01.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132398
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 01.07.2013 – 1 Ta 232/13
Ist eine Partei, deren persönliches Erscheinen zum Güte- oder Kammertermin angeordnet ist, am Erscheinen mit ausreichendem Entschuldigungsgrund gehindert, kann gegen sie kein Ordnungsgeld verhängt werden, weil sie zum Termin einen Vertreter entsendet, der die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht erfüllt.
LAG Hamm
01.07.2013
1 Ta 232/13
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 22.04.2013 - 3 Ca 23/13 - aufgehoben.
Gründe
I. Der 36 Jahre alte, mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehinderte Kläger hat in einem bei dem Arbeitsgericht Münster seit Anfang Januar 2013 anhängig gewesenen Rechtsstreit gegen die Beklagte gemäß § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigungszahlung in Höhe von 6.107,-€ verlangt, nachdem er im Rahmen einer Bewerbung um eine Schulhausmeisterstelle nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen worden war. Das Verfahren ist inzwischen vergleichsweise erledigt worden.
Das Arbeitsgericht ordnete mit Beschluss vom 07.01.2013 zum Gütetermin am 14.03.2013 das persönliche Erscheinen des Klägers an. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte mit am 15.01.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 10.01.2013 die Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen des Klägers, da dieser sich mittlerweile in der Probezeit eines Arbeitsverhältnisses befinde und somit seine Teilnahme am Gütetermin nicht möglich sei. Das Arbeitsgericht wies den Prozessbevollmächtigten des Klägers daraufhin formularmäßig auf § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO hin. Nachfolgend erwiderte die Beklagte auf die Klage, woraufhin der Kläger noch vor dem Gütetermin replizierte.
Im Gütetermin erschien für die Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten in Untervollmacht der örtliche Rechtssekretär. Diesem war nach seiner zu Protokoll genommenen Erklärung die Klageerwiderung nicht bekannt. Auch verfügte er über keine weitergehenden Informationen zur Sache.
Die Vorsitzende beraumte Kammertermin auf den 04.06.2013 an und gab dem Kläger auf,
- mitzuteilen, vor wie vielen Gerichten er wegen welcher Stellenbewerbungsverfahren Ansprüche wegen Diskriminierung als Schwerbehinderter geltend macht,
- mitzuteilen, seit wann er eine neue Beschäftigung eingegangen ist [dies hatte der Kläger in seiner Replik vom 11.03.2013 bereits mitgeteilt],
- zur Klageforderung [gemeint ist: zur Höhe der Klageforderung] Stellung zu nehmen.
Den Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses behielt sich die Vorsitzende vor.
Mit Beschluss vom 22.04.2013 hat das Arbeitsgericht gegen den Kläger ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,-€ festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei persönlich nicht erschienen und habe keinen Vertreter entsandt, der aufgrund eigener Sachkunde zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage gewesen und zur Abgabe zur Erklärungen bevollmächtigt gewesen sei.
Gegen den ihm am 03.05.2013 zustellten und wegen seiner weiteren Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat der Kläger mit am 13.05.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Es sei, so meint er, unklar, welche Angaben im Gütetermin noch gefehlt hätten, zudem sei der Verfahrensgang nicht verzögert worden.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beklagte hält die Ordnungsgeldverhängung für zutreffend.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.
II. Die nach §§ 51 Abs. 1 ArbGG, 141 Abs. 3, 380 Abs. 3 ZPO statthafte und form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers (§§ 78 ArbGG, 567, 569 ZPO) hat Erfolg.
Das Ordnungsgeld durfte nicht festgesetzt werden, weil der Kläger dem Gütetermin vom 14.03.2013 nicht unentschuldigt ferngeblieben ist.
Nach § 51 Abs. 1 ArbGG kann der Vorsitzende in jeder Lage des Verfahrens das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen. Gegen eine ordnungsgemäß geladene und zum Termin dennoch nicht erschienene Partei kann nach §§ 141 Abs. 3, 380 Abs. 1 ZPO wie gegen einen nicht erschienenen Zeugen ein Ordnungsgeld verhängt werden. Die Entscheidung über die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei nach § 51 Abs. 1 ArbGG ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (Düwell/Lipke/Kloppenburg ArbGG 3. Aufl. § 51 Rn. 4; Korinth, ArbRB 2007, 252, 253). In § 51 Abs. 1 ArbGG wird zwar nicht auf § 141 Abs. 1 S. 2 ZPO verwiesen, wonach das Gericht von der Anordnung absieht, wenn die Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigen wichtigen Gründen die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten ist. Diese gesetzliche Wertung ist aber im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 51 Abs. 1 ArbGG zu berücksichtigen (Düwell/Lipke/Kloppenburg § 51 Rn. 5; ErfK/Koch § 51 ArbGG Rn. 7; vgl. GMPM-G ArbGG 7. Aufl. § 51 Rn. 18: Berücksichtigung als Entschuldigungsgrund im Sinne des § 381 ZPO).
Das Arbeitsgericht hat über den Antrag des Klägers vom 10.01.2013 auf Entbindung von der Erscheinenspflicht nicht förmlich entschieden, sondern allein mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Entsendung eines Vertreters im Sinne des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO reagiert. Dieses Vorgehen lässt nicht erkennen, dass das Gericht eine Entscheidung dazu getroffen hat, ob es den Kläger unter Zugrundelegung der von ihm vorgebrachten Gründe als am Erscheinen entschuldigt gehindert ansah. Vielmehr ist das Arbeitsgericht offenbar davon ausgegangen, dass es auf einen möglichen Hinderungsgrund am Erscheinen zum Gütetermin nicht ankomme, da der Kläger sich durch einen Vertreter nach § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO vertreten lassen könne und - so wohl die Ansicht des Gerichts - ungeachtet etwaiger persönlicher Hinderungsgründe auch in dieser Weise vertreten lassen müsse. Die Entsendung eines Vertreters nach § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO tritt aber nur dann an die Stelle der persönlich geladenen Partei, wenn diese überhaupt zum persönlichen Erscheinen verpflichtet ist (vgl. MüKo-ZPO/Wagner 4. Aufl. § 141 Rn.40). Zur Begründung eines Ordnungsgeldbeschlusses gehört deshalb auch die Angabe, warum eine vorgebrachte Entschuldigung für ein Nichterscheinen nicht ausreichte (Wieczorek/Schütze/Smid ZPO 4.Aufl. § 141 Rn. 60).
Eine ausreichende Entschuldigung lag aber im Fall des Klägers ausnahmsweise vor. Ihm war ein persönliches Erscheinen im Gütetermin nicht zumutbar. Er hatte nach jahrelanger Arbeitslosigkeit seit 01.12.2012 eine neue Arbeitsstelle gefunden und befand sich im Zeitpunkt des Gütetermins noch in der Probezeit. Er wollte jegliche Störung seines neu begründeten Arbeitsverhältnisses vermeiden, die er berechtigterweise besorgen musste, wenn er nach recht kurzer Zeit des Bestehens des Arbeitsverhältnisses um einen Urlaubstag hätte bitten müssen und insbesondere wenn er den Grund für einen solchen Urlaubsantrag gegenüber dem neuen Arbeitgeber hätte offenlegen müssen.
Dass der unterbevollmächtigte Prozessvertreter des Klägers für den Gütetermin nicht so umfänglich über die für den Rechtsstreit maßgeblichen Tatsachen informiert war, wie es dem eigenen Wissensstand des Klägers entspricht, ändert nichts daran, dass der Kläger für sein Fernbleiben im Gütetermin ausreichend entschuldigt ist. Das Arbeitsgericht geht offenbar davon aus, dass es einer persönlich geladenen Partei, selbst wenn sie an dem persönlichen Erscheinen ohne ihr Verschulden gehindert ist, obliegt, einen Dritten umfassend zu informieren und zum Termin zu entsenden. § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO beinhaltet aber lediglich, dass sich bei einer ordnungsgemäߠ persönlich geladenen Partei die Frage des Verschuldens für ihr Nichterscheinen nicht stellt, wenn sie einen ausreichend bevollmächtigten und informierten Vertreter zum Termin schickt. Dabei handelt es sich um eine der Partei eingeräumte Möglichkeit, nicht aber eine Verpflichtung für den Fall, dass sie ohnehin nicht zum Termin zu erscheinen braucht, weil sie genügend entschuldigt ist (LAG Hamm 27.03.2008 - 1 Ta 859/07).
Auf die Frage, ob der Kläger überhaupt damit rechnen musste, dass der in Untervollmacht auftretende Prozessvertreter seitens des Hauptbevollmächtigten völlig unzulänglich unterrichtet war - die Verhängung von Ordnungsgeld setzt ein eigenes Verschulden der Partei voraus, § 85 Abs. 2 ZPO gelangt nicht zur Anwendung (BGH 22.06.2011 - I ZB 77/10 - NJW-RR 2011, 1363) - , kommt es nicht mehr an.
Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die durch das Verfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen sind Teil der Kosten des Rechtsstreits (Zöller/Greger ZPO 29. Auflage § 141 Rn. 15; BAG 20.08.2007 - 3 AZB 50/05 - NZA 2008, 1141).
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, §§ 72, 78 ArbGG) scheidet aus. Eine Rechtsbeschwerde wäre ohnehin nur zulässig, wenn der Kläger durch die ergangene Entscheidung beschwert ist (Zöller/Gummer a.a.O. § 574 Rn. 6). Dies ist nicht der Fall, da der Ordnungsgeldbeschluss aufgehoben worden ist.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird informatorisch mit 200,-€ (Höhe des verhängten Ordnungsgeldes) mitgeteilt.