15.03.2016 · IWW-Abrufnummer 184413
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 29.10.2015 – 11 Sa 537/15
Urlaubsabgeltung des Erben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers (bejaht; entgegen BAG Urteil vom 12.03.2013 - 9 AZR 532/11 .
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 25.03.2015 - 3 Ca 2643/14 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt die Abgeltung des Urlaubs, den ihr verstorbener Ehemann aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten erworben hat.
Der Ehemann der Klägerin war seit April 2003 bei dem Beklagten als kaufmännischer Angestellter zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.507,00 € beschäftigt. In dem unter dem 01.03.2004 unterzeichneten Arbeitsvertrag (Bl. 4 d.A.) ist unter § 4 hinsichtlich des Urlaubes Nachfolgendes geregelt:
§ 4 Urlaub
Der Arbeitnehmer hat im Kalenderjahr Anspruch auf 30 Werktage Urlaub. Bei Eintritt oder Ausscheiden während eines Kalenderjahres wird der Urlaub anteilig gewährt. Die Lage des Urlaubs ist mit dem Arbeitgeber abzustimmen.
Zusätzlich erhielt der Ehemann der Klägerin als Schwerbehinderter fünf weitere Urlaubstage nach § 125 SGB IX. Ab Juli 2012 war der Ehemann der Klägerin erkrankt. Am 04.01.2013 verstarb er.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Kopie eines handschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments (Bl. 49 d.A.) vorgelegt, in welchen sich die Eheleute gemäß § 2265 und § 2269 Abs. 1 BGB gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben.
Ausweislich der Abrechnung für den Monat Dezember 2011 (Bl. 28 d.A.) hatte der Ehemann der Klägerin für das Jahr 2011 einen Resturlaubsanspruch von 5,5 Tagen, der gemäß der Abrechnung für den Monat Dezember 2012 (Bl. 6 d.A.) in das Jahr 2012 übertragen worden ist. Im Jahr 2012 nahm der Ehemann der Klägerin bis zu seiner Erkrankung 8,5 Urlaubstage, welche sich aus einem von dem Beklagten vorgelegten Urlaubskonto für das Jahr 2012 (Bl. 70 d.A.) ergeben. Aus der Abrechnung für Dezember 2012 (Bl. 6 d.A.) ergab sich damit ein Resturlaubsanspruch von 32 Tagen.
Nach einer Kopie der Zeiterfassung für die Zeit vom 01.05. bis 31.05.2012 hatte der Ehemann der Klägerin bis zum 23.05.2012 insgesamt 82,49 Mehrarbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto. Zum 31.05.2012 waren Minusstunden in Höhe von 92,30 eingebucht. Der Kontostand belief sich danach auf 9:40 Minusstunden (Bl. 32 d. A.).
Die Klägerin legte erstinstanzlich einen Rentenbescheid vom 22.02.2013 (Bl. 50 ff. d.A.) für ihren verstorbenen Ehemann vor. Danach hatte dieser ab dem 01.05.2012 Erwerbsminderungsrente, im Mai und Juni 2012 allerdings ohne Zahlungen, erhalten.
Mit ihrer am 22.09.2014 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst eine Urlaubsabgeltung für insgesamt 70 Arbeitstage verlangt. Sie hat den Abgeltungsanspruch dann auf 32 Urlaubstage reduziert.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass ihr auf Grund der geänderten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH vom 12.06.2014 - C-118/13 in NZA 2014, 651) der Urlaubsabgeltungsanspruch ihres verstorbenen Ehemannes zustehe.
Die Klägerin hat unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt,
Der Beklagte hat beantragt,
Er hat behauptet, der verstorbene Ehemann der Klägerin habe die entsprechenden Minusstunden angesammelt. Diese seien in Abzug zu bringen. Darüber hinaus hat der Beklagte die alleinige Erbberechtigung der Klägerin unter Hinweis darauf bestritten, dass der Ehemann der Klägerin eine Tochter hat.
Der Beklagte hat gemeint, dass die Klägerin nach der Entscheidung des EuGH vom 12.06.2014 - C-118/13 nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch verlangen könne, da nur dieser von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung geschützt werde.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.03.2015 der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin durch das vorgelegte Testament ihre Erbberechtigung hinreichend belegt habe und dass der Entscheidung des EuGH vom 12.06.2014 - C - 118/13 zu folgen sei. Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung f ühre dazu, dass der finanzielle Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch dann entstehe, wenn ein Arbeitnehmer während des Bestandes seines Arbeitsverhältnisses verstirbt und zu diesem Zeitpunkt noch Urlaubsansprüche offen waren. Entsteht ein entsprechender Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG, gehe er in die Erbmasse ein und könne von den Erben geltend gemacht werden. Dieser Abgeltungsanspruch sei nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub beschränkt. Denn die Voraussetzungen für die Entstehung des Abgeltungsanspruchs bezüglich des übergesetzlichen, hier einzelvertraglich begründeten Urlaubs würden denen für den gesetzlichen Urlaubsanspruch entsprechen. Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Tod des Arbeitnehmers wird der zu diesem Zeitpunkt bestehende Urlaubsanspruch komplett in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt. Sonstige Aspekte, die eine Beschränkung auf den gesetzlichen Urlaub erforderlich machen würden, seien nicht ersichtlich.
Der Beklagte könne gegen den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht mit den behaupteten 9:40 Minusstunden aufrechnen, denn er habe nicht im Einzelnen begründet, wann diese Minusstunden angefallen sein sollen.
Gegen das ihm am 17.04.2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 13.05.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 11.06.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründet:
Das Arbeitsgericht habe für den Nachweis der Erbberechtigung der Klägerin nicht allein eine Kopie des Testamentes ausreichen lassen dürfen, da der verstorbene Ehemann der Klägerin auch eine Tochter hatte.
Der Entscheidung des EuGH vom 12.06.2014 - C - 118/13 könne nicht gefolgt werden, denn dieser habe sich nicht mit der Frage von Sinn und Zweck des Urlaubsanspruches auseinandergesetzt. Die Entscheidung des EuGH vom 12.06.2014 - C - 118/13 stehe nicht mit seiner Entscheidung vom 22.11.2011 - C - 214/10 im Einklang, nach welcher der Urlaubsanspruch bei lang andauernden Erkrankungen auf einen Zeitraum von 15 Monaten nach Beendigung des Urlaubsjahres beschränkt ist.
Das Arbeitsgericht habe auch nicht beachtet, dass Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung nur den gesetzlichen Mindesturlaub schütze. Auch sei von dem Arbeitsgericht nicht berücksichtigt worden, inwiefern bereits Verjährung und Verfall des Urlaubsanspruches eingetreten seien.
Der Beklagte beantragt,
Die Klägerin beantragt,
Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt im Hinblick auf die Berufungsbegründung ergänzend im Wesentlichen wie folgt vor:
Die Klägerin meint, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch vererblich sei, denn nach der Aufgabe der Surrogationstheorie durch das Bundesarbeitsgericht handele es sich bei dem Urlaubsabgeltungsanspruch um einen reinen Geldanspruch, der auf eine reine finanzielle Leistung ausgerichtet sei und deswegen nicht von höchstpersönlicher Natur sein könne.
Auch der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaub sei vererblich, denn der vertragliche Urlaubsanspruch ihres Ehemannes habe nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem darüber hinaus gehenden Urlaub differenziert, so dass ein einheitlicher Urlaubsanspruch vorliege.
In dem Kammertermin vom 29.10.2015 hat die Kl ägerin das Original des handschriftlichen gemeinschaftlichen Testamentes vorgelegt. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in dieses Einblick genommen und bestätigt, dass dieses mit der von der Klägerin in der ersten Instanz vorgelegten Kopie übereinstimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhaltes sowie des widerstreitenden Sachvortrages und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und fristgemäß eingelegt und in einer den Anforderungen des § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO entsprechenden Weise begründet worden.
II.
In der Sache konnte die Berufung hingegen keinen Erfolg haben, denn das Arbeitsgericht hat richtig entschieden, dass der Klägerin ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 32 Tagen zusteht.
Die Berufungskammer schließt sich den zutreffenden und sorgfältigen Gründen der Entscheidung des Arbeitsgerichts in vollem Umfang an und macht sich diese gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zu Eigen. Die von dem Beklagten mit der Berufung vorgebrachten Angriffe vermögen keine Änderung dieser Entscheidung des Arbeitsgerichts herbeizuführen. Unter Würdigung des Vorbringens des Beklagten in der Berufungsbegründung ist lediglich noch Nachfolgendes auszuführen:
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 1922 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den §§ 2265, 2269 Abs. 1 BGB und Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 in Verbindung mit § 7 Abs. 4 BUrlG, § 4 des Arbeitsvertrages vom 01.03.2004 und § 125 Abs. 1 SGB IX.
1. Die Klägerin kann als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns den Anspruch für sich geltend machen. Dies ergibt sich gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 2265 und § 2269 Abs. 1 BGB aus dem von ihr in dem Kammertermin vom 29.10.2015 vorgelegten Original des gemeinschaftlichen Testamentes vom 22.04.2012. Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat nach Einsicht in das Original dieses Testamentes zu Protokoll erklärt, dass das Testament mit der erstinstanzlich von der Klägerin vorgelegten Kopie (Bl. 49 d.A.) übereinstimmt. Die Klägerin hat den Beweis dafür erbracht, dass sie Alleinerbin ihres Ehemannes ist. Die von dem Beklagten behauptete Tochter des verstorbenen Ehemanns der Klägerin steht dem nicht entgegen, denn gemäß § 2269 Abs. 1 BGB ist diese von der Erbfolge ausgeschlossen.
2. Die Klägerin kann von dem Beklagten eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 32 Tagen verlangen, denn gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 2265 BGB und § 2269 Abs. 1 BGB sind sowohl der gesetzliche Mindesturlaub, der gemäß § 4 des Arbeitsvertrages vom 01.03.2004 bestehende vertragliche Mehrurlaub und auch der gemäß § 125 Abs. 1 SGB IX geregelte Zusatzurlaub auf die Klägerin übergegangen.
Die Kammer folgt gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG den Entscheidungsgründen des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal und stimmt insbesondere mit der am 15.12.2015 von der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf zu einem gleichgelagerten Fall getroffenen Entscheidung überein. Die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat hier mit Urteil vom 15.12.2015 - 3 Sa 21/15 - soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung - Nachfolgendes ausgeführt:
"Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zwar ein bereits entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch eines Arbeitnehmers vererbbar (BAG, Urteil vom 22.09.2015 - 9 AZR 170/14 - [...]). Ein Urlaubsanspruch geht aber nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit dem Tod des Arbeitnehmers unter und kann sich nicht in einen Abgeltungsanspruch i.S.v. § 7 Abs. 4 BurlG umwandeln (BAG, Urteil vom 12.03.2013 - 9 AZR 532/11 - AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 99).
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat jedoch in der Entscheidung vom 12.06.2014 - C-118/13 (Gülay Bollacke/K + K Klaas & Kock B.?V. & Co. KG, NJW 2014, 2415) aus Artikel 7 der RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnis durch Tod hergeleitet und die Voraussetzungen und den Umfang des Anspruchs bestimmt. Danach steht der Artikel einzelstaatlichem Recht entgegen, wonach der Urlaubsanspruch ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Dies begründet das Gericht damit, dass Art 7 Abs. 2 EWG RL 2003 88 der Arbeitszeitrichtlinie nicht restriktiv ausgelegt werden dürfe. Diese Norm stelle für die Eröffnung des Anspruchs auf finanzielle Vergütung keine andere Voraussetzung auf als diejenige, dass zum einen das Arbeitsverhältnis beendet sei und dass zum anderen der Arbeitnehmer nicht seinen gesamten Jahresurlaub genommen habe. Schließlich erweise sich ein finanzieller Ausgleich als unerlässlich, um die praktische Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sicherzustellen. Andernfalls würde nämlich der Tod des Arbeitnehmers rückwirkend zum vollständigen Verlust des Urlaubsanspruchs führen. Die Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte bindend (§ 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).
§ 7 Abs. 4 BurlG ist nach den Vorgaben des EuGH, denen sich die Kammer anschließt, auszulegen, zumal diese Vorschrift den Urlaubsabgeltungsanspruch ebenfalls allein von den Voraussetzungen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und eines offenen Urlaubsanspruchs abhängig macht. Dies führt zu einem Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin als Erbin (Arbeitsgericht Berlin Urteil vom 07.10.2015 - 56 Ca 10968/15 - ; VG Kassel v. 10.03.2015 - 1 K 1994/14.KS -, VG Karlsruhe vom 16.07.2015 - 3 K 24/15, für Beamte, [...]; ErfK/Gallner 16. Auflage 2016 Rdn. 23, 24; MüKoBGB/Leipold BGB § 1922 Rn. 29-34; Ricken, Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers - Rechtskonstruktion und beitragsrechtliche Bewertung NZA 2014, 1361; Schmidt Vererbbarkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub NZA 2014, 701; Polzer/Kafka, Verfallbare und unverfallbare Urlaubsansprüche NJW 2015, 2289).
Dem kann auch nicht der Sinn und Zweck des Abgeltungsanspruchs, dass der Arbeitnehmer weder in den Genuss des Urlaubs noch in den des Urlaubsanspruchs komme (BAG Urteil vom 12.03.2013 - 9 AZR 532/11 - aaO) entgegengehalten werden. Nach der Aufgabe der Surrogationstheorie durch das Bundesarbeitsgericht entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch. Er verdankt seine Entstehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist er entstanden, ist er nicht mehr Äquivalent zum Urlaubsanspruch, sondern bildet einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber (BAG Urteil vom 19. Mai 2015 - 9 AZR 725/13 - Rn. 18 mwN; BAG, Urteil vom 22. September 2015 - 9 AZR 170/14 -, Rn. 14, [...]).
Soweit die Beklagte dem Entstehen eines Anspruchs beim Erben entgegenhält, dass diese Beurteilung den nationalen erbrechtlichen Vorschriften entgegenstehe, da nur ein bestehender Anspruch vererbt werden könne und der Urlaubsabgeltungsanspruch bei Tod des Arbeitnehmers nicht mehr bei dem Erblasser entstehen könne, kann dem nicht gefolgt werden. Dem Arbeitsrecht sind nachwirkende Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht fremd, soweit sie bereits im laufenden Arbeitsverhältnis angelegt sind. Der Entscheidung des EuGH ist zu entnehmen, dass bereits der Urlaubsanspruch, den die Richtlinie sichert, auch einen Abgeltungsanspruch enthält, der bei jeder Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Tragen kommt. Die Kammer folgt insoweit der Auffassung, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des § 7 Abs. 4 BurlG zu dem Ergebnis führt, dass das im Arbeitsverhältnis bestehende Recht auf Urlaub (Stammrecht), im Wege der Universalsukzession zum Zeitpunkt des Erbfalles auf den Erben übergeht und, da der Urlaubsanspruchs selbst höchstpersönlichen Natur ist, sich im Erbfall in einen Urlaubsabgeltungsanspruch wandelt, der unmittelbar beim Erben entsteht (Ricken, Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers - Rechtskonstruktion und beitragsrechtliche Bewertung NZA 2014, 136, MüKoBGB/Leipold BGB § 1922 Rn. 29-34).
Die Klägerin kann auch nicht nur die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, sondern auch des tarifvertraglichen Urlaubs einschließlich der Urlaubstage wegen der Schwerbehinderung verlangen.
Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub iSd §§ 1, 3 BUrlG beschränkt, sondern umfasst den gesamten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, der bei Beendigung noch nicht erfüllt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Tarifvertragsparteien Urlaubsansprüche, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, den sog. tariflichen Mehrurlaub, frei regeln (BAG, Urteil vom 13.11.2012 - 9 AZR 64/11 - AP Nr. 97 zu § 7 BUrlG Abgeltung; EuGH 03.05.2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 8 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 9). Tarifbestimmungen können daher vorsehen, dass der Arbeitgeber den tariflichen Mehrurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht oder nur dann abzugelten hat, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2012 - 9 AZR 618/10 - NZA 2012, 987). Für einen Regelungswillen, der zwischen Ansprüchen auf Abgeltung von Mindest- und Mehrurlaub unterscheidet, müssen auch bei Tarifverträgen deutliche Anhaltspunkte bestehen. Diese deutlichen Anhaltspunkte müssen sich aus Tarifwortlaut, Zusammenhang und Zweck sowie ggf. aus der Tarifgeschichte ergeben (BAG, Urteil vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - AP Nr. 3 zu § 125 SGB IX). Dies ist hier nicht gegeben. Die Tarifvertragsparteien haben in Bezug auf den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen, tarifvertraglichen Ansprüchen unterschieden. Abweichungen werden in § 26 Abs. 2 TVöD für hier nicht relevante Umstände (Übertragung des Urlaubs, Berechnung des anteiligen Urlaubs, Ruhen des Arbeitsverhältnisses, Zahlungsbeginn) geregelt. Im Übrigen wird nur auf das Bundesurlaubsgesetz verwiesen.
Die Klägerin kann auch die Abgeltung des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte verlangen. Der schwerbehindertenrechtliche Zusatzurlaub bestimmt sich nach den Regeln des Mindesturlaubs des § 3 Absatz 1 BUrlG. Diese sog. urlaubsrechtliche Akzessorietät ist schon wegen der Begriffe des "zusätzlichen Urlaubs" in § 125 Absatz 1 Satz 1 SGB IX und des "Zusatzurlaubs" in § 125 Absatz 1 Satz 2 SGB IX geboten. § 125 Absatz 3 SGB IX ordnet "auch" für den Fall der rückwirkenden Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft die Anwendung der "urlaubsrechtlichen Regelungen" an. Hinzu kommt, dass sowohl der Mindesturlaub aus § 3 Absatz 1 BUrlG als auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub aus § 125 SGB IX gesetzliche, nicht disponible Urlaubsansprüche sind. Sie unterscheiden sich durch ihre strikte Unabdingbarkeit von übergesetzlichen einzel- oder tarifvertraglichen Ansprüchen (Griese [...] PK-SGB IX § 125 Rn. 30). Auf den Zusatzurlaub sind mithin die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs anzuwenden (BAG 24.10.2006 - 9 AZR 669/05 - Rn. 12, BAGE 120, 50; BAG 21.02.1995 - 9 AZR 166/94 - § 47 SchwbG, BAGE 79,211). Insofern hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Abgeltung des in der Höhe unstreitigen Zusatzurlaubs erworben".
Diesen zutreffenden Ausführungen der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf schließt sich die Kammer im vollen Umfang an. Dies gilt auch hinsichtlich des gemäß § 4 des Arbeitsvertrages vom 01.03.2014 gewährten Mehrurlaubes. Denn die von der 3. Kammer geschilderten Grundsätze hinsichtlich einer selbständigen Regelung über den Abgeltungsanspruch des Mehrurlaubes gelten nicht nur für einen tarifvertraglich gewährten Mehrurlaub, sondern auch für den zwischen den Arbeitsvertragsparteien individualvertraglich vereinbarten Mehrurlaub (vgl. BAG vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 Rdnr. 84 in NZA 2009, 538
[BAG 24.03.2009 - 9 AZR 983/07]
; ErfK/Gallner § 7 BUrlG Rdnr. 52). Dem § 4 des Arbeitsvertrages vom 01.03.2004 können keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass die Arbeitsvertragsparteien hinsichtlich des vertraglichen Mehrurlaubes zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vertraglichen Mehrurlaub unterscheiden wollten. § 4 des Arbeitsvertrages vom 01.03.2004 bestimmt, dass der Arbeitnehmer 30 Urlaubstage im Jahr hat. Es wird hier nicht zwischen dem gesetzlichen Urlaub und dem Mehrurlaub differenziert. Insbesondere hinsichtlich der Urlaubsabgeltung befindet sich in dem Arbeitsvertrag keine Regelung, die zwischen dem Mehrurlaub und dem Mindesturlaub unterscheidet. Dies hat zur Folge, dass auch der arbeitsvertragliche Mehrurlaub in derselben Weise wie der gesetzliche Mindesturlaub hinsichtlich der Vererbung des Abgeltungsanspruches zu behandeln ist.
Dies gilt auch für den Zusatzurlaub gemäß § 125 Abs. 1 SGB IX. Auch hier kann auf die Ausführungen der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf verwiesen werden, denn der gemäß § 125 Abs. 1 SGB IX gewährte Zusatzurlaub ist als gesetzlicher Urlaubsanspruch an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubes gebunden (vgl. BAG vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 in NZA 2012, 1216; BAG vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 in NZA 2010, 810; Neumann/Fenski/Kühn Bundesurlaubsgesetz § 125 SGB IX Rdnr. 20).
3. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist nicht verjährt. Der Abgeltungsanspruch ist mit dem Tod des Ehemanns der Klägerin, der das Arbeitsverhältnis beendet hat, am 04.01.2013 entstanden. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB ist mit der am 02.10.2014 der Beklagten zugestellten Klageschrift gewahrt.
4. Die in dem Arbeitsvertrag unter § 10 geregelte einmonatige Ausschlussfrist musste die Klägerin nicht einhalten, denn sie ist zu kurz und damit unwirksam.
Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist, die die schriftliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit verlangt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie ist mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und schränkt wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrags ergeben, so ein, dass gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (vgl. BAG vom 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 in NZA 2006, 149; ErfK/Preis §§ 194 - 218 BGB Rdnr. 46). Die Ausschlussklausel ist auf Grund der unangemessen kurzen Frist insgesamt unwirksam. Sie fällt gemäß § 306 Abs. 1 und 2 BGB bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen ersatzlos weg (vgl. BAG vom 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 a.a.O.)
5. Hinsichtlich der Berechnung der Höhe des Abgeltungsanspruches von 32 Arbeitstagen in Höhe von arbeitstäglich 115,71 € kann auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. seiner Entscheidungsgründe verwiesen werden. Mit der Berufungsbegründung hat der Beklagte diese Berechnung nicht gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG und § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO mit einer gesonderten Begründung angegriffen. Dies gilt auch für die erstinstanzlich von dem Beklagten zur Aufrechnung gestellten 9:40 Minusstunden. Auch hier hat der Beklagte die Ausführungen des Arbeitsgerichtes unter I. 4. der Entscheidungsgründe des Urteils vom 25.03.2015 nicht mit einer gesonderten Begründung angegriffen.
6. Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 288 Abs. 1 BGB, da die Klage am 02.10.2014 zugestellt worden ist.
III.
Die Kosten der Berufung hat der Beklagte gemäß den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
IV.
Die Kammer hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher gemäß § 72 Abs. 1 und Abs. 2 Nr.1 ArbGG die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Nadorp
Kaplaner