13.12.2022 · IWW-Abrufnummer 232772
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 26.01.2021 – 6 Sa 29/19
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 27.11.2018 - Az.: 8 Ca 119/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
Der Kläger war auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01.06.2012, zuletzt geändert mit Vertrag vom 01.01.2015 (Bl. 8 ff. der Akte), als Hausmeister im Betrieb der Beklagten beschäftigt und wurde an der Grundschule K in P eingesetzt. Dabei bezog er zuletzt einen durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst i.H.v. 1.037,23 €.
Der Kläger war seit dem 11.02.2018 arbeitsunfähig und wird durch die Betreuerin Frau S, die nach den am 02.03.2018 ausgestellten Ausweis (Bl. 12 der Akte) zunächst als vorläufige Betreuerin bestellt war, vertreten.
Mit Schreiben vom 14.02.2018 hat die Stadtverwaltung der L den Vertrag, auf dessen Grundlage der Kläger in der Grundschule in P beschäftigt wurde, zum 30.04.2018 gekündigt. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 63 der Akte ergänzend Bezug genommen.
Am 12.02.2018 hat die nunmehrige Betreuerin des Klägers mit Personen aus dem Betrieb des Beklagten telefoniert, wobei der Inhalt des Telefonats zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist. Auf jeden Fall wurde in der Folge der Schlüssel für die Schule, in der der Kläger tätig war, durch einen Beauftragten des Beklagten abgeholt.
Mit Schreiben vom 29.03.2018, das bei der damals noch vorläufigen Betreuerin des Klägers am 31.3.2018 eingegangen ist, erklärte der Beklagte die Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages, wobei in dem Schreiben der Beklagte als Herr S bezeichnet wurde. In dem Schreiben heißt es ferner:
"Die H kündigt das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.04.2018, da uns der Auftraggeber den Hausmeisterauftrag gekündigt hat."
Wegen des Wortlauts des Schreibens im Übrigen wird auf Bl. 15 der Akte ergänzend Bezug genommen.
Daraufhin wandte sich die Betreuerin des Klägers an den Beklagten, wies auf den falsch geschriebenen Namen hin, wobei der weitere Inhalt dieses Gespräches zwischen den Parteien streitig ist.
Ein im Übrigen mit dem obigen Schriftstück gleichlautendes Schreiben, in dem der Name des Klägers richtig "S" geschrieben ist, ging der Betreuerin am 04.04.2018 zu.
Der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Schwerbehinderter ist beim Landesverwaltungsamt am 17.10.2018 eingegangen. Der Kläger ist seit dem 17.10.2018 zunächst mit Wirkung bis zum Oktober 2020 als Schwerbehinderter anerkannt.
Ein beim Arbeitsgericht Dessau-Roßlau anhängiger Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung wurde zwischenzeitlich durch einen Vergleich erledigt.
Der Kläger behauptet, er habe am 11.02.2018 einen Schlaganfall erlitten und sei seitdem rechtsseitig gelähmt, was die seinerzeit vorläufige Betreuerin dem Beklagten auch am 12.02.2018 per SMS über das dem Kläger zur Verfügung gestellten Dienst-Handy mitgeteilt habe.
Sie habe zudem am 12.02.2018 unter Anzeige ihrer Betreuung angerufen und sei dort mit Herrn B, einer Frau S oder wohl am ehesten Frau D verbunden worden und habe mitgeteilt, dass der Kläger am Sonntag, den 11. Februar 2018 einen Schlaganfall erlitten habe, halbseitig gelähmt sei und auf der Intensivstation in H liege. Wann und ob er aufgrund der Schwere der Lähmung wieder arbeiten könne, sei nicht absehbar. Auf Nachfragen habe sie auf jeden Fall erklärt, dass noch nicht absehbar sein, wann der Kläger wieder arbeiten könne. Es habe auch noch weitere Gespräche wegen der Unterlagen zum Krankenhausaufenthalt des Klägers gegeben.
Der Kläger hat behauptet, der Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter sei durch die Betreuerin am 04.04.2018 gestellt worden, dies sei dem Beklagten auch anlässlich des Telefonats, in dem auf den falsch geschriebenen Namen hingewiesen wurde, mitgeteilt worden.
Der Kläger behauptet, im Betrieb des Beklagten seien ca. 30 Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine angemessene Entschädigung nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2018 zahlen, welche mindestens 3.500,00 € betragen sollte.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ließ in der mündlichen Verhandlung erklären, in seinem Betrieb seien zumindest mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass ihm (auch nicht am 12.02.2018) mitgeteilt wurde, dass der Kläger schwerbehindert sei und insbesondere, dass ihm durch die Betreuerin mitgeteilt wurde, dass am 04.04.2018 ein Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt wurde, die nunmehrige Betreuerin habe sich seinerzeit auch nicht als Betreuerin legitimiert.
Er bestreitet ferner, dass der Kläger am 11.02.2018 einen Schlaganfall erlitten hätte, aufgrund dessen er seit damals rechtsseitig gelähmt gewesen sei.
Er bestreitet insbesondere auch den Inhalt des Gesprächs vom 12.02.2018. Es sei lediglich durch die Betreuerin mitgeteilt worden, dass der Kläger im Krankenhaus liegen würde. Sie habe sich auch damals nicht als Betreuerin legitimiert. Zudem habe Herr B auch keine Vertretungsmacht, so dass dessen eventuelle Kenntnis, ebenso wenig wie die der von Frau S, dem Beklagten zuzurechnen sei.
Der Beklagte behauptet, die Kündigung des Arbeitsvertrages mit dem Kläger sei allein wegen der Kündigung des zugrundeliegenden Vertrages für die Hausmeistertätigkeit in der Grundschule in P erfolgt.
Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau hat mit Urteil vom 27.11.2018 (Bl. 76 - 85 der Akte) die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keine hinreichenden Indizien dargetan und bewiesen hat, die eine unmittelbare Benachteiligung durch die beiden Kündigungen vom 29.03.2018 wegen seiner Behinderung vermuten lassen.
Dabei ist es davon ausgegangen, dass eine Behinderung des Klägers, die noch nicht festgestellt war, kein hinreichendes Indiz gemäß § 22 AGG darstellt, weil allein das Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals im Sinne des §§ 1 AGG in der Person des Benachteiligten für die Annahme eines Kausalzusammenhangs nicht ausreicht. Es fehle an weiteren Anhaltspunkten, die für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG sprächen. Insbesondere aus dem Inhalt der Kündigungsschreiben ergebe sich derartiges nicht. Letztlich sei nicht einmal ersichtlich, dass dem Beklagten eine Behinderung des Klägers überhaupt bekannt gewesen sei. Der Beklagte habe das Arbeitsverhältnis nach seinen Ausführungen aufgrund der Kündigung des Auftragsverhältnisses durch die L und dem damit verbundenen Wegfall der Hausmeisterstelle an der Grundschule in P gekündigt, welche durch den Kläger besetzt war. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, dass der Kläger eine weniger günstige Behandlung erfahren habe, als sie andere Personen in vergleichbarer Situation erfahren würden, wenn sie beim Beklagten diese konkrete Stelle besetzt hätten und die Vertragsgrundlage für die Beschäftigung zum 30.04.2018 gekündigt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 76 - 85 der Akte Bezug genommen.
Gegen dieses dem Kläger am 11.12.2018 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 27.11.2018, hat dieser Berufung eingelegt, die beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt am 11.01.2019 zunächst per Fax, am 15.01.2019 im Original, eingegangen ist und nach Fristverlängerung bis zum 11.03.2019 am 11.03.2019 begründet wurde.
Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Kläger sein erstinstanzlich verfolgtes Klageziel weiter.
Insbesondere habe das Arbeitsgericht die Indizien für das Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals zu Unrecht verneint. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte nach Ausspruch der ersten Kündigung in Kenntnis von der Behinderung des Klägers zu einer erneuten Kündigungserklärung entschlossen habe. Bei der Würdigung der zweiten Kündigungserklärung sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Beklagte gerade nicht erklärt habe, dass er aus der ersten Kündigung keine Rechte mehr herleiten werde.
Spätestens da sei dann auch die Kausalität der Behinderung des Klägers für die Kündigung gegeben gewesen. Die Behinderung sei damals auch bereits aufgrund des Schlaganfalls und der längeren Arbeitsunfähigkeit des Klägers indiziert gewesen, es sei insbesondere noch offen gewesen, ob diese vollständig zurückgehe. Die Prognose, dass die Symptome über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten bestehen bleiben würden, reiche aus, um eine entsprechende Behinderung anzunehmen. Zudem habe das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen, dass die bloße Beendigung des Hausmeistervertrages dazu führen müsse, dass ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beendet. Dabei sei nicht hinreichend beachtet worden, dass der Kläger auch an anderen Ort hätte beschäftigt werden können, so dass ein Arbeitgeber, der keinen Unterschied zwischen Behinderten und gesunden Menschen macht, zunächst abgewartet hätte und dem Kläger in der Folge notfalls auch eine andere Arbeit zugewiesen hätte, sobald dieser wieder arbeitsfähig gewesen wäre. Ein ordentlicher Arbeitgeber hätte insbesondere vor dem Hintergrund, dass Lohnfortzahlungskosten zunächst nicht mehr anfallen würden, zugewartet, bis geklärt gewesen sei, ob der Kläger wieder arbeitsfähig würde.
Zudem ergebe sich eine Benachteiligung daraus, dass für den Kläger, dass anders als bei Personen, deren Schwerbehinderung beim Kündigungszugang bereits festgestellt war, die Schutzmechanismen aus dem SGB IX keine Anwendung fänden.
In der Folge habe das Arbeitsgericht dann im Ergebnis auch die Beweislastregelungen aus § 22 AGG verkannt.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 27.11.2018 wird der Beklagte verurteilt, dem Kläger eine angemessene Entschädigung nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2018 zu zahlen, welche mindestens 3500 € betragen sollte.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Insbesondere habe er nicht absehen können, dass die Beeinträchtigungen des Klägers mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauern würde und über diesen Zeitraum hinweg den Grad seiner Behinderung von mindestens 50 % erreichen.
Er bestreitet auch, dass es andere Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger im Betrieb des Beklagten gegeben habe. Vor diesem Hintergrund sei er auch nicht gehalten gewesen zuzuwarten, ob der Kläger irgendwann wieder gesund wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
B.
Die Berufung ist zulässig, es handelt sich insoweit um das gemäß §§ 8 Abs.2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Der Kläger hat die Notfrist zur Berufungseinlegung und die Frist zur Berufungsbegründung (§ 66 Abs.1 ArbGG) gewahrt.
C.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß §§ 15 Abs.1, 2, 7 Abs.1 AGG.
Die Kammer geht dabei davon aus, dass hier auch unter Würdigung des § 22 AGG keine hinreichenden Indizien vorliegen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen und zudem eine eventuelle Indizwirkung widerlegt ist.
1.
Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG ist, dass der Beklagte als Arbeitgeber § 15 Abs. 1 AGG den Kläger als Beschäftigten gemäß § 7 Abs. 1 AGG mittelbar oder unmittelbar benachteiligt hat, wobei es insoweit nicht erforderlich ist, dass ein Benachteiligungsgrund im Sinne des §§ 1 AGG beim Kläger tatsächlich vorliegt, sondern es ausreichend ist, dass der Beklagte das Vorliegen eines dieser Gründe bei der Benachteiligung nur angenommen hat.
a. Gemäß § 22 AGG genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die unter Würdigung aller Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. (BAG Urteil vom 25.10.2018 - 8 AZR 501/14, NZA 2019, 455 Rn. 52, beck-online)
Aus § 22 AGG folgt dementsprechend nicht, dass es ausreichend für ein schlüssiges Klagevorbringen ist, wenn diejenige Partei, welche sich auf eine Benachteiligung beruft, im Prozess lediglich behauptet, sie erfülle ein Merkmal gemäß § 1 AGG und wegen dieses Merkmals habe sie eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren. Dafür spricht, dass allein ein solcher Vortrag entweder eine bloße Mutmaßung oder eine unzulässige Behauptung "ins Blaue hinein" darstellen würde, weil jeder Mensch zwangsläufig mehrere der in § 1 AGG genannten Merkmale aufweist. Durch § 22 AGG wird in Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben lediglich bestimmt, dass der Beschäftigte keine Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, die einen zwingenden Schluss auf die Kausalität zwischen einem Grund gemäß § 1 AGG und der ungünstigen Behandlung zulassen. Es genügt für die Erfüllung der Darlegungslast hinsichtlich der Kausalität, dass die sich benachteiligt fühlende Person Indizien vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Durch die Verwendung der Wörter "Indizien" und "vermuten" wird zum Ausdruck gebracht, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem in § 1 AGG genannten Grund und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen müssen, die aber die Annahme rechtfertigen können, dass die Kausalität gegeben ist. Nur wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die weniger günstige Behandlung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt ist, darf auch davon ausgegangen werden, dass ein erster Anschein einer Benachteiligung dargelegt worden ist. (BAG Urteil vom 25.04.2013 - 8 AZR 287/08, NJOZ 2013, 1699 Rn. 37, 38, beck-online m.w.N.)
b. Im vorliegenden Fall hat der Kläger an diskrimierungs- und kausalitätsrelevanten Tatsachen letztlich lediglich vorgetragen, dass er sich bei Zugang der Kündigung in einem Zustand befand, der die (zwischenzeitlich tatsächlich eingetretene) Gefahr einer Behinderung nahegelegt hat und ihm, bzw. seiner Betreuerin, zwei Kündigungsschreiben zugegangen sind, wobei die Möglichkeit besteht, dass die dort ausgesprochene Kündigung nicht den Erfordernissen des KSchG entspricht. Inwieweit, insbesondere in welchen Einzelheiten dem Beklagten, Tatsachen bekannt waren, die auf den damals drohenden Eintritt einer Behinderung schließen ließen, ist zwischen den Parteien streitig.
aa. In dieser Konstellation kann es unter Umständen ein Indiz für eine Benachteiligung darstellen, wenn der Beklagte bei der Kündigung gegen Vorschriften verstoßen hat, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen aufstellen (BAG Urteil vom 23.1.2020 - 8 AZR 484/18, NJW 2020, 2289).
Unabhängig von der Frage, was der Beklagte über den Zustand des Klägers bei Absendung der Kündigungsschreiben wusste oder nicht, war dies hier aber nicht der Fall.
Insbesondere war der Beklagte nicht gehalten vor der Kündigung ein Verfahren gemäß §§ 168, 170 SBG IX durchzuführen, da zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungsschreiben die Schwerbehinderung weder offenkundig noch festgestellt war.
Gemäß § 173 Abs.3 SGB IX finden die Vorschriften über den besonderen Kündigungsschutz keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht nachgewiesen war oder eine Entscheidung des Versorgungsamtes wegen mangelnder Mitwirkung nicht getroffen werden konnte.
Festgestellt wurde die Schwerbehinderung erst ab dem 17.10.2018. Soweit sich der Kläger zunächst darauf berufen hat, dass er den Antrag am 04.04.2018 gestellt hat, bzw. dass er dies dem Beklagten über die Betreuerin telefonisch mitgeteilt habe, hatte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht eingeräumt, dass dieser Antrag erst am 17.10.2018 beim Landesverwaltungsamt eingegangen ist, so dass gemäß § 173 Abs.3 SGB IX sowohl nach der ersten als auch nach der zweiten Alternative ein besonderer Kündigungsschutz nicht bestanden hat.
Selbst wenn dem Beklagten bekannt war, dass der Kläger am 11.02.2017 einen Schlaganfall erlitten hat und in der Folge halbseitig gelähmt war, war damit auch nicht offenkundig, dass der Kläger länger als 6 Monate an Beeinträchtigungen leiden wird, die dazu führen, dass dieser faktisch als schwerbehindert im Sinne des SGB IX anzusehen ist.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Beklagten für das Annehmen einer Offenkundigkeit nicht nur eine Behinderung als solche, sondern auch der Grad der Behinderung offenkundig gewesen sein muss (vgl. z.B. ASP § 168 SGB IX Rn. 10 m.w.N.).
Selbst wenn, wie vom Kläger behauptet, die Betreuerin dem Beklagten, bzw. einem seiner Mitarbeiter mitgeteilt hat, dass dieser nach einem Schlaganfall am 11.02.2018 halbseitig gelähmt ist und intensivmedizinisch behandelt wurde, ergibt sich daraus eine Behinderung in einem den besonderen Kündigungsschutz auslösenden Maße nicht offenkundig.
Voraussetzung für eine Behinderung, die den besonderen Kündigungsschutz und das Zustimmungserfordernis auslöst ist gemäß § 2 SGB IX, dass der Betroffene körperliche, seelische und geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen hat, die ihm in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können, wobei eine Schwerbehinderung, bzw. eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen dann erreicht ist, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 bzw. 30 erreicht.
Aus den Mitteilungen der Betreuerin des Klägers, wie sie sie vorgetragen hat, ergibt sich insbesondere nicht, dass damit mit hinreichender Sicherheit zu rechnen war, dass diese Beeinträchtigungen, insbesondere die halbseitige Lähmung, auch länger als 6 Monate andauern werden. Ein Erfahrungssatz, dass Beeinträchtigungen, die unmittelbar oder wie hier auch anderthalb Monate nach einem Schlaganfall bestehen und bei diesen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen ist wie lange sie andauern, mit hinreichender Sicherheit nicht durch Heilung oder Rehabilitationsmaßnahmen beseitigt, oder zumindest insoweit ausgeglichen werden können, dass eine Behinderung in einem Grad von zumindest 30 verbleibt, besteht nicht und es ist auch nicht ersichtlich, dass eine solche Erwartung bei dem Beklagten bestand, bestehen musste oder er im Sinne des § 7 Abs.1 2.Hs AGG dies angenommen hat.
Dementsprechend bedarf es hier auch nicht einer Entscheidung über die Frage, ob das Unterlassen eines Präventionsverfahrens gemäß § 167 ff. SGB IX ein hinreichendes Indiz im Sinne des § 22 AGG ist (zu dieser Frage z.B. BAG Urteil vom 21.04.2016 - 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131, Rn.27 Beck-online).
Der Beklagte hat bereits nicht gegen die Verpflichtung gemäß § 167 Abs.1 SGB IX verstoßen ein Präventionsverfahren durchzuführen, weil ein solches Verfahren ebenfalls gemäß § 151 Abs.1 SGB IX nur bei schwerbehinderten oder diesen gemäß § 2 Abs.3 SGB IX gleichgestellten Personen durchzuführen ist (LPK-SGB IX/Franz Josef Düwell SGB IX § 167 Rn. 10).
Dementsprechend bestand für den Beklagten keine Veranlassung, dieses vor der Kündigung zum Schutz von schwerbehinderten Menschen durchzuführendes Verfahren, quasi ins Blaue hinein, prophylaktisch durchzuführen, bloß weil die Möglichkeit bestand, dass die Einschränkungen des Klägers auf Dauer in einem solchen Ausmaß bestehen bleiben, der zu einer Schwerbehinderung führt.
bb. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass § 1 AGG Benachteiligungen aus Gründen jeglicher Behinderung und nicht allein aus Gründen der Schwerbehinderung, sondern im Falle jeglicher Behinderung beseitigen will. Diese Vorschrift führt nicht dazu, dass die Regelungen der §§ 151 ff. SGB IX in dem Sinne erweiternd auszulegen sind, dass die dort vorgesehenen Schutzmechanismen durch den Arbeitgeber entgegen dem Wortlaut bei allen Behinderten unabhängig vom Grad der Beeinträchtigungen und der voraussichtlichen Dauer der Beeinträchtigungen einzuhalten sind.
Auch wenn gemäß § 3 Abs.1 AGG eine unmittelbare Benachteiligung dann vorliegt, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung, als eine andere Person einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, führt dies nicht dazu, dass eine Benachteiligung im Sinne dieser Vorschrift auch dann anzunehmen ist, wenn der Gesetzgeber im SGB IX Regelung einführt, die lediglich für Schwerbehinderte, aber nicht für alle behinderten Menschen gelten.
Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie stehen im Falle von Menschen mit Behinderung der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht Maßnahmen der Mitgliedstaaten entgegen, die eine Eingliederung von Menschen mit Behinderungen die Arbeitswelt dienen oder dieser Eingliederung fördern. Dementsprechend ist der deutsche Gesetzgeber zumindest nicht daran gehindert bei der Frage, ob und welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt zu fördern, diese Maßnahmen an einen bestimmten Grad der Behinderung zu knüpfen. Vergleichsgruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG sind insoweit nicht schutzbedürftigere, weil stärker beeinträchtigte Personen, sondern Personen, die keine Beeinträchtigungen durch eine Behinderung erfahren.
Zudem wäre eine Benachteiligung, die darauf beruht, dass der Beklagte Verfahren, die ihm durch innerstaatliches Recht nicht geboten waren, auch nicht durchgeführt hat, wohl durch diesen gemäß § Abs.1 S. 2 AGG nicht zu vertreten.
c. Auch in der Gesamtbetrachtung der Umstände der Kündigungserklärungen mit der gesundheitlichen Situation des Klägers, die letztlich in eine Behinderung führte, ist die Kündigung des Klägers durch die Beklagte kein Indiz im Sinne des § 22 AGG dafür, dass hier eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist.
Nicht jede Kündigung, selbst wenn sie sich ggfls. im Nachhinein als unwirksam im Sinne des KSchG erweist, ist, wenn sie gegenüber einem Mitglied einer durch das AGG geschützter Gruppe ausgesprochen wird, auch diskriminierend im Sinne der §§ 3, 7 AGG, da dies nicht per se eine Kausalität des Merkmals gemäß § 1 AGG für die Kündigung indiziert (BAG Urteil vom 28.04.2011 - 8 AZR 515/10, NJW 2011, 2458; BAG Urteil vom 25.04.2013 - 8 AZR 287/08, BeckRS 2013, 68457).
aa. Wie bereits das Arbeitsgericht in seinem erstinstanzlichen Urteil überzeugend ausgeführt hat, fehlt es im vorliegenden Fall an ausreichenden Anhaltspunkten, dass der Beklagte mit dem Ausspruch der Kündigung an ein Diskriminierungsmerkmal angeknüpft hat. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem Inhalt der Kündigungsschreiben, in denen ausdrücklich darauf Bezug genommen wird, dass der Auftrag für die Arbeitsstelle, an der der Kläger beschäftigt war, durch Kündigung des Auftraggebers weggefallen ist. Das Arbeitsgericht hat dabei auch gewürdigt, dass eine mögliche Behinderung nicht das einzige Motiv sein muss, sondern es ausreichend ist, wenn es im Rahmen eines Motivbündels mitursachlich geworden ist. Dabei wurde berücksichtigt, dass dem zweiten Kündigungsschreiben, das erkennbar lediglich dazu diente den Schreibfehler aus dem ersten Schreiben zu korrigieren, ersichtlich kein erneuter Kündigungsentschluss des Beklagten zugrunde lag. Bis auf die Korrektur im Namen ist dieses insoweit gleichlautend mit dem ersten Schreiben. Dass bereits dieses erste Schreiben unabhängig von dem Schreibfehler im Namen des Klägers auch offensichtlich eine Kündigungserklärung diesem gegenüber darstellen sollte und es dementsprechend überhaupt keines zweiten Schreibens bedurfte, ändert daran nichts. Zumindest war der Beklagte nicht daran gehindert den durch die Betreuerin monierten Schreibfehler zu korrigieren. Selbst wenn in dem Telefonat durch die Betreuerin mitgeteilt wurde, dass sie beabsichtige, einen Antrag auf Anerkennung des Klägers als schwerbehindert zu stellen, lässt dies nicht darauf schließen, dass diese Tatsache beim Beklagten dazu geführt hat, dass er nicht lediglich an dem bereits gefassten Kündigungsentschluss festhalten wollte, sondern nunmehr den Kläger auch aus diesem Grunde kündigen wollte. Soweit der Kläger anführt, dass der Beklagte bei der zweiten Erklärung nicht auch erklärt habe, dass er aus der ersten Kündigung keine Rechte mehr herleite, bestand dafür, gerade wenn es nur um die ersichtliche Korrektur eines Schreibefehlers ging, nicht nur kein Anlass, es war aus Sicht des Beklagten auch nicht ratsam dies zu tun, da dies zu einem Neubeginn der Kündigungsfrist ab dem Zugang dieses Schreibens geführt hätte.
bb. Auch der zeitliche Ablauf zwischen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, der Kündigung des Auftrags durch die Stadt W und dem Ausspruch der Kündigung durch den Beklagten spricht hier nicht dafür, dass der Schlaganfall, der letztlich zur Behinderung des Klägers geführt hat, auch nur teilweise ein Motiv für den Ausspruch der Kündigung war.
Dass der Beklagte hier, nachdem ihm gegenüber der Auftrag durch die Stadt W für die Schule, in der der Kläger eingesetzt war, am 05. Februar 2018 zum 30. April 2018 gekündigt wurde, erst zugewartet hat und die Kündigung erst so ausgesprochen hat, dass er bis zu diesem Termin die einzuhaltende arbeitsrechtliche Kündigungsfrist gemäß § 622 BGB des Klägers einhält, ist ebenfalls kein Indiz dafür, dass hier in Wirklichkeit zumindest auch die drohende Behinderung des Klägers Motiv für die Kündigung war. Es erscheint vielmehr naheliegend und auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte mit dem Ausspruch der Kündigung so lange zugewartet hat, wie es arbeitsrechtlich möglich war, nicht zuletzt um abzuwarten, ob sich zwischenzeitlich im Anschluss an den Auftrag in der Grundschule in P doch noch andere Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger ergeben und der von ihm angenommene Kündigungsgrund wegfällt. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass gerade die Erkrankung des Klägers und die damit verbundene Gefahr einer folgenden Behinderung dazu geführt hat, dass er hier nicht unmittelbar nach Zugang der Kündigung des Auftrags durch die L auch die Kündigung gegenüber dem Kläger ausgesprochen hat, bestehen in dieser Konstellation unter Würdigung der Gesamtumstände nicht.
cc. Auch wenn, wie vom Kläger behauptet, die Betreuerin dem Beklagten bzw. einem seiner Mitarbeiter mitgeteilt hat, dass dieser nach einem Schlaganfall am 11.02.2018 halbseitig gelähmt ist und intensivmedizinisch behandelt wurde, ergibt sich daraus in der Gesamtschau mit den obigen Ausführungen kein Indiz für eine Kausalität dieser Kenntnisse und der Erwartung einer beim Kläger eintretenden Behinderung für die Kündigung. Aus den Mitteilungen der Betreuerin des Klägers, wie er sie vorgetragen hat, ergibt sich insbesondere nicht, dass damit der Beklagte davon ausgegangen ist, dass diese Beeinträchtigungen, insbesondere die halbseitige Lähmung, auch länger als 6 Monate andauern werden. Wie oben ausgeführt gibt es aus Sicht der Kammer keinen Erfahrungssatz, dass Beeinträchtigungen, die unmittelbar oder wie hier auch anderthalb Monate nach einem Schlaganfall bestehen, auch dauerhaft verbleiben und ein Arbeitgeber zumindest aus diesem Grunde eine Kündigung bei einem Wegfall der konkreten bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit eher ausspricht als bei einem anderen Arbeitnehmer.
2.
Selbst wenn man entgegen der Ansicht der Kammer und der obigen Ausführungen eine hinreichende Indizwirkung im vorliegenden Fall annehmen wollte, führt diese lediglich zu einer widerlegbaren Vermutung (BAG Urteil vom 23.01.2020 - 8 AZR 484/18, NJW 2020, 2289, Rn. 50), die im vorliegenden Fall widerlegt ist.
Der Beklagte hat mit der Kündigung des Auftragsverhältnisses, dem die konkrete Beschäftigung des Klägers zugrunde lag, ein nachvollziehbares, anderes Motiv für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorgetragen und mit Vorlage des Kündigungsschreibens auch hinreichend nachgewiesen.
Dabei kommt es hier nicht darauf an, ob dieses Motiv auch den Voraussetzungen an eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Kündigungsschutzgesetz genügen würde. Letztlich gewährt § 15 AGG nicht etwa einen erweiterten Kündigungsschutz für den durch das AGG geschützten Personenkreis oder kodifiziert einen unabhängig von §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz bestehenden Abfindungsanspruch, sondern soll lediglich für den Fall der Kausalität des Diskriminierungsmerkmals für eine Benachteiligung einen Entschädigungsanspruch gewähren. Letztlich werden regelmäßig auch gegebenenfalls unbegründete betriebsbedingte Kündigungen nach dem Wegfall einzelner Beschäftigungsmöglichkeiten gegenüber Arbeitnehmern ausgesprochen, ohne dass an ein Diskriminierungsmerkmal des AGG angeknüpft wird, so dass sich eine Schlechterstellung des Klägers daraus gerade nicht ergibt. Die Kündigung des Auftragsverhältnisses, das der konkreten Beschäftigung eines Arbeitnehmers zugrunde liegt, ist auch nach den Erfahrungen der Kammer für einen Arbeitgeber häufig Anlass genug, auch ohne weitere Prüfungen am Maßstab des KSchG die Arbeitsverträge mit den betroffenen Arbeitnehmern zu kündigen. Sowohl die praktischen Erfahrungen als auch die umfangreiche Rechtsprechung und Literatur zur Frage der anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bei einer betriebsbedingten Kündigung sprechen dafür, dass es gerade häufig vorkommt, dass auch gegenüber anderen Arbeitnehmern ohne intensive Prüfung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, ohne dass zuvor eine hinreichende Klärung erfolgt, ob andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.
Auch die Größe des Betriebes des Beklagten, der nach dem Vortrag der Parteien zwischen 10 und 30 Arbeitnehmern beschäftigt, spricht hier nicht indiziell dafür, dass dieser über eine Rechtsabteilung verfügt, die regelmäßig vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung diese detailliert an den Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes prüft und dies gerade beim Kläger wegen einer drohenden Behinderung unterlassen hat.
D.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs.1 ZPO.
E.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen vor.
Nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG hat eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (BAG 11. April 2019 - 3 AZN 720/18, Rn. 3). Das kann auch eine Tarifnorm sein (Düwell in Düwell/Lipke, Arbeitsgerichtgerichtsgesetz, 5. Aufl., § 72 ArbGG Rn. 19). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl. nur: BVerfG 04. November 2008 - 1 BvR 2587/06, Rn. 19; BAG 11. April 2019 - 3 AZN 720/18, Rn. 3).
Die Frage der Auslegung von § 22 AGG, hier nicht zuletzt die Frage, welche Voraussetzungen für eine Indizwirkung, ggfls. auch im Zusammenwirken mit den zum 01.01.2018 geänderten Regelungen in den §§ 154 ff SGB IX bestehen und welche Kenntnisse und Erwartungen des Arbeitgebers diese Wirkung auslösen, ist klärungsfähig, entscheidungserheblich und klärungsbedürftig. Sie ist auch von allgemeiner Bedeutung. Sie stellt sich in einer unbestimmten Zahl von Fällen.
Hinweise
Die Revision wurde vom BAG mit Urteil vom 02.06.2022 - 8 AZR 191/21 - zurückgewiesen.