Stundenaufstellungen für die vergangenen Jahre präsentiere. Richtig sei insoweit vielmehr, das Stundenkontingent eines Vollzeitarbeitsverhältnisses unter Rückgriff auf die branchenüblichen Tarifverträge - für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Druckindustrie bzw. die Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie - zu bestimmen. Beide sähen lediglich eine 35-Stunden-Woche vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG. Insbesondere weist die Berufungsbegründung des Klägers die gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erforderliche Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen des arbeitsgerichtlichen Urteils auf. Sie beschränkt sich - im Hinblick auf die später vollzogene Auswechselung der Beklagten - nicht etwa auf die Geltendmachung eines neuen, erstinstanzlich nicht verfolgten Anspruchs, sondern stellt nach wie vor gerade die Richtigkeit der Klageabweisung durch das Arbeitsgericht in Frage (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 21.09.1994 - VIII ZB 22/94, NJW 1994, 3358).
B.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet.
I.
Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2012 gestellten Anträge sind zulässig.
1.
Die Klage richtet sich ausschließlich gegen die Beklagte zu 2). Die Klage gegen die Beklagte zu 1) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung mit deren Zustimmung zurückgenommen. Die in der Mitverklagung der Beklagten zu 2) liegende Klageänderung ist gemäß §§ 533, 263 ZPO zulässig. Die Entscheidung gegenüber der Beklagten zu 2) beruht auf derselben Tatsachengrundlage, wie sie bereits erstinstanzlich maßgeblich war. An der Sachdienlichkeit der Klageänderung besteht schon aus Gründen der Prozessökonomie kein Zweifel. Abgesehen davon müsste die Beklagte zu 2) wegen des unstreitigen Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf sie gemäß § 613a BGB ein gegen die Beklagte zu 1) ergehendes rechtskräftiges Urteil gemäß §§ 265, 325 Abs. 1 ZPO so oder so gegen sich gelten lassen, da der Betriebsübergang nach Rechtshängigkeit erfolgt ist (BAG, Urteil vom 18.05.2010 - 1 AZR 864/08, NZA 2010, 1198). Auch sonstige Gründe des Beteiligtenschutzes - wie etwa die Wahrung des Rechts der Beklagten zu 2) auf rechtliches Gehör - stehen nicht entgegen (vgl. BAG, Urteil vom 21.06.2011 - 9 AZR 236/10, NZA 2011, 1274). Die Beklagte zu 2) hat entsprechende Rügen nicht erhoben.
2.
Zulässig ist im Übrigen nicht nur der zu Ziffer 2. gestellte Leistungsantrag des Klägers, sondern auch der Feststellungsantrag zu 1). Das ergibt sich bereits aus § 256 Abs. 2 ZPO. Nach dieser Bestimmung kann die Klagepartei bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, durch Erweiterung des Klageantrags beantragen, dass ein Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt wird. § 256 Abs. 2 ZPO ermöglicht im Wege der Zwischenfeststellungsklage die Ausdehnung der Rechtskraft auch auf das dem Klagebegehren vorgreifliche Rechtsverhältnis und die tragenden Entscheidungsgründe. Die Vorgreiflichkeit ersetzt das ansonsten für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse (BAG, zuletzt etwa im Urteil vom 17.05.2011 - 9 AZR 201/10, [...]). So liegt es hier. Der Kläger begehrt die Feststellung des Umfangs der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, die Grundlage der mit dem Klageantrag zu 2) angestrebten Verurteilung der Beklagten zu 2) zur künftigen tatsächlichen Beschäftigung ist. Gleichzeitig beschränkt sich der Feststellungsantrag hierauf allerdings nicht, weil die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auch für Zeiten der Nichtbeschäftigung, etwa wegen Erholungsurlaubs oder Krankheit, und den für diese Zeiten bestehenden Vergütungsanspruch des Klägers maßgeblich ist.
II.
Die Klage ist auch begründet. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 40 Stunden, weswegen die Beklagte zu 2) auch verpflichtet ist, ihn in diesem zeitlichen Umfang als Versandkraft zu beschäftigen. Zwar haben sich die Parteien nicht auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden verständigt (unten 1.). Allerdings ist wegen der Unwirksamkeit der Vereinbarung einer rein kapazitätsorientierten Arbeitszeit im Arbeitsvertrag vom 19.12.1996 eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (unten 2.). Diese ergibt, dass der Kläger als Vollzeitarbeitskraft im Umfang von 40 Wochenstunden zu beschäftigen ist (unten 3.).
1.
Der vom Kläger geltend gemachte Beschäftigungsumfang ist nicht vertraglich vereinbart.
a.
Nach Maßgabe des Arbeitsvertrages vom 19.12.1996 sollte vielmehr gerade keine feste Arbeitszeit gelten, sondern sich die Einsatzverpflichtung des Klägers am schwankenden Arbeitsanfall ausrichten. Eine dies abändernde mündliche Vereinbarung hat der Kläger nicht dargelegt. Seine Behauptungen, ihm sei von Anfang an mitgeteilt worden, dass er in Vollzeit beschäftigt werde (Blatt 2 des Schriftsatzes vom 08.09.2011) bzw. er solle in Vollzeit arbeiten (Blatt 8 der Berufungsbegründung), weisen weder hinreichende Substanz auf (wer hat diese Aussagen wann im welchem Zusammenhang getätigt?), noch sind sie unter Beweis gestellt, noch ginge ihr Aussagewert ersichtlich über eine bloße Absichtsbekundung hinaus, den Kläger nach Möglichkeit in einem Umfang von 40 Wochenstunden oder mehr zu beschäftigen, ohne ihm dies garantieren zu wollen.
b.
Die Parteien haben sich auch nicht konkludent auf ein Vollzeitarbeitsverhältnis oder gar eine konkrete Wochenstundenzahl von 40 geeinigt. Dahingehende Willenserklärungen der Parteien sind dem in den vergangenen Jahren praktizierten Arbeitseinsatz des Klägers nicht zu entnehmen. Abgesehen davon, dass der Kläger eben nicht generell in einer 40-Stunden-Woche beschäftigt wurde (sondern zumeist länger), lässt der bloße Arbeitseinsatz eines Arbeitnehmers in der Vergangenheit als tatsächliches Verhalten nicht darauf schließen, der Arbeitgeber wolle damit zugleich eine bindende rechtliche Erklärung zum zukünftig geschuldeten Arbeitsumfang abgeben. Gilt dies bereits für die regelmäßige Überschreitung einer vertraglich festgeschriebenen wöchentlichen Arbeitszeit (so etwa im vom BAG am 22.04.2009 entschiedenen Sachverhalt, 5 AZR 133/08, DB 2009, 1652), dann für den vorliegenden Fall erst Recht: Der Einsatz des Klägers in der Vergangenheit widerspricht der vertraglichen Vereinbarung einer Arbeitszuweisung nach Arbeitsanfall nämlich nicht einmal. Er belegt lediglich, dass immer so viel zu tun war, dass die Beklagten den Kläger - anders als andere Mitarbeiter mit identischen Arbeitsverträgen - jederzeit in Vollzeit beschäftigen konnten.
2.
Im Hinblick auf die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers ist allerdings eine ergänzende Vertragsauslegung geboten.
a.
Die von den Parteien getroffene vertragliche Vereinbarung zum Einsatz des Klägers nach Arbeitsanfall ist gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unwirksam.
(1)Nach dieser Norm ist Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Wirksamkeit zu versagen, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, was im Zweifel dann der Fall ist, wenn eine Bestimmung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Vorliegend handelt es sich bei der in Rede stehenden Vertragsklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB, weil sie von der Beklagten zu 1) vorformuliert und nach deren eigener Aussage hundertfach verwendet worden ist. Die Abrufklausel benachteiligt den Kläger, weil sie zu dessen Lasten von § 615 BGB abweicht, nach dessen Maßgabe der Arbeitgeber das Risiko trägt, den Arbeitnehmer beschäftigen zu können, bzw. ihn bei Nichtbeschäftigung wegen Auftragsmangels gleichwohl vergüten zu müssen. Wörtlich genommen erlaubte sie der Beklagten zu 1) bzw. nunmehr der Beklagten zu 2), den Kläger wöchentlich zwischen 0 und den nach dem ArbZG höchst zulässigen 48, ggf. sogar 60 Stunden zu beschäftigen. Ein derartiger Korridor ist selbst unter Berücksichtigung des berechtigten Wunsches der Beklagten nach einer Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht zuzulassen, weil dem Kläger jegliche Planungssicherheit hinsichtlich des zukünftig zu erzielenden Arbeitseinkommens - seiner finanziellen Existenzgrundlage - genommen wird (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 07.12.2005 - 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, wonach der Abrufanteil nicht mehr als 25% der vertraglich vereinbarten Mindestarbeitszeit betragen darf).
(2)Dass die Vertragsklausel einer Prüfung am Maßstab der §§ 305 ff. BGB zu unterziehen ist, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass es sich um einen sog. Altfall, das heißt um einen von Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes abgeschlossenen Arbeitsvertrag handelt. Vielmehr beanspruchen die §§ 305 ff. BGB nach Ablauf der einjährigen Übergangsfrist am 31.12.2002 gemäß Art. 229 § 5 EGBGB auch für derartige Verträge Geltung.
b.
Die sich durch die Unwirksamkeit der Abrufklausel ergebende Vertragslücke ist durch ergänzende Vertragsauslegung und nicht durch einen Rückgriff auf die in den Tarifverträgen für die Druckindustrie bzw. die Papier, Pappe und Kunststoff geregelte Wochenarbeitszeit für eine Vollzeitkraft zu füllen.
aa.
Die Rechtsprechung der Senate des Bundesarbeitsgerichts zur Frage, wie eine wegen Unwirksamkeit einer Vertragsklausel nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB entstehende Lücke zu schließen ist, ist nicht einheitlich.
(1)Nach der Rechtsprechung des 9. Senates des BAG zieht die AGB-Rechtswidrigkeit einer Vertragsklausel grundsätzlich deren ersatzlose Streichung nach sich. Eine ergänzende Vertragsauslegung komme nur dann in Betracht, wenn sich das Festhalten am (lückenhaften) Vertrag für den Verwender als unzumutbare Härte im Sinne des § 306 Abs. 3 BGB darstelle oder die §§ 307 ff. BGB hinsichtlich der Anforderungen an wirksame Vertragsformulierungen für Altverträge auf eine echte Rückwirkung hinausliefen. Letzteres sei nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber als Verwender eines Formulararbeitsvertrages während der gesetzlich eingeräumten einjährigen Übergangsfrist nicht zumindest einen Versuch unternommen habe, die gegen das AGB-Recht verstoßende Vertragsklausel der neuen Gesetzeslage anzupassen (Urteil vom 19.12.2006 - 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809). Für einen Arbeitgeber, der sich vorbehält, einen Arbeitnehmer bei Vorliegen betrieblicher Gründe im selben Umfang wie eine Vollzeitkraft einzusetzen, ohne eine Mindestbeschäftigung zu vereinbaren, bedeute es zudem keine unzumutbare Härte, wenn die Unwirksamkeit einer vertraglichen Arbeitszeitregelung dazu führe, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis besteht. Ein solches sei bei Fehlen einer Teilzeitvereinbarung im Zweifel anzunehmen. Der vom Arbeitgeber geschuldete Beschäftigungsumfang bestimme sich in einem solchen Fall unter Rückgriff auf das Tarifrecht (BAG, Urteil vom 21.06.2011 - 9 AZR 236/10, NZA 2011, 1274).
(2)Der 5. Senat des BAG hingegen macht die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung von Altverträgen, die Klauseln beinhalten, die in formeller Hinsicht nicht den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB entsprechen, nicht von einem erfolglosen Anpassungsversuch des Arbeitgebers im Jahre 2002 abhängig. Der Senat meint vielmehr, es sei regelmäßig ein Fall der echten Rückwirkung gegeben. Eine Verhandlungsobliegenheit, deren Nichtbeachtung Rechtsfolgen nach sich ziehen soll, lasse sich Art. 229 § 5 EGBGB nicht entnehmen. Es habe auch keine Möglichkeit der einseitigen Durchsetzung gesetzeskonformer Verträge nach Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB gegeben (zusammenfassend Urteil vom 20.04.2011 - 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796). Es sei im Ergebnis zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der AGB-rechtswidrigen Klausel bekannt gewesen sei (vgl. Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 721/05, AP BGB § 308 Nr. 6).
bb.
Nach Auffassung der Kammer sprechen jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation - Fehlen einer wirksamen Vereinbarung zur geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit, keine Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien - die besseren Argumente für die Durchführung einer ergänzenden Vertragsauslegung, ohne dass es von Belang ist, dass die Beklagte zu 1) im Jahre 2002 offensichtlich keinen Versuch der Anpassung der unwirksamen Abrufklausel versucht hat.
(1)Mit der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wird die im Synallagma stehende Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers festgelegt. Eine gesetzlich normierte Regelarbeitszeit gibt es nicht; anders als beim Entgelt, für das bei Fehlen einer Vereinbarung § 612 Abs. 2 BGB gilt. Zwar mag zutreffen, dass ohne ausdrückliche Teilzeitvereinbarung im Zweifel ein Vollzeitarbeitsverhältnis gewollt ist. Das löst aber die Frage nicht, was denn anzunehmen sein soll, wenn vieles dafür spricht, dass beiden Vertragsparteien - also auch dem Arbeitnehmer - gerade nicht an einem Vollzeitarbeitsverhältnis gelegen ist. Andererseits wird auch ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG - die Fiktion einer wöchentlichen Arbeitszeitdauer von 10 Stunden - in vielen Fällen nicht interessengerecht sein.
(2)Darüber hinaus funktioniert der vom BAG propagierte Rückgriff auf das Tarifrecht nur dann, wenn es einschlägige Tarifverträge gibt. In der oben zitierten Entscheidung des BAG vom 21.06.2011 etwa fand der für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 08.12.2005 Anwendung, in dessen § 2 Nr. 1 eine Mindestarbeitszeit von 160 Stunden monatlich normiert ist. Vorliegend haben die Parteien aber vertraglich auf eine Inbezugnahme von Tarifverträgen gänzlich verzichtet, und die von den Beklagten angesprochenen Tarifverträge für die Druckindustrie bzw. die Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie finden auch nicht aus anderen Rechtsgründen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Würde man ihnen (Und wenn welchem? Was soll gelten, wenn zukünftig die Regelarbeitszeit für beide Branchen unterschiedlich geregelt würde?) entnehmen, was unter Vollzeit zu verstehen ist, bestünde eine partielle Tarifgeltung, für die keine tarifvertragliche Richtigkeitsgewähr gölte und die unter Umständen den Interessen beider Parteien zuwider liefe.
(3) Schließlich ist nicht einzusehen, warum der Arbeitgeber, der nicht auf die Wirksamkeit einer AGB-rechtswidrigen Vertragsklausel vertrauen darf und nicht schützenswert ist, in Folge der ersatzlosen Streichung einer unzulässigen Abrufklausel besser stehen soll, als er bei Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung stünde. Sinn und Zweck einer ergänzenden Vertragsauslegung ist nach der oben skizzierten Rechtsprechung des BAG die Vermeidung unzumutbarer Härten zugunsten des gutgläubigen Klauselverwenders, der bösgläubige Klauselverwender soll hingegen nicht privilegiert werden. Damit ist die Belastung des Gegners einer rechtswidrigen Klausel durch einen ihm nachteiligen, einem Tarifvertrag entnommenen Vertragsinhalt, der seinem mutmaßlichen Willen nicht entspricht, unvereinbar.
3.
Die ergänzende Vertragsauslegung führt im vorliegenden Fall zu einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit des Klägers von 40 Stunden.
a.
Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel bedacht hätten. Zur Feststellung des mutmaßlichen Parteiwillens ist die tatsächliche Vertragsdurchführung von erheblicher Bedeutung. Sie gibt Aufschluss über die von den Parteien wirklich gewollte Arbeitszeitdauer. Gleichzeitig darf nicht unberücksichtigt bleiben, wenn die Parteien statt einer festen Arbeitszeit Arbeit auf Abruf vereinbaren wollten (Grundsätze nach BAG, Urteil vom 07.12.2005 - 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423).
b.
Wegen der tatsächlichen Vertragsdurchführung sind die vom Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 15.02.2012 (für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.01.2012) bzw. vom 20.02.2012 (für das Jahr 2008) eingereichten Stundenaufstellungen zugrunde zu legen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Aufstellungen weder intransparent noch in sich widersprüchlich. Im Hinblick auf die vom Kläger tatsächlich gearbeiteten Stunden sind sie vielmehr in allen eingereichten Fassungen deckungsgleich. Unterschiede ergeben sich lediglich wegen des - hier aber nicht weiter interessierenden - Ansatzes von Stunden an Tagen, an denen dem Kläger Erholungsurlaub gewährt wurde oder er arbeitsunfähig erkrankt war. Die Beklagten sind im Übrigen den Stundenaufstellungen trotz der Möglichkeit qualifizierten Bestreitens inhaltlich nicht entgegen getreten, so dass die Behauptungen des Klägers zum absolvierten Arbeitsumfang jedenfalls ab Beginn des Jahres 2008 gemäß § 138 Abs. 2, 3 ZPO als zugestanden gelten.
c.
Aus den Stundenaufstellungen ergibt sich, dass der Kläger während des Zeitraums von Januar 2008 bis Januar 2012 durchschnittlich und kontinuierlich mehr als 40 Arbeitsstunden pro Woche geleistet hat. Teilweise lag die Arbeitsbelastung deutlich darüber. Demgegenüber gab es im Jahre 2008 nur 4 Wochen, in denen 40 Arbeitsstunden nicht erreicht wurden. Im Jahre 2009 waren es drei Wochen, davon wies eine einen Feiertag auf, den der Kläger mit 0 Stunden angesetzt hat. Im Jahre 2010 arbeitete der Kläger in 5 Wochen keine 40 Stunden, aber nie weniger als 34 und noch zweimal immerhin 39 bzw. 39,5 Wochenstunden. In 2011 erreichte der Kläger 8mal die 40 Stunden pro Woche nicht, davon verfehlte er sie dreimal nur um eine Stunde oder weniger. Bei den 26,5 Arbeitsstunden in der Kalenderwoche 4 handelte es sich um einen absoluten "Ausreißer nach unten" (bei drei freien Arbeitstagen am Montag, Mittwoch und Donnerstag), der das Gericht wegen des ersichtlichen Ausnahmecharakters keine entscheidende Bedeutung für die Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens beimisst.
Die weiterhin vom Kläger mit der Klage mitgeteilten Jahresbruttoentgelte lassen im Übrigen den Schluss zu, dass der Kläger auch in den Jahren 2003 bis 2007 nicht weniger als durchschnittlich 40 Wochenstunden gearbeitet hat. Die in den einzelnen Jahren erzielte Gesamtvergütung lag durchgehend über denjenigen der Jahre 2009 und 2010. Dafür, dass der Kläger in den Jahren 2003 bis 2007 mehr als die zuletzt vergüteten 10,75 € pro Stunde erhalten hat, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, ebenso wenig dafür, dass der Kläger in der Zeit vor 2003 in geringerem zeitlichen Umfang eingesetzt worden ist.
d.
Mit der Festschreibung einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche wird der Beklagten zu 2) nicht die Möglichkeit genommen, den Kläger auch über diese Stundenzahl hinaus zu beschäftigen, wie die Beklagte zu 1) dies in der Vergangenheit ja auch durchgehend getan hat. Nach Maßgabe von § 3 Satz 1 ArbZG darf der Kläger wöchentlich im Umfang von bis zu 48 Stunden eingesetzt werden. Dieser Umfang reduziert sich in Anbetracht der von den Parteien vorwiegend gelebten 5-Tage-Woche nicht auf 40 Stunden (dann hätte die Beklagte zu 1) ja durchgehend gegen das ArbZG verstoßen). Vielmehr konnte und kann die tägliche Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, da der Ausgleich auf durchschnittlich nicht mehr als 8 Stunden werktäglich - wie § 3 Satz 2 ArbZG ihn fordert - durch die regelmäßige Nichtbeschäftigung des Klägers am sechsten Werktag einer jeden Woche bewirkt wird. Es verbleiben danach 8 Stunden (oder 20%), die der Kläger über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus beschäftigt werden darf. Mit diesem Korridor wurde dem Flexibilisierungsinteresse der Beklagten in der Vergangenheit von wenigen Ausnahmen kürzerer wöchentlicher Beschäftigung abgesehen hinreichend Rechnung getragen. Warum das in der Zukunft anders sein sollte, insbesondere die Beklagte zu 2) ein Interesse daran haben sollte, den Kläger künftig in weitergehendem Maße weniger als 40 Stunden in der Woche einzusetzen, ist nicht vorgetragen. Dem Gericht erschlösse sich auch nicht, warum ein derart weites Flexibilisierungsinteresse das Interesse des Klägers an der Beibehaltung des über Jahre erzielten Einkommensniveaus überwiegen sollte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 ZPO, 269 Abs. 3 Satz 2, 3 ZPO.
Das Gericht hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deshalb die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Beklagte zu 2) zugelassen. Sollte die Beklagte mit der von ihr vertretenen Rechtsauffassung durchdringen, die wegen der Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit bestehende Vertragslücke sei durch Rückgriff auf Tarifrecht zu schließen, kommt die Festsetzung der Regelarbeitszeit auf 35 Wochenstunden in Betracht.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten zu 2)
R E V I S I O N
eingelegt werden.
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
gez.: Schneider
gez.: Gelißen
gez.: Hansen