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  • 20.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141892

    Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 26.11.2013 – 13 Sa 972/13

    Ein Arbeitnehmer ist wie ein Beauftragter verpflichtet, dem Arbeitgeber alles, was er zur Ausführung der ihm übertragenen Arbeit erhalten und was er aus dem Arbeitsverhältnis erlangt hat, herausgeben.

    Das Herausgabebegehren muss hinreichend bestimmt sein.

    Die Herausgabe "sämtlicher Unterlagen" reicht dazu im allgemeinen nicht.


    Tenor:

    Das Teilurteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom18. Juli 2013 - 9 Ca 435/12 - wird auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger das Schreiben des Klägers vom 04. Januar 2012 an die Eheleute A zum Aktenzeichen 521/10 herauszugeben. Im Übrigen wird die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1) abgewiesen.

    Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) wird die Klage ebenfalls abgewiesen.

    Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu 88 %, die Beklagte zu 12 % zu tragen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten um Herausgabe- und Auskunftsansprüche.

    Die Beklagte trat mit Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 1995 ab dem 01. Januar 1996 in ein Beschäftigungsverhältnis als Rechtsanwaltsgehilfin mit ihrem Ehemann, Herrn Rechtsanwalt und Notar B.

    Zum 31. Dezember 2011 schied dieser aus der Kanzlei aus. Der Kläger wurde zum Alleininhaber der Kanzlei. Er wechselte die Schlösser zu den Räumlichkeiten aus. Mit Schreiben vom 01. Januar 2012 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zur Beklagten zum 31. Juli 2012.

    Am 04. Januar 2012 fertigte die Beklagte auf Diktat des Klägers ein Schreiben an die Eheleute A (Blatt 6 f. d. A.). In einem aus abgetretenem Recht gegen den Kläger geführten Rechtsstreit der Beklagten (Landgericht Hanau, Aktenzeichen 4 O 638/12) legten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, die Rechtsanwälte C, mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2012 dieses Schreiben des Klägers an die Eheleute A zur Unterstützung ihres Rechts- und Tatsachenvortrags in Kopie vor (Blatt 15 f. d. A.).

    Mit vorliegender Klage verlangt der Kläger unter anderem die Herausgabe sämtlicher im Besitz der Beklagten befindlicher Schreiben des Klägers vom 04. Januar 2012 an die Eheleute A und Auskunft über weitere Unterlagen, an denen sie im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis und Besitz erlangt hat.

    Der Kläger hat der Beklagten vorgeworfen, gegen ihre Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen zu haben. Das Fertigen von Kopien zu eigenen Zwecken und die Mitnahme solcher Schreiben seien arbeitsvertrags- und rechtswidrig.

    Der Kläger hat unter anderem beantragt,

    1. die Beklagte zu verurteilen, sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Schreiben des Kläger vom 04. Januar 2012 an die Eheleute A zum Aktenzeichen 521/10 an den Kläger herauszugeben,

    2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen über weitere in ihrem Besitz befindliche Schriftstücke, Schreiben oder sonstigen Unterlagen, von denen sie im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit vom 01. Januar 1996 bis 31. Juli 2012 Kenntnis erhalten und Besitz erlangt hat.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat den Antrag zu 1) für unzulässig gehalten, da sich der Kläger ja im Besitz des Schreibens befinde. Unklar sei, welche weiteren Schreiben der Kläger meine. Das Schreiben vom 04. Januar 2012 habe sie den Rechtsanwälten C nicht ausgehändigt. Gegebenenfalls könne der Kläger dieses bei den Rechtsanwälten C abholen.

    Der Antrag zu 2) sei, so hat die Beklagte gemeint, ebenfalls unzulässig, da zu unbestimmt. Nach 21jähriger Tätigkeit für die Kanzlei, für die sie auch zu Hause gearbeitet habe, könne sie unmöglich wissen, was sich in ihrem Besitz befinde.

    Der Kläger sei auch nicht aktivlegitimiert. Er sei nicht Inhaber aller Kanzleiunterlagen. Sie, die Beklagte, habe - unstreitig - weitestgehend für ihren Ehemann gearbeitet. In dessen geistigem Eigentum stünden die streitbefangenen Schriftstücke. Dieser habe einer Auskunftserteilung durch sie nicht zugestimmt.

    Mit Teilurteil vom 18. Juli 2013 hat das Arbeitsgericht der Klage im Umfang des Teilurteils stattgegeben, im Wesentlichen mit der Begründung, der Herausgabeanspruch aus dem Klageantrag zu 1) ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, alles, was man aus dem Arbeitsverhältnis erlangt habe, herauszugeben. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte mehrere Exemplare des fraglichen Schreibens besitze. Für den Antrag zu 2) sei der Kläger als inzwischen alleiniger Inhaber der Kanzlei aktivlegitimiert. Der Auskunftsanspruch ergäbe sich ebenfalls als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Die Beklagte habe eingeräumt, dass sie möglicherweise noch Geschäftsunterlagen des Klägers besitze. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Blatt 105 bis 107 R d. A.).

    Gegen dieses der Beklagten am 22. Juli 2013 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 12. August 2013 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 17. September 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.

    Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Dem Kläger fehle, so meint sie, das Rechtsschutzinteresse an dem Klagebegehren zu 1). Man streite nur um die Kopie einer Kopie, die die Rechtsanwälte C in dem Rechtsstreit gegen den Kläger verwendet hätten. Insofern halte er bereit eine Kopie in Händen. Das Klagebegehren zu 2) sei unzulässig, da zu unbestimmt. Der Kläger habe auch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür vorgetragen, dass sie, die Beklagte, Besitzerin von Unterlagen aus dem Umfeld der Kanzlei des Klägers sei.

    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 18. Juli 2013 - 9 Ca 435/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Teilurteil. Die Beklagte habe ein mandantenbezogenes Schreiben öffentlich gemacht und zum eigenen Vorteil verwendet. Auch wenn ihr Prozessbevollmächtigter in dem Zivilverfahren gegen ihn dieses Schreiben in der Handakte habe, sei die Beklagte verpflichtet, dieses dem Kläger herauszugeben wie auch sämtliche sonstige Kopien dieses Schreibens. Der Auskunftsanspruch (Antrag zu 2)) sei hinreichend bestimmt. Es bestehe schon nach der Einlassung der Beklagten der Verdacht, dass sie noch weitere Unterlagen aus der Kanzlei besitze.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 26. November 2013 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 ArbGG) keinen Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 517; 519; 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

    Die Berufung der Beklagten ist in der Sache überwiegend erfolgreich.

    Der Kläger hat nur Anspruch auf Herausgabe des Mandantenschreibens vom 04. Januar 2012 an die Eheleute A, das die Beklagte ihrem Prozessbevollmächtigten in dem Zivilprozess gegen den Kläger hat zukommen lassen.

    Die übrigen Begehren sind unzulässig. Ihnen hat das Arbeitsgericht zu Unrecht stattgegeben.

    Der Kläger hat Anspruch auf Herausgabe des Schreibens vom 04. Januar 2012, das die Beklagte ihrem Prozessbevollmächtigten für den Zivilprozess gegen den Kläger überlassen hat.

    Dafür hat der Kläger ein Rechtsschutzinteresse. Denn er hat dafür Sorge zu tragen, dass Anwaltskorrespondenz nicht öffentlich wird.

    Der Herausgabeanspruch folgt aus § 667 BGB analog. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte arbeitsvertraglich auch nach den §§ 985, 861 BGB verpflichtet ist, Geschäftsunterlagen herauszugeben. Der geltend gemachte Herausgabeanspruch besteht jedenfalls entsprechend § 667 BGB. Die auftragsrechtlichen Regelungen enthalten allgemeine Grundsätze, die auch für das Arbeitsverhältnis gelten (BAG vom 14. Dezember 2011 - 10 AZR 283/10 -, NZA 2012, 501; BAG vom 11. April 2006 - 9 AZR 500/05 -, BAGE 118, 16). Danach ist die Beklagte wie ein Beauftragter verpflichtet, dem Kläger alles, was sie zur Ausführung der ihr übertragenen Arbeit erhalten und was sie aus dem Arbeitsverhältnis erlangt hat, herauszugeben (vgl. dazu auch Preis ErfK, 14. Aufl. 2014, § 611 Randziffer 23).

    Die Beklagte hat das fragliche Schreiben zweifelsfrei von dem Kläger durch Mitnahme aus dessen Kanzlei erlangt. Anders ist nicht erklärbar, dass es in dem Zivilprozess auftaucht, den die Beklagte gegen den Kläger führt. Die Einlassung der Beklagten, sie selbst habe den Rechtsanwälten C das Schreiben nicht ausgehändigt, allenfalls ihr Ehemann, ist unerheblich und führt in die Irre, wie das Arbeitsgericht schon festgestellt hat. Es ist nämlich völlig bedeutungslos, wer das Schreiben den Rechtsanwälten Obermeier überlassen hat. Entscheidend ist nur, wer es dem Kläger weggenommen hat. Das kann nach Lage der Dinge nur die Beklagte gewesen sein. Deshalb hat sie es dem Kläger auch herauszugeben. Ihre weitere Einlassung, sie habe das Schreiben nicht mehr und könne es deshalb auch nicht herausverlangen, führt wiederum in die Irre. Der Vertrag, den die Beklagte mit den Rechtsanwälten C geschlossen hat, ist ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675, 667 BGB). Dem zufolge haben die Rechtsanwälte C alles herauszugeben, was sie zur Ausführung des Auftrags erhalten haben (§ 667 BGB) also auch das Schreiben vom 04. Januar 2012, das sie im Auftrag der Beklagten im Rahmen ihrer Prozessführung gegen den Kläger verwendet haben. Das Schreiben ist insbesondere nicht in das Eigentum der Rechtsanwälte C übergegangen (Anwaltsgerichtshof Celle vom 24. Juni 2013 - AGH 1/13 -, zitiert nach juris; OLG Köln vom 16. Dezember 1996 - 12 U 141/96 -, VersR 1998, 499; ähnlich für Steuerberatervertrag LG Bonn vom 20. Juni 2007 - 5 T 51/07 -, zitiert nach juris).

    Die Beklagte kann sich also das Schreiben vom 04. Januar 2012 von den Rechtsanwälten C aushändigen lassen und es dem Kläger zurückgeben. Irgendwelche sonstigen Hinderungsgründe sind nicht ersichtlich.

    Soweit der Kläger darüber hinaus "sämtliche" in ihrem Besitz befindlichen Schreiben des Klägers vom 04. Januar 2012 an die Eheleute A, gemeint sind offenbar Abschriften und/oder elektronische Kopien, herausverlangt, ist das Klagebegehren unzulässig. Es ist zu unbestimmt.

    Gemäß § 253 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift unter anderem einen bestimmten Antrag enthalten. Nach der Rechtsprechung der Obergerichte und allgemeiner Ansicht ist ein Antrag hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet. Dadurch werden die Grenzen richterlicher Entscheidungsbefugnis abgesteckt (§ 308 ZPO) und Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft festgelegt (§ 322 ZPO). Zugleich wird vermieden, dass das Risiko eines Unterliegens des Klägers durch eine vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt wird und der Streit in ein sich anschließendes Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird. Maßgebend für die Bestimmtheit eines Antrags sind die Besonderheiten des anzuwendenden Rechts und die Umstände des Einzelfalls. Hierbei ist das zu schützende Interesse des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können sowie das Interesse an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem rechtswirksamen Rechtsschutz abzuwägen. Dabei können auch generalisierende Formulierungen im Einzelfalls unvermeidlich sein (BAG vom 14. Dezember 2011 - 10 AZR 283/10 -, NZA 2012, 501; BAG vom 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 -, NZA 2011, 1169; LAG Rheinland-Pfalz vom 06. Juni 2013 - 11 Sa 517/12 -, zitiert nach juris).

    Diese Abwägung fällt hier zum Nachteil des Klägers aus. Es ist noch nicht einmal klar, ob die Beklagte neben der Abschrift des Schreibens vom 04. Januar 2012, das sie ihren Anwälten überlassen hat, noch weitere Abschriften besitzt und wenn ja, wie viele. Es ist auch unklar, ob diese Abschriften in Papierform oder als elektronische Kopie existieren, mit der bekanntlich weitere Abschriften in unbegrenzter Zahl erstellt werden können. Im Zwangsvollstreckungsverfahren würde der Gerichtsvollzieher nicht wissen, ob er seinen Vollstreckungsauftrag mit dem Auffinden keiner, einer oder mehrerer Kopien erfüllt hätte. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf das Urteil des BAG vom 14. Dezember 2011, aaO., berufen. Dort ging es zwar auch um Unterlagen "im Original und/oder Kopien". Diese waren aber insoweit bestimmbar, als sie sich zweifelsfrei in angelegten und identifizierbaren Ordnern befanden. Wo sich im vorliegenden Fall welche Arten von Kopien des zitierten Schreibens befinden mögen, wenn es überhaupt noch welche gibt, weiß niemand.

    Mit vergleichbaren rechtlichen Erwägungen ist der Antrag zu 2) als unzulässig abzuweisen.

    Soweit der Kläger mit diesem Begehren Auskunft über Schriftstücke, Schreiben und sonstige Unterlagen verlangt, von denen die Beklagte in den letzten 16 Jahren Kenntnis erlangt hat, ist dies so offenkundig, dass es keiner weiteren Begründung bedarf. Einen Anspruch auf Veröffentlichung des eigenen Gedächtnisses kennt die Rechtsordnung nicht.

    Aber auch soweit der Kläger Auskunft über den Besitz von Kanzleiunterlagen aus den letzten 16 Jahren verlangt, fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit des Klagebegehrens im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem Kläger ist dabei einzuräumen, dass die Einlassung der Beklagten, das wisse sie selbst nicht, durchaus fragwürdig erscheint. Gleichwohl bleibt der Auskunftsanspruch, der die letzten 16 Jahre der Beschäftigung der Beklagten beim Kläger bzw. dessen Vater umfasst, so vage und ins Blaue formuliert, dass bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen eine hinreichende Bestimmtheit nicht angenommen werden kann. Dem Kläger wäre es zumutbar gewesen vorzutragen, ob und welche Unterlagen seiner Kanzlei fehlen oder bei welchen er den Verdacht hat, dass die Beklagte sie zu Hause hortet.

    Die Kosten der Berufung tragen die Parteien nach Maßgabe ihres jeweiligen Unterliegens (§ 92 Abs. 1 ZPO). Über die Kosten des Rechtsstreits im Übrigen wird mit dem Schlussurteil zu entscheiden sein.

    Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) ist nicht ersichtlich.

    VorschriftenBGB § 667, ZPO § 253 Abs. 3 Nr. 2, §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO, § 64 Abs. 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO, § 667 BGB