19.02.2015 · IWW-Abrufnummer 143872
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 17.12.2014 – 15 Sa 982/14
1. Der zwischen den BZA und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossene MTV Zeitarbeit vom 22.07.2003 erlaubt es nicht, auf ein Arbeitszeitkonto vorhandene Plusstunden mit Minusstunden zu verrechnen, die sich deswegen ergeben, weil für den Arbeitnehmer keine Einsatzmöglichkeiten bestehen.
2. Regelungen, die es dem Verleiher ermöglichen, in verleihfreien Zeiten einseitig das Arbeitszeitkonto abzubauen, sind unwirksam.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Verkündet am 17. Dezember 2014
15 Sa 982/14
(15 Sa 1538/14)
18 Ca 18341/12 Arbeitsgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender
sowie die ehrenamtlichen Richter Frau N. und Herrn G.
für Recht erkannt:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. März 2014 – 18 Ca 18341/12 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen
II. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
K. N. G.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob Nichteinsatzzeiten der Klägerin in ihrem Arbeitszeitkonto mit vorhandenen Plusstunden verrechnet werden dürfen.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreibt, seit dem 04.08.2009 als Sachbearbeiterin Buchhaltung in Berlin beschäftigt. Sie erhält unabhängig vom tatsächlichen Arbeitsumfang eine regelmäßige monatliche Vergütung auf Basis einer mit ihr arbeitsvertraglich vereinbarten monatlichen Arbeitszeit von 162,5 Stunden, was einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5-Stunden entspricht.
Im Monat Mai 2012 betrug der Saldo des Arbeitszeitkontos der Klägerin plus 42,41 Stunden. Folgende von der Klägerin geleistete Stunden führten nicht zu einer Erhöhung des Guthabens auf dem Arbeitszeitkonto, weil die Beklagte in erheblich höherem Umfang Zeiten, in denen sie die Klägerin nicht einsetzen konnte, als Minusstunden im Arbeitszeitkonto verbuchte:
52,5 Stunden 11.06.2012 – 19.06.2012
60 Stunden 22.10.2012 – 31.10.2012
16,46 Stunden Dezember 2012 – März 2013
3 Stunden 02.09.2013 – 06.09.2013
Seit Oktober 2012 wiesen die Verdienstabrechnungen der Klägerin durchgängig bis mindestens September 2013 einen Saldo von 37,5 Stunden auf. Im November 2012 wurde die Klägerin gar nicht beschäftigt. Bei der Beklagten ist es üblich, nicht mehr als 37,5 Minusstunden in das Arbeitszeitkonto einzustellen.
In dem zwischen den Parteien unter dem 3. August 2009 geschlossenen Arbeitsvertrag ist Folgendes geregelt:
„§ 1 Tarifvertrag
Auf den Arbeitsvertrag finden die vom Bundesverband Zeitarbeit mit der DGB-Tarif-gemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossenen geltenden oder nachwirkenden Mantel-, Entgelt- und Entgeltrahmentarifverträge vom 22.07.2003 in der jeweils geltenden Fassung, im folgenden MTV BZA, ETV BZA und ERTV BZA genannt, Anwendung.
…
§ 6 Arbeitszeit, Dauer, Verteilung der Arbeitszeit/Flexibilisierung/Arbeitszeitgesetz
Die Regelung der Arbeitszeit erfolgt auf der Grundlage des § 4 MTV BZA.
1. Als individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit werden im Sinne von § 2 MTV BZA 162,50 Stunden monatliche Arbeitszeit vereinbart. Dies entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,50 Stunden. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit vorübergehend auf bis zu 40 Stunden zu erhöhen.
…
3. Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit richtet sich nach den Gegebenheiten im Kundenbetrieb des Arbeitgebers. Im Rahmen der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen.
4. Gemäß § 4.2 MTV BZA richtet der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto ein, auf dem Plus- und Minusstunden erfasst werden. Plus- und Minusstunden sind die von der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit abweichenden Arbeitsstunden.
5. Der Ausgleich des Arbeitszeitkontos richtet sich nach § 4.5 MTV BZA.
6. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, im zumutbaren und rechtlich zulässigen Umfang Mehrarbeit im Sinne von § 6 MTV BZA zu leisten.
…
§ 7 Vergütung
1. Entsprechend der vorgenannten Tätigkeit des Arbeitnehmers erfolgt eine Eingruppierung des Arbeitnehmers gemäß ERTV BZA in die Entgeltgruppe 3. Hiernach beträgt der Stundenlohn derzeit 8,15 €.
2. Daneben erhält der Arbeitnehmer eine übertarifliche Zulage in Höhe 0,35 € brutto.
…
4. Als Lohn-/Gehaltsabrechnungszeitraum gilt der Kalendermonat. Die Abrechnung wird im Folgemonat erstellt und hiernach dem Arbeitnehmer bis spätestens zum 15. Banktag auf ein von ihm benanntes und auf seinen Namen lautendes Konto überwiesen.
…
§ 20 Ausschlussfristen
Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind gemäß § 16 MTV BZA innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten (bei Ausscheiden einen Monat) nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab, so muss der Anspruch innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung bzw. dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.“
Der zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e. V. (BZA) und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB - IG BCE, NGG, IG Metall, GEW, ver.di, IG Bau GdP - abgeschlossene Manteltarifvertrag Zeitarbeit vom 22.07.2003 (im Folgenden: MTV), enthält in der bis zum 31.10.2013 geltenden Fassung u. a. folgende Regelungen:
„§ 4 Verteilung der Arbeitszeit/Flexibilisierung
§ 4.1 Die tatsächliche Lage der Arbeitszeit wird an die des Kundenbetriebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage richten sich nach den im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen des Kundenbetriebes.
…
§ 4.2 Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der nach § 2/§ 3 vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des Mitarbeiters und der tatsächlichen Arbeitszeit nach § 4.1 wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. In das Arbeitszeitkonto können Plus- und Minusstunden eingestellt werden.
§ 4.3 Plusstunden sind die über die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit hinaus entstandenen Arbeitsstunden. Minusstunden sind die unter der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit liegenden Arbeitsstunden.
Das Arbeitszeitkonto darf max. 200 Plusstunden umfassen.
Zur Beschäftigungssicherung kann das Arbeitszeitkonto bei saisonalen Schwankungen im Einzelfall bis zu 230 Plusstunden umfassen.
Beträgt das Guthaben mehr als 150 Stunden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die über 150 Stunden hinausgehenden Plusstunden inklusive der darauf entfallenden Sozialversicherungsabgaben gegen Insolvenz zu sichern und die Insolvenzsicherung dem Mitarbeiter nachzuweisen. Ohne diesen Nachweis darf das Arbeitszeitkonto abweichend von Abs. 2 und 3 max. 150 Stunden umfassen und der Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, über 150 Stunden hinausgehende Plusstunden zu leisten.
Durch Feiertage ausgefallene Arbeitsstunden werden in Höhe der ausgefallenen Arbeitszeit entsprechend der Arbeitszeitverteilung gemäß § 4.1 auf das Arbeitszeitkonto gebucht.
1) Protokollnotiz zu § 4.3
Die Tarifvertragsparteien werden zu Beginn des Jahres 2005 auf Antrag einer Seite auf Basis der bis dahin gemachten Erfahrungen in Verhandlungen darüber eintreten, ob die o. a. Stundengrenzen entfallen oder neu festgelegt werden und ob eine Begrenzung von Minusstunden vorgenommen wird.
§ 4.4 Das Arbeitszeitkonto ist spätestens nach 12 Monaten auszugleichen.
Ist der Zeitausgleich in diesem Zeitraum nicht möglich, ist er in den folgenden drei Monaten vorzunehmen. Dazu hat der Arbeitgeber mit dem betroffenen Mitarbeiter spätestens nach Ablauf der 12 Monate gemäß Abs. 1 eine entsprechende Vereinbarung zu treffen mit dem Ziel, einen vollständigen Zeitausgleich vorzunehmen.
Ist auch in diesem Zeitraum der Zeitausgleich aus betrieblichen Gründen nicht möglich, kann ein Übertrag in den nächsten Ausgleichszeitraum mit maximal 150 Stunden erfolgen. Die darüber hinaus gehenden Stunden sind in Geld auszugleichen.
Die Übertragung dieser Zeitguthaben erfolgt im Rahmen der Zeitkontengrenzen gemäß § 4.3 und weitet diese nicht aus.
§ 4.5 Der Ausgleich der Zeitkonten erfolgt in der Regel durch Freizeitentnahme nach folgenden Maßgaben:
a) Nach Vereinbarung mit dem Mitarbeiter ist jederzeit ein Ausgleich der Plusstunden durch Freizeit möglich.
b) Der Mitarbeiter kann verlangen, während der Einsatzzeit beim Kunden je 35 Plusstunden einen Arbeitstag aus dem Zeitkonto in Freizeit zu erhalten. Dieser Anspruch kann nur einmal je Kalendermonat für max. zwei Arbeitstage geltend gemacht werden.
Voraussetzung für diesen Anspruch ist die Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einer Woche.
Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Freizeitverlangen aus dringenden betrieblichen Gründen zu widersprechen. Als dringender betrieblicher Grund in diesem Sinne gilt die Ablehnung des Kundenbetriebes, soweit kein Ersatzmitarbeiter zur Verfügung steht.
Im Falle der Ablehnung des Freistellungsantrags hat der Mitarbeiter Anspruch auf eine verbindliche Vereinbarung über die spätere Lage der beantragten Freistellungstage.
b) Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber können weitere Freistellungstage in einem Monat festgelegt oder Freistellungstage mehrerer Monate zusammengefasst werden.
c) Durch Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber können im Ausgleichszeitraum bis zu 70 Stunden aus dem Zeitkonto in Geld ausgeglichen werden.
Ist der Mitarbeiter an einem festgelegten Freistellungstag arbeitsunfähig erkrankt, bleibt dieser Tag ein Freistellungstag und wird nicht zum Entgeltfortzahlungstag; eine Rückübertragung in das Zeitguthaben erfolgt nicht.
§ 4.6 Im Falle des Ausscheidens des Mitarbeiters ist der Saldo auf dem Arbeitszeit-konto wie folgt auszugleichen: Plusstunden werden abgegolten, Minusstunden werden bei Eigenkündigung des Mitarbeiters bzw. außerordentlicher Kündigung bis zu 35 Stunden verrechnet, soweit eine Nacharbeit betrieblich nicht möglich ist.
…
§ 9.6 …
Nach Ausspruch einer Kündigung ist der Arbeitgeber berechtigt, den Mitarbeiter unter Fortzahlung seines Entgeltes freizustellen. Plusstunden aus dem Arbeitszeitkonto werden angerechnet und Resturlaubsansprüche gewährt.
…
§ 16 Ausschlussfristen
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von zwei Monaten (bei Ausscheiden ein Monat) nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab, so muss der Anspruch innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung bzw. dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden.
Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.“
Mit ihrer am 3. Dezember 2012 bei Gericht eingegangenen, der Beklagten am 13. Dezember 2012 zugestellten Klage sowie mit ihren am 22. März 2013 und am 1. November 2013 bei Gericht eingegangenen, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 2. April 2013 und 12. November 2013 zugestellten Klageerweiterungen begehrt die Klägerin u. a. die Gutschrift der Zeiten des Nichteinsatzes sowie der erbrachten Überstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto und die Feststellung, dass die Beklagte zur Gutschrift von Nichteinsatzzeiten auf dem Arbeitszeitkonto verpflichtet ist. Mit E-Mail vom 11.01.2013 (Fotokopie Blatt 127 der Akte) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihren „Widerspruch der Verdienstabrechnung Dezember 2012“. Eine Reaktion der Beklagten erfolgte nicht.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, Nichteinsatzzeiten mit ihrem Zeitguthaben auf dem Arbeitszeitkonto zu verrechnen beziehungsweise als Minusstunden zu buchen, vielmehr diese verpflichtet sei, die Nichteinsatzzeiten als erbrachte Arbeitszeit dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Der in Literatur und Rechtsprechung bestehende Streit, ob eine Regelung zulässig wäre, die eine Freistellung unter Verrechnung mit angesparten Plusstunden gestatte, sei im vorliegenden Fall irrelevant, da eine solche Regelung weder im Arbeitsvertrag noch im Tarifvertrag existiere. Ohne eine entsprechende Regelung sei der Arbeitgeber aber ohnehin nicht berechtigt, den Arbeitnehmer einseitig von der Arbeitspflicht freizustellen und die Nichteinsatzzeit von seinem Guthaben zu bezahlen, um dadurch seine Pflicht zur Zahlung von Annahmeverzugslohn zu umgehen. Die Ausschlussfristen seien eingehalten, auch hinsichtlich der Nichteinsatzzeiten im Juni 2012. Die Forderung sei frühestens am 31.08.2012 fällig geworden. Erst dann habe die Beklagte die Lohnsummenzettel in Kopie übersandt, so dass sie ihre Ansprüche habe berechnen können.
Die Klägerin hat unter Rücknahme im Übrigen zuletzt noch beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihrem Arbeitszeitkonto 52,5 Stunden für den Zeitraum 11.06.2012 – 19.06.2012 gutzuschreiben und den Saldo des Arbeitszeitkontos der Klägerin unter Berücksichtigung dieser Gutschrift zu korrigieren;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihrem Arbeitszeitkonto 60 Stunden für den Zeitraum 22.10.2012 – 31.10.2012 gutzuschreiben und den Saldo des Arbeitszeitkontos der Klägerin unter Berücksichtigung dieser Gutschrift zu korrigieren;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihrem Arbeitszeitkonto 16,46 Stunden gutzuschreiben und den Saldo des Arbeitszeitkontos der Klägerin unter Berücksichtigung dieser Gutschrift zu korrigieren;
4. die Beklagte zu verurteilen, für Zeiten, in denen die Beklagte sie nicht bei einem Entleiher eingesetzt hat, ihre individuelle regelmäßige Arbeitszeit in Höhe von 37,5 Wochenstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto als erbracht gutzuschreiben;
hilfsweise zum Antrag zu 4)
5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für Zeiten, in denen die Beklagte sie nicht bei einem Entleiher eingesetzt hat, ihre individuelle regelmäßige Arbeitszeit in Höhe von 37,5 Wochenstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto als erbracht gutzuschreiben;
6. die Beklagte zu verurteilen, ihrem Arbeitszeitkonto weitere drei Stunden für den Zeitraum 02.09. – 06.09.2013 gutzuschreiben und den Saldo ihres Arbeitszeitkontos unter Berücksichtigung dieser Gutschrift zu korrigieren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie berechtigt sei, Zeiten des Nichteinsatzes der Klägerin dem Arbeitszeitkonto der Klägerin nicht gutzuschreiben, da diese – was unstreitig ist – eine stetige monatliche Vergütung auf Basis der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit erhalte. Folglich befinde sie sich an Tagen, an denen sie die Klägerin nicht beschäftige, nicht im Annahmeverzug. Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG liege auch nicht vor. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass es vorliegend an einer entsprechenden tarifvertraglichen Regelung mangele, die eine Verrechnung von Plus- und Minusstunden erlaube. § 4.2 MTV BZA sehe eindeutig vor, dass in das Arbeitszeitkonto Plus- und Minusstunden eingestellt werden könnten. Hieraus ergebe sich zwangsläufig, dass diese Stunden verrechenbar seien. Darüber, dass Nichteinsatzzeiten mit Nullstunden im Arbeitszeitkonto erfasst würden, hätten sich die BZA und deren Tarifpartner (DGB Zeitarbeit) bereits 2004 verständigt, wie sich auch aus dem Wortlaut des Tarifvertrags selbst ergebe. Im Übrigen benötige sie wegen der regelmäßig gezahlten Vergütung keine rechtliche Grundlage für die „Freistellung“ der Klägerin. Der geltend gemachte Anspruch wegen des Nichteinsatzes im Juni 2012 sei gemäß § 16 des Manteltarifvertrages verfallen, da die Klägerin diesen ab Erhalt der Juni-Abrechnung hätte geltend machen können.
Mit Urteil vom 6. März 2014 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage weitestgehend stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin 52,5/60,0/16,46 und 3 Stunden gutzuschreiben und den Saldo des Arbeitszeitkontos der Klägerin unter Berücksichtigung dieser Gutschrift zu korrigieren. Es hat ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für Zeiten, in denen die Beklagte die Klägerin nicht bei einem Entleiher eingesetzt hat, die individuelle regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin in Höhe von 37,5 Wochenstunden auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin als erbracht gutzuschreiben. Das Arbeitsgericht ist hierbei im Wesentlichen davon ausgegangen, dass weder der anzuwendende Manteltarifvertrag noch der Arbeitsvertrag es zuließen, Nichteinsatzzeiten negativ auf dem Arbeitszeitkonto zu verrechnen. Welche Verrechnungen möglich seien, ergebe sich aus § 4.1 MTV abschließend. Diese Regelung sei keiner dahingehenden Auslegung zugänglich, dass auch Zeiten, in denen die Arbeitnehmer bei keinem Kunden eingesetzt werden, in das Arbeitszeitkonto als Minusstunden einzustellen sind. Es liege auch keine planwidrige Regelungslücke vor. Zeiten ohne Einsatz sind in der Arbeitnehmerüberlassung absolut üblich. Daher könne nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien dieses übersehen hätten. Soweit die Beklagte behauptet, die BZA und deren Tarifpartner hätten sich bereits 2004 dahingehend verständigt, dass Nichteinsatzzeiten mit Nullstunden im Arbeitszeitkonto erfasst würden, sei der Vortrag unsubstanziiert und daher unerheblich. Im Übrigen finde die behauptete Vereinbarung entgegen der Ansicht der Beklagten keinen Niederschlag in dem Wortlaut des Tarifvertrages. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthalte keine eigenständige Regelung. Die Ausschlussfrist aus dem Tarifvertrag sei eingehalten. Ansprüche aus dem Jahre 2012 seien erst mit Ablauf des Jahres fällig geworden, denn unstreitig finde ein Ausgleich der Arbeitszeitkonten bei der Beklagten stets am Ende eines Kalenderjahres statt. Hinsichtlich der Überstunden aus Dezember 2013 habe die Klägerin ihren Anspruch rechtzeitig mit E-Mail vom 11. Januar 2013 geltend gemacht. Insofern reiche es aus, dass die Klägerin „Widerspruch“ gegen die Verdienstabrechnung für Dezember 2012 und den darin enthaltenen Saldo erhoben hat.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass § 4.2 MTV eine Flexibilisierung ermögliche. Die Definition der Minusstunden in § 4.3 MTV sei nicht beschränkt. Nichteinsatzzeiten könnten daher auch als Minusstunden im Arbeitszeitkonto berücksichtigt werden. Das Arbeitsgericht habe auch die Rechtsprechung des BAG vom 6. April 2014 und des LAG Baden-Württemberg vom 6. März 2013 verkannt. Eine Verlagerung des Wirtschaftsrisikos auf die Arbeitnehmer finde schon deswegen nicht statt, weil eine verstetigte Vergütung gezahlt werde. Die Ausschlussfristen seien mindestens teilweise nicht eingehalten. Dies betreffe die 52,5 Stunden aus Juni 2012 und 4,7 Stunden aus Dezember 2012. Nach Ablauf der Ausgleichsperiode könne die Klägerin keine Gutschriften mehr verlangen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.03.2014, Az. 18 Ca 18341/12, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen und
hilfsweise zu den Anträgen 1. – 3. und 6.
7. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.008,83 € brutto nebst Zinsen aus einem Betrag von 851,20 € brutto seit dem 01.01.2013 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 157,64 € brutto seit dem 01.01.2014 zu zahlen;
hilfsweise hierzu
8. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr einen Zeitausgleich für 94,46 Stunden aus dem Jahre 2012 und für 14,76 Stunden aus dem Jahre 2013 nach den Regelungen der § 4.4 und § 4.5 des Manteltarifvertrages Zeitarbeit der BZA-DGB-Tarifgemeinschaft durch Freizeitentnahme und/oder in Geld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, schon aus der Entscheidung des BAG vom 6. April 2014 ergebe sich, dass Nichteinsatzzeiten nicht hätten verrechnet werden dürfen. Die Ausschlussfristen seien vorliegend eingehalten worden, denn es müsse berücksichtigt werden, wann die Klägerin sich über ihre Lage einen Überblick hätte verschaffen können. Dies war frühestens mit Übersendung der Lohnsummenblätter der Fall. Die Hilfsanträge zu 7. und 8. seien zu stellen, da die Beklagte in den vergangenen Jahren unstreitig immer so vorgegangen ist, dass nach Ablauf eines Kalenderjahres sie die Überstunden, die als Plusstunden im Arbeitszeitkonto ausgewiesen waren, ausgezahlt hat.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig.
II.
Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage stattgegeben. Insofern war die Beklagte verpflichtet, auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin 52,5/60,0/16,46 und 3 Stunden gutzuschreiben und den Saldo des Arbeitszeitkontos der Klägerin unter Berücksichtigung dieser Gutschrift zu korrigieren. Zu Recht hat das Arbeitsgericht ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für Zeiten, in denen die Beklagte die Klägerin nicht bei einem Entleiher einsetzt, die individuelle regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin in Höhe von 37,5 Wochenstunden auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin als erbracht gutzuschreiben. Der Beklagten stand keine Befugnis zu, für Zeiten des Nichteinsatzes der Klägerin Minusstunden in deren Arbeitszeitkonto zu buchen. Eine solche Befugnis ergab sich nicht aus dem MTV (1.) oder dem Arbeitsvertrag (2.). Selbst wenn dies anders zu sehen wäre, wäre eine solche Regelung unzulässig (3.). Die Ausschlussfristen hat die Klägerin eingehalten (4.). Die entsprechenden Stunden sind weiterhin dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben (5.).
1. Der zwischen dem BZA und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossene MTV Zeitarbeit vom 22. Juli 2003 erlaubt es nicht, auf dem Arbeitszeitkonto vorhandene Plusstunden mit Minusstunden zu verrechnen, die sich deswegen ergeben, weil für den Arbeitnehmer keine Einsatzmöglichkeit besteht.
Arbeitszeitkonten im Wirtschaftsbereich der Leiharbeit sind zulässig (BAG, 16.04.2014 – 5 AZR 383/12 – Rn. 23). Für jegliches Arbeitszeitkonto gilt jedoch, dass ein Arbeitgeber das hierauf ausgewiesene Zeitguthaben des Arbeitnehmers nur dann mit Minusstunden verrechnen darf, wenn ihm die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung die Möglichkeit dazu eröffnet (BAG 21.03.2012 – 5 AZR 676/11 – Rn. 20). Auch wenn in § 4.2 MTV Minusstunden erwähnt werden, ergibt sich daraus nicht, dass jegliche Konstellation von Minusstunden berücksichtigungsfähig ist. § 4.2 Satz 1 regelt, zu welchem Ausgleich das Arbeitszeitkonto dient. Hierdurch soll die individuelle regelm äßige Arbeitszeit des Mitarbeiters mit der tatsächlichen Arbeitszeit nach § 4.1 harmonisiert werden. Zu diesem Ausgleich wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. In § 4.1 wird die Nichtbeschäftigung mangels Einsatzmöglichkeit nicht erwähnt. Dort geht es ausschließlich um die Verteilung der Arbeitszeit sowohl hinsichtlich des einzelnen Tages als auch auf die einzelnen Wochentage. Diese richtet sich „nach den im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen des Kundenbetriebes e“. Voraussetzung ist somit ein Einsatz bei einem Kundenbetrieb. Nur während eines solchen Einsatzes findet daher ein Ausgleich über das Arbeitszeitkonto statt. Dies bedeutet im Umkehrschluss zwingend, dass Zeiten, für die keine Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers besteht, nicht berücksichtigungsfähig sind. Dies wird auch durch die Regelung des § 4.5 MTV gestützt. Danach erfolgt der Ausgleich der Zeitkonten in der Regel durch Freizeitentnahme nach näheren Maßgaben. Teilweise kann der Mitarbeiter einseitig die Gewährung von Freizeit verlangen, überwiegend ist jedoch eine Vereinbarung zwischen beiden Parteien notwendig. Minusstunden durch Nichteinsatzzeiten werden nicht erwähnt, obwohl es sich um eine typische Konstellation in der Leiharbeitsbranche handelt. Auch dies spricht dafür, dass derartige Zeiten im Arbeitszeitkonto nicht negativ berücksichtigt werden können (Schüren, BB 2012, 1411, 1413).
Die gegenteilige Auffassung kann auch nicht damit belegt werden, dass es erklärter Wille der Tarifvertragsparteien DGB und BZA bei der Schaffung der Arbeitszeitkontenregelung gewesen sei, diesem beschäftigungssichernden Aspekt Rechnung zu tragen (Thüsing/Pötters BB 2012, 317, 320). Zum einen war der DGB nicht Tarifvertragspartei, sondern nur verschiedene Einzelgewerkschaften. Als Beleg wird von beiden Autoren in der Fußnote 46 auch nur eine Äußerung des entsprechenden Arbeitgeberverbandes (BZA) zitiert. Dies ist offensichtlich unvollständig. Jeder Hinweis auf den Willen des DGB bzw. der DGB-Gewerkschaften fehlt. Dies hindert die Rechtsprechung nicht, diese Auffassung ungeprüft zu übernehmen (LAG Baden-Württemberg 06.03.2012 – 22 Sa 58/11 – Rn. 56) oder für diese Auffassung gar nicht erst einen Beleg anzuführen (LAG Hamburg 22.07.2014 – 4 Sa 56/13 – Rn. 45). Sehr viel ausgewogener ist der Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e. V. (BZA) auf seiner Homepage (www.bzatarif.com/tariftabellen/verdi_bza_igz_kommentierung.pdf). Dort wird eine Broschüre von ver.di (Kommentierung Tarifverträge Zeitarbeit) widergegeben, die auf Seite 21 f. ausdrücklich darauf verweist, dass es dem Arbeitgeber verboten sei, Minusstunden anzurechnen, wenn keine Einsatzmöglichkeit besteht. Letztendlich kann jedoch offen bleiben, welche Tarifvertragsparteien bei Abschluss des Tarifvertrages welche Absichten hatten. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin darauf hingewiesen, dass ein von der Beklagten behauptetes gemeinsames Verständnis der Tarifvertragsparteien jedenfalls keinen Niederschlag in dem Wortlaut des Tarifvertrages gefunden hat.
Thüsing/Pötters (a. a. O. Seite 320) sind auch deswegen der Ansicht, dass eine Verrechnung mit Minusstunden aus Nichteinsatzzeiten möglich sein müsse, weil es anderenfalls zu abstrusen Konstellationen käme, die sie als „argumentum ad horrendum“ bezeichnen. „Wenn ein Abbau der Überstunden nur zu Entleihzeiten möglich sein sollte, dann wäre der Verleiher angehalten, nach Entleihern Ausschau zu halten, denen er dann aber nach Abschluss des Überlassungsvertrages mitteilen müsste, dass die Zeitarbeitnehmer, die eigentlich in dem Betrieb des Entleihers eingegliedert werden sollen, zunächst einmal Freistunden, die sie bei der Tätigkeit bei einem anderen (!) Entleiher aufgebaut haben, in Anspruch nehmen müssten.“ Sicherlich hat jeder Mensch unterschiedliche Auffassungen dazu, was als Horror zu bezeichnen ist. Bei nüchterner Betrachtung bleibt jedoch festzuhalten, dass es Entleihern durchaus zugemutet wird und auch zumutbar ist, einzelne Leiharbeitnehmer nicht permanent zur Verfügung zu haben. Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und des Urlaubs sollte dies selbstverständlich sein. Warum soll dies dann aber so viel anders sein, wenn Überstunden abgebaut werden? Im Übrigen übersehen Thüsing und Pötters, dass der Abbau von Überstunden durchaus in Zeiten möglich ist, in denen eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer nicht besteht. Auch in diesen Fällen können Guthabenstunden abgebaut werden, was sich aus § 4.5 MTV ergibt. Dies setzt jedoch – wie auch in anderen Fällen – eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer voraus, geht also gerade nicht einseitig.
Auch mit der Entscheidung des LAG Hamburg (a. a. O.) lässt sich nicht begründen, dass Nichteinsatzzeiten als Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto nach dem MTV berücksichtigungsfähig sind. Das LAG setzt sich nur damit auseinander, dass die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten auch im Leiharbeitsverhältnis zulässig ist (a. a. O. Rn. 45). Dies ist jedoch nur eine der Vorfragen.
2. Auch aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergibt sich nicht die Befugnis der Beklagten, Nichteinsatzzeiten vermindernd auf dem Arbeitszeitkonto zu berücksichtigen. Der Arbeitsvertrag verweist im Wesentlichen auf den MTV und enthält im Übrigen keinerlei abweichende Regelungen zu dem Tarifvertrag.
3. Auch wenn – aus welchen Gründen auch immer – der MTV dahingehend interpretiert werden könnte, dass er Regelungen enthält, wonach die Beklagte befugt sein soll, Nichteinsatzzeiten als Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto einzustellen, wären derartige Regelungen gem. § 134 BGB i. V. m. § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG unwirksam.
Nach dieser Norm kann das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers (§ 615 Satz 1 BGB) nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. Für Zeitarbeitsunternehmen gehört es zum typischen Risiko, bei fehlenden Einsatzmöglichkeiten trotzdem das vertraglich vereinbarte Entgelt fortzahlen zu müssen, was in dieser Form in anderen Arbeitsverhältnissen nicht besteht (BAG, 24.03.2004 – 5 AZR 303/03 – NZA 2004, 971, 973 zu I. 2. c), aa) d. Gr.). Allerdings war und ist streitig, was hierunter zu verstehen ist (Thüsing/Pötters a. a. O.; Schüren a. a. O.; Bissels/Haag AuA 2014, 675). Teilweise wird angenommen, eine derartige Verlagerung des Annahmeverzugsrisikos finde nicht statt, wenn die vertraglich versprochene Vergütung durchgängig gezahlt werde (LAG Hamburg a. a. O. Rn. 45).
Das BAG hat sich – nach Auffassung der hiesigen Kammer – hierzu jedoch eindeutig verhalten. Es hat ausgeführt, dass Regelungen, die es dem Verleiher ermöglichen, in verleihfreien Zeiten einseitig das Arbeitszeitkonto abzubauen, unwirksam sind (BAG, 16.04.2014 – 5 AZR 483/12 – Rn. 24). Um nichts anderes geht es hier. Die Beklagte möchte einseitig in verleihfreien Zeiten Plusstunden aus dem Arbeitszeitkonto abbauen. Dies geht nach der klaren Einschätzung des BAG nicht. Nur klarstellend soll ferner darauf verwiesen werden, dass damit sehr wohl auch im verleihfreien Zeiten das Arbeitszeitkonto abgebaut werden kann, jedoch ist dies nicht einseitig möglich, sondern nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus § 4.5 MTV.
4. Die Klägerin hat auch die Ausschlussfrist nach § 16 MTV, § 20 Arbeitsvertrag eingehalten, da sie innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit ihre Ansprüche auf Korrektur des Arbeitszeitkontos schriftlich geltend gemacht hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird verwiesen.
Für die 52,5 Stunden aus Juni 2012 und 60 Stunden aus Oktober 2012 ist davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Berücksichtigung im Arbeitszeitkonto erst mit Ablauf des Jahres 2012 fällig geworden ist. Auch das BAG (05.09.2002 – 9 AZR 244/01 – Rn. 63) geht davon aus, dass der Lauf einer tariflichen Ausschlussfrist erst mit dem Ende der Abrechnungsperiode beginnt. Aus einem unrichtigen Zwischensaldo folge nicht zwangsläufig, dass am Ende der Abrechnungsperiode sich tatsächlich Ausgleichsansprüche ergeben. Die Klageeinreichung unter dem 28. November 2012 war insofern ausreichend.
Für die 4,7 Überstunden im Dezember 2012 liegt ebenfalls eine rechtzeitige schriftliche Geltendmachung durch die Klägerin vor. Diese hat mit Mail vom 11. Januar 2013 (Anl. K27, Bl. 127 d. A.) „Widerspruch“ gegen den Saldo auf dem Arbeitszeitkonto erhoben. Gerade aus der vorangegangenen und inzwischen auch zugestellten Klage konnte die Beklagte hinreichend entnehmen, dass die Klägerin nicht bereit war, verleihfreie Zeiten negativ im Arbeitszeitkonto berücksichtigen zu lassen. Im Übrigen war der Klägerin eine genauere Aufschlüsselung auch nicht möglich, weil ihr das von der Arbeitgeberin zu führende Arbeitszeitkonto nicht näher erläutert worden war. Im Grunde war sie hier nur auf Vermutungen bezüglich des Zustandekommens des Saldos angewiesen.
Hinsichtlich der übrigen Stunden aus dem Jahre 2013 hat die Klägerin jeweils rechtzeitig Klage erhoben, wodurch ebenfalls schon die erste Stufe der Ausschlussfrist eingehalten wurde.
5. Die Klägerin kann auch weiterhin verlangen, dass die von ihr mit den Anträgen zu 1., 2., 3. und 6. geltend gemachten Stunden dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben sind.
Zwar ist an sich ein Arbeitszeitkonto nach § 4.4 MTV spätestens nach zwölf Monaten auszugleichen. Der Ausgleich erfolgt bei der Beklagten unstreitig zum Jahresende. Tatsächlich war ein solcher Ausgleich nicht möglich, da die Beklagte auf dem Standpunkt stand und auch noch steht, dass das Arbeitszeitkonto kein Guthaben enthält. Diese Konstellation ist jedenfalls den in § 4.4 MTV beschriebenen betrieblichen Gründen gleichzustellen, die einen Übertrag in den nächsten Ausgleichszeitraum ermöglichen. Ein solcher Übertrag ist bis zum Umfang von max. 150 Stunden möglich. Die von der Klägerin geltend gemachten Stunden liegen darunter.
Insofern war über die von der Klägerin gestellten Hilfsanträge im Rahmen der Anschlussberufung nicht weiter zu entscheiden.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).
Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von d. Beklagten bei dem
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt
(Postadresse: 99113 Erfurt),
Revision eingelegt werden.
Die Revision muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Sie ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Als solche sind außer Rechtsanwälten nur folgende Stellen zugelassen, die zudem durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln müssen:
• Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
• juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Für d. Klägerin ist kein Rechtsmittel gegeben.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments i. S. d. § 46 c ArbGG genügt. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts unter www.bundesarbeitsgericht.de.
Hinweis der Geschäftsstelle
Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in siebenfacher Ausfertigung einzureichen.