Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 20.03.2018 · IWW-Abrufnummer 200245

    Landesarbeitsgericht Niedersachsen: Urteil vom 08.02.2018 – 7 Sa 256/17

    1. Grundsätzlich ist ein Arztbesuch nicht bereits dann notwendig, wenn der behandelnde Arzt einen Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zur Behandlung oder Untersuchung in seine Praxis bestellt. Der Arbeitnehmer muss versuchen, die Arbeitsversäumnis möglichst zu vermeiden. Hält der Arzt außerhalb der Arbeitszeit Sprechstunden ab und sprechen keine medizinischen Gründe für einen sofortigen Arztbesuch, musste der Arbeitnehmer die Möglichkeit der Sprechstunde außerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen.

    2. Ein Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis liegt bei einem Arztbesuch vor, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen will oder kann.

    3. Auch wenn der Wortlaut von § 13 Ziffer 3 MTV Groß- und Außenhandel Niedersachsen besagt, dass in § 13 Ziffer 1 Nr. 1-4 die in Anwendung des § 616 BGB möglichen Fälle abschließend festgelegt sind, ergibt eine Auslegung des Tarifvertrages, dass hierdurch ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Fällen unverschuldeter Arbeitsversäumnis im Sinne von § 14 Abs. 3 MTV nicht ausgeschlossen ist.


    LArbG Hannover

    Aktenz.:    7 Sa 256/17
    Datum:    08.02.2018

    Urteil

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück
    vom 22.02.2017, 4 Ca 412/16, abgeändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 1,5 Stunden ohne Rückforderung der für die Zeit am 26.04.2016 von 10:15 Uhr bis 11:45 Uhr gezahlten Vergütung in Höhe von 24,29 € brutto gutzuschreiben.

    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die Dauer eines Arztbesuches einen Anspruch auf bezahlte Freistellung hat.

    Der am 0.0.1969 geborene Kläger ist seit dem 02.01.1993 bei der Beklagten als Klima- und Lüftungsmonteur beschäftigt. Er bezieht einen Stundenlohn von 16,19 € brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden.

    Dem Arbeitsverhältnis zu Grunde liegt der Arbeitsvertrag vom 09.11.1992 (Bl. 42-45 d.A.). Nach dessen § 10 werden die Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge des Groß- und Außenhandelsverbandes Niedersachsen e.V. zum Vertragsinhalt, soweit in diesem Vertrag keine besonderen Vereinbarungen getroffen sind.

    Der hiernach anwendbare Manteltarifvertrag des Groß- und Außenhandels Niedersachsen vom 19.06.1997 enthält hinsichtlich der Freistellung von der Arbeit und der Arbeitsverhinderung folgende Regelungen:

    § 13 Freistellung von der Arbeit

    1. Arbeitnehmer und Auszubildende haben im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den folgenden Ereignissen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit ohne Anrechnung auf den Urlaub und unter Fortzahlung des Entgelts:
    1. für einen Arbeitstag:
    a) bei eigener Eheschließung
    b) bei Niederkunft der Ehefrau,
    c) beim Tod eines Geschwisterteils
    d) beim Umzug mit eigener Wohnungseinrichtung, auch beim Erstbezug, jedoch höchstens einmal im Kalenderjahr;
    2. für zwei Arbeitstage:
    beim Tod eines Eltern-, Schwiegerelternteils oder Kindes;
    3. für drei Arbeitstage:
    beim Tod des Ehegatten oder eines Kindes, das sich in häuslicher Gemeinschaft befand;
    4. für die ausfallende Arbeitszeit:
    a) infolge Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten aus öffentlichen Ehrenämtern; soweit ein Erstattungsanspruch besteht, entfällt in dieser Höhe der Anspruch auf das regelmäßige Arbeitsentgelt,
    b) infolge Vorbereitung und Durchführung von Sitzungen für Mitglieder der Tarifkommission oder einer Schlichtungsstelle.

    2. Mandatsträger der vertragschließenden Gewerkschaften (gewählte Vorstandsmitglieder und Delegierte) haben Anspruch auf Freistellung von der Arbeit bis max. 8 Arbeitstage im Jahr.

    3. In § 13 Ziff. 1. 1-4 sind die in Anwendung des § 616 BGB möglichen Fälle abschließend festgelegt.

    4. Der Anspruch auf bezahlte Freizeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit, Kur, Urlaub oder andere Gründe ohnehin an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist.
    Grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer auf Verlangen in Verbindung mit derartigen Ereignissen Urlaub zu gewähren.

    § 14 Arbeitsverhinderung

    1. Ist der Arbeitnehmer durch Krankheit oder sonstige Ereignisse an der Arbeitsleistung verhindert, so hat er dem Arbeitgeber unverzüglich Mitteilung zu machen und dabei die Gründe seiner Verhinderung anzugeben. Eine Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit ist von Beginn an innerhalb von drei Tagen durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes oder der Krankenkasse nachzuweisen, aus der sich auch die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit ergibt.

    2. In Fällen unverschuldeter mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit und während eines von einem Versicherungsträger bewilligten Heilverfahrens wird dem Arbeitnehmer das durchschnittliche Monatseinkommen der letzten 12 Monate für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt, längstens aber für die Dauer von 6 Wochen.
    Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Monatseinkommens bleiben Mehrarbeitszuschläge und einmalig im Kalenderjahr erfolgte Zahlungen, wie z.B. Jahressonderzahlung, Urlaubsgeld, Jubiläumszahlungen, außer acht.

    3. In allen anderen Fällen unverschuldeter Arbeitsversäumnis wird das Entgelt nur für die unumgänglich notwendige Abwesenheit, höchstens jedoch bis zur Dauer von 4 Stunden, fortgezahlt.

    Wird bei der Wahrnehmung öffentlicher oder behördlicher Aufgaben eine Entschädigung gezahlt, so ist diese anzurechnen.

    Der Kläger nahm am 26.04.2016 in der Zeit von 10:15 Uhr bis 11:45 Uhr einen Arzttermin bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. R. im MVZ des F.-Hospitals H. wahr. Für die Zeit vor und nach diesem Termin stellte er einen Antrag auf Freizeitausgleich, sodass er an diesem Tage insgesamt nicht arbeitete. Die Beklagte zahlte für diesen Tag die Arbeitsvergütung und belastete das Arbeitszeitkonto des Klägers mit 8,25 Stunden.

    Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers dauert von Montag bis Donnerstag von 7:15 Uhr bis 16:15 Uhr und freitags von 7:15 Uhr bis 13:00 Uhr. Der behandelnde Orthopäde bescheinigte, dass der letzte Sprechstundentermin Montag bis Donnerstag um 15:00 Uhr und freitags um 12:00 Uhr ist (Bl. 10 d.A.). Es ist unstreitig, dass der Kläger keinen Arzttermin außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit erhalten konnte.

    Mit Schreiben vom 20.06.2016 (Bl. 12 d.A.) machte der Kläger einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für die Zeit des Arztbesuches geltend. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger eine Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto von 1,5 Stunden für die Dauer des Arztbesuches am 26.04.2016.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage durch ein dem Kläger am 06.03.2017 zugestelltes Urteil vom 22.02.2017, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 75-81 d.A.), abgewiesen.

    Hiergegen richtet sich die am 20.03.2017 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.06.2017 am 07.06.2017 begründete Berufung des Klägers.

    Der Kläger ist der Auffassung, die Auslegung der Regelungen im Manteltarifvertrag ergebe, dass sich der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch unmittelbar aus § 14 Abs. 3 MTV ergebe. § 13 Ziffer 3 MTV, wonach die in Anwendung des § 616 BGB möglichen Fälle in § 13 Ziffer 1 Nr. 1-4 abschließend geregelt sind, sei nicht einschlägig. Der Manteltarifvertrag unterscheide zwischen den in § 13 MTV geregelten Fällen der Freistellung von der Arbeit und den in § 14 geregelten Fällen der Arbeitsverhinderung. § 14 MTV differenziere zwischen Fällen unverschuldeter mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit und während eines vom Versicherungsträger bewilligten Heilverfahrens einerseits und anderen Fällen unverschuldeter Arbeitsversäumnis. Bei einer unverschuldeten Arbeitsversäumnis sei nur für die unumgänglich notwendige Abwesenheit, höchstens jedoch bis zur Dauer von 4 Stunden, das Entgelt fortzuzahlen. § 14 Ziffer 3 MTV erfasse mithin auch Arztbesuche.

    Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Regelung in § 14 Ziffer 3 MTV bereits in dem Tarifvertrag vorhanden war, als es noch keine dem heutigen § 13 Ziffer 3 MTV entsprechende Regelung gegeben habe. Wenn die Tarifvertragsparteien auch den sich aus § 14 Ziffer 3 MTV ergebenden Anspruch hätten einschränken wollen, hätten sie diesen § 13 MTV ausdrücklich benennen müssen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 06.06.2017 und 22.01.2018.

    Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 22.02.2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 1,5 Stunden ohne Rückforderung der für die Zeit am 26.04.2016 von 10:15 Uhr bis 11:45 Uhr gezahlten Vergütung in Höhe von 24,29 b€ brutto gutzuschreiben.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.08.2017.
        
    Entscheidungsgründe

    I.

    Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.

    II.

    Sie ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung der Dauer seines Arztbesuches aus § 14 Ziffer 3 MTV. Nach dieser Vorschrift wird das Entgelt bei einer unverschuldeten Arbeitsversäumnis nur für die unumgänglich notwendige Abwesenheit, höchstens jedoch bis zur Dauer von 4 Stunden, fortgezahlt.

    Die Voraussetzungen des § 14 Ziffer 3 MTV liegen vor. Der Kläger war am 26.04.2016 für die Dauer von 1,5 Stunden unverschuldet an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert.

    Ein Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis kann auch bei einem Arztbesuch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen will oder kann (BAG vom 19.02.1984, 5 AZR 92/82, Rn. 22). Es liegt dann eine Konfliktsituation für den Arbeitnehmer vor, der einerseits zur Arbeitsleistung verpflichtet ist und andererseits keine Möglichkeit hat, einen Termin bei dem Arzt seiner Wahl zu bekommen.

    Die Abwesenheit war vorliegend auch unumgänglich notwendig. Grundsätzlich ist allerdings ein Arztbesuch nicht bereits dann notwendig, wenn der behandelnde Arzt einen Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zur Behandlung oder Untersuchung in seine Praxis bestellt. Der Arbeitnehmer muss versuchen, die Arbeitsversäumnis möglichst zu vermeiden. Hält der Arzt außerhalb der Arbeitszeit Sprechstunden ab und sprechen keine medizinischen Gründe für einen sofortigen Arztbesuch, musste der Arbeitnehmer die Möglichkeit der Sprechstunde außerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen. Erst wenn der Arzt sich auf diesen Wunsch des Patienten nicht einlässt, kommt es zu einer Pflichtenkollision (BAG vom 19.02.1984, 5 AZR 92/82, Rn. 25).

    Vorliegend war der Arztbesuch unumgänglich notwendig im Sinne des Tarifvertrages. Der behandelnde Arzt, es handelte sich bei dem Termin im Übrigen um eine Nachuntersuchung nach einer Knieoperation durch den operierenden Arzt, hat unter dem 04.10.2016 bestätigt, dass der letzte Sprechstundentermin montags bis donnerstags um 15:00 Uhr und freitags um 12:00 Uhr ist. Unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitszeit des Klägers war ihm deshalb das Aufsuchen der Sprechstunde außerhalb der Arbeitszeit objektiv nicht möglich. Die Beklagte hat im Kammertermin vom 08.02.2018 auch unstreitig gestellt, dass der Kläger in dem im Streit stehenden Fall keinen Termin außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit erhalten konnte.

    Damit liegen die tariflichen Voraussetzungen des § 14 Ziffer 3 MTV vor.

    § 13 Ziffer 3 MTV steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Regelungen.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgte die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln.

    Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften.

    Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 26.04.2017, 10 AZR 589/15, Rn. 14).

    Der Wortlaut von § 13 Ziffer 3 MTV besagt, dass in § 13 Ziffer 1 Nr. 1-4 die in Anwendung des § 616 BGB möglichen Fälle abschließend festgelegt sind. Grundsätzlich kann ein Arztbesuch auch unter § 616 BGB subsumiert werden. Das könnte dafür sprechen, dass der im Streit stehende Arztbesuch nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nicht zu vergüten ist, da er in § 13 Ziffer 1 nicht ausdrücklich aufgeführt ist.

    Zu diesem Ergebnis im Widerspruch steht allerdings die Regelung in § 14 Ziffer 3 MTV, nach der in Fällen unverschuldeter Arbeitsversäumnis das Entgelt für die unumgänglich notwendige Abwesenheit fortgezahlt wird.

    Unter diesen Umständen ist abzustellen auf den von den Tarifvertragsparteien beabsichtigten Sinn und Zweck der Tarifnorm und den tariflichen Gesamtzusammenhang.

    Die Tarifvertragsparteien differenzieren einerseits zwischen einem Anspruch auf Freistellung von der Arbeit in § 13 MTV und einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung im Sinne von § 14 MTV. Während in § 13 jeweils die Freistellung für ganze Arbeitstage geregelt ist, betrifft § 14 eine unverschuldete Arbeitsversäumnis von weniger als einem Tag bei einer notwendigen Abwesenheit von bis zu 4 Stunden.

    Hieraus kann geschlossen werden, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 13 Ziffer 3 MTV nur die Fälle des § 616 BGB regeln wollten, die eine ganztägige Abwesenheit erfordern, während § 14 MTV die unverschuldete Arbeitsversäumnis von weniger als einem Tag regelt.
    Bestätigt wird das gefundene Ergebnis durch die Tarifgeschichte. Die im Streit stehende Regelung in § 13 Ziffer 3 MTV war in dem Manteltarifvertrag vom 26.04.1977 (Bl. 112-119 d.A.) noch nicht enthalten, vgl. § 10 MTV 1977. § 11 Abs. 3 MTV 1977 entspricht demgegenüber exakt der Regelung in § 14 Ziffer 3 MTV 1997. Daraus folgt, dass während der Geltung des MTV 1977 Fälle eines Arztbesuches nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nach § 11 und nicht nach § 10 MTV 1977 gelöst werden sollten.

    Wenn die Tarifvertragsparteien nunmehr mit der Regelung in § 13 Ziffer 3 Nr. 3 MTV 1997 tatsächlich auch den Ausschluss der Bezahlung eines notwendigen Arztbesuches gewollt hätten, hätten sie dies deutlich zum Ausdruck bringen können und müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen.

    Aus der Tatsache, dass die Regelung für die unverschuldete Arbeitsverhinderung unverändert im Tarifvertrag geblieben ist, kann vielmehr geschlossen werden, dass es dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprach, dass bei einer unverschuldeten Arbeitsversäumnis, zu der auch ein Arztbesuch gehören kann, auch weiterhin das Entgelt gemäß § 13 Ziffer 3 Nr. 3 MTV für die unumgänglich notwendige Abwesenheit, höchstens jedoch bis zur Dauer von 4 Stunden, fortzuzahlen ist.

    III.

    Auf die Berufung des Klägers war das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern.

    Die Beklagte hat als unterliegende Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

    Vorschriften§ 616 BGB, § 14 Abs. 3 MTV, § 13 Ziffer 3 MTV, § 13 MTV, § 14 MTV, § 14 Ziffer 3 MTV, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG, § 10 MTV, § 11 Abs. 3 MTV, § 13 Ziffer 3 Nr. 3 MTV, § 91 ZPO, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG