29.09.2020 · IWW-Abrufnummer 218079
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 30.06.2020 – 9 Sa 13/20
1. Mit welchem Inhalt eine konkludente Vertragsänderung durch vorbehaltlose Zahlung einer Sonderzahlung zustande gekommen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei der ebenfalls durch Auslegung zu ermittelnde verfolgte Zweck der Sonderzahlung ( BAG, Urt. v. 13.5.2015 - 10 AZR 266/14 ).
2. Die Beweislast für die maßgeblichen Tatsachen, die zur Auslegung einer konkludenten vertraglichen Vereinbarung über Sonderzahlungen entweder als Vergütung für geleistete Arbeit einerseits oder andererseits als Zahlung, mit der (auch) andere Zwecke verfolgt werden trägt jeweils derjenige, der sich auf entsprechende Voraussetzungen der Sonderzahlung beruft.
3. Macht der Arbeitnehmer geltend, dass ihm der Anspruch auf Zahlung eines "Weihnachtsgeldes" auch bei mehrjähriger Erkrankung ohne Entgeltfortzahlung zusteht, da es sich um eine Vergütung mit Mischcharakter handelt, trägt er die Beweislast für einen solchen Inhalt einer vertraglichen Vereinbarung bzw. betrieblichen Übung.
In der Rechtssache
- Beklagte/Berufungsklägerin -
Proz.-Bev.:
gegen
- Klägerin/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 9. Kammer -
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Tillmanns, den ehrenamtlichen Richter Nieberle und den ehrenamtlichen Richter Bauer auf die mündliche Verhandlung vom 29.05.2020
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen vom 14. Januar 2020, 3 Ca 74/19, abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Von den Kosten erster Instanz trägt die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3.
II. Von den Kosten der Berufung trägt die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung zuletzt noch über die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld auch für Zeiträume hat, in denen sie ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung arbeitsunfähig erkrankt ist.
Erstinstanzlich stritten die Parteien darüber hinaus um die Erteilung eines Zwischenzeugnisses und der Entfernung einer Abmahnung vom 06.06.2018 aus der Personalakte. Diesbezüglich haben die Parteien den Rechtsstreit in der Berufungsverhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin ist auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages seit 04.09.2000 als Hilfskraft beschäftigt. Unter § 6 des Arbeitsvertrages (Anlage K 1) ist geregelt:
Für den Jahresurlaub gelten die Betriebsvereinbarungen ebenso für Sonderzahlungen.
Die Klägerin hat zuletzt monatsdurchschnittlich 2.300,00 € brutto in Vollzeit vergütet erhalten. Die Klägerin ist seit dem 29.06.2016 durchgehend arbeitsunfähig, seit dem 11.08.2016 ohne Entgeltfortzahlung. Das Arbeitsverhältnis wurde im Jahr 2020 im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs beendet.
Die Beklagte beschäftigt ca. 250 Arbeitnehmer; ein Betriebsrat ist eingerichtet.
Die Beklagte hat unter Datum vom 07.01.2019 eine Betriebsvereinbarung (Abl. 103 der erstinstanzlichen Akte) mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat geschlossen, die eine Regelung über Sonderzahlungen und Jubiläumszuwendungen enthält.
Dort ist geregelt:
3. Vorbemerkung
Die etwaige Gewährung von Sonderzahlungen und Nebenleistungen, wie etwa Gratifikationen, Prämien und sonstige einmalige Leistungen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers. Gewährt der Arbeitgeber derartige Leistungen, ist dies eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht....
4. Auszahlung & Rückzahlung
Sofern eine Sonderzahlung oder Nebenleistung gewährt wird gilt für die Auszahlung folgendes:
1) Die Sonderzahlungen dienen als Ansporn für künftige Betriebstreue und werden, wenn sie gewährt werden, mit dem Juni-, Juli- und Augustgehalt bzw. dem Novembergehalt ausgezahlt. Die Auszahlung ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag endet. Anteilige Zahlungen werden nicht gewährt.
2) Eine Auszahlung der Sonderzahlung entfällt auch, wenn sich das Arbeitsverhältnis am Stichtag in gekündigtem Zustand befindet.
3) Eine mit dem Juni-, Juli- oder Augustgehalt gewährte Sonderzahlung ist zurückzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer bis zum 30. September des laufenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet....
4) Eine mit dem Novembergehalt gezahlte Sonderzahlung ist zurückzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer bis zum 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres... aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
5) Für die Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wird keine Sonderzahlung gewährt....
6) Für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist, ist der Arbeitgeber berechtigt, etwaige Sonderzahlungen gemäß § 4a EFZG für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit insgesamt um ein Viertel des Arbeitsentgelts zu kürzen, dass im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt.
8. Inkrafttreten/Kündigung
Die vorliegende Betriebsvereinbarung löst alle bisherigen Vereinbarungen zu Sonderzahlungen.
Die Klägerin hat seit dem Jahr 2001 Weihnachtsgeld erhalten, in jenem Jahr in Höhe von 1.028,00 DM. Auf dem insoweit überlassenen Schreiben war vermerkt "Betrag 30 %" - (vgl. Abl. 140). Im November 2002 hat die Klägerin ausweislich der vorgelegten Abrechnung ein Weihnachtsgeld in Höhe von 723,00 € brutto erhalten (vgl. Abl. 141), im November 2003 ausweislich der vorgelegten Abrechnung ein Weihnachtsgeld in Höhe von 904,00 € brutto (vgl. Abl. 142) und im November 2004 ausweislich der vorgelegten Abrechnung ein Weihnachtsgeld in Höhe von 904,00 € brutto (vgl. Abl. 143). Im Dezember 2007 hat sie ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.004,00 € brutto erhalten (vgl. Abl.144), im Dezember 2008 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 200,00 € brutto (Abl. 145). Freiwilligkeitsvorbehalte waren in diesen Abrechnungen nicht angeführt.
In den dem Klagezeitraum vorausgegangenen drei Kalenderjahren 2013, 2014 und 2015 hat die Klägerin ebenfalls Weihnachtsgeld erhalten. 2013 waren dies 827,00 € brutto, 2014 dann 791,00 € brutto und 2015 sodann 994,93 € brutto (Anlagen K4, K5 und K6 zur Klageschrift.)
In ihrer Klage vom 17.04.2018 hat die Klägerin vorgetragen, sie habe von Beginn ihrer Beschäftigung im September 2000 an immer jedes Jahr zusätzliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezahlt bekommen. Wie sich dieses zusammensetze, habe die Beklagte die offengelegt.
Daher habe die Klägerin der Berechnung ihrer Ansprüche den Durchschnitt der letzten drei Jahre zugrunde gelegt, für das Weihnachtsgeld jährlich 870,98 €, für das Urlaubsgeld jeweils 1397,74 €. Die Beklagte habe der Klägerin jedenfalls in den ersten drei Jahren des Arbeitsverhältnisses Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld jeweils ohne Freiwilligkeitsvorbehalt gezahlt, (Anlagenkonvolut K 22 und K 21) der nachträglich aufgenommene Freiwilligkeitsvorbehalt in den Lohnbescheinigungen könne die entstandene betriebliche Übung nicht mehr zu Fall bringen.
Die Klägerin habe auch für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlungsansprüche Anspruch auf Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld. Bei diesen Gratifikationen handele es sich um Sonderzahlungen, die keinen reinen Entgeltcharakter hätten, sondern die auch für vergangene bzw. künftige Betriebstreue erbracht würden. Das ergebe sich zunächst aus dem fixen Auszahlungszeitpunkt. Vor allem aber sei die Auszahlung bislang nicht nur bei der Klägerin, sondern im ganzen Betrieb unabhängig von krankheitsbedingten Fehlzeiten erfolgt. Auch wegen der Langzeiterkrankung der Klägerin ab Juni 2016 sei keine Kürzung von Weihnachtsgeld bzw. zusätzlichem Urlaubsgeld im Krankheitsfalle erfolgt. Auch ergebe sich aus der mittlerweile in Kraft gesetzten Betriebsvereinbarung, dass es sich um Zahlungen für künftige Betriebstreue handle. Sie habe 2016 auch keine anteilige Weihnachtsgeldzahlung erhalten.
Darüber hinaus habe die Beklagte die Abmahnung vom 06.06.2018 aus der Personalakte zu entfernen, weil ihr bekannt gewesen sei, dass die Klägerin seit dem 29.06.2016 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, vom 03.11.2017 bis zum 19.01.2018 stationärer Behandlung gewesen und von dort arbeitsunfähig entlassen worden sei. Der Klägerin könne daher nicht vorgeworfen werden, sie habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig vorgelegt.
Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin zuletzt beantragt:
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, die Zahlungen seien seit 2016 zu Recht eingestellt worden, weil es sich um Leistungen mit reinem Entgeltcharakter gehandelt habe, da sie ohne Nennung weiterer Anspruchsvoraussetzungen gezahlt worden seien. Die Betriebsvereinbarung vom 07.01.2019 stehe dazu auch nicht im Widerspruch. Dem Arbeitgeber stehe es frei, die Zweckrichtung derartiger Sonderzahlungen abzuändern und dies sei hier im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geschehen. Man habe die Sonderzahlungen auf eine neue Grundlage stellen und insbesondere die bislang außen vor gelassene Betriebstreue in den Vordergrund rücken wollen. Auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung stehe der Klägerin für das Kalenderjahr 2019 weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld zu, da sie im gesamten Kalenderjahr arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und damit die Kürzungsmöglichkeit nach Ziff. 4 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung greife.
Zudem habe die Klägerin ausweislich der Lohnabrechnung November 2016 in diesem Kalenderjahr 340,94 € brutto Weihnachtsgeld erhalten.
Das Arbeitsgericht hat durch das angegriffene Urteil vom 14.01.2020 nach den Klageanträgen erkannt und zur Begründung ausgeführt, der Anspruch auf Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld bestehe in der geltend gemachten Höhe. Der Höhe nach habe die Beklagte die Ansprüche nicht bestritten. Der Anspruch bestehe auch trotz der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin und werde auch durch die Betriebsvereinbarung vom 07.01.2019 nicht berührt. Der Anspruch sei aufgrund einer betrieblichen Übung entstanden. Die Klägerin habe durch Vorlage der Abrechnungen der Kalenderjahre 2002-2004 belegt, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt bezüglich der Weihnachtsgeldzahlung von der Beklagten nicht angebracht worden sei. Dieser habe nachträglich den entstandenen Rechtsanspruch nicht mehr beseitigen können. Der Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld sei auch an keine sonstigen Voraussetzungen gebunden, insbesondere nicht daran, dass die Klägerin arbeitsfähig sei. Es handele sich bei den Zahlungen um Gratifikationen, also um Leistungen, die gerade nicht ausschließlich die bereits in der Vergangenheit erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honorieren sollten, sondern auch jedenfalls die bisherige Betriebstreue belohnen und einen Anreiz für künftige Betriebstreue schaffen sollten.
Die Beklagte treffe die Darlegungslast und Beweislast für den mit der Leistung verfolgte Zweck, weil angesichts des kollektiven Charakters der gewährten zusätzlichen Vergütung der Arbeitnehmer nicht wissen und überprüfen könne, wie in anderen Fällen als dem eigenen Verfahren werde. Der mit den Zahlungen verfolgte Zweck stelle einen internen Vorgang auf Arbeitgeberseite dar, so dass die Grundsätze der sekundären Beweislast zum Tragen kämen. Andernfalls könne sich die Beklagte je nach Fallkonstellation darauf berufen, es handele sich nicht um eine zusätzliche Vergütung, sondern die Gratifikation habe Mischcharakter und werde nicht geschuldet. Ohne Darlegung ihrer konkreten Beweggründe durch die Beklagte und der Handhabung in tatsächlicher Hinsicht in der Vergangenheit könne nicht beurteilt werden, ob der Arbeitgeber seine Zweckbestimmung und Zielsetzung für die Sonderzahlung von vornherein in einer bestimmten Weise festgelegt habe und tatsächlich auch so durchführe. Da die Beklagte die Zielsetzung der Leistung bestimme, treffe sie insoweit die Beweislast, als sie darlegen müsse, dass die an die Mitarbeiter geleisteten Zahlungen stets als reine Vergütungsleistung gehandhabt worden seien. Sie müsse darlegen und unter Beweis stellen, dass die Sonderzahlung grundsätzlich nie und in keinem Fall anders behandelt worden sei, denn als zusätzliche Vergütung für die im Bezugsjahr geleistete Arbeit und etwa bei vorzeitigem Ausscheiden von Mitarbeitern auch nur ratierlich gewährt worden und auch nicht im Folgejahr zurückverlangt worden sei. Da die Beklagte dem trotz eines gerichtlichen Hinweises nicht nachgekommen sei, sei die Handhabung und Zielsetzung der gewährten Leistungen nicht festzustellen gewesen. Zudem seien die Zahlungen als Weihnachtsgeld bzw. Urlaubsgeld bezeichnet worden, aus der Arbeitnehmer schließen könne, dass die Zahlung jedenfalls nicht nur Arbeitsvergütung darstelle, sondern auch Anreiz bieten solle, im Arbeitsverhältnis zu verbleiben. Mangels anderen Vortrags der Beklagten sei daher von einem Mischcharakter der Sonderzahlungen auszugehen.
Soweit die Beklagte behauptet habe, im Kalenderjahr 2016 einen Teilbetrag von 340,94 € brutto geleistet zu haben, habe sie nach dem Bestreiten der Klägerin hierfür keinen Nachweis erbracht. Die Abrechnung für den Monat November sei dafür nicht ausreichen.
Der Anspruch auf Urlaubsgeld sei auch nicht an die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs gebunden. Vielmehr ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte ein zusätzliches Urlaubsgeld in den drei Sommermonaten zahle, dass es sich um eine saisonale Sonderleistung handele. Auch hier hätte es der Beklagten oblegen, darzulegen, dass die Inanspruchnahme von Urlaub überhaupt Voraussetzung für den Erhalt des zusätzlichen Urlaubsgeldes gewesen sei. Zudem sei nicht nachvollziehbar gewesen, ob es sich bei den Zahlungen aus Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld überhaupt auch um ein 13. Monatsgehalt der Höhe nach gehandelt habe.
Die Beklagte schulde die Leistungen auch für das Kalenderjahr 2019. Die Betriebsvereinbarung vom 07.01.2019 stehe dem nicht entgegen, da sie den entstandenen Anspruch der Klägerin aus betrieblicher Übung aufgrund des Günstigkeitsprinzips nicht ablösen könne. Ein durch betriebliche Übung begründeter Vergütungsanspruch sei ohne entsprechende Abrede der Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich nicht betriebsvereinbarungsoffen. Die Betriebspartner sei durch die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG regelmäßig gehindert, derartige Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Selbst wenn ausnahmsweise der Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Sonderzahlungen zulässig sei, brauche ein verständiger Arbeitnehmer daraus jedoch nicht zu schließen, eine ihm ohne einen Vorbehalt des Arbeitgebers geleistete Sonderzahlung stehe unter dem stillschweigenden Vorbehalt einer ablösenden freiwilligen Betriebsvereinbarung.
Die Berechtigung der Abmahnung habe die Beklagte nicht hinreichend dargelegt und es bleibe offen, welches konkrete Interesse die Beklagte an weiteren Nachweisen gehabt habe.
Der Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte der Klägerin mehrfach die Auflösung des Arbeitsverhältnisses angeboten habe.
Das arbeitsgerichtliche Urteil vom 14.01.2020 wurde der Beklagten am 06.02.2020 ohne Rechtsmittelbelehrung und am 10.02.2020 mit Rechtsmittelbelehrung zugestellt. Die Berufung hiergegen ging fristgerecht am 06.03.2020 über das beA beim Landesarbeitsgericht ein und wurde ebenso fristgerecht am 06.04.2020 über das beA begründet.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, seit dem Jahr 2006 habe die Klägerin regelmäßig neben ihrem Festgehalt in drei Teilbeträgen im Juni, Juli und August eines Jahres Urlaubsgeld erhalten und seit dem Jahr 2001 bis zum Jahr 2015 zusätzlich zum Festgehalt ein Weihnachtsgeld. Das Weihnachtsgeld für das Jahr 2016 sei anteilig ausbezahlt worden. Danach habe die Beklagte die Zahlung der Sonderzahlungen eingestellt, da diese Gegenleistung für die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung sei, die die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr habe erbringen können.
Die Sonderzahlungen seien freiwillige Leistungen gewesen. Die Beklagte habe in der Gehaltsabrechnung der Klägerin zu den Sonderzahlungen jeweils klargestellt, dass die Leistungen freiwillig erfolgten. Das ergebe sich aus den Gehaltsabrechnungen jeweils für den November der Jahre 2013-2015 bzw. die Gehaltsabrechnungen für die Monate Juni bis August aus den Jahren 2013-2015. In den Gehaltsabrechnungen für das Jahr 2005 bezüglich des Weihnachtsgeldes und des Jahres 2006 bezüglich des Urlaubsgeldes seien derartige Freiwilligkeitsvorbehalte ebenfalls zu finden. Aber auch zuvor habe die Beklagte bei Auszahlung des Weihnachtsgeldes stets mündlich verdeutlicht, dass die Zahlung freiwillig erfolge und darauf kein Rechtsanspruch bestehe. So habe der Betriebsrat jeweils die Geschäftsleitung angefragt, ob es in diesem Jahr Sonderzahlungen für die Mitarbeiter geben werde und die Entscheidung der Beklagten dann an die Mitarbeiter weitergegeben.
Jedenfalls habe die Klägerin nur dann einen Anspruch auf eine Sonderzahlung, wenn sie auch tatsächlich Arbeitsleistung erbracht habe. Die Sonderzahlungen stellten eine zusätzliche Vergütung für die in dem Kalenderjahr erbrachten Arbeitsleistungen dar. Da die Klägerin seit dem Jahr 2016 krankheitsbedingt keinerlei Arbeitsleistung erbracht habe, habe sie nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes auch keine Vergütungsansprüche mehr. Dies ergebe sich auch aus der generellen Handhabung der Sonderzahlung durch die Beklagte. Diese habe in der Summe den Umfang von rund einem 13. Monatsgehalt (auf die Berechnungen der Beklagten auf Seite 7-9 der Berufungsbegründung wird Bezug genommen). Abweichungen hätten sich daraus ergeben, dass das Weihnachtsgeld der Klägerin häufig aufgrund von Fehlzeiten außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums gekürzt worden sei. Das Urlaubsgeld sei von der Beklagten nur dann gekürzt worden, wenn der Urlaub tatsächlich nicht genommen werden konnte, beispielsweise wegen ganzjährige Arbeitsunfähigkeit oder Elternzeit. Die Beklagte habe das Urlaubsgeld an die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs geknüpft. Dies habe die Beklagte bei allen Mitarbeitern so gehandhabt. Bei unterjährigem Eintritt habe die Beklagte die Sonderzahlung nur anteilig gewährt. Die Sonderzahlung sei auch an keine weiteren Voraussetzungen als die Erbringung von Arbeitsleistung geknüpft gewesen.
Darüber hinaus habe die Beklagte das Urlaubsgeld der Klägerin für das Jahr 2019 auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 07.01.2019 gekürzt.
Für das Jahr 2016 habe die Klägerin ein anteiliges Weihnachtsgeld i.H.v. 340,94 € brutto erhalten. Dies ergebe sich aus dem Auszahlungsbeleg Anlage BK 7. Die Klägerin habe dies zunächst wahrheitswidrig bestritten.
Das Urteil des Arbeitsgerichtes sei falsch. Eine betriebliche Übung habe angesichts des Freiwilligkeitsvorbehaltes nicht entstehen können. Ein Urlaubsgeld sei der Klägerin erst seit dem Jahr 2006 gewährt worden. Hier sei von vornherein darauf hingewiesen worden, dass ein Anspruch auf das Urlaubsgeld nicht erwachse und die Zahlung freiwillig sei. Für die Freiwilligkeit spreche auch, dass die Sonderzahlungen in den Jahren der Wirtschaftskrise 2008 und 2009 deutlich geringer bemessen worden seien. Zudem gehe das Arbeitsgericht fehlerhaft davon aus, dass es sich um reine Gratifikationen handele. Dabei habe das Arbeitsgericht die Grundsätze der Beweislastverteilung verkannt, denn es wäre Sache der Klägerin gewesen, die für sie günstigen Voraussetzungen darzulegen, nach denen auch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit gleichwohl die Sonderleistungen beansprucht werden könnten. Zudem erlege das Arbeitsgericht der Beklagten die Beweislast für eine negative Tatsache auf, nämlich dafür, dass die an die Mitarbeiter geleisteten Zahlungen stets als reine Vergütungsleistung gehandhabt worden seien und die Beklagte darlegen müsse, dass die Sonderzahlungen nie und in keinem Fall anders behandelt worden seien. Das darzulegen und zu beweisen sei faktisch unmöglich. Auch ergebe die Auslegung der Zweckrichtung der Sonderzahlung, dass diese, anders als vom Arbeitsgericht fehlerhafterweise angenommen ausschließlich Entgeltcharakter hätten. Die Bezeichnung als Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei nicht ausschlaggebend. Zudem habe das Arbeitsgericht übersehen, dass es sich bei der Zahlung um ein 13. Monatsgehalt gehandelt habe.
Für das Jahr 2019 habe aufgrund der Betriebsvereinbarung 2019 zudem ein Kürzungsrecht bestanden. Selbst wenn ein Anspruch aus einer betrieblichen Übung bestanden hätte, sei dieser durch die Betriebsvereinbarung 2019 abgelöst worden. Der Arbeitsvertrag der Klägerin sei betriebsvereinbarungsoffen, wie sich aus Z. 6 des Arbeitsvertrages ergebe. Zudem könnten freiwillige Sozialleistungen mit kollektiven Bezug zulasten des einzelnen Mitarbeiters durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen beschränkt werden, wenn diese einem kollektiven Günstigkeitsvergleich standhielten, wie es hier der Fall sei.
Die Abmahnung sei zu Recht ausgesprochen worden, da die Beklagte die Folgebescheinigungen für ihre Disposition benötige. Die Beklagte habe der Klägerin bereits im Jahr 2017 ein Zwischenzeugnis erteilt. Da die Klägerin seitdem keine Arbeitsleistung erbracht habe, habe sie keinen Anspruch auf ein erneutes Zwischenzeugnis. Zudem habe die Beklagte im Januar 2020 angesichts der erstinstanzlichen Verurteilung schließlich erneut ein Zwischenzeugnis erteilt und zugestellt.
Die Beklagte beantragt daher:
Die Klägerin beantragt,
Sie rügt, dass der von der Beklagten nunmehr erstmals in der Berufung gehaltene neue Vortrag verspätet sei. Insbesondere der Vortrag zu angeblichen mündlichen Freiwilligkeitsvorbehalten sei verspätet, da das Arbeitsgericht der Beklagten in der Verfügung vom 08.01.2019 eine Frist für abschließenden Vortrag zu den streitgegenständlichen Sonderzahlungen gesetzt, die Beklagte jedoch innerhalb dieser Frist dazu nichts vorgetragen habe. Gleiches gelte auch für den Vortrag bezüglich der Handhabung der Sonderzahlungen im Betrieb.
In der Sache selbst sei der Klägerin von dem von der Beklagten behaupteten mündlichen Freiwilligkeitsvorbehalt vor dem Jahren 2005 bzw. 2006 bezüglich der Sonderzahlungen nichts bekannt. Mit ihr sei ein solcher jedenfalls nicht vereinbart worden und auch nicht kommuniziert worden. Dieser Vortrag werde bestritten. Zudem sei der Vortrag pauschal und nicht einlassungsfähig.
Die Klägerin bleibe dabei, dass die Sonderzahlungen, die sie erhalten habe, ihre erbrachte und künftige Betriebstreue belohnen sollten. Das ergebe sich auch aus dem Zeitpunkt der Zahlungen, bei denen der Arbeitnehmer typischerweise mit erhöhten Aufwendungen aufgrund von Urlaub und Weihnachten zu rechnen habe. So sei zudem jedenfalls bis zum Jahr 2016 bei Krankheitsfällen keine Kürzung von Sonderzahlungen erfolgt. Da die Beklagte erstinstanzlich nichts dazu vorgetragen habe, habe das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die Zahlungen einen Mischcharakter gehabt hätten. Der erstmals in der Berufungsinstanz seitens der Beklagten gehaltene Vortrag über zwei angebliche Berechnungsformeln sei in seiner Pauschalität nicht nachvollziehbar. Der Klägerin gegenüber sei das jedenfalls nicht so gehandhabt worden. Es sei nach wie vor nicht bekannt, wie sich die Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen der Beklagten errechneten. Zudem sei die mitgeteilte Formel unschlüssig. So sei im Jahr 2001 nicht 50 %, sondern nur 30 % Weihnachtsgeld gezahlt worden. Gleiches gelte für das Jahr 2002 und 2003. Beim Urlaubsgeld ergebe sich abweichend von der von der Beklagten mitgeteilten Formel im Jahr 2003 eine Zahlung i.H.v. 50 % des Urlaubsentgeltes (siehe Anlage K 23). Auch für das Jahr 2006 treffe die angebliche Formel der Beklagten nicht zu. Gleiches gelte auch für die Jahre 2013. Dass eine Kürzung des Weihnachtsgeldes der Klägerin in den Jahren 2013 und 2014 wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten erfolgt sei, werde bestritten. Beim Urlaubsgeld bestünde daher auch dann eine Zahlungspflicht in vollem Umfang, wenn die Klägerin lediglich während der vereinbarten Urlaubsdauer arbeitsfähig sei, sonst aber über das gesamte restliche Jahr keine Arbeitsleistung erbringen könne. Das sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass es nicht um eine Zahlung mit reinem Entgeltcharakter gehe. Auch die Handhabung der Beklagten bezüglich einzelner Mitarbeiter, die von der Beklagten nur mit einem Kürzel angegeben werden, werde mit Nichtwissen bestritten.
Zudem habe die Beklagte auch durch die Betriebsvereinbarung 2019 fixiert, dass die Sonderzahlung einen Mischcharakter habe. Zudem sei die Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Selbst wenn man ihre Wirksamkeit annehme, verstoße sie gegen das Günstigkeitsprinzip. Für das Weihnachtsgeld 2016 habe sich mittlerweile herausgestellt, dass tatsächlich ein Nettobetrag von 198,85 € zur Auszahlung gebracht worden sei. Erst nach Vorlage dieser Unterlagen durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten habe die Klägerin den Vorgang nochmals nachprüfen und bestätigen können, dass dieser Betrag tatsächlich eingegangen sei.
Das Arbeitsgericht habe die Beklagte zu Recht verurteilt, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, weil die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten bereits im April 2018 mitgeteilt habe, dass sie auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig krank sei und die Beklagte mit einer Vorlauffrist von vier Wochen bei einer Wiedergenesung informiert werde. Zudem habe die Klägerin in diesem Zeitpunkt mit Wissen der Beklagten eine volle Erwerbsminderungsrente bezogen.
Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass für den Fall, dass das Gericht davon ausgehe, dass wegen der Erhöhung des Krankengeldes der Klägerin nach § 47 Abs. 2 S. 6 SGB V ein Anspruchsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X auf die Krankenkasse im Umfang des Erhöhungsbetrages des Krankengeldes vorliege, die Klägerin diesen Betrag in Abzug bringen und im Wege der Prozessstandschaft beantrage, diesen Betrag an die AOK B. zu zahlen. Dieser belaufe sich auf Euro 2.197,80. (Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 26.05.2020 Bezug genommen). Da die Beklagte sich weigere, der Klägerin Unterlagen zur Berechnung des Krankengeldes für das Jahr 2016 überlassen, müsse die Klage darauf erweitert werden.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze beide Instanzen nebst Anlagen Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht haben die Parteien die Klage, soweit sie sich auf Entfernung der Abmahnung auf die Erteilung eines Zwischenzeugnisses richtet, übereinstimmend für erledigt erklärt. Eine Kostenregelung ist nicht getroffen worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Die durch die Klageerweiterung im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge der Klägerin sind nicht zur Entscheidung angefallen.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG an sich statthafte Berufung ist innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet worden. Berufungsschrift und Berufungsbegründung genügen den Formerfordernissen der §§ 519, 520 Abs. 2 und 3 ZPO i.V.m. § 130a Abs. 3, Abs. 4 Nr. 1 ZPO. Die Berufung ist daher zulässig.
II.
Die Berufung ist auch begründet und führt zur Klageabweisung, soweit die Klage nicht durch übereinstimmende Erklärung der Parteien erledigt worden ist.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Sonderzahlungen, bestehend aus Weihnachtsgeld für die Jahre 2016-2019 und Urlaubsgeld für die Jahre 2017 bis 2019.
1. In Höhe eines Betrages von 340,94 € brutto ist die Klage bereits deswegen unbegründet, weil die Klägerin mittlerweile einräumt, diesen Betrag erhalten zu haben.
2. Die Klage ist nicht bereits deswegen abzuweisen, weil sie mangels hinreichender Bestimmung des Streitgegenstandes nach § 253 ZPO unzulässig wäre. Das wäre dann der Fall, wenn der Anspruch auf die Sonderzahlungen nach § 115 SGB X auf die AOK B. als der Krankenkasse der Klägerin übergegangen wäre, weil diese nach § 47 Abs. 2 S 6 SGB V an die Klägerin ein erhöhtes Krankengeld gezahlt hätte. Wäre das der Fall (so LAG Köln, 10. Mai 2010 - 5 Sa 7/10 -, juris), müsste die Klägerin klarstellen in welcher Höhe sie die Zahlung aus eigenem Recht an sich selbst und auf der Grundlage einer gewillkürten Prozessstandschaft an die AOK verlangt. Die Frage des Anspruchsübergangs und möglicher Bedenken der Annahme eines solchen im Hinblick auf § 49 Abs. 1 Nr. 2 2 Hs. SGB V kann hier offen bleiben, denn die Klägerin hat darlegt, in welcher Höhe ein möglicher Anspruchsübergang vorliegt, so das eindeutig erkennbar ist, in welchem Umfang sie bei Annahme eines Anspruchsübergangs hilfsweise Zahlung an Ihre Krankenkasse begehrt.
3. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil es an einer Anspruchsgrundlage fehlt.
a) Soweit die Klägerin den Anspruch auf die Zahlung des Urlaubsgeldes auf eine betriebliche Übung gestützt, fehlt es bereits an der Darlegung einer solchen betrieblichen Übung.
Die Klägerin hat zwar pauschal in ihrer Klage behauptet, die Beklagte habe seit dem Jahr 2001 dreimal hintereinander vorbehaltslos eine Sonderzahlung Urlaubsgeld gezahlt. Dem ist die Beklagte spätestens in der Berufungserwiderung entgegengetreten und hat vorgetragen, dass ein solches Urlaubsgeld erst seit dem Jahre 2006 gezahlt werde und diese Zahlungen immer mit einem Hinweis versehen worden seien, dass auch bei wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft entstehe. Dies belegt die Lohnabrechnung des Jahres 2006 (Anlage BK 4 ABl 115 der Berufungsakte). Dort ist unter der Position 216 "zus. Urlaubsgeld gewerblich" angefügt: "Die Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes erfolgt freiwillig und begründet auch bei wiederholter Gewährung keinen Rechtsanspruch."
Für die Jahre davor hatte die Klägerin lediglich den Nachweis für das Jahr 2003 erbracht (Anlage K 22, Aktenseite 142 der arbeitsgerichtlichen Akte), dass sie ein zusätzliches Urlaubsentgelt erhalten hat. Damit ist aber lediglich für nur ein einziges Jahr die Zahlung eines solchen zusätzlichen Urlaubsgeldes belegt, was weder zum Entstehen einer betrieblichen Übung noch zu einer individuellen konkludenten Vertragsänderung führen kann, da Voraussetzung dafür jeweils ist, dass die entsprechende Leistung dreimal hintereinander vorbehaltlos erbracht worden ist. Bei jährlichen Leistungen kann in der Regel erst nach dreimaliger Gewährung davon ausgegangen werden, die Leistung solle auch in der Zukunft gewährt werden (BAG, 24. März 2010 - 10 AZR 43/09, NZA 2010, 759). Soweit die Beklagte regelmäßige Urlaubsgeldzahlungen ab dem Jahr 2006 zugesteht, konnte eine betriebliche Übung oder eine konkludente individuelle Vertragsänderung nicht entstehen, weil die Klägerin nicht berechtigterweise darauf vertrauen durfte, dass die Beklagte sich verpflichten wollte, diese Leistung auf Dauer zu erbringen, weil ausdrücklich in der Abrechnung für das Jahr 2006 darauf hingewiesen wurde, dass auch bei wiederholter Zahlung ein Rechtsanspruch nicht entsteht.
Hinzu kommt, dass das zusätzliche Urlaubsgeld im Jahre 2003 nach der von der Klägerin vorgelegten Lohnabrechnung eine andere Leistung darstellte als die, die sie nunmehr geltend macht. Das Urlaubsgeld, dass im Jahr 2003 gezahlt worden ist, ist ausweislich der Lohnabrechnung ein akzessorisches Urlaubsgeld, dass in Abhängigkeit von den jeweiligen Urlaubstagen gezahlt wird, während die Klägerin nunmehr eine Sonderzahlung, verteilt auf drei Monate als Urlaubsgeld geltend macht.
In jedem Fall hat die Klägerin einen Rechtsanspruch aufgrund eines gleichförmigen Verhaltens der Beklagten nicht dargelegt.
Aus diesem Grund kann auch dahingestellt bleiben, ob die Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin eine betriebliche Übung ist oder eine konkludente individuelle Vertragsänderung, wenn der Anspruch ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt entstanden.
Ob die Klägerin ihren Anspruch auf die Betriebsvereinbarung 2019 stützen kann, kann dahingestellt bleiben. Dies ist ein anderer Streitgegenstand als ein Anspruch aus betrieblicher Übung oder individueller Vereinbarung und die Klägerin hat sich ausdrücklich nicht auf einen Anspruch auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung 2019 gestützt.
Selbst wenn man davon ausginge, dass ein Anspruch auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung 2019 ein anderer Streitgegenstand sei, da der Streitgegenstand im Zivilprozess weder umfassend eine bestimmte Rechtsfolge noch lediglich einen bestimmten materiell-rechtlichen Anspruch betrifft, sondern sich nach § 322 Abs. 1 ZPO durch den Klageantrag und den dazugehörigen Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem die Klägerin die begehrte Rechtsfolge herleitet, ergibt sich auch aus der Betriebsvereinbarung 2019 kein Zahlungsanspruch. Nach dieser Betriebsvereinbarung ist der Anspruch auf die Sonderzahlung eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, über die er jederzeit neu befindet. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Situation, nämlich bei ganzjährige Arbeitsunfähigkeit, eine solche Sonderzahlung gewährt hat. Darüber hinaus würde nach Nr. 4 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung ein Anspruch aufgrund der Kürzung nach § 4 a EFZG nicht bestehen.
Soweit die Klägerin Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsentgelt geltend macht, ist die Klage bereits aus diesem Grunde unbegründet, das arbeitsgerichtliche Urteil ist abzuändern und die Klage ist abzuweisen.
b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zahlung des "Weihnachtsgeldes" für die Jahre 2016 ist 2019.
aa) Den Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes stützt die Klägerin in ihrer Klagebegründung auf eine "betriebliche Übung". Dazu hat sie jedoch in ihrer Klage nichts vorgetragen, außer dass an sie selbst eine entsprechende Leistung in den Jahren 2001-2003 vorbehaltslos durch die Beklagte erbracht worden ist. Der Vortrag genügt nicht zu Begründung einer betrieblichen Übung. Eine betriebliche Übung bezieht sich auf eine Vielzahl oder zumindest auf eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern, ohne dass individuelle Besonderheiten die vertraglichen Beziehungen gestalten; das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung enthält ein kollektives Element. Ihr Vortrag beschränkt sich hingegen auf das ihr gegenüber gezeigte Leistungsverhalten (BAG, 17. 4. 2013 - 10 AZR 251/12).
Zwar räumt die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung ein, dass es bei ihr eine allgemeine Handhabung gibt, an die Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld als Sonderzahlung zu erbringen, dieser Vortrag steht jedoch im untrennbaren Zusammenhang damit, dass die Beklagte nach ihrer Darstellung diese Leistung nur jeweils mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt mit Hinweis auf fehlenden Verpflichtungswillen versehen erbracht hat.
Eine betriebliche Übung hat die Beklagte damit gerade nicht zugestanden.
bb) Die Klägerin kann den Anspruch jedoch auf eine konkludente individuelle Vereinbarung stützen, denn aufgrund der Erbringung von Leistungen in den Jahren 2001-2003 und vermutlich auch noch in den Jahren danach, jedenfalls bis zum Jahr 2007 ohne den Hinweis auf einen fehlenden zukünftigen Verpflichtungswillen, ist ein individueller Anspruch der Klägerin durch konkludente Vertragsänderung mit dem Inhalt entstanden, dass die Beklagte sich verpflichtet, jedes Jahr nach billigem Ermessen neu darüber zu entscheiden, in welcher Höhe sie der Klägerin ein Weihnachtsgeld gezahlt.
(1) Gewährt der Arbeitgeber zusätzlich zu dem vereinbarten monatlichen Gehalt eine einmalige Sonderzahlung, ist zunächst durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob er sich nur zu der konkreten Leistung oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat (vgl. BAGE 139, 156 = NZA 2012, 81 [BAG 14.09.2011 - 10 AZR 526/10] Rn. 11). Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit einem Erklärungswert, wie einer betrieblichen Übung, ergeben. Auch wenn keine betriebliche Übung besteht, weil der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen durch die Leistungsgewährung ein Anspruch entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er nach § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat (BAG, Urt. v. 13.5.2015 - 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992).
Das ist vorliegend der Fall: Die Klägerin durfte aufgrund des Verhaltens der Beklagten, ihr von Beginn des Arbeitsverhältnisses an vorbehaltslos - allerdings in unterschiedlicher Höhe - ein Weihnachtsgeld zu zahlen, schließen, dass sich die Beklagte verpflichten wollte, auch in Zukunft ein solches Weihnachtsgeld nach billigem Ermessen zu zahlen.
(2) Die Behauptung der Beklagten, die erstmals in der Berufungsbegründung vorgebracht wird, es sei von Anbeginn des Arbeitsverhältnisses immer wieder mündlich darauf hingewiesen worden, dass es sich bei den Sonderzahlungen um freiwillige Leistungen ohne Rechtsanspruch für die Zukunft handelt, ist unsubstantiiert und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich. Die Beklagte grenzt ihre Behauptung weder in zeitlicher noch in räumlicher Hinsicht ein. Sie erklärt auch nicht, wieso die Klägerin von diesem Vorbehalt Kenntnis erlangt haben solle. Allein der Umstand, dass der bei ihr gebildeten Betriebsrat mit dem Arbeitgeber über eine Sonderzahlung verhandelt haben soll bedeutet nicht, dass die Klägerin erkennen musste, dass diese Leistung ohne Rechtsbindungswillen für die Zukunft erbracht werden sollte.
(3) Daraus kann sich für die Klägerin zunächst allerdings allenfalls ein Anspruch ergeben, dass die Beklagte nach billigem Ermessen auch für die Jahre 2016-2019 über die Gewährung einer Sonderzahlung entscheidet. Die Klage ist gleichwohl nicht abzuweisen, denn die Beklagte ist der Berechnung der Klägerin nicht entgegengetreten, sondern hat vielmehr angeführt, dass es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Beträgen um ein an die Klägerin in den letzten Jahren regelmäßig gezahlten Betrag handelt, der etwa die Höhe eines 13. Gehaltes erreicht, so dass das Gericht davon ausgeht, dass für den Fall des Bestehens eines Anspruchs der Klägerin dieser in der geltend gemachten Höhe zu zahlen ist, weil allein dieser Betrag dem billigen Ermessen entspreche.
cc) Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für die Jahre 2016-2019 besteht jedoch nicht, da die Klägerin die Voraussetzungen dieses individuellen Anspruchs nicht erfüllt.
Voraussetzung für die Zahlung eines Weihnachtsgeldes ist, dass die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung für Arbeitsleistung hat, denn die Zahlung des Weihnachtsgeldes stellt eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit dar, die entfällt, wenn in dem jeweiligen Kalenderjahr Teile oder anteilig keine vergütungspflichtige Arbeitsleistung wie hier wegen langandauernder Arbeitsunfähigkeit erbracht worden ist.
(1) Das Weihnachtsgeld als Sonderzahlung dient ausschließlich der zusätzlichen Vergütung der geleisteten Arbeit. Das ergibt die Auslegung des Anspruchs aufgrund der vorbehaltlosen Zahlung in den Jahren 2001-2003.
Mit welchem Inhalt eine konkludente Vertragsänderung durch vorbehaltlose Zahlung einer Sonderzahlung zustande gekommen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei der ebenfalls durch Auslegung zu ermittelnde verfolgte Zweck der Sonderzahlung (BAG, Urt. v. 13.5.2015 - 10 AZR 266/14).
Wird die Zahlung erbracht, ohne dass weitere Anspruchsvoraussetzungen vereinbart sind, spricht dies dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (BAG, Urt. v. 3.9.2014 - 5 AZR 1020/12).
Will der Arbeitgeber andere Zwecke als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss sich dies deutlich aus der zu Grunde liegenden Vereinbarung ergeben. So können Sonderzahlungen als Treueprämie erwiesene oder als "Halteprämie" künftige Betriebstreue honorieren; der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. Ist die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzuwendung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus gezahlt wird oder der Arbeitnehmer diese zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf zumutbarer Bindungsfristen endet. Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Ein weiteres Merkmal derartiger Zahlungen ist, dass sie nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen (BAG, 13.5.2015 - 10 AZR 266/14 Rn 13 f; BAG 18.1.2012, 10 AZR 667/10).
Der Anspruch entsteht so, wie die Klägerin das Verhalten der Beklagten als Vertragsangebot verstehen darf. Mit diesem Inhalt hat auch die Beklagte ihr eigenes Verhalten gegen sich gegebenenfalls gelten zu lassen und kann beispielsweise nicht geltend machen, die Klägerin habe bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Sonderzahlungen anteilig zurückzuzahlen bzw. sie habe bei unterjährigem Ausscheiden keinen anteiligen Anspruch auf Sonderzahlungen.
(2) Anders als vom Arbeitsgericht angenommen trägt die Beweislast für die maßgeblichen Tatsachen, die zur Auslegung einer konkludenten vertraglichen Vereinbarung über Sonderzahlungen entweder als Vergütung für geleistete Arbeit einerseits oder als Zahlung, mit der (auch) andere Zwecke verfolgt werden nicht pauschal der Arbeitgeber, sondern jeweils derjenige, er sich auf entsprechende Voraussetzungen der Sonderzahlung beruft. Dies entspricht allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen, wonach derjenige die Voraussetzungen für den von ihm geltend gemachten Anspruch darzulegen und zu beweisen hat.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, der durch stillschweigende Vertragsänderung im Jahr 2003 entstandene Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes bestehe auch für die Jahre 2016-2019, da es sich um eine Zahlung mit Mischcharakter handele und die Erbringung von Arbeitsleistung keine Rolle spiele hat demnach die Klägerin zu beweisen.
(3) Die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung ergibt, dass es sich bei der zu beanspruchenden Sonderzahlung auf Weihnachtsgeld ausschließlich um zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit handelt. Unter Anwendung der oben genannten Auslegungskriterien durfte und musste die Klägerin das Angebot der Beklagten durch die dreimalige vorbehaltlose Zahlung des Weihnachtsgeldes ohne jede zusätzliche Einschränkung oder Angabe dahingehend verstehen, dass damit ihre Arbeitsleistung zusätzlich honoriert werden sollte. Andere Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass die Beklagte mit der Gewährung des Weihnachtsgeldes einen anderen zusätzlichen Leistungszweck verfolgen wollte, sind nicht erkennbar. Sie ergeben sich zum einen nicht aus den konkreten Umständen, die zum Entstehen des Rechtsanspruches geführt haben. Die Beklagte hat der Klägerin schlichtweg dreimal eine zusätzliche Vergütung gezahlt. Alleine der Umstand, dass diese Zahlung als "Weihnachtsgeld" tituliert worden ist und mit der Vergütung für den November des Jahres ausgezahlt worden ist, gibt keinen Anhaltspunkt, dass mit der Zahlung ein anderer Zweck verfolgt worden ist. Die Bezeichnung als Weihnachtsgeld ist die Festlegung eines Fälligkeitszeitpunktes sein, wonach die Zahlung jeweils vor dem Weihnachtsfest, also mit der Vergütung für den Monat November zur Auszahlung kommt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um ein Weihnachtsgeld in dem Sinne handelt, dass der Arbeitgeber sich an den tatsächlichen oder vermeintlichen erhöhten Aufwendungen des Arbeitnehmers anlässlich des Weihnachtsfestes beteiligen wolle, folgen aus der bloßen Bezeichnung als Weihnachtsgeld nicht. Zum einen ist es regelmäßig nicht das Interesse des Arbeitgebers, sich an mehr oder weniger hohen Aufwendungen des Arbeitnehmers zum Weihnachtsfest beteiligen, sondern der Arbeitgeber bezweckt mit der Erbringung von Zahlungen regelmäßig die Vergütung der Arbeitnehmer für erbrachte Arbeitsleistung. Dies gilt umso mehr, als nicht jeder Arbeitnehmer eine Beziehung zum (christlichen) Weihnachtsfest hat und auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers zu Weihnachten völlig unterschiedlich sein können. Würde der Arbeitgeber tatsächlich beabsichtigen, mit der Sonderzahlung "Weihnachtsgeld" erhöhte Aufwendungen des Arbeitnehmers anlässlich des Weihnachtsfestes zu unterstützen, wäre es naheliegen, dass eine solche Zahlung nach sozialen Gesichtspunkten weiter differenziert wird. All das ist hier jedoch nicht geschehen.
Auch für eine irgendwie geartete Treueprämie bzw. Halteprämie gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist keine Rückzahlungspflicht vereinbart.
(4) Die Klägerin hat darüber hinaus aber auch nichts vorgetragen, was darauf schließen ließe, dass die Sonderzahlung auch andere Zwecke als die Vergütung geleisteter Arbeit bezweckt. Anders als vom Arbeitsgericht angenommen wäre das jedoch Sache der Klägerin gewesen. Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass das Arbeitsgericht ihr die Beweislast dafür aufgebürdet hat, darzulegen, dass die betriebliche Handhabung keine andere als die der Gewährung einer Sonderzahlung als zusätzliche Arbeitsvergütung ist. Eine Grundlage, dass die Beklagte darzulegen hat, dass die betriebliche Handhabung nicht anders erfolgt ist, als das Verhalten der Beklagten von der Klägerin nach den Umstanden bei konkludenten Änderung des Arbeitsvertrages im Jahr 2003 verstanden werden durfte, besteht nicht. Zwar weiß die Klägerin in der Tat nicht, nach welchen Regeln die Beklagte Sonderzahlungen gegenüber anderen Arbeitnehmern erbracht hat. Das zu wissen ist aber auch nicht erforderlich, weil der Inhalt des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung von Sonderzahlungen sich danach richtet, wie die Klägerin das Verhalten der Beklagten verstehen durfte und nicht danach, wie die Beklagte ansonsten im Betrieb gegenüber anderen Arbeitnehmern Sonderzahlungen erbracht hat.
Ein solches Bedürfnis könnte bestehen, wenn die Rechtsgrundlage für die Sonderzahlung eine betriebliche Übung ist, auf die sich die Klägerin berufen muss, weil sie keinen individuellen Anspruch hat. Aber selbst in dem Falle wäre lediglich die Darlegungslast abgestuft, die Beklagte hätte die betriebliche Handhabung darzulegen. Es bliebe aber auch im Falle einer betrieblichen Übung dabei, dass die Klägerin die Beweislast dafür trägt, dass die betriebliche Übung mit dem von ihr behaupteten Inhalt steht. Dazu hat die Beklagte hier sogar im Einzelnen substantiiert vorgetragen, ohne dass es nach Auffassung des Gerichtes darauf ankäme.
Die Beklagte hat mit ihrem Vortrag dargelegt, dass Weihnachts- und Urlaubsgeld Sonderzahlungen für die erbrachte Arbeitsleistung sind, indem sie behauptet hat, diese würden bei unterjährigem Eintritt anteilig gezahlt und diese würden im Falle von ruhenden Arbeitsverhältnissen und Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung ebenfalls nicht gezahlt bzw. anteilig gekürzt. Damit hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast genügt, so dass es nun an der Klägerin gewesen wäre, durch entsprechenden Beweisantritt das Gegenteil zu behaupten und zu beweisen. Dazu fehlt ein Vortrag der Klägerin, sie hat sich lediglich darauf beschränkt, den Vortrag der Beklagten zu bestreiten. Die Klägerin wäre beweisfällig geblieben.
Soweit die Klägerin geltend macht, der Vortrag der Beklagten sei verspätet, geht dies fehl, denn nach § 67 Abs. 2 ArbGG an neuer Vortrag, soweit er nicht in erster Instanz zu Recht zurückgewiesen worden ist, jedenfalls in der Berufungsbegründung vorgetragen werden, wenn er die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert. Das Vorbringen von neuem Sachvortrag in der Berufungsbegründung verzögert den Rechtsstreit jedoch niemals.
(5) Bei den Sonderzahlungen der Beklagten handelt es sich also um von der Beklagten nach billigem Ermessen festzusetzende zusätzliche Vergütung der Arbeitsleistung der Klägerin.
Da sich bei der Sonderzahlung um die zusätzliche Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen handelt, ist Voraussetzung für den Anspruch auf die Zahlung, dass auch tatsächlich Arbeitsleistung in dem Zeitraum, der mit der Sonderzahlung vergütet werden soll erbracht wird oder zumindest einen Ersatzanspruch, hier ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.
(5.1) Nach älterer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entsteht der Anspruch auf die Sonderzahlung auch für den Fall einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit in voller Höhe (BAG 5.8.1992 AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation = NZA 1993, 130 [BAG 05.08.1992 - 10 AZR 88/90] unter Aufgabe der älteren Rspr.; BAG 24.3.1993 AP Nr. 152 zu § 611 BGB Gratifikation; 8.12.1993 AP Nr. 159 zu § 611 BGB Gratifikation = NZA 1994, 421 [BAG 08.12.1993 - 10 AZR 66/93]; 22.5.1995 AP Nr. 123 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie = NZA 1995, 951 [BAG 22.02.1995 - 10 AZR 782/93]; 11.10.1995 AP Nr. 133 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie = NZA 1996, 542 [BAG 11.10.1995 - 10 AZR 985/94]; 15.3.2000 - 10 AZR 115/99, zitiert nach Schaub/Linck ArbR-HdB, § 78. Sondervergütungen und Bonuszahlungen Rn.24 - wobei der Rechtsprechung unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen zugrunde liegen).
Andererseits bedarf es keiner Kürzungsregelung, wenn ein 13. Monatsgehalt als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung vereinbart wird, denn dann entsteht für Zeiten, in denen bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kein Entgeltfortzahlungsanspruch mehr besteht, auch kein anteiliger Anspruch auf das 13. Monatsgehalt. Arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen ohne tatsächliche Arbeitsleistung sind nur dann fortzuzahlen, wenn aufgrund gesetzlicher, tarifvertraglicher oder arbeitsvertraglicher Regelungen Entgeltfortzahlung zu leisten ist. Damit entfällt nach dem Ende des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gem. § 3 Abs. 1 EFZG regelmäßig auch ein Anspruch auf arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen, weil für die weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistungs- und Vergütungspflichten mehr bestehen. Einer gesonderten Kürzungsvereinbarung bedarf es in diesem Falle nicht (BAG, Schaub/Linck ArbR-HdB, § 78. Sondervergütungen und Bonuszahlungen Rn. 25).
Ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags wie hier, dass es sich bei der Sonderzahlung um einen Vergütungsbestandteil handelt, der Teil der Gegenleistung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers, also in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung eingebunden ist und mit dem kein weitergehender Zweck verfolgt wird, so entsteht kein Anspruch auf die Sonderzahlung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, in denen kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht. Arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen ohne tatsächliche Arbeitsleistung sind nur dann fortzuzahlen, wenn die Entgeltfortzahlung auf Grund gesetzlicher, tariflicher oder sonstiger Regelungen zu leisten ist. Damit entfällt nach dem Ende des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gem. § 3 Abs. 1 EFZG auch ein Anspruch auf arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen, weil ohne korrespondierende Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses Arbeitsleistungs- und Vergütungspflicht nicht bestehen. Diese Rechtsfolge entsteht kraft Gesetzes, ohne dass es einer gesonderten vertraglichen Kürzungsvereinbarung bedarf (BAG 21. 3. 2001 - 10 AZR 28/00, NZA 2001, 785 zum 13. Gehalt; LAG Niedersachsen 17.01.2019 - 7 Sa 490/18 - 7 Sa 490/18, BeckRS 2019, 7595, beck-online zum Weihnachtsgeld).
So liegen die Dinge auch hier. Die Auslegung der konkludenten Vereinbarung über die Sonderzahlung Weihnachtsgeld hat ergeben, dass es sich um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderleistung handelt, die nur den Zweck hat, erbrachte Arbeitsleistung zu honorieren. Aus diesem Grunde entfällt der Anspruch der Klägerin, soweit sie ein Anspruch auf Arbeitsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung hat.
dd) Auf die Frage, welche Auswirkungen die Betriebsvereinbarung 2019 für den Anspruch der Klägerin hat, kommt es daher nicht an. Der vom Arbeitsgericht angenommene Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG erscheint jedoch fraglich, da die Beklagte nicht tarifgebunden ist und eine Betriebsvereinbarung über Sonderzahlungen, die eigene Anspruchsvoraussetzungen aufstellt, daher der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt und eine Regelung durch Betriebsvereinbarung daher nur ausgeschlossen ist, wenn ein Tarifvertrag tatsächlich "besteht", also die Beklagte an den aktuell geltenden Tarifvertrag gebunden ist, was vorliegend nicht der Fall ist.
Andererseits erscheint es fraglich, ob die Betriebsparteien durch die Betriebsvereinbarung 2019 tatsächlich auch bestehende Rechtsansprüche aus individuellen vertraglichen Vereinbarungen wie dem der Klägerin ablösen wollten. Das ergibt sich jedenfalls nicht mit der nötigen Klarheit aus der Betriebsvereinbarung. Sollte man einen Ablösewillen annehmen, würde sich die Klägerin auf die ihr günstigere individuelle vertragliche Regelung nicht berufen können, der arbeitsvertraglich geregelt ist, dass bezüglich der Sonderzahlungen Regelungen durch Betriebsvereinbarungen vorgehen.
Es braucht jedoch nicht entschieden zu werden, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Sonderzahlung hat und auch nicht vorträgt, dass die Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung 2019 als Anspruchsgrundlage erfüllt sind.
Aus diesem Grunde war die Klage - soweit Gegenstand der Berufung - abzuweisen und das Urteil des Arbeitsgerichts entsprechend abzuändern.
III.
1. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung hat die Klägerin zu 2/3, die Beklagte zu 1/3 zu tragen. Das ergibt sich aus dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen nach § 92 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hat hinsichtlich der Zahlungsansprüche voll umfänglich obsiegt, so dass insoweit die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Gegenstand der Berufung war jedoch auch bis zur Erledigungserklärung der Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Abmahnung und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses.
Insoweit ist die Kostenentscheidung unter Berücksichtigung des Maßstabs des § 91a Abs. 1 ZPO zu treffen. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes und nach billigem Ermessen bezüglich dieser Ansprüche die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung zu tragen.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf ein neues Zwischenzeugnis hat, weil das bereits erteilte Zwischenzeugnis mittlerweile drei Jahre alt war. Ebenso hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung entschieden, dass die Beklagte die streitgegenständliche Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen hat, weil diese Abmahnung unverhältnismäßig war. Die Beklagte wusste, dass die Klägerin längere Zeit arbeitsunfähig und in stationärer Behandlung war und ihr Prozessbevollmächtigter hatte ausdrücklich mitgeteilt, dass er mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf eine Genesung der Klägerin mitteilen werde. In seiner solchen Situation würde ein besonnener Arbeitgeber nur deshalb, weil keine erneute ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit vorgelegt worden ist, von der Erteilung einer "strengen Abmahnung" absehen, weil seinen Interessen durch die Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausreichend Genüge getan ist.
Daher hat die Beklagte aus den Streitgegenständen der Zeugniserteilung und der Entfernung der Abmahnung die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Für die Klägerin war die Revision zuzulassen, um eine da auch die Revision gegen die zitierte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachen zugelassen wurde und zum anderen, weil die Rechtsfrage, wer die Darlegung- und Beweislast für den Inhalt einer individuellen Vertragsänderung und/oder einer betrieblichen Übung hat von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Nieberle
Bauer
Verkündet am 30.06.2020