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  • 16.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140543

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 08.10.2013 – 6 Sa 188/13

    1.Täuscht der Arbeitnehmer unter Vorlage eines ärztlichen Attestes eine Arbeitsunfähigkeit vor und macht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend oder lässt sich solche gewähren, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB vorliegen.

    2.Die Vorlage eines ärztlichen Attestes begründet in der Regel den Beweis für die Tatsache der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung. Ist es dem Arbeitgeber gelungen, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, indem er Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegt und notfalls beweist, ist es wiederum Sache des Arbeitnehmers, seinen Vortrag z.B. mit Hinweisen zu den Fragen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente gegeben wurden, weiter zu substantiieren. Ist der Arbeitnehmer dieser Substantiierungspflicht nachgekommen, muss der Arbeitgeber aufgrund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen.

    3.Hier: Einzelfallentscheidung zur fehlenden Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung


    Tenor:

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - 6 Ca 898/12 - vom 21. März 2013 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Wirksamkeit einer von der Beklagten mit der Begründung vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung und um Vergütungsansprüche der Klägerin.

    Die Klägerin wurde ab 22. August 2012 unter Vereinbarung einer dreimonatigen Probezeit mit zweiwöchiger Kündigungsfrist zu einer monatlichen Bruttovergütung von 1.600,00 Euro von der Beklagten als Versicherungskauffrau beschäftigt. Am Abend des 26. September 2012 führten die Klägerin und der Geschäftsführer der Beklagten ein inhaltlich streitiges Gespräch über die Arbeitsleistung der Klägerin. Nach dem Telefonat rief die Klägerin ihre Kollegin S. an. Die Einzelheiten des Telefonates sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere die Behauptung der Klägerin, sie habe der Zeugin gesagt, sie sei wegen des heftigen Verlaufs des Gesprächs krank und werde deshalb am Folgetag einen Arzt aufsuchen und nicht zur Arbeit kommen. Ebenso ist zwischen den Parteien streitig, was die Zeugin S. dem Geschäftsführer der Beklagten bzw. dessen Ehefrau am Folgetag wegen des Nichterscheinens der Klägerin mitgeteilt hat. Die Zeugin hat der Klägerin auf deren Bitte hin ihre Lesebrille und einige private Fotografien aus dem Büro mitgebracht.

    Mit Schreiben vom 28. September 2012 teilte die Beklagte der Klägerin unter Übersendung einer auf 1.448,61 Euro brutto und 1.085,70 Euro netto endenden Lohnabrechnung für September 2012 mit, sie nehme Bezug auf die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung vom 26. September 2012 und bestätige die Aufhebung des Arbeitsvertrages im beiderseitigem Einvernehmen zum 27. September 2012. Eine ihr überlassene ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Klägerin vom 27. September 2012 für die Zeit vom 27. September 2012 bis 05. Oktober 2012 reichte die Beklagte mit Schreiben vom 01. Oktober 2012 unter Verweis auf das beendete Arbeitsverhältnis zurück. Mit Schreiben vom 02. Oktober 2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie habe zu keinem Zeitpunkt eine Kündigung ausgesprochen, sei zur Zeit krank geschrieben und werde nach vollständiger Genesung ihre Arbeitsstelle wieder antreten. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. Oktober 2012 vorsorglich fristlos, hilfsweise in der Probezeit ordentlich zum 25. Oktober 2012.

    Die Klägerin, die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis einschließlich 25.Oktober 2012 vorgelegt hat, hat gegen die ihr am 11. Oktober 2012 zugegangene außerordentliche Kündigung am 31. Oktober 2012 beim Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich die Septembervergütung geltend gemacht. Im Verlauf des Rechtsstreits hat sie die Klage um Entgeltfortzahlungsansprüche bis 25. Oktober 2012 nebst Abrechnungserteilung und einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung erweitert.

    Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,

    der Geschäftsführer der Beklagten habe vor dem Gespräch vom 26. September 2012 zunächst die Zeugin S. vorzeitig nach Hause geschickt und sämtliche Fenster seines Büros geschlossen. Er habe sie in dem Gespräch aufs heftigste verbal attackiert, wobei sie nähere Einzelheiten nicht vortrage, weil es für das Gespräch ohnehin keine Zeugen gebe und der Verlauf für die Bewertung des Rechtsstreits unerheblich sei. Sie habe jedenfalls nach dem Gespräch erhebliche gesundheitliche Einschränkungen verspürt und heftige Magenbeschwerden und verschiedene andere psychosomatisch ausgelöste Beschwerden gehabt. Sie habe am Abend nach dem Gespräch der Zeugin S. vom Verlauf des Gesprächs berichtet und darauf hingewiesen, dass sie krank sei und deshalb am nächsten Tag und aller Voraussicht nach auch in den darauffolgenden Tagen wegen Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erscheinen werde; keineswegs sei die Rede davon gewesen, dass sie überhaupt nicht mehr kommen werde. Sie habe die Zeugin gebeten, ihre dringend benötigte Lesebrille und einige private Fotografien aus dem Büro mitzubringen, bei denen sie befürchtet habe, der Geschäftsführer werde sie - wie in der Vergangenheit schon öfter geschehen - beschädigen oder beseitigen. Was die Zeugin S. am nächsten Tag dem Arbeitgeber berichtet habe, könne sie aus eigener Anschauung nicht sagen, ihr habe sie jedenfalls gesagt, ausschließlich darauf verwiesen zu haben, dass die Klägerin krank sei und deswegen am nächsten Tag und voraussichtlich in den Folgetagen nicht zur Arbeit erscheinen zu können. Nach einem von der Zeugin S. ausgehenden Telefonat in der Mittagspause habe die Zeugin der Beklagten weitergegeben, dass die Klägerin zunächst bis voraussichtlich 05. Oktober 2012 krank geschrieben sei. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe ihre gesundheitlichen Beschwerden - wie auch schon andere Mitarbeiter der Beklagten in vergleichbarer Lage - wegen der maßlosen und respektlosen Behandlung durch den Geschäftsführer der Beklagten am 26. September 2012 erlitten. Dass sie tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, könne Dr. med. B. bestätigen, bei dem sie sich schon längere Zeit in ärztlicher Behandlung wegen der gesundheitlichen Entwicklung befunden habe. Die Klägerin trägt vor, ihr stünden Vergütungsansprüche bis zum Ablauf der Probezeit vor und es sei ein Urlaubanspruch von 2 Tagen mit 152,38 Euro brutto abzugelten. Die Beklagte schulde ihr aus im Einzelnen in den Schriftsätzen vom 19. Februar 2013 und 20. März 2013 dargelegten Gründen (Bl. 65 d.A. und Bl. 91 f. d.A.) einen Überziehungszinssatz von 17 Prozent.

    Die Klägerin hat zuletzt - nach Teilklagerücknahme hinsichtlich des für September 2012 gezahlten Nettobetrages und eines weitergehenden Urlaubsabgeltungsanspruchs - beantragt,

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 10. Oktober 2012 nicht fristlos beendet wurde, sondern bis zum 25. Oktober 2012 fortbestand,

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.600,00 Euro brutto abzüglich gezahlter 1.085,70 Euro zu zahlen und diesen Betrag mit 17% zu verzinsen ab dem 01. Oktober 2012,

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.295,24 Euro brutto zu zahlen und diesen Betrag mit 17% zu verzinsen ab dem 26. Oktober 2012,

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 152,38 Euro brutto zu zahlen und diesen Betrag mit 17% zu verzinsen ab dem 26. Oktober 2012,

    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Abrechnung über das Arbeitsentgelt für den Monat Oktober 2012 zu erteilen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage insgesamt abzuweisen.

    Sie hat erstinstanzlich vorgetragen,

    die fristlose Kündigung sei berechtigt, weil die Klägerin eine vermeintliche Arbeitsunfähigkeit lediglich vorgetäuscht habe, nachdem sie ihr Fernbleiben tags zuvor bereits angekündigt habe. Die Vergütungsansprüche stünden der Klägerin daher nicht zu, zumal ein Anspruch auf erhöhten Zinssatz unsubstantiiert dargelegt sei. Der Geschäftsführer der Beklagten habe die Klägerin im Personalgespräch vom 26. September 2012 nicht aufs heftigste attackiert, sondern sie lediglich darauf hingewiesen, dass ihre Leistungen im erst kurze Zeit andauernden Arbeitsverhältnis weit hinter den Erwartungen lägen und angeregt, die Klägerin möge überdenken, ob sie das Arbeitsverhältnis fortsetzen wolle. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass das Gespräch zu den geschilderten Beschwerden der Klägerin geführt habe und dass diese gegenüber der Zeugin S. ihr Nichtkommen am Folgetag damit begründet habe, dass sie krank sei und einen Arzt aufsuchen werde. Die Zeugin habe am 27. September 2012 lediglich der Ehefrau des Geschäftsführers, der Zeugin W., mitgeteilt, dass die Klägerin sie am Vorabend angerufen und ihr mitgeteilt habe, sie komme nicht mehr und sie solle ihr private Unterlagen und Gegenstände aus dem Büro mitbringen. Am 27. September 2012 habe die Klägerin ein von der Zeugin zu vermittelndes Telefonat mit dem Geschäftsführer verweigert. Die von ihr erstmals am 30. September 2012 vorgelegten Atteste seien Gefälligkeitsatteste und ihre tatsächliche Erkrankung werde mit Nichtwissen bestritten.

    Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat aufgrund Beschlusses vom 21. März 2013 Beweis erhoben zu den Behauptungen der Parteien im Hinblick auf den Hergang des Telefonates vom 26. September, respektive die Information der Zeugin S. an die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten am 27. September 2012 durch Vernehmung der Zeuginnen S. und W.. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 86 bis 89 d.A.) Bezug genommen.

    Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 21. März 2013 (Bl. 119 bis 129 d.A.), auf dessen Tatbestand zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes ergänzend Bezug genommen wird, überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigungsschutzklage sei begründet, da der Beklagten nicht der Nachweis einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit gelungen sei. Die Zeugin S. habe bestätigt, dass die Klägerin ihr im sehr emotionalen Telefonat vom 26. September 2012 erklärt habe, der Geschäftsführer der Beklagten, vor dem sie viel Angst gehabt habe, habe mit ihr geschimpft, sie sei dumm und dass sie fertig mit den Nerven sei, zum Arzt gehe und nicht arbeiten kommen könne. Vor diesem Hintergrund erscheine es der Kammer - zumal der Geschäftsführer der Beklagten im Rahmen der Vernehmung der Zeugin an einer Stelle laut und in erkennbar aggressiver Manier interveniert habe - ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Klägerin sich zu diesem Zeitpunkt in einer nervlichen Verfassung befunden habe, die aus ärztlicher Sicht Krankheitswert gehabt und zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Dieser Eindruck habe sich auch nicht durch die Vernehmung der Zeugin W. zerstreuen lassen. Letztlich könne es dahinstehen, ob die Zeugin S. am Morgen des Folgetages von einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nichts habe verlauten lassen, wenn diese zumindest am Vorabend eine entsprechende Erklärung abgegeben habe. Die Klägerin habe bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge ordentlicher Probezeitkündigung den geltend gemachten Anspruch auf die der Höhe nach nicht angegriffene Fortzahlung der Vergütung, einen Urlaubsabgeltungsanspruch und Anspruch auf Überlassung einer Abrechnung. Der Antrag der Klägerin auf Zinszahlung hinsichtlich der Zinsen über den gesetzlichen Zinssatz hinaus sei mangels Substantiiertheit abzuweisen. Die Kosten seien wegen erfolgter Teilklagerücknahme durch die Klägerin zu quotieren. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 124 ff. d.A. Bezug genommen.

    Die Beklagte hat gegen das ihr am 26. März 2013 zugestellte Urteil mit am 26. April 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis 26. Juni 2013 mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 26. Juni 2013 begründet.

    Die Beklagte macht mit ihrer Berufungsbegründungsschrift (Bl. 174 ff. d.A.) und mit Schriftsatz vom 29. Mai 2013 (Bl. 156 d.A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen geltend,

    das Arbeitsgericht habe die im Verlauf der Vernehmung erkennbar eingeschränkte und angepasste Aussage der Zeugin S. nicht hinreichend gewürdigt. Bereits aus deren Aussage, sie habe der Klägerin deren Brille und das Foto ihrer Tochter mitbringen sollen, ergebe sich hinreichend, dass die Klägerin überhaupt nicht mehr beabsichtigt habe, die Arbeit bei der Beklagten wieder aufzunehmen. Das habe Zeugin auch indirekt bestätigt, indem sie ausgesagt habe, die Klägerin habe gesagt, sie sei fix und fertig und könne nicht mehr kommen, wobei von Vorläufigkeit bezeichnenderweise keine Rede gewesen sei. Wenn es tatsächlich zutreffe, dass die Klägerin der Zeugin S. telefonisch schon am 26. September 2012 mitgeteilt habe, sie sei krank und beabsichtige, zum Arzt zu gehen, stelle sich die Frage, warum die Zeugin dies der Beklagten nicht genau so mitgeteilt habe. Tatsächlich sei dies laut Aussage der Zeugin W. aber nicht der Fall gewesen. Die Gründe für die von der Zeugin zur Erklärung angegebene Angst vor dem Geschäftsführer habe die Zeugin nicht näher dargelegt. Dass der Geschäftsführer während der Beweisaufnahme an einer Stelle ob der Unrichtigkeit der Aussage der Zeugin S. seinem Unmut Ausdruck verliehen habe, sei angesichts der Tatsache, dass es sich auch für ihn um einen emotionalen Moment gehandelt habe, nur zu gut nachvollziehbar, zumal er erstmals in der Güteverhandlung vom Klägervertreter erfahren habe, dass die Zeugin S. ihr Beschäftigungsverhältnis beendet habe. Die Beklagte vertritt die Auffassung, es ergäben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, die Glaubhaftigkeit der Aussage und die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Frage zu stellen und die ausgesprochene fristlose Kündigung für berechtigt zu erachten.

    Die Beklagte beantragt,

    in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 21. März 2013 - 6 Ca 898/12 - die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 13. August 2013 (Bl. 202 ff. d. A), auf die ergänzend Bezug genommen wird, und trägt im Wesentlichen vor,

    der einzige Umstand, den die Beklagte für die angeblich unzutreffende Beweiswürdigung ins Feld führe, seien angebliche Differenzen zwischen der Aussage der Zeugin S. und der Aussage der Zeugin W.. Bereits das Arbeitsgericht habe aber in den Urteilsgründen völlig zutreffend festgestellt, dass der Inhalt des Gespräches zwischen der Zeugin S. und der Zeugin W. am 27. September 2012 nicht entscheidungserheblich sei. Letztendlich habe aber auch die Zeugin W. bekundet, dass die Zeugin S., wenn auch zu einem etwas späteren Zeitpunkt - von einem Arztbesuch berichtet habe.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes des zweitinstanzlichen Verfahrens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 08. Oktober 2013 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    A. Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht überwiegend stattgegeben.

    I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b und c ArbGG),

    wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 26. März 2013 mit am 26. April 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO) und nach Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 26. Juni 2013, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO).

    II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon

    ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 2012 nicht mit sofortiger Wirkung sein Ende gefunden hat, da ein außerordentlicher Kündigungsgrund nach § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben ist. Der Beklagten ist der Nachweis nicht gelungen, dass die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat (1). Weil das Arbeitsverhältnis daher erst aufgrund der von der Beklagten hilfsweise ausgesprochenen Probezeitkündigung mit dem 25. Oktober 2013 beendet wurde, stehen der Klägerin die geltend gemachten Zahlungs- und Abrechnungsansprüche zu (2).

    1. Die gemäß §§ 4 Satz 1, 5, 7, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG, 256 Abs. 1 ZPO zulässige

    Kündigungsschutzklage ist auch in der Sache erfolgreich. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 2012 hat das Arbeitsverhältnis nicht fristlos beendet, da ein wichtiger Grund i.S.d.. § 626 Abs. 1 BGB nicht vorlag.

    1.1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund

    außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Es kann einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung darstellen, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines ärztlichen Attestes der Arbeit fern bleibt und sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt (BAG 28. August 1993 - 2 AZR 154/93 - Rn. 32; vgl. BAG 23.Juni 2009 - 2 AZR 532/08 - Rn. 25; vgl. BAG 17.Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - Rn. 16; LAG Rheinland-Pfalz 11. Juli 2013 - 10 Sa 100/13 -, Rn. 30; LAG Rheinland-Pfalz 12. Februar 2010 - 9 Sa 275/09 - Rn. 23; LAG Hamm 16. November 2011 - 10 Sa 884/11 - Rn. 76; jeweils zitiert nach [...]). Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt hierbei Folgendes: Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, so begründet dies in der Regel den Beweis für die Tatsache der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung. Ist es dem Arbeitgeber allerdings gelungen, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern bzw. zu entkräften, ist es nunmehr wiederum Sache des Arbeitnehmers, angesichts der Umstände, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen, weiter zu substantiieren, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente z.B. bewirkt haben, dass der Arbeitnehmer zwar immer noch nicht die geschuldete Arbeit bei seinem Arbeitgeber verrichten konnte, aber zu leichten anderweitigen Tätigkeiten in der Lage war. Wenn der Arbeitnehmer dieser Substantiierungspflicht nachgekommen ist und ggf. die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden hat, muss der Arbeitgeber aufgrund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen. Es ist auch zu prüfen, ob die Umstände, die den Beweiswert des ärztlichen Attestes erschüttern, nicht als so gravierend anzusehen sind, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung des Arbeitgebers darstellen, die Krankheit sei nur vorgetäuscht gewesen, so dass der Arbeitnehmer dieses Indiz entkräften muss (vgl. ingesamt LAG Rheinland-Pfalz 12. Februar 2010 - 9 Sa 275/09 -, Rn. 24, a.a.O.).

    1.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen teilt die Berufungskammer im Ergebnis die

    Einschätzung des Arbeitsgerichts, dass der Beweiswert der von der Klägerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht erschüttert ist. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat.

    a) Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 27. September bis 25. Oktober 2012 ärztliche

    Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ihres behandelnden Arztes vorgelegt, denen zunächst ein hoher Beweiswert für ihre Richtigkeit zukommt. Demgegenüber hat die Beklagte behauptet, die Klägerin habe eine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht, und unter Verweis darauf, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erstmals am 30. September 2012 überreicht worden sei, vorgetragen, die Zeugin S. habe am Morgen des 27. September 2012 gegenüber der Zeugin W. ohne jeden Hinweis auf eine Erkrankung nach dem Telefonat mit der Klägerin am Vorabend ausgerichtet, die Klägerin komme nicht mehr und sie solle deren persönliche Sachen aus dem Büro mitbringen.

    b) Selbst wenn man annehmen wollte, dass der Vortrag der Beklagten zu den

    Mitteilungen der Zeugin S. am 27. September 2012 an die Zeugin W. bei unterstellter Richtigkeit für sich genommen geeignet wäre, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu erschüttern, hat die Klägerin ausreichende Umstände zu ihrer Entlastung im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast nach den dargestellten Grundsätzen schlüssig vorgetragen. Sie hat sich zur Begründung ihrer Arbeitsunfähigkeit darauf berufen, sie habe nach dem Personalgespräch am Abend des 26. September 2012 aufgrund der - aus ihrer Sicht heftig - seitens des Geschäftsführers der Beklagten geäußerten Kritik an ihrer Arbeitsweise körperliche Beeinträchtigungen in Form von Magen- und weiterer psychosomatischer Beschwerden davon getragen. Weiter hat sie vorgetragen, bereits am Abend nach dem Personalgespräch der Zeugin S. vom Gesprächsverlauf und ihren Beschwerden erzählt, ihr mitgeteilt zu haben, dass sie deshalb nicht zur Arbeit kommen könne, einen Arzt aufsuchen werde und sie gebeten zu haben, ihre benötigte Lesebrille und aus Furcht vor einer Beschädigung durch den Geschäftsführer auch persönliche Fotografien vom Arbeitsplatz mitzubringen.

    Bei Zutreffen der von der Klägerin geschilderten Umstände kann von einer Erschütterung

    des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch dann nicht ausgegangen werden, wenn die Behauptungen der Beklagten zu den Angaben der Zeugin S. gegenüber der Zeugin W. am 27. September 2012 feststünden. Die Zeugin S. war nicht verpflichtet, die Unterhaltung mit der Klägerin vom Vorabend in vollem Umfang an die Zeugin W., die die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten ist, weiterzureichen. Selbst wenn die Zeugin ohne Hinweis auf eine Vorläufigkeit angegeben hätte, die Klägerin "komme nicht mehr" dürfte dies den subjektiv geprägten Angaben der nach eigener Schilderung offensichtlich vom Personalgespräch mitgenommenen Klägerin gegenüber der Kollegin am Vorabend entsprechen. Den tatsächlichen Eintritt einer Erkrankung wegen psychischer Belastung am Arbeitsplatz würde eine derartige Mitteilung jedenfalls genauso wenig in Frage stellen, wie die Tatsache, dass das Ende des Arbeitsunfähigkeitszeitraums identisch ist mit dem Bestand des Arbeitsverhältnisses. Auch die Bitte, die Zeugin S. möge ihr persönliche Dinge aus dem Büro mitbringen, lässt sich durch den Vortrag der Klägerin erklären und widerspricht mit dieser Begründung einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht, auch wenn die Mitnahme privater Gegenstände aus dem Büro ohne Erkrankung in der Regel gegen eine Absicht sprechen mag, an den Arbeitsplatz zurückkehren zu wollen.

    c) Nachdem die Klägerin ihrer Substantiierungspflicht zu sie entlastenden Umständen

    nachgekommen war, war es daher Aufgabe der die Beweislast tragenden Beklagten, die von der Klägerin behaupteten Umstände zum Telefonat mit der Zeugin S. am 26. September 2012 zu widerlegen. Die Beklagte hat erstinstanzlich mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin ihr Fehlen am nächsten Tag gegenüber der Zeugin mit einer Erkrankung begründet und angekündigt habe, sie werde einen Arzt aufsuchen (Schriftsatz vom 09. Januar 2013, Seite 2 = Bl. 45 d. A). Durch bloßes Bestreiten mit Nichtwissen konnte die Beklagte den ihr obliegenden Beweis, dass die von der Klägerin behaupteten Umstände nicht zutreffen, jedoch nicht antreten, ebenso wenig den erforderlichen Beweis führen.

    d) Die Beklage ist aber auch dann beweisfällig geblieben, wenn man ihren unter

    Zeugenbeweis gestellten Vortrag, die Zeugin S. habe sie nicht über eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin informiert, entsprechend der Mitteilung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 08. Oktober 2013 zu ihren Gunsten dahingehend versteht, dass die Klägerin auch gegenüber der Zeugin S. im Telefonat am Abend nach dem Personalgespräch nicht von Arbeitsunfähigkeit gesprochen habe. Das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass die gegenteiligen Behauptungen der Klägerin zum Telefonat vom 26. September 2012 unzutreffend sind.

    (1) Die zum Telefonat vom 26. September 2012 vernommene Zeugin S. hat im Rahmen

    ihrer Vernehmung durch das Arbeitsgericht im Einzelnen detailreich und glaubhaft bekundet, dass die Klägerin sie am Abend nach dem Personalgespräch angerufen und im Rahmen eines sehr emotionalen Gesprächs geschildert habe, dass der Geschäftsführer der Beklagten ihr gesagt habe, sie sei dumm, dass sie fix und fertig mit den Nerven sei, zum Arzt gehe, nicht mehr arbeiten kommen könne und am Wochenende den Krankenschein vorbeibringe. Die Zeugin hat auch den Vortrag der Klägerin bestätigt, dass sie darum gebeten habe, die Zeugin möge ihr das Foto ihrer Tochter vom Schreibtisch mitbringen, bevor der Geschäftsführer es beschädige oder wegwerfe, und ihre Brille, weil sie diese brauche. Anhaltspunkte für eine fehlende Glaubwürdigkeit der Zeugin waren nicht ersichtlich. Allein die Tatsache, dass die Zeugin ihr Arbeitsverhältnis bei der Beklagten gekündigt hat, führt hierzu nicht, zumal sie diesen Umstand im Rahmen ihrer Befragung offen angegeben hat. Wenn die Zeugin auf nochmalige Nachfrage zu ihrer Aussage zum Gespräch mit der Zeugin W. am 27. September 2012 bekundet hat, nicht mehr zu wissen, was sie konkret hinsichtlich der Ankündigung der Klägerin wegen ihres Arztbesuchs gesagt habe, liegt hierin entgegen der von der Beklagten im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht eine Einschränkung ihrer - ohnehin nicht das eigentliche Beweisthema betreffenden - ursprünglichen Aussage, die ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen könnte, nicht, da der Kern der Aussage unangetastet blieb. Dass die Zeugin den Inhalt ihrer Aussage entscheidend variiert hätte, ist nicht ersichtlich. Ob und aus welchen Gründen die Zeugin S. selbst Angst vor dem Geschäftsführer der Beklagten hatte, der auch nach den Angaben in der Berufungsbegründungsschrift während der erstinstanzlichen Beweisaufnahme aus dahingestellten Gründen emotional so betroffen war, dass er seinen Unmut über die Aussage der Zeugin äußerte, konnte dahinstehen.

    (2) Die von der Beklagten weiter im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen

    führen zu keinem anderen Ergebnis. Dies gilt zum einen für die Beanstandung der Beklagten, die Zeugin habe nicht ausgesagt, dass die Klägerin angegeben habe, "vorläufig" nicht mehr zur Arbeit kommen zu wollen. Dass die Klägerin durch das unstreitig jedenfalls mit Kritik an ihrer Arbeitsweise verbundene Gespräch vom 26. September 2012 psychisch beeinträchtigt war, lässt sich der Aussage der Zeugin auch dann entnehmen, wenn die nach Angaben der Zeugin emotional betroffene Klägerin nicht ausdrücklich betont hat oder betonen konnte, dass sie lediglich vorerst wegen ihrer Erkrankung nicht mehr zur Arbeit erscheinen könne. Die von der Beklagten zum Nachweis fehlender Arbeitsunfähigkeit weiter angeführte Tatsache, dass die Zeugin gebeten wurde, persönliche Dinge der Klägerin aus dem Büro mitzubringen, ist ohne weiteres erklärlich durch die von der Zeugin geschilderten Umstände, die Klägerin habe vor einer Beschädigung des Fotos während ihrer Abwesenheit Angst gehabt und ihre Brille benötigt. Alle diese Angaben stellen den Bestand einer Arbeitsunfähigkeit aus den bereits unter 1.2.b) dargelegten Gründen nicht in Frage.

    2. Da ein außerordentlicher Kündigungsgrund i.S.d.. § 626 Abs. 1 BGB nicht vorgelegen

    hat, wurde das Arbeitsverhältnis erst durch die von der Beklagten hilfsweise zum 25. Oktober 2012 ausgesprochene ordentliche Kündigung im Rahmen der Probezeit beendet. Das Arbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass vor diesem Hintergrund die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung und Abrechnungserteilung gerechtfertigt sind.

    2.1. Der Klägerin steht für den Monat September 2012 nach § 611 BGB iVm. dem

    Arbeitsvertrag und §§ 3 ff. EntgeltfortzahlungsG ein Anspruch auf Arbeitsvergütung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 1.600,00 Euro brutto abzüglich bereits von der Beklagten gezahlter 1.085,70 Euro netto zu und für den Monat Oktober 2012 ein Betrag an Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach §§ 3 ff. EntgeltfortzahlungsG in Höhe von 1.295,24 Euro brutto. Weiter kann sie für zwei Tage Urlaubabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in Höhe von 152,38 Euro brutto beanspruchen. Die Höhe der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Beträge hat die Beklagte rechnerisch nicht in Abrede gestellt. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich für alle Ansprüche aus den vom Arbeitsgericht zutreffend dargestellten Gründen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz unter dem Gesichtspunkt des Verzuges aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

    2.2. Der Klägerin steht für Oktober 2012 ein Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung

    bei Zahlung nach § 108 Abs. 1 GewO zu, was jedenfalls der Fall ist, soweit im Rahmen der Vollstreckung der ausgeurteilte Betrag für Oktober 2012 von der Beklagten gezahlt worden ist.

    B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

    Vorschriften§ 626 Abs. 1 BGB, § 64 Abs. 2 Buchstabe b und c ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 519 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO, §§ 4 Satz 1