19.07.2013 · IWW-Abrufnummer 132397
Landesarbeitsgericht: Urteil vom 25.03.2013 – 7 Sa 1167/12
Gegen den Abfindungsanspruch eines Arbeitnehmers gem. §§ 9,10 KSchG kann der Arbeitgeber mit Rückforderungsansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung nur in Höhe des Nettobetrages aufrechnen, da Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge gem. § 850e ZPO der Pfändung entzogen sind (wie LAG Düsseldorf 18.08.2012 - 12 Sa 650/10).
Tenor:
Die Berufung der Klägerin und des Beklagten werden jeweils auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Klägerin, nicht jedoch für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts, mit dem das vormals bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst wurde.
Dem vorliegenden ging ein Rechtsstreit der Parteien mit umgekehrtem Rubrum voraus, in dem sie über die Wirksamkeit zweier Kündigungen der jetzigen Klägerin vom 16. März 2010 und 06. April 2010, einen Weiterbeschäftigungsanspruch und Annahmeverzugsansprüche des jetzigen Beklagten stritten. Unter dem Aktenzeichen 10 Ca 1162/10 verurteilte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main die Klägerin durch Urteil vom 31. August 2010 u.a. dazu, den Kläger weiter zu beschäftigen und ihm für die Monate Juli und August 2010 jeweils 6.685,35 € brutto abzüglich 2.23050 € netto zuzüglich Zinsen zu zahlen.
Mit Schreiben vom 08. September 2010 (Bl. 42 d.A.) forderte der Beklagte die Klägerin zur Weiterbeschäftigung und Zahlung auf. In der Folge telefonierten die Prozessbevollmächtigten beider Parteien mehrfach miteinander. In diesen Gesprächen wurden jedenfalls die Weiterbeschäftigung des Beklagten, die mögliche Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 31. August 2010 sowie die Zahlung der Vergütung ab dem 01. September 2010 thematisiert. Der Klägervertreter wies auch auf die Möglichkeit eines Auflösungsantrags in der Berufungsinstanz und dessen Konsequenzen hin. In einer E-Mail vom 30. September 2010 (Bl. 91 d.A.) erklärte der Klägervertreter u.a.:
"Wie bereits telefonisch angekündigt [...] erklärt sich meine Mandantin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Vorbehalt der Rückforderung bereit, zunächst auch das Gehalt für den Monat September 2010 zu zahlen. [...]"
Am 30. September 2010 wurde der Klägerin das Urteil vom 31. August 2010 zugestellt; am 01. Oktober 2010 legte sie hiergegen Berufung ein und stellte den bereits avisierten Auflösungsantrag. Ihr Antrag, die Zwangsvollstreckung einzustellen, wies das Berufungsgericht am 04. November 2011 zurück.
Die Klägerin zahlte dem Beklagten für die Monate September und Oktober 2010 jeweils 6.527,00 € brutto zur Vermeidung der drohenden Zwangsvollstreckung, ohne ihm dies besonders mitzuteilen.
Unter dem 17. November 2010 schrieb der Prozessbevollmächtigte des Beklagten einen Brief, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 104 d.A. verwiesen wird und in dem es u.a. hieß:
"Ferner habe ich darauf hinzuweisen, dass die Vollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt nunmehr weiterzuführen ist.
Bislang hatten wir miteinander vereinbart, dass eine Vollstreckung nicht erfolgt, wenn die Gehaltszahlungen weiterlaufen.
Ich gehe davon aus, dass Herrn A das Gehalt für November ebenso wie die nachfolgenden Gehälter gezahlt werden. Sollte dies nicht der Fall sein, werde ich die tatsächliche Beschäftigung meines Mandanten im Wege der Vollstreckung weiterführen."
In der Folge zahlte die Klägerin dem Beklagten für die Monate November 2010 bis Mai 2011 monatlich 6.527,00 € brutto. Der Beklagte war nicht gesetzlich krankenversichert; die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden ihm unmittelbar ausgezahlt. Wegen der Berechnung der Beträge im Einzelnen wird auf Bl. 67 - 70 d.A. verwiesen.
Die Klägerin beschäftigte den Beklagten nicht mehr. Sie überwies nach einer Überleitungsanzeige der Bundesagentur für Arbeit vom 16. März 2011 dieser insgesamt 15.220,14 €, bezogen auf den Zeitraum vom 12. Juni bis 30. November 2010.
Durch Urteil vom 23. Mai 2011 - Az. 7 Sa 1523/10 - löste die Kammer das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2010 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 21.300,00 € brutto auf und verurteilte die Klägerin zur Zahlung der Vergütung für die Monate April, Mai und Juni 2010 in Höhe von jeweils 6.685,35 € brutto abzüglich 1.138,30 € netto nebst Zinsen. Wegen dieses Urteils wird auf Bl. 72 - 90 d.A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2011 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche geltend und erklärte schließlich mit Schreiben vom 20. Februar 2012 die Aufrechnung mit diesen Forderungen gegen die Forderung des Beklagten auf Zahlung der Abfindung. Wegen des Inhalts der Schreiben wird auf Bl. 12f und Bl. 15f d.A. Bezug genommen.
Nachdem der Beklagte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen der Abfindung ankündigte, hat die Klägerin die am 27. Februar 2012 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage vom selben Tag erhoben, mit der sie die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung in vollem Umfang geltend macht.
Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen, des Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl 110 - 112R d.A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Zwangsvollstreckung bezüglich einer Zahlung in Höhe von 21.300,00 € in Höhe von 15.109,26 € für unzulässig erklärt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat dies - kurz zusammengefasst - wie folgt begründet:
Die Zwangsvollstreckung sei bezüglich des sich aus der Abfindung ergebenden Nettobetrags unzulässig, da die Forderung durch die Aufrechnungserklärung erloschen sei.
Die Klägerin habe einen Anspruch auf Rückzahlung von zweimal 4.454,85 € für die Monate Juli und August 2010 gem. § 717 Abs. 2 ZPO, da mit der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils vom 31. August 2010 und der Zahlungsaufforderung vom 08. September 2010 die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung vorlagen und davon auszugehen sei, dass die Klägerin ihre Zahlungen nur zur Abwendung der drohenden Zwangsvollstreckung leistete.
Darüber hinaus habe die Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung eines Betrags in Höhe von 3.701,19 € hinsichtlich der Zahlung für den Monat September und in Höhe von mindestens 2.498,37 € hinsichtlich der Zahlung für den Monat Oktober 2010. Auf die Frage, ob auch weitere Rückforderungsansprüche bestünden komme es nicht an, da damit jedenfalls die Höhe des aufrechenbaren Teils der Abfindung (15.109.26 €) erreicht sei.
Auch hinsichtlich dieser Zahlungen sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Vergütung nur als Erfüllung der im Falle der Unwirksamkeit der Kündigung bestehenden Verpflichtung gem. § 615 BGB zahlte. Eine von dieser Regel abweichende Vereinbarung, aus der folge, dass der Beklagte die Zahlungen unabhängig vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits behalten sollte, liege nicht vor.
Eine solche Vereinbarung könne aus dem behaupteten Telefonat nicht abgeleitet werden. Der Beklagte habe trotz einer Auflage des Arbeitsgerichts lediglich vorgetragen, was nach seiner Ansicht das Ergebnis der Gespräche war, jedoch keine Angaben zum Verlauf (Ort, Zeit, Anwesende, ungefährer Wortlaut) gemacht. Es könne daher nicht überprüft werden, ob übereinstimmende Willenserklärungen vorlagen.
Weiterhin könne nicht allein aus der damals gegebenen Interessenlage auf eine tatsächlich zu Stande gekommene Vereinbarung des behaupteten Inhalts geschlossen werden, die auch nicht konkludent aus der tatsächlichen Zahlung folge. Vielmehr habe die Klägerin mit der E-Mail vom 30. September 2010 deutlich gemacht, wie sie die Zahlung der weiteren Vergütung verstanden haben wollte.
Der Beklagte könne sich schließlich nicht auf § 814 BGB berufen, da der Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Zahlungen die Rechtslage nicht positiv bekannt war, sondern ein etwaiger Vergütungsanspruch vom Ausgang des damals in zweiter Instanz anhängigen Kündigungsrechtsstreits abhängig war. Da die Klägerin erstinstanzlich unterlegen war, habe sie von einer bestehenden Vergütungspflicht ausgehen müssen.
Wegen des 15.109,26 € übersteigenden Betrags der Abfindung sei die Zwangsvollstreckung nicht unzulässig, weil der Aufrechnung insofern unzulässig sei, da Arbeitseinkommen nur bezogen auf den Nettobetrag pfändbar sei.
Außerdem habe die Klägerin keinen Anspruch auf Rückzahlung der Lohn- und Solidaritätssteuer sowie der Sozialversicherungsbeiträge für die Monate September und Oktober 2010. Da dem Beklagten nach dem LAG-Urteil keine Vergütung zustand und daher Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht geschuldet waren, bestünde seine Bereicherung nicht in der Befreiung von Verbindlichkeiten, sondern in der Erlangung der sich aus den Zahlungen ergebenden Erstattungsansprüche. Nur diese könne die Klägerin kondizieren.
Gegen dieses Urteil vom 26. Juni 2012, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richten sich die Berufungen beider Parteien.
Der Beklagte äußert die Auffassung, die Klägerin sei bereits mit dem Einwand der Aufrechnung präkludiert, da ihr entsprechendes Recht bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden, aber erst später ausgeübt worden sei. Sie habe ihren Hilfsantrag mit dem Ziel der Auflösung gegen Zahlung einer Abfindung mit der Aufrechnung bezüglich entgegenstehender gleichartiger Forderungen im Prozess verbinden können und müssen.
Darüber hinaus seien die Feststellungen des Arbeitsgerichts zum Zweck der erbrachten Leistungen nicht haltbar. Die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dass er tatsächlich nicht beschäftigt wird und dennoch die vertraglich geschuldete Vergütung erhält. Auf eine anderweitige Regelung hätte er sich nie eingelassen, sondern seine Arbeitskraft angeboten. Dies sei das Ergebnis der Verhandlungen seiner Prozessbevollmächtigten gewesen, über deren Inhalt das Arbeitsgericht den angebotenen Beweis durch Vernehmung seines Prozessbevollmächtigten hätte erheben müssen. Auf den Inhalt der E-Mail vom 30. September 2010 könne sich die Klägerin nicht berufen, da vorher eine anderweitige Vereinbarung zu Stande gekommen sei. Außerdem habe sich der Rückforderungsvorbehalt in diesem Schreiben nur auf die Vergütung für den Monat September 2010 bezogen.
Schließlich äußert der Kläger die Auffassung, er könne sich auf § 814 BGB berufen, da die Rechtslage hinsichtlich der unwirksamen Kündigung eindeutig gewesen sei. Die Klägerin habe gewusst, dass sie nicht zahlen m üsste, ohne den Beklagten zu beschäftigten. Dies habe sie jedoch ausdrücklich tun wollen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2012 mit dem Aktenzeichen 10 Ca 1380/12 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2012 - 10 Ca 1380/12 - die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. Mai 2011 - 7 Sa 1523/10 - bezüglich der Zahlung einer Abfindung in Höhe von 21.300,00 € brutto für unzulässig zu erklären.
Die Klägerin äußert die Auffassung, sie sei in vollem Umfang zur Aufrechnung mit ihren Rückzahlungsforderungen berechtigt, weil es sich bei der Abfindung nicht um Arbeitseinkommen handele, das dem besonderen Pfändungsschutz der §§ 850, 850a-h ZPO unterliegt. Vielmehr handele es sich um eine "nicht wiederkehrende zahlbare Vergütung" i.S.v. § 850i ZPO, bei der ein Pfändungsschutz nur auf Antrag gewährt werde, der vom Kläger nicht gestellt wurde. Außerdem sei der zutreffenden Auffassung in der Kommentarliteratur zu folgen, wonach eine Aufrechnung "brutto gegen brutto" ausnahmsweise zulässig ist.
Darüber hinaus bestünde auch ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Steuer- und Sozialversicherungsabgaben für die Monate September und Oktober 2010, da die Steuerschuld des Beklagten bereits entstanden sei, als sie das Gehalt für den Monat September tatsächlich auszahlte. Der Beklagte sei auch bei Zahlung einer Vergütung, die tatsächlich nicht geschuldet ist, um die vom Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer bereichert. Entsprechendes gelte auch für die Sozialversicherungsbeiträge.
Beide Parteien bitten daneben um Zurückweisung der Berufung der Gegenseite und verteidigen das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, soweit sie hinsichtlich ihres erstinstanzlichen Antrags erfolgreich waren.
Entscheidungsgründe
A. Die nach dem jeweiligen Wert des Beschwerdegegenstandes statthaften, form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen beider Parteien sind zulässig.
B. Die Berufungen sind jedoch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht im ausgeurteilten Umfang stattgegeben.
Das Berufungsgericht schließt sich dem angefochtenen Urteil im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung an (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Der Inhalt der Berufungsbegründungen gibt lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Die Klägerin ist mit ihrer Aufrechnungserklärung nicht präkludiert. Die Aufrechnungslage entstand nämlich frühestens mit der Verkündung des Urteils des Landesarbeitsgerichts am 23. Mai 2011.
Erst zu diesem Zeitpunkt standen sich zwei gleichartige, fällige und durchsetzbare Forderungen gegenüber, denn erst mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch dieses Urteil und den damit begründeten Abfindungsanspruch des Beklagten entstand die Hauptforderung, der gegenüber die Klägerin eine Aufrechnung erklären konnte. Und auch die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche wurden erst dadurch fällig und durchsetzbar, dass das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2010 auflöste und somit für die Zeit ab dem 01. Juli 2010 der arbeitsvertragliche Vergütungsanspruch des Beklagten entfiel und zugleich Rückzahlungsansprüche der Klägerin entstanden.
Eine Verpflichtung der Klägerin, rein vorsorglich für den Fall des Unterliegens mit ihrem Hauptantrag und des Obsiegens mit dem Hilfsantrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung die Aufrechnung gegenüber diesem möglicherweise entstehenden Abfindungsanspruch mit etwaigen Rückzahlungsansprüchen erklären zu müssen, ist nicht ersichtlich.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Vortrag des Beklagten, es sei eine Vereinbarung zu Stande gekommen, die auch die Zahlung der Vergütung unabhängig vom Ausgang des damals in zweiter Instanz anhängigen Rechtsstreits umfasste, als nicht hinreichend erachtet.
Auch der Beklagte selbst geht bei seiner Argumentation zu § 814 BGB davon aus, dass ein Arbeitgeber regelmäßig im Falle einer erstinstanzlich erfolgreichen Kündigungsschutzklage Zahlung leistet, um seiner vorläufig angenommenen Verpflichtung nach § 615 BGB nachzukommen. Dies muss dann aber auch - wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat - dazu führen, dass der Zahlungsempfänger im Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu einem früheren Zeitpunkt die volle Darlegungs- und Beweislast für eine weitergehende Vereinbarung, wie sie hier der Beklagte behauptet, trägt.
Dieser Darlegungslast ist der Beklagte auch in zweiter Instanz nur unvollkommen nachgekommen, denn er hat seine Behauptung nicht weiter hinsichtlich des Wortlauts des angeblichen Angebots und der entsprechenden Annahme substanziiert. Ohne einen solchen weitergehenden Vortrag, aus dem zumindest hervorgeht, mit welchem ungefähren Wortlaut welcher der beiden an den Telefongesprächen beteiligten Anwälte eine Einigung im Hinblick auf das angeblich gefundene Einvernehmen vorschlug und wie sein Gesprächspartner darauf reagierte, musste eine Vernehmung des als Zeugen benannten Rechtsanwalts B unterbleiben, da es sich sonst um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt hätte. Der Beklagte geht fehl in seiner Auffassung, dass das Arbeitsgericht den benannten Zeugen über den Inhalt des Gesprächs und die damit zusammenhängenden Vereinbarungen hätte befragen müssen. Vielmehr wäre es zunächst Sache des Beklagten gewesen, dieses Gespräch mit seinem konkreten Inhalt so darzustellen, dass eine Schlüssigkeitsprüfung, ob sich aus dem behaupteten Gesprächswortlaut die allein vorgetragene vermeintliche Rechtsfolge ergibt, möglich gewesen wäre. Erst wenn dies bejaht worden wäre, hätte die Pflicht zur Zeugenvernehmung bestanden. Mangels konkreten Tatsachenvortrags musste diese aber unterbleiben.
Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zu Recht ergänzend auf die E-Mail der Klägerin vom 30. September 2010 verwiesen, in der die Klägerin ausdrücklich einen Rückforderungsvorbehalt hinsichtlich der angekündigten Zahlung äußerte. Daran ändert die Tatsache nichts, dass sich dieser konkret nur auf die Zahlung für den Monat September 2010 bezog, denn die Mitteilung macht insgesamt deutlich, dass von einer konkludenten Erklärung der Klägerin, sie verzichte auf eine etwaige Rückforderung der Vergütung im Falle ihres Obsiegens im Rechtsstreit, keinesfalls ausgegangen werden kann.
Soweit der Beklagte erneut auf seine Interessenlage hinweist, bleibt es ebenfalls bei der bereits erstinstanzlich gemachten Feststellung, dass diese noch keine konkrete Angebotserklärung bewirkt.
Schließlich kann sich der Beklagte auch nicht auf die Kenntnis der Nichtschuld der Klägerin berufen, § 814 BGB. Gerade nachdem sie erstinstanzlich mit ihrem Klageabweisungsantrag unterlegen war, musste die Klägerin davon ausgehen, dass sie zur Zahlung der Annahmeverzugsvergütung verpflichtet war. Ob es in zweiter Instanz zu einer Abänderung des Urteils und einer Klageabweisung oder zur hilfsweise beantragten Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommen würde, war zum Zeitpunkt der Zahlung völlig ungewiss.
Auch die Berufung der Klägerin ist unbegründet, da deren Aufrechnung mit den begründeten Gegenforderungen nur in Höhe des sich aus 21.300,00 € brutto ergebenden Nettobetrags von 15.109,26 € zulässig ist. Im Übrigen ist die Aufrechnung unstatthaft, weil die Abfindungsforderung des Beklagten insoweit nicht pfändbar ist, § 394 BGB.
Bei der Abfindung handelt es sich um "Arbeitseinkommen" i.S.d. § § 850 ZPO, denn es entspricht dem Zweck der Vorschriften über den Lohnpfändungsschutz, dass diesen "alle Vergütungen, die dem Schuldner aus der Arbeits- und Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart" (§ 850 Abs. 4 ZPO) unterfallen (vgl. BAG Urteil vom 12. September 1979 - 4 AZR 420/77).
Allerdings gelten für Abfindungen nicht die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO, da es sich um "nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen" i.S.d. § 850i ZPO handelt, für die konkrete Pfändungsfreigrenzen nur auf Antrag des Schuldners entsprechend dessen wirtschaftlichen Verhältnissen festgelegt werden.
Die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens und damit auch des pfändbaren Teils einer Abfindung richtet sich allgemein nach § 850e ZPO. Nach Nr. 1 dieser Vorschrift sind Beträge, die unmittelbar auf Grund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten abzuführen sind, der Pfändung entzogen. Daher ist die Aufrechnung gegen einen Bruttobetrag unzulässig (BAG Urteil vom 13. November 1980 - 5 AZR 572/78). Wenn die Klägerin darauf hinweist, dass in der rechtswissenschaftlichen Literatur die Auffassung vertreten wird, Bruttoentgeltbestandteile könnten gegen Bruttolohnforderungen aufgerechnet werden, weil dies "wirtschaftlich gleichwertig" sei (Schaub/Linck, ArbR-Hdb., 14. Aufl. § 74 Rn. 13; Küttner/Griese, Personalhandbuch 2012, "Aufrechnung", Rn. 5), so trifft dies zwar zu, die Kammer schließt sich dieser Meinung jedoch nicht an, sondern folgt angesichts des klaren Wortlauts des § 850e Nr. 1 ZPO dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 18. August 2010 - 12 Sa 650/10), das zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Aufrechnungsschutz nach § 394 Satz 1 BGB, §§ 850ff ZPO "nicht einer amorphen wirtschaftlichen Sichtweise und Praktikabilitätserwägungen geopfert" werden dürfe.
Nach dieser Feststellung kommt es auf die weitere vom Arbeitsgericht ausführlich behandelte Frage, welche Zahlungsansprüche die Klägerin außer den festgestellten (Netto-)Ansprüchen erlangt hat, nicht an. Es spricht zwar viel dafür, dem Arbeitgeber einen Rückzahlungsanspruch auch hinsichtlich der abgeführten Steuern zuzusprechen. Dies kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben, da jedenfalls die dem Kläger zugeflossenen Nettozahlungen einen Betrag ausmachten, der 15.109,26 € und damit den pfändbaren Anteil der Abfindung übersteigt.
Die Gegenforderungen der Klägerin sind nur insoweit relevant, als mit ihnen die vorliegende Zwangsvollstreckungsabwehrklage begründet werden kann. Wenn aber gegen die Steuer- und Sozialversicherungsbeträge, die von der Bruttoabfindung abgeführt werden mussten, wegen der sich aus § 850e ZPO ergebenden Unpfändbarkeit in keinem denkbaren Fall die Aufrechnung stattfindet, erübrigt sich jede weitere Prüfung, die erst im Falle der positiven Geltendmachung im Rahmen eines Zahlungsprozesses notwendig würde. Alle weiteren Feststellungen liefen auf ein Rechtsgutachten hinaus, das keinerlei Präjudiz für etwaige Rückzahlungsklagen der Klägerin abgäbe.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Für die Klägerin war die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, weil es sich bei der Frage, in welchem Umfang gegen eine Brutto-Abfindungsforderung die Aufrechnung statthaft ist, um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung handelt.
Soweit die Berufung des Beklagten zurückgewiesen wurde, bestand hingegen für die Zulassung des Rechtsmittels der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine gesetzlich begründbare Veranlassung.