07.02.2018 · IWW-Abrufnummer 199498
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 21.11.2017 – 8 Sa 477/17
Die Regelung des § 288 Abs. 5 BGB findet auch auf Zahlungsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis Anwendung.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.05.2017 - Az. 1 Ca 1272/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugunsten der Beklagten zugelassen, soweit sie zur Zahlung der Verzugspauschale (Ziffer 3 des erstinstanzlichen Urteilstenors) verurteilt wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer monatlichen "Besitzstandszulage" in Höhe von 128,23 € brutto sowie die Zahlung von Verzugspauschalen.
Der 43 Jahre alte Kläger war seit dem 03.01.2000 bei der T. GmbH & Co. KG als Geräte-/Maschinenführer am Standort in E. tätig. Die Arbeitsbedingungen des Klägers sind im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 13.01.2000 geregelt, wegen dessen Inhalts auf Blatt 326 ff. der Akte Bezug genommen wird. Gemäß Ziffer 3 des Arbeitsvertrages gilt für das Arbeitsverhältnis der Überleitungstarifvertrag i.d.F. vom 27.10.1997 (Beschäftigte der Betriebe des Unternehmensverbandes Umweltschutz und Industrieservice). Das Monatsgrundentgelt des Klägers belief sich bei 169 Stunden Arbeitsleistung pro Monat gemäß der zuletzt maßgeblichen Entgeltgruppe 8 auf 2.783,43 € brutto.
Am 01.04.2014 übernahm die Beklagte den Betrieb der T. GmbH & Co. KG sowie die dort bestehenden Arbeitsverhältnisse. Auch das Arbeitsverhältnis des Klägers ging gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte zu diesem Zeitpunkt über. Sowohl die T. GmbH & Co. KG als auch die Beklagte war bzw. ist Mitglied im Unternehmerverband Industrieservice und Dienstleistungen e.V. (im Folgenden UIS). Der Kläger war am 01.04.2014 Mitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (im Folgenden IG BAU) und des bei der T. GmbH & Co. KG gebildeten Betriebsrats.
Am 27.03.2014 vereinbarte der UIS mit der IG BAU im Zusammenhang mit diesem Betriebsübergang einen Überleitungstarifvertrag (ÜTV) für die Arbeitnehmer der T. GmbH & Co. KG. In § 2 ÜTV ist geregelt, dass die Mitarbeiter der T. GmbH & Co. KG zum 01.04.2014 unter die Geltung der für die Mitarbeiter der Beklagten geltenden Tarifverträge und betrieblichen Arbeitsbedingungen übergeleitet werden. In § 3 ÜTV ist geregelt, dass die Mitarbeiter entsprechend der Anlage zum ÜTV in die tarifliche Entgeltstruktur überführt werden. Aufgrund der Differenzen zwischen altem und neuem Monatsentgelt haben die Tarifvertragsparteien die Zahlung von zwei Besitzstandszulagen in § 4 ÜTV geregelt:
Die Regelungen des § 3 ÜTV haben die Tarifvertragsparteien in der Anlage zum ÜTV (Bl. 40 d.A.) umgesetzt. Nach dieser Anlage wurde der Kläger von der bei der T. GmbH & Co. KG maßgeblichen Entgeltgruppe 8 mit einer monatlichen Grundvergütung i.H.v. 2.783,43 € brutto in die Lohngruppe 6 des bei der Beklagten anzuwenden Tarifvertrages übergeleitet. Dem "alten" Monatsgrundlohn stellten die Tarifvertragsparteien den neuen Monatslohn bei der Beklagten i.H.v. 2.437,- € auf Basis einer auf 168,5 Stunden hochgerechneten monatlichen Arbeitszeit gegenüber. Die Differenz zwischen diesen beiden Monatsentgelten betrug nach Berechnung der Tarifvertragsparteien 345,95 €. Die Tarifvertragsparteien setzten als pauschalierte Erschwerniszulage für die T. GmbH & Co.KG 15,- € an und für die Beklagte 97,60 €, was zu einer Differenz bei den pauschalierten Zulagen von 82,60 € zugunsten der Beklagten führte. Da der Kläger von der Entgeltgruppe 8 in die Lohngruppe E 6 überführt wurde, setzten die Tarifvertragsparteien eine Besitzstandszulage II in Höhe von 85,-- Euro an und kamen unter Berücksichtigung der pauschalierten Differenz der Erschwerniszulagen nach ihrer Berechnung auf eine Besitzstandszulage I gemäß § 4 ÜTV von 183,35 € brutto.
Daneben besteht im Betrieb der Beklagten gemäß § 10 RTV i.V.m. einer hierzu abgeschlossenen Betriebsvereinbarung unter den dort normierten Voraussetzungen ein Anspruch auf Zahlung einer der Höhe nach variablen Erschwerniszulage.
Die Beklagte und die T. GmbH & Co. KG informierten die bei der T. GmbH & Co. KG beschäftigten Mitarbeiter mit Schreiben vom 28.03.2014 über den Betriebsübergang sowie die tatsächlichen und rechtlichen Folgen desselben. Eine Information über die künftige Entgeltzusammensetzung ist in diesem Schreiben nicht enthalten.
Der Kläger arbeitet seit dem 01.04.2014 für die Beklagte und erhielt im April 2014 seine erste Lohnabrechnung. Diese endet mit einem Gesamtbrutto für die verstetigten Entgeltbestandteile von 2.655,64 € (Bl. 230 der Akte). Die ehemaligen T.-Mitarbeiter beschwerten sich nach Erhalt der ihrer ersten Abrechnungen für April 2014 über das aus ihrer Sicht nicht korrekte Monatsentgelt und den für die Höhe der variablen Zulagen (z.B. für Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit) maßgeblichen Stundenlohn beim Kläger als Vorsitzender des Betriebsrats der T. GmbH & Co KG, der aufgrund eines Restmandates weiterhin im Amt war. Daraufhin teilte der Kläger in einem Gespräch am 08.05.2014, an dem u.a. der damalige Personalleiter der Beklagten, Herr X. teilnahm, den Unmut der ehemaligen Arbeitnehmer der T. GmbH & Co. KG über die Höhe der für April 2014 gezahlten Vergütung mit. Der Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.
Mit der Korrekturabrechnung für den Monat April 2014 zahlte die Beklagte an den Kläger und seine Kollegen eine weitere Besitzstandszulage in Höhe von 128,23 Euro brutto. Weitere Informationen über den Grund, eine etwaige Befristung und zur Höhe der Zahlung erteilte die Beklagte nicht. In der Folgezeit zahlte die Beklagte ab Mai 2014 bis einschließlich April 2016 jeweils monatlich zusätzlich zur Besitzstandszulage I und II eine weitere Besitzstandszulage in Höhe von 128,23 Euro brutto. Die jeweilige Erschwerniszulage in wechselnder Höhe zahlte die Beklagte erst wieder ab Mai 2015. Seit dem 01.05.2016 leistete die Beklagte an die ehemaligen Mitarbeiter der T. GmbH & Co. KG keine weitere Besitzstandszulage in Höhe von 128,23 € brutto mehr. Der Kläger erhält daher seit dem 01.05.2016 neben der Erschwerniszulage eine "Basisentgelt" i.H.v. 2.476,34 € brutto, die Besitzstandzulage I i.H.v. 110,01 € brutto sowie die Besitzstandszulage II i.H.v. 88,17 € brutto, insgesamt also 2.674,52 € brutto. Wegen der weiteren Einzelheiten der vom Kläger bezogenen Entgelte wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Entgeltabrechnungen für den Zeitraum von April 2014 bis April 2016 (Bl. 124 ff.) Bezug genommen. Die Beklagte erteilte dem Kläger für jeden Monat zwei getrennte Abrechnungen; die eine enthält die verstetigten Entgeltbestandteile, die andere die variablen.
Mit Schreiben vom 28.07.2016 (Bl. 8 der Akte) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 11.08.2016 erfolglos zur Nachzahlung der Besitzstandszulage für die Monate Mai bis Juli 2016 i.H.v. 384,69 € brutto (3 x 128,23 € brutto) auf.
Mit Schriftsatz vom 13.09.2016, welcher der Beklagten am 15.09.2016 zugestellt worden ist, hat der Kläger Klage auf Zahlung dieses Betrages sowie auf Zahlung einer Verzugspauschale i.H.v. 120,- € netto erhoben. Mit Schriftsatz vom 06.10.2016, welcher der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 11.10.2016 zugestellt worden ist, hat er die Klage um Ansprüche auf Zahlung der Besitzstandzulage für die Monate August 2016 und September 2016 i.H.v. insgesamt 256,46 € brutto erweitert.
Er hat gemeint, dass er auch für die Zeit ab Mai 2016 einen Anspruch auf Zahlung der monatlichen Besitzstandzulage i.H.v. 128,23 € brutto aus einer betrieblichen Übung habe. Er hat bestritten, dass Herr X. im Gespräch vom 08.05.2014 lediglich eine für ein Jahr befristete Ausgleichszahlung in den Raum gestellt habe. Eine solche hätte im Betrieb zu einem "mittelschweren Aufstand" und zur Anrufung der Paritätischen Kommission geführt. Da Herr X. dies habe verhindern wollen, habe er zugesagt, er werde sich etwas einfallen lassen; die Mitarbeiter würden die Lösung des Problems auf der nächsten Abrechnung sehen. Weder über einen Zahlungszeitraum noch über die konkrete Höhe einer etwaigen Zahlung noch über deren Zusammenhang mit der Erschwerniszulage sei gesprochen worden. Auf den genauen Inhalt des Gesprächs vom 08.05.2014 komme es aber auch nicht an, weil eine betriebliche Übung jedenfalls dadurch begründet worden sei, dass die Beklagte die Besitzstandszulage über die angebliche Befristung hinaus vorbehaltlos gezahlt habe. Er habe zudem für die Monate Juli 2016 bis einschließlich September 2016 gemäß § 288 Abs. 5 BGB einen Anspruch auf Zahlung einer Verzugspauschale i.H.v. von insgesamt 120,- € netto.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat die Auffassung vertreten, dass keine betriebliche Übung auf Zahlung einer weiteren monatlichen Besitzstandzulage i.H.v. 128,23 € brutto entstanden sei. Der Kläger habe kein schutzwürdiges Vertrauen auf die unbefristete Fortzahlung der streitigen Besitzstandszulage. Sie hat behauptet, dass sich die Betriebsparteien in dem Gespräch am 08.05.2014 nur darauf geeinigt hätten, dass die ehemaligen Mitarbeiter der T. GmbH & Co KG für die Dauer von 13 Monaten eine Ausgleichszahlung als Differenz zwischen dem Basisentgelt T. sowie der Summe aus Basisentgelt, Besitzstandszulage I und Besitzstandszulage II bei der Beklagten erhalten sollten und dass für diesen Zeitraum der Anspruch auf Zahlung von Erschwerniszulagen entfallen sollte. Von vornherein sei lediglich eine befristete Zahlung vereinbart worden. Die Beklagte beruft sich insofern auf ein Gesprächsprotokoll des damaligen Personalleiters X.. Dieses Protokoll habe der Herr X. auch an das Betriebsratsmitglied R. per Email versandt. Dass die Zahlung der Besitzstandszulage sodann nicht mit April 2015 eingestellt worden sei, sondern erst im April 2016, sei ein internes Versehen gewesen. Jedenfalls bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen der Mitarbeiter auf die weitere Zahlung der Besitzstandszulage wegen der Absprache der Betriebsparteien. Vereinbarungsgemäß sei ab Mai 2015 die Erschwerniszulage gezahlt worden. Nur die Einstellung der Zahlung der Besitzstandszulage nach April 2015 sei entgegen der Absprache vergessen worden. Dieses Versehen sei wegen der Zahlung der Erschwerniszulagen für die betroffenen Mitarbeiter offensichtlich gewesen. Bei der Berechnung der weiteren Besitzstandszulage sei 2014 darüber hinaus nicht berücksichtigt worden, dass der bei T. gezahlte Stundenlohn sich auf eine Arbeitszeit von 169 Stunden im Monat beziehe, während bei der Beklagten lediglich 165 Stunden im Monat gearbeitet würden. Trotzdem sei die Besitzstandszulage in Höhe von 128,23 € brutto als Differenz des Basisentgelts bei der Beklagten in Höhe von 2.386,85 € brutto zuzüglich der beiden Besitzstandszulagen in Höhe von 311,79 € brutto und 85,- € brutto zum ehemaligen Basisentgelt bei der T. GmbH & Co. KG berechnet worden. Richtigerweise hätte man die Besitzstandszulage auf Basis einer Arbeitszeit von 165 Stunden pro Monat berechnen müssen und wäre zu einer niedrigeren Differenz gekommen. Durch die zu hoch angesetzte und zu lang gezahlte Besitzstandszulage sei das Entgelt der T. Mitarbeiter entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien höher geworden statt mit der Zeit geringer zu werden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 03.05.2017 voll umfänglich statt gegeben und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Anspruch auf Fortzahlung der Besitzstandszulage ab Mai 2016 ergebe sich in Höhe von 72,74 € brutto pro Monat bereits aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Das sei die Differenz zwischen dem zuletzt bei der Firma T. gezahlten verstetigten Monatsentgelt und der im Mai 2016 gezahlten Summe aus dem Grundentgelt sowie den tariflichen Besitzstandszulagen. Eine den Anspruch abbedingende, formgerechte Vereinbarung sei weder zwischen den Betriebsparteien noch den Arbeitsvertragsparteien getroffen. Auch der ÜTV befreie die Beklagte nicht aus ihren Verpflichtungen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die Beklagte (damals) nicht hinreichend zu einer beiderseitigen normativen Tarifbindung vorgetragen habe. So oder so und auch in Höhe der fehlenden 55,99 € brutto monatlich folge der Fortzahlungsanspruch des Klägers jedoch aus einer betrieblichen Übung. Die Beklagte habe die Besitzstandszulage über 25 Monate vorbehaltlos bezahlt. Dass dies eigentlich nur für 13 Monate habe geschehen sollen und der Kläger dies als Teilnehmer des Gesprächs vom 08.05.2014 gewusst habe, könne zugunsten der Beklagten unterstellt werden. Daraus alleine ergebe sich nämlich nicht, dass die nachfolgenden Zahlungen irrtümlich und nicht bewusst erfolgt seien. Wenn die Beklagte zur Vermeidung von Unmut in der Belegschaft Ergänzungszahlungen zu den Leistungen des ÜTV vornehme, könne sie nicht erwarten, dass die Arbeitnehmer erkannten, sie wolle irgendwann zum eventuell anwendbaren ÜTV zurückkehren. Der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens könne dem Kläger nicht entgegengehalten werden, da der Kläger weder aktiv zu einer Überzahlung durch die Beklagte beigetragen habe noch als Arbeitnehmer der Privatwirtschaft verpflichtet gewesen sei, eine solche anzuzeigen. Die Verzugspauschale stehe dem Kläger für die Monate Juli bis September 2016 zu, weil § 288 Abs. 5 BGB auf Arbeitsverhältnisse und den hier gegebenen Zahlungsverzug des Arbeitgebers anwendbar sei.
Gegen das ihr am 23.05.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 01.06.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.08.2017 - mit einem weiteren, am 22.08.2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet.
Die Beklagte rügt, die erstinstanzliche Entscheidung beruhe auf fehlerhaften Tatsachenfeststellungen und weise zudem Rechtsfehler auf. So sei das Arbeitsgericht zu Unrecht vom Fehlen einer beiderseitigen normativen Tarifbindung bei Abschluss des ÜTV ausgegangen. Dieser habe gerade eine Angleichung der Arbeitsbedingungen der ehemaligen Mitarbeiter der Firma T. mit ihrer Stammbelegschaft bezweckt. Die Absenkung des Monatsentgeltes des Klägers entgegen § 613a Abs. 1 BGB sei deshalb beabsichtigt gewesen. Im Übrigen erhalte der Kläger auch deshalb weniger, weil bei der Beklagten eine um vier Stunden geringere Monatsarbeitszeit gelte. Die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung lägen ebenfalls nicht vor. So sei bereits der Zahlungszeitraum zu kurz, als dass die Arbeitnehmer ein Vertrauen auf den dauerhaften Erhalt der Leistungen hätten entwickeln können. Überdies sei der Wille der Beklagten zur zeitlichen Begrenzung der Zahlung der Besitzstandszulage erkennbar gewesen. Das müsse gerade für den Kläger als Teilnehmer des Gesprächs vom 08.05.2014 gelten. Ansonsten werde der Regelungsgehalt des ÜTV ad absurdum geführt. Die Verzugspauschale schulde die Beklagte schon deshalb nicht, weil sie davon habe ausgehen dürfen, die Besitzstandszulage ab Mai 2016 nicht mehr habe zahlen zu müssen; die Nichtzahlung sei ohne Verschulden erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer klargestellt, dass er seine Forderung in erster Linie auf eine betriebliche Übung und nur nachrangig auf § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB stützt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG an sich statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG.
B.
Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig. Sie weist insbesondere die gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche Bestimmtheit auf. Die Frage, ob es sich bei den im Raume stehenden Ansprüchen aus betrieblicher Übung und § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB wegen der Unterschiedlichkeit der zugrunde liegenden Lebenssachverhalte um verschiedene Streitgegenstände handelt, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger hat nach Maßgabe des erstinstanzlichen Inhalts seiner Schriftsätze die Klage nicht nur durchgehend allein auf eine betriebliche Übung gestützt, sondern auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bestätigt, dass er seine Ansprüche in erster Linie aus der Zahlungspraxis der Beklagten nach dem Betriebsübergang ableitet.
II.
Die Klage ist begründet. Der Kläger kann die Fortzahlung der "Besitzstandszulage" in Höhe von insgesamt 641,15 € brutto für die Monate Mai bis September 2016 verlangen, weil das Leistungsverhalten der Beklagten zuvor eine betriebliche Übung zugunsten des Klägers begründet hat.
1.
Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts hat im Parallelrechtsstreit des Arbeitnehmers S. gegen die Beklagte (Az. 9 Sa 209/17) im Urteil vom 25.09.2017 zu den tatbestandlichen Voraussetzungen einer betrieblichen Übung und deren Vorliegen in zu entscheidenden Fall Folgendes ausgeführt:
Die Kammer schließt sich diesen zutreffenden und auch für den vorliegenden Rechtsstreit gültigen Ausführungen der 9. Kammer an. Sie erlaubt sich - in Anbetracht der Sonderstellung des Klägers als Betriebsratsvorsitzender - folgende ergänzende Anmerkungen:
(1)Auch als Teilnehmer des Gesprächs vom 08.05.2014 musste der Kläger nicht erkennen, dass die Beklagte keinesfalls gewillt war, die Besitzstandszulage länger als ein Jahr und parallel zu einer Erschwerniszulage zu zahlen. Dem Vortrag der darlegungsbelasteten Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass die Herren X., R. und L. eine entsprechende Übereinkunft erzielten. Es ist schon nicht verständlich, wieso Herr X. eine solche überhaupt anstrebte, wo es ihm doch allein um eine "nachvollziehbare Darstellung des Überleitungstarifvertrags", nicht jedoch um eine "neue Vereinbarung" ging (vgl. Blatt 5 des Beklagtenschriftsatzes vom 07.11.2016), und wenn doch eine Vereinbarung der Betriebsparteien angestrebt war, wieso das dann ohne ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats als Gremium möglich sein sollte. Überdies fehlt es an einer Schilderung des Gesprächswortlauts, der durch eine bloße Bezugnahme auf das dem Kläger nicht übersandte Protokoll nicht ersetzt werden kann. Nach Einschätzung der Kammer kann es nämlich so gewesen sein, dass im Gespräch am 08.05.2014 wohl von der Regelung des § 613a BGB, nicht aber explizit von "einem Jahr" die Rede war, Herr X. dies aber irrtümlich gleichgesetzt hat. Dafür spricht etwa der Vortrag der Beklagten in den Schriftsätzen vom 09.01.2017 und 10.02.2017 (dort Blatt 1 bzw. 3), es sei "immer nur um eine Absicherung der Mitarbeiter für den Zeitraum des § 613a BGB, also ein Jahr" gegangen. Einen solchen Automatismus beinhaltet die Veränderungssperre des § 613a Abs. 1 BGB indes nicht, und die Entgeltverringerung der T.-Mitarbeiter war auf Dauer angelegt. Soweit der Kläger schließlich die Aussage des Herrn X. zugestanden hat, er werde "das nicht machen für die paar Jahre", bezog sich dies allein auf die EDV-mäßige Abbildung der Stundenlöhne in den Lohnabrechnungen (vgl. Blatt 2 des Klägerschriftsatzes vom 28.11.2016).
(2)Sonstige Umstände machten einen Irrtum der Beklagten bei der Weitergewährung der Besitzstandszulage ebenfalls nicht erkennbar. Das gilt insbesondere für das Einsetzen der Zahlung einer Erschwerniszulage ab Mai 2015, die nach Darstellung der Beklagten mit dem Wegfall der Besitzstandszulage zeitlich einhergehen sollte. Beide Zahlungen verfolgten unterschiedliche Zwecke, wurden unterschiedlich bezeichnet, wiesen unterschiedliche Höhen auf (einer verstetigten Zahlung von 128,23 € standen zum Teil geringere variable Zahlungen in Zeiten von Urlaub und Krankheit gegenüber) und waren in unterschiedlichen Lohnabrechnungen enthalten, in denen jeglicher Hinweis auf eine gewollte Verknüpfung der Leistungen fehlte. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter die bei der Beklagten vergütete Erschwerniszulage ab April bzw. Mai 2014 auch nicht zwangsläufig vermissen mussten, weil sie so vorher bei der T. GmbH & Co. KG nicht gezahlt worden war. In Anbetracht der Komplexität der gesetzlichen Betriebsübergangsregelungen und des ÜTV, aber auch ihrer eigenen Abrechnungen hätte die Beklagte daher ihre Mitarbeiter detaillierter informieren müssen.
(3)Die Annahme einer betrieblichen Übung scheitert nicht daran, dass die Beklagte aus anderen Rechtsgründen zu einer befristeten Gewährung einer Besitzstandszulage verpflichtet war. Insbesondere musste die Beklagte ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs weder objektiv gemäß § 613a Abs. 1 BGB das Entgelt des Klägers auf das T.-Niveau anheben, noch hat sie an eine solche Verpflichtung geglaubt. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB greift nicht, weil sich der Kläger wegen der beiderseitigen Tarifbindung die Bestimmungen des ÜTV entgegen halten lassen muss, der vor dem Betriebsübergang vereinbart wurde und in Kraft trat mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auch lediglich mit dem dort geregelten Inhalt auf die Beklagte übergehen konnte. Für eine Fortgeltung günstigerer Arbeitsbedingungen gemäß § 613a Abs. 1 BGB - die die Beklagte mit ihrer Berufung ja gerade in Abrede stellt - ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, weil dem schriftlichen Arbeitsvertrag des Klägers zumindest im Hinblick auf die Vergütung eine Tarifdynamik entnommen werden kann, so dass auch insoweit eine inhaltliche Umgestaltung durch die Bestimmungen des ÜTV in Betracht kommt. Ebenfalls nicht erkennbar ist, dass die Beklagte gleichwohl geglaubt hat, sie müsse kraft Gesetzes das Monatsentgelt des Klägers aufstocken, weil ansonsten den Vorgaben des § 613a Abs. 1 BGB nicht genügend Rechnung getragen werde. Vielmehr glaubte sie an die Wirksamkeit des ÜTV, um deren Transparentmachung es den Betriebsparteien es am 08.05.2014 lediglich gegangen sei (vgl. Blatt 5 des Schriftsatzes vom 23.11.2016). Im Übrigen wäre es im Falle der Unwirksamkeit des ÜTV mit einer verstetigten Zahlung von 128,23 € brutto - und schon gar nicht für lediglich ein Jahr - nicht getan gewesen, weil die von den Arbeitnehmern hinzunehmende Einbuße im zeitlichen Verlauf nicht etwa gleich blieb, sondern durch das sukzessive Abschmelzen der anrechenbaren Besitzstandszulage I des § 4 ÜTV sogar größer wurde.
(4)Der Vorwurf der Treuwidrigkeit, die die Beklagte dem Kläger gegenüber erhebt, verhindert nicht, dass dieser sich auf die bestehende betriebliche Übung berufen kann. Dem Vortrag der Beklagten ist, wie oben erläutert, nicht zu entnehmen, dass der Kläger gewusst hat oder hat wissen müssen, dass die Zahlung der Besitzstandszulage lediglich für ein Jahr erfolgen sollte. Auf die Ausführungen unter oben (1) und (2) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
2.
Wegen der Berechtigung der Zinsforderung wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter Ziffer I.4.) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
II.
Der Kläger kann zudem Zahlung der Verzugspauschale von jeweils 40,00 € für die Monate Juli 2016 bis September 2016 gemäß § 288 Abs. 5 BGB verlangen.
1.
§ 288 Abs. 5 BGB ist auf Vergütungsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis anzuwenden. Die Kammer schließt sich insoweit der bisher einhelligen Auffassung der Landesarbeitsgerichte an.
Eine für den Bereich des Arbeitsrechts verdrängende analoge Anwendung des § 12a ArbGG kommt deswegen nicht in Betracht, weil es bereits bezüglich der Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Denn die Ausgestaltung durch die gesetzliche Neuregelung im Jahr 2014 stellt sich als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, die eine planwidrige Regelungslücke bereits im Ansatz ausschließt.
So spricht insbesondere auch der Wortlaut für eine Anwendung auch auf arbeitsrechtliche Entgeltansprüche. Eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht sieht der Wortlaut der Vorschrift in keiner Weise vor.
Darüber hinaus dient diese Vorschrift der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr und der deutsche Gesetzgeber hat mit dieser Norm die Vorgaben der Richtlinie bewusst übererfüllt. Hieraus lässt sich aufgrund einer historischen Auslegung der Vorschrift eindeutig schließen, dass ihr Anwendungsbereich auch im Arbeitsrecht eröffnet ist.
Ferner erscheint es nicht überzeugend, sondern im Gegenteil systemwidrig, wenn ein Arbeitnehmer bei verspäteter oder unvollständiger Zahlung des Arbeitsentgeltes zwar den gesetzlichen Verzugszins nach § 288 Abs. 1 BGB und ggfls. den weitergehenden Verzugsschaden nach § 288 Abs. 4 BGB geltend machen könnte, ihm jedoch der neue Pauschalschadensersatz nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB verwehrt bliebe. Denn diese Neuregelung knüpft systematisch gerade an die vorherigen Absätze des § 288 Abs. 5 und den gesetzlichen Verzugszins an (Grundsätze des LAG Niedersachsen, Urteil vom 20.04.2017 - 5 Sa 1263/16, AE 2017, 105; ebenso LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2017 - 15 Sa 1992/16, juris; ausführlich LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016 - 12 Sa 524/16, ArbR 2017, 47 und LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.2016 - 3 Sa 34/16, juris).
2.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 288 Abs. 5 BGB liegen vor.
a.
Die zahlungspflichtige Beklagte ist keine Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB. Sie befand sich zudem im Verzug. Sie hat die Nichtzahlung der Besitzstandszulagen im Sinne der §§ 286 Abs. 4, 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zu vertreten; insbesondere kann sie sich nicht darauf berufen, sie habe ohne Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt davon ausgehen dürfen, rechtlich nicht zur Fortzahlung der streitigen Zulage verpflichtet zu sein. An einen entschuldbaren Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Geltungsanspruch des Rechts erfordert im Grundsatz, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann. Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners, ist dieser entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Es müssen gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der vertretenen Rechtsmeinung sprechen. Dazu genügt etwa die Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BAG, Urteile vom 19.08.2015 - 5 AZR 975/13, NZA 2015, 1460; vom 16.09.2008 - 9 AZR 781/07, NZA 2008, 1285). Über derartige Anhaltspunkte verfügte die Beklagte hier nicht. In Anbetracht des gerichtlich noch keiner Prüfung unterzogenen Sachverhalts musste die Beklagte ohne weiteres damit rechnen, dass die Kläger ihren Rechtsstandpunkt zur Fortzahlung der Besitzstandszulage aufgrund betrieblicher Übung würden durchsetzen können. Soweit ersichtlich, hat in der Folge denn auch kein mit dem Sachverhalt befasstes Arbeitsgericht bzw. keine Kammer des Landesarbeitsgerichts zugunsten der Beklagten entschieden.
b.
Die Verzugspauschale von 40,00 € ist für jeden der Monate Juli, August und September 2016 erneut zu zahlen. Bei fehlerhafter oder unterlassener Abrechnung fällt sie in der Regel monatlich erneut an. Mit der Kostenpauschale soll auch der Ärger und die aufgewendete Arbeitszeit kompensiert werden. Die Besitzstandszulage von 128,23 € war monatlich zu zahlen; der Kläger musste entsprechende Kontrollen durchführen und für eine rechtzeitige Geltendmachung Sorge tragen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2017 - 15 Sa 1992/16, juris, Rdz. 20). Überdies bezweckt § 288 Abs. 5 BGB, den Druck auf potentiell säumige Zahler zu erhöhen, ihren Zahlungsverpflichtungen pünktlich und vollständig nachzukommen (LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016 - 12 Sa 524/16, aaO).
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, soweit die Beklagte zur Zahlung der Verzugspauschale des § 288 Abs. 5 BGB verurteilt wurde. Ansonsten war sie mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.
Putzier
van den Berg