15.09.2021 · IWW-Abrufnummer 224695
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 19.08.2021 – 8 Sa 1671/19
Das Verfälschen über das eigene Arbeitsverhältnis erstellter Abrechnungen zwecks Täuschung eines Kreditgebers kann die persönliche Eignung des Arbeitnehmers für die ihm übertragenen Aufgaben jedenfalls dann in Frage stellen, wenn im Rahmen einer kaufmännischen Tätigkeit gerade die Vertragsanbahnung zu den Arbeitsaufgaben gehört. Das Herstellen verfälschter Abrechnungen und deren Verwendung im Rechtsverkehr verletzt zugleich die gegenüber dem Arbeitgeber begründete Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB . Ein derartiges Verhalten kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 11. September 2019 - 6 Ca 326/19 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen eines streitigen außerdienstlichen Verhaltens.
Der 1992 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger, der über eine kaufmännische Ausbildung verfügt, war seit dem 1. Oktober 2016 bei der Beklagten als Kundenberater beschäftigt. Die Beklagte ist Vertriebspartnerin der A AG in der Mobilfunksparte. Sie betreibt bundesweit ca. 50 entsprechende Shops und hat insgesamt rund 150 Beschäftigte. Es ist ein Betriebsrat gewählt, der zum hier fraglichen Zeitpunkt unter dem Vorsitz des Zeugen C stand. Der Einsatz des Klägers erfolgte durchgängig im Shop D. Dem Arbeitsverhältnis lag der schriftliche, zunächst befristete Arbeitsvertrag vom 15. September 2016 (Bl. 17 ff d. A.) zugrunde, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Mit Vereinbarung vom 28. März 2017 (Bl. 24 d. A.) entfristeten die Parteien das Arbeitsverhältnis und erhöhten das monatliche Fixum auf 1.500,00 € brutto. Zuzüglich schwankender Verkaufs- und Bestandsprovisionen erzielte der Kläger zuletzt ein Monatseinkommen in Höhe von rund 2.500,00 € brutto.
Die Provisionsleistungen bezog der Kläger aus der Vermittlung oder Verlängerung von Mobilfunkverträgen an bzw. gegenüber Privatkunden, wozu auch die Ausgabe von im Shop vorrätigen hochwertigen Smartphones gehörte. Insoweit war es im Rahmen der Verkaufsgespräche Aufgabe des Klägers, die Identität der Kunden festzustellen und die zum Vertragsschluss erforderlichen persönlichen Daten aufzunehmen. Den entsprechenden Abschluss vollzog der Kläger, nach Datenprüfung durch das Mobilfunkunternehmen, eigenständig, teilweise aber auch unter Einbindung des örtlichen Shopleiters. Dieser war infolge der Arbeit in Schichten oder in Krankheitsfällen bzw. Urlaub jedoch nicht ständig anwesend, nahm dann aber nach Angaben des Klägers in regelmäßigen Intervallen Kontrollen der von diesem abgeschlossen Verträge vor.
Über die monatliche Vergütung erteilte die Beklagte dem Kläger detaillierte Abrechnungen, welche das Fixum und die einzelnen Provisionsbestandteile auswiesen. Insoweit wird exemplarisch auf die Abrechnung für Dezember 2017 (Bl. 48 d. A.) Bezug genommen, die sich über einen Gesamtbruttobetrag in Höhe von 2.935,85 € verhält. Mit der Erstellung der Abrechnungen war die Zeugin B befasst.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2019, bei der Beklagten eingegangen am 23. Januar 2019, wandte sich die Polizeibehörde L an die Beklagte und teilte mit, dass im Rahmen von Ermittlungen in einem Betrugsverfahren Gehaltsabrechnungen über das Arbeitsverhältnis des Kläger relevant wären, die zum Zwecke der Erlangung eines Darlehns vorgelegt worden seien. Diese Abrechnungen über die Monate Oktober bis Dezember 2017 ließen die Beklagte als Ausstellerin erkennen und verhielten sich über ein monatliches Festgehalt in Höhe von 4.440,00 € brutto (vgl. Abrechnung Dezember 2017, Bl. 49 d. A.). Insoweit sei zeugenschaftlich mitzuteilen, ob die fraglichen Abrechnungen von der Beklagten ausgestellt und inhaltlich korrekt seien. Deren Fälschung stehe im Raume.
In diesem Zusammenhang ist unstreitig, dass der Kläger gegen Ende des Jahres 2017 ein Wohngebäude erwerben und den Kauf nahezu vollständig finanzieren wollte. Ein Teilbetrag in Höhe von 50.400,00 € sollte dabei über ein Nachrangdarlehn der F Bank L abgedeckt werden. Diese Kreditanfrage lief über die E GmbH M als Vermittlerin, die wiederum von der primär zwecks Finanzierung angefragten Commerzbank als Untervermittler, dortiger Ansprechpartner G (N), eingebunden worden war. Die im Rahmen der Finanzierungsanträge gemachten Angaben zum Einkommen des Klägers weisen aus, dass dieser ein Nettoeinkommen in Höhe der gefälschten Abrechnungen bezieht. Außerdem ist dort zu den Einkommensverhältnissen seiner Ehefrau ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 1.526,00 € angegeben, obwohl diese zum damaligen Zeitpunkt schon seit geraumer Zeit ohne Beschäftigung war. Begleitend wurden fingierte Abrechnungen über das vorgetäuschte Arbeitsverhältnis der Ehefrau vorgelegt. Als sonstige Belastung ist in der Kreditanfrage zutreffend ein zuvor im Jahr 2017 vom Kläger bei der H-Bank in Anspruch genommenes Verbraucherdarlehn benannt, welches ursprünglich über 40.000 € valutierte und auf das er monatliche Raten in Höhe von 488 € zu zahlen hatte. Die unter den persönlichen und wirtschaftlichen Angaben und dem Finanzierungsangebot geleisteten Unterschriften lassen den Namenszug des Klägers erkennen.
Zu den Umständen der Finanzierungsanfrage hat sich der Kläger beim Arbeitsgericht im Gütetermin vom 29. März 2019 erstmals dahin eingelassen, dass die Falschangaben und Fälschungen eine vom ihm zwecks Krediterlangung eingeschaltete Mittelsperson begangen haben müsse, die er aufgrund einer Bedrohungslage nicht namentlich benennen könne. Später, im April 2019, hat er als solche den kurz zuvor verstorbenen I benannt. Diesen habe er im Oktober/November 2017 auf dem Parkplatz eines O-Markts in P getroffen, mit den erforderlichen Unterlagen versorgt und - gegen Vereinbarung einer Erfolgsprovision - mit den Finanzierungsformalitäten beauftragt. Erst später habe er erfahren, dass dieser schon zuvor bei entsprechenden Anfragen "getrickst" und Unterlagen verfälscht habe.
Am Arbeitsplatz am 28. Januar 2019 mit dem Vorwurf der Fälschung von Lohnabrechnungen konfrontiert, bestritt der Kläger gegenüber dem Shopleiter jede Kenntnis davon bzw. Beteiligung insoweit. Daran schloss sich eine sofortige Freistellung an.
Mit auf den 31. Januar 2019 datierenden Schreiben ihrer Geschäftsführer, welches der Kläger am 5. Februar 2019 per Einschreiben erhielt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstzulässigen Termin.
Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 11. Februar 2019 beim Arbeitsgericht Bielefeld anhängig gemachten Kündigungsschutzklage. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass ein tragfähiger Grund für eine Kündigung nicht vorliege. Die Fälschung der Abrechnungen sei ohne seine Beteiligung, sein Wissen oder seine Billigung erfolgt. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so sei durch die Verwendung der verfälschten Lohnabrechnungen für außerdienstliche Zwecke keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten begründet. Insbesondere habe die Beklagte keinen Schaden oder sonstige Nachteile erlitten, weshalb ihr die Vorsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar sei. Die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung lägen nicht vor. Der Kläger bestritt zudem, dass die Beklagte den Betriebsrat nach Ablauf und Inhalt ordnungsgemäß zur Kündigung angehört hat.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat behauptet, dass der Kläger die fraglichen Fälschungen selbst vorgenommen, mindestens aber von diesen gewusst habe und an der Herstellung jedenfalls beteiligt gewesen sei. Die Manipulation von auf das Arbeitsverhältnis bezogenen Dokumenten und deren Verwendung zu betrügerischen Zwecken gegenüber der F Bank hätten das Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers unwiederbringlich zerstört. Dieses sei angesichts der Vertrauensstellung, welche die Vermittlung und der Abschluss von Mobilfunkverträgen wegen des Umgangs mit und der Prüfung von persönlichen Kundendaten sowie der Verantwortung für hochpreisige Geräte der Vertragspartnerin mit sich bringe, für die weitere Arbeit im Shop jedoch unabdingbar. Soweit der Kläger seine Tatbeteiligung bestreite, handle es sich ersichtlich um ungeeignete Schutzbehauptungen. Aus der zwischenzeitlich eingesehenen Ermittlungsakte ergäben sich weitere konkrete Anhaltspunkte für eine Verantwortlichkeit des Klägers. Der Betriebsrat sei am 29. Januar 2019 ordnungsgemäß angehört worden und habe am 31. Januar 2019 mitgeteilt, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.
Mit Urteil vom 11. September 2019 - 6 Ca 326/19 - hat das Arbeitsgericht Bielefeld vollumfänglich nach dem Klageantrag erkannt. Die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beteiligung des Klägers an einer außerdienstlichen Straftat, deren Initiierung oder wissentliche Billigung stehe nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Soweit der Kläger auf die Verantwortlichkeit der von ihm benannten Mittelsperson I verweise, erscheine das Entlastungsvorbringen zwar nicht als vollends überzeugend, könne aber auch nicht als bloße Schutzbehauptung abgetan werden.
Den danach der Beklagten obliegenden Beweis einer Tatbeteiligung habe diese nicht zu führen vermocht. Auf die streitige Frage einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats komme es folglich nicht an.
Gegen dieses ihr am 17. September 2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Oktober 2019 Berufung eingelegt, die sie - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17. Dezember 2019 - mit innerhalb dieser Frist eingegangenem Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 unter Bezugnahme auf und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens begründet. So habe das Arbeitsgericht nicht ausreichend gewürdigt, dass der Umstand falscher klägerischer Angaben im Kontext der von ihm angefragten Immobilienfinanzierung ebenso feststehe, wie die begleitende Vorlage gefälschter Lohnabrechnungen zum Arbeitsverhältnis der Parteien. Das gesamte Verteidigungsvorbringen dazu sei bereits unglaubhaft und breche jedenfalls mit Blick auf die im Ermittlungsverfahren gewonnen Erkenntnisse in sich zusammen. Insbesondere sei insoweit auf das Schreiben des Klägers an die E GmbH vom 16. Januar 2018 zu verweisen, welches dieser auf eine entsprechende Nachfrage der F Bank persönlich verfasst und unterzeichnet habe. Seine dortige Falschangabe "Meine Frau ist Zahnmedizinische Fachangestellte in Festanstellung" lasse erkennen, dass der Kläger um die falschen Angaben genau gewusst und diese mindestens mitgetragen habe.
Zur Betriebsratsanhörung behauptet die Beklagte, dass die Zeugin B dem Zeugen C am Vormittag des 29. Januar 2019 das zu Blatt 178 in Kopie vorliegende Anhörungsschreiben, auf welches Bezug genommen wird, per E-Mail übermittelt habe. Ergänzend habe es am Vormittag des 29. Januar 2019 ein Telefonat zwischen dem Geschäftsführer K und dem Zeugen C gegeben. In dessen Rahmen habe der Geschäftsführer die Kündigungsgründe nochmals erläutert und dargestellt, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Blick auf die Stellung und die Arbeitsaufgaben des Klägers nicht vorstellbar sei. Der Zeuge C habe der Zeugin B sodann am 31. Januar 2019 telefonisch mitgeteilt, dass der Betriebsrat keine Stellungnahme abgeben werde. Eine entsprechende Bestätigung per E-Mail habe der Zeuge C am 4. Februar 2019 nachgereicht (Bl. 177 d. A.).
Im Laufe des zweitinstanzlichen Verfahrens haben die Parteien ausdrücklich unstreitig gestellt, dass das von der Zeugin B vorbereitete Kündigungsschreiben vom Geschäftsführer K am 2. Februar 2019 zur Post eingeliefert worden ist.
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Bezugnahme auf und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Das von der Beklagten angesprochene Schreiben an die E GmbH vom 16. Januar 2018 kenne er nicht. Auch könne er sich nicht daran erinnern, dieses unterschrieben zu haben. Die dem zeitlichen Ablauf nach weiterhin bestrittene Betriebsratsanhörung sei jedenfalls auch im Hinblick auf den mitgeteilten Kündigungssachverhalt unzureichend. Insbesondere habe die Beklagte entlastende Umstände nicht dargestellt, so etwa, dass er - was als solches unstreitig blieb - am 28. Januar 2019 gegenüber dem Shopleiter jedwede eigene Beteiligung an einer Fälschung von Abrechnungen negiert habe.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird ergänzend auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer war, verwiesen. Die Kammer hat die Prozessakte zu dem beim Amtsgericht Gütersloh geführten Strafverfahren erster Instanz (Az.: 3 DS-601 Js 1521/19) nebst Urteil vom 11. November 2020, wonach der Kläger wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit einem versuchten Betrug zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden ist, beigezogen und deren Inhalt in die mündliche Verhandlung eingeführt. Beigezogen wurde ebenfalls das Protokoll zum Verhandlungstermin über das vom Kläger insoweit zum Landgericht Bielefeld eingelegte Rechtsmittel (Az.: 06 NS-601 Js 1521/19-17/21) nebst Anlagen (Bl. 301 bis 306 d. A.). Das Rechtsmittelverfahren hat, nach dazu vom Gericht vorausgesetzter Beschränkung der klägerischen Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch in der am 11. Juni 2021 durchgeführten Verhandlung, mit Beschluss vom 14. Juni 2021 zu einer Einstellung gem. § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 € geführt. Nach begleitender Mitteilung der befassten Strafkammer zur angeforderten Entscheidung hatte eine dortige, am 9. Juni 2021 an die H-Bank gerichtete Anfrage ergeben, dass zu dem vom Kläger bei dieser im Juli 2017 in Anspruch genommenen Verbraucherkredit eine Abrechnung betreffend den Monat Juni 2017 vorgelegt worden ist (Bl. 306 d. A.), die ebenfalls unzutreffend ein Festgehalt des Klägers in Höhe von 4.440,00 € brutto monatlich und für das erste Halbjahr 2017 einen entsprechendes Gesamtbrutto ausweist.
Zum Ablauf und zum Inhalt der Betriebsratsanhörung hat die Berufungskammer Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen C und der Zeugin B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften über die Termine vom 30. November 2020 und vom 8. März 2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel der Beklagten ist zulässig und begründet.
I.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Ihr Rechtsmittel ist gem. § 64 Abs. 2c ArbGG an sich statthaft.
Sie hat die Berufung zudem unter Einhaltung der Vorgaben nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Kündigungsschutzklage ist als unbegründet abzuweisen, weil bereits die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 31. Januar 2019 rechtswirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Tag ihres Zugangs, dem 5. Februar 2019, aufgelöst hat. Die Kündigung erfolgte nach § 623 BGB formgerecht. Der Beklagten stand ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des mit dem Kläger begründeten Arbeitsverhältnisses zur Seite. Die Kündigungserklärungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten. Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.
1. Das Bestreben der Beklagten zur sofortigen Lösung vom Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine einseitige rechtsgestaltende Erklärung nach § 626 Abs. 1 BGB ist vom Kläger hinzunehmen, weil die Beklagte ihre außerordentliche Kündigungserklärung auf einen wichtigen Grund im Sinne der Norm stützen kann
a. Das Arbeitsverhältnis kann gem. § 626 Abs. 1 BGB von beiden Parteien aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dessen Fortsetzung auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Arbeitsgericht in der Ausgangsüberlegung angeschlossen hat und welcher auch die Berufungskammer folgt, ist zunächst zu klären, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", also typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - NZA 2019, S. 445 ff; BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - NZA 2011, S. 1342 ff; BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 451/09 - NZA 2010, S. 1227 ff [BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09]). Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist nur dann gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist (BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - NZA 2011, S. 1027 ff).
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes in diesem Sinne trägt die Partei, die sich des besonderen Kündigungsrechts aus § 626 Abs. 1 BGB berühmt (APS/Vossen, 6. Auflage 2021, § 626 BGB Rn 173 m. w. N.), hier demnach der Beklagte. Im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast sind dabei vom Kündigungsempfänger substantiiert vorgebrachte Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vom Kündigenden zu widerlegen (BAG, Urteil vom 17. März 2016 - 2 AZR 110/15 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 56; APS/Vossen, Rn 175 ff m. w. N.).
b. Außerdienstlich begangene Straftaten können das Arbeitsverhältnis zunächst insofern belasten, als sie nach objektiver Betrachtung geeignet sind, ernsthafte Zweifel an der Eignung des Arbeitnehmers für die ihm obliegende Tätigkeit zu begründen (APS/Vossen, 6. Auflage 2021, § 626 BGB Rn 80b m. w. N.). Aus einer wegen der Straftat anzunehmenden, funktionsabhängig zu beurteilenden Unzuverlässigkeit oder Ungeeignetheit des Arbeitnehmers kann insoweit ein personenbedingter wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB folgen (BAG, Urteil vom 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - NZA 2009, S. 671 ff m. w. N.). Voraussetzung ist - mit Einschränkungen vor allem im Bereich des öffentlichen Dienstes - regelmäßig, dass das außerdienstliche Verhalten das Arbeitsverhältnis konkret berührt, etwa im Kontext der Arbeitsleistung oder aber im Bereich des personalen Vertrauens (BAG, Urteil vom 17. Februar 1982 - 2 AZR 663/79 - zitiert nach juris). Die Frage der weiteren Eignung des Arbeitnehmers bestimmt sich dabei im Einzelfall unter Berücksichtigung der Art des begangenen Delikts und der konkreten Arbeitsaufgabe (BAG, Urteil vom 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - NZA 2014, S. 1197 ff m. w. N.). Die außerdienstlich begangene Straftat kann darüber hinaus einen schuldhaften Verstoß gegen das in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme im Dauerschuldverhältnis begründen. Davon ist auszugehen, wenn durch die Straftat zugleich berechtigte Interessen der Arbeitgeberseite verletzt werden (BAG, Urteil vom 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - NZA 2010, S. 220 ff).
c. Gemessen an diesen Maßstäben geht die Berufungskammer zunächst von einem an sich geeigneten Kündigungsgrund iSd. § 626 Abs. 1 BGB aus.
aa. Es steht nicht im Streit, dass im Kontext der Kreditanfragen zur Immobilienfinanzierung rund um die Jahreswende 2017/2108 falsche Angaben zu den Einkommensverhältnissen des Klägers gemacht worden sind und insoweit mehrere gefälschte Lohnabrechnungen über das mit der Beklagten begründete Arbeitsverhältnis vorgelegt wurden, um die Kreditgeberseite bei der Entscheidung über den Vertragsabschluss über die Bonität des Klägers bewusst zu täuschen.
bb. Soweit der Kläger behauptet, dies alles sei ohne seine Mitwirkung, sein Wissen bzw. seine Billigung erfolgt und allein dem von ihm bemühten Vermittler I anzulasten, vermag die Berufungskammer ihm nicht zu folgen, weil es sich nach ihrer Überzeugung um eine offensichtliche und durch aussagekräftige Indizien widerlegte Schutzbehauptung handelt. Dabei ist für die Kammer nicht entscheidend, wie genau das Verhalten des Klägers in strafrechtlicher Hinsicht einzuordnen ist und ob er die Fälschung der Abrechnungen aus eigennützigen Motiven und zu seinem Vorteil lediglich veranlasst hat oder er an der Herstellung der gefälschten Abrechnungen, etwa durch die Zulieferung der benötigten Daten, unmittelbar beteiligt war. Denn die Fälschungen wurden - gleich in welcher Variante sie entstanden sind - jedenfalls auf seine Initiative und zu seinem Vorteil erstellt, um seine potentiellen Vertragspartner vorsätzlich zu täuschen und in ihren Vermögensinteressen zu gefährden.
cc. Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren behauptet, der habe dem verstorbenen Vermittler I das gesamte Antragsverfahren und auch die Zusammenstellung der dazu benötigten Unterlagen überlassen, steht dies im Wiederspruch zu seiner späteren Einlassung im Strafverfahren. Ausweislich des Strafurteils erster Instanz hat sich der Kläger dort nämlich, allerdings erst nachdem der dortige Zeuge G bekundet hatte, der Kläger habe ihm den üblichen Abläufen entsprechend die Antragsunterlagen persönlich überbracht und nach einer Identitätsprüfung und einer Durchsicht auch in seinem Beisein unterzeichnet, eingeräumt, diesen im Kontext des Kreditantrags persönlich aufgesucht zu haben. Damit ist ein unauflöslicher Widerspruch zur klägerischen Einlassung begründet, der Vermittler I habe sich nach dem im Oktober/November 2017 auf dem Parkplatz geführten Gespräch um alles Weitere allein gekümmert.
Vielmehr war der geschäftserfahrene und kaufmännisch ausgebildete Kläger zeitlich danach unmittelbar in das Antragsverfahren eingebunden. Mit der Erläuterung und der Durchsicht von komplexen Vertragsunterlagen sowie dem Abschluss von Verträgen ist er durch die mehrjährige Tätigkeit im Mobilfunkvertrieb bestens vertraut. Er wusste daher genau um die Bedeutung und Tragweite zutreffender persönlicher Angaben bei der Vertragsanbahnung. Die Berufungskammer nimmt es dem Kläger daher schlicht nicht ab, dass er alle relevanten Vertragsunterlagen für ein zur persönlichen Lebensführung derart weitreichendes und zentrales Rechtsgeschäft - sei es im Büro G oder zuvor nach Vorlage durch den Vermittler I bei diesem - blind unterschrieben hat, keine auch nur grobe eigene Durchsicht vornahm und selbst evidente Falschangaben nicht bemerkt haben will.
Hinzu kommt, dass der Kläger die gegenüber der E GmbH am 16. Januar 2018 abgegebene Stellungnahme, seine Frau sei als zahnmedizinische Fachangestellte in Festanstellung tätig, nicht nachvollziehbar einzuordnen vermag. Denn es handelte sich insoweit ersichtlich um eine Antwort zu einer an ihn persönlich adressierten Anfrage der E auf seinen zeitlich vorausgehenden Kreditantrag, was neben den Daten der Einleitungssatz des Schreibens, "Ihre Anfrage zu meinem Kredit", erkennen lässt.
Mit der schlichten Behauptung, er könne sich insoweit nicht an ein Schreiben oder eine Unterschriftsleistung erinnern, kann der Kläger folglich keinen gegenüber einer willentlichen Perpetuierung des gegenüber den Kreditgebern aufgebauten Täuschungsszenarios alternativen und gleichermaßen plausiblen Geschehensablauf aufbauen. Denn die Anfrage und die Unterschriftsleistung erfolgten zeitlich denknotwendig nach dem Zeitpunkt, zu welchem er beim Vermittler I oder anderswo alle Unterlagen blindlings unterschrieben haben will.
Hinzu tritt, dass sich der gesamte, vom Kläger dargestellte Alternativverlauf im Kontext eines geplanten Immobiliengeschäfts - jedenfalls für eine geschäftserfahrene und kaufmännisch ausgebildete Person wie den Kläger - objektiv außerhalb der Lebenserfahrung und typischer Abläufe und Verhaltensmuster bewegt. Sein wiederholt angepasstes Vorbringen zielt ersichtlich darauf ab, eine belastbare Überprüfung der behaupteten Sachverhalte auszuschließen. So ist schon nicht nachvollziehbar, warum der Kläger bei jedenfalls engen wirtschaftlichen Voraussetzungen mit dem Vermittler I eine weitere Person einschaltete, die ebenfalls - zu seinen Lasten - einen wirtschaftlichen Vorteil aus den Geschäften erzielen wollte. Ein Treffen auf einem Kunden-Parkplatz zwecks Vertragsanbahnung und zur Übergabe wesentlicher Dokumente für ein Geschäft der vorliegenden Bedeutung befremdet. Während der vom Kläger benannte Zeuge J, der das dortige Gespräch begleitet haben soll, den Vermittler I unmittelbar als "Trickser" bei der Kreditanbahnung brandmarkte und von dessen Arbeit mit Fälschungen genau wusste, will der geschäftserfahrene Kläger diesem blindlings vertraut und dessen Schritte nicht einmal nachvollzogen haben.
Dazu tritt der Umstand, dass es sich dem Kläger aufgrund seiner Geschäftserfahrung aufgedrängt haben muss, aus nur einem Einkommen in Höhe von rund 2.500,00 €, gegenüber drei Familienangehörigen bestehenden Unterhaltspflichten und einer kurz zuvor bereits begründeten monatlichen Kreditbelastung in Höhe von rund 500 € monatlich, keine Immobilie zum Preis von ca. 260.000 € voll finanzieren zu können. Hinzu kommt letztlich der Gesichtspunkt, dass der Kläger den Vorteil aus den angestrebten Kreditgeschäften ziehen wollte, was eine entsprechende Motivlage begründet hat.
Bei Betrachtung dieser Umstände geht die Berufungskammer daher aufgrund eigener Gesamtwürdigung, im aber Ergebnis in Übereinstimmung mit der Würdigung der Strafrichterin erster Instanz, von einer täterschaftlichen Beteiligung des Klägers an einem Urkundsdelikt zum Nachteil der Beklagten und einem versuchten Betrug gegenüber der F Bank aus.
dd. Vor diesem Hintergrund kann es für die auch ohne diesen Umstand vollzogene Überzeugungsbildung der Berufungskammer dahinstehen, wie es im Rahmen des Kreditantrags an die H-Bank im ersten Halbjahr 2017 ebenfalls zur Vorlage einer gleichermaßen verfälschten Abrechnung, dort für den Monat Juni 2017, gekommen ist und ob das ohnehin schon nicht plausible Verteidigungsvorbringen des Klägers nicht jedenfalls damit zusammenbrechen muss, wobei es auf diesen Gesichtspunkt aber - wie ausgeführt - nicht tragend ankommt.
d. Das außerdienstliche Fehlverhalten stellt die Eignung des Klägers für die ihm bei der Beklagten obliegenden Aufgaben nachhaltig in Frage. Aufgabe des Klägers bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter war es, im Rahmen von Vermittlungsdienstleistungen für die A AG mit Kunden Vertragsgespräche zu führen, Vertragsmodalitäten zu erläutern, deren Identität und Daten korrekt zu erfassen und darüber letztlich - über die Provisionsleitung auch zum eigenen Vorteil - Vertragsabschlüsse zu genieren. Sein außerdienstliches Fehlverhalten ist genau in diesem Pflichtenkreis angesiedelt. Es betrifft das seröse, rücksichtsvolle und gesetzeskonforme eigene Verhalten bei der Anbahnung einer Vertragsbeziehung, wobei der Kläger entsprechende Pflichten unter Verletzung strafrechtlicher Normen, aus wirtschaftlichem Eigennutz und ohne Rücksicht auf die Interessenlage seiner Verhandlungspartner grob verletzt hat.
Dieses Fehlverhalten lässt objektiv auf die fehlende Eignung des Klägers rückschließen, bei den für die Beklagte zu führenden Vertragsverhandlungen deren Interessen wahren und dort dabei eben das Maß an Verlässlichkeit und Rechtstreue zu zeigen, welches er in vergleichbaren eigenen Angelegenheiten erheblich verletzt hat. Vielmehr steht angesichts des grob eigennützigen und bewusst fremdschädigenden Verhaltens des Klägers im Rahmen der Anbahnung der Immobilienfinanzierung zu befürchten, dass dieser - ebenfalls aus Eigennutz und zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil - auch bei den für die Beklagte zu führenden Vertragsgespräche bei Gelegenheit entsprechend zu deren Nachteil agieren wird. Es ist danach mit der Beklagten davon auszugehen, dass sich die weitere Eignung des Klägers für das Vertriebsgeschäft der Beklagten als erheblich zweifelhaft darstellt und angesichts der vom Kläger wahrzunehmenden Vermögensinteressen der Beklagten die zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensbeziehung zerstört ist.
Hinzu tritt, dass der Kläger - neben dem genannten personenbedingten Gesichtspunkt - mit seiner Beteiligung an der Verfälschung von Entgeltabrechnungen, welche die Beklagte über das Arbeitsverhältnis erstellen ließ, zugleich seine Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB schuldhaft verletzt hat. Denn die Beklagte ist Ausstellerin der Abrechnungen und hat ein schutzwürdiges Interesse daran, über die Verwendung vermeintlich von ihr erstellter, das Arbeitsverhältnis betreffender verfälschter Dokumente nicht selbst ins Zwielicht oder in Misskredit gebracht zu werden oder - in Verbindung damit - ggf. Haftungsrisiken ausgesetzt zu sein.
Außerdem ist durch die Verwendung der verfälschten Urkunden im Rechtskehr durch den Kläger dokumentiert, dass er die berechtigten Integritätsinteressen der Beklagten und deren Schutz vor Nachteilen ohne weiteres hinter seinem von krimineller Energie getragenen Eigennutz zurückzustellen bereit ist, was zugleich eine Wiederholungsgefahr impliziert.
e. Der Beklagten war es auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zuzumuten, unter Zurückstellung ihres berechtigten Interesses an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung als dem milderen Mittel zurückzugreifen, weshalb sie sich - nochmals abgestuft - insbesondere auch nicht auf eine zeitlich unbestimmte Fortsetzung der Zusammenarbeit unter Ausspruch einer Abmahnung verweisen lassen muss.
aa. Die Kündigung stellt sich - wie ausgeführt - aus der Sicht der Berufungskammer als personen- und zugleich verhaltensbedingte Kündigung dar. Die bis zur Kündigung rund dreijährige Dauer des Arbeitsverhältnisses verleiht dem Bestandsinteresse des Klägers noch kein besonders erhebliches Gewicht, darf bei der Interessenabwägung aber gleichwohl nicht unberücksichtigt bleiben. Der Kläger war zum Kündigungszeitpunkt 27 Jahre alt, was - zumal mit Blick auf die abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung und seine schon mehrjährige Berufserfahrung - keine besonderen Schwierigkeiten bei der Suche nach anderweitiger Beschäftigung am Arbeitsmarkt erwarten lassen sollte. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass gerade die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeignet ist, das Interesse des Klägers an alsbaldiger anderweitiger Beschäftigung und an beruflicher Weiterentwicklung zu gefährden. Dieser Gesichtspunkt sowie die Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie, die - wenngleich damit ein Umstand außerhalb des Arbeitsverhältnisses angesprochen ist - zugunsten des Klägers in die Abwägung eingestellt werden sollen und deren Erfüllung durch eine außerordentliche Kündigung eine Gefährdung erfährt, vermitteln dem Bestandsinteresse des Klägers hier ein durchaus relevantes Gewicht.
bb. Demgegenüber ist auf der Seite des Beendigungsinteresses in die Abwägung einzustellen, dass - obschon vorliegend nach der Vertragslage die gesetzlichen Kündigungsfristen zur Anwendung kommen - eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche Kündigung mit Blick auf § 102 Abs. 2 BetrVG faktisch erst zum 31. März 2019 möglich gewesen wäre, die Beklagte den Kläger also noch bis zu zwei Monate hätte beschäftigen müssen. Hinzu tritt, dass der festgestellte Eignungsmangel als außerordentlicher Kündigungsgrund in der Person des Klägers von diesem selbst aus grob eigennützigen Motiven herbeigeführt worden ist. Das Verfälschen von Abrechnungen und das auf Kreditbetrug gerichtete Verhalten des Klägers haben die zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensbeziehung in einem Kontext zerstört, der gerade in der Kundenberatung und den damit verbundenen Aufgaben, insbesondere den Abschluss von Verträgen, relevant ist. Hinzu kommt, dass das Nachtatverhalten des Klägers zunächst auf ein schlichtes Leugnen, dann auf die Verdeckung der eigenen Beteiligung und Verantwortung und bis zuletzt auf die Vernebelung der tatsächlichen Geschehnisse gerichtet war. Eine positive Fortführungsperspektive, auch nur bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist, war danach nicht zu stellen. Die Störung in der Vertrauensbeziehung war und ist durch eine Abmahnung nicht zu beseitigen, da das nunmehr feststehende Verhalten des Klägers selbige unter Berücksichtigung seiner konkreten Arbeitsaufgaben irreparabel zerstört hat.
cc. Entscheidend tritt für die Berufungskammer hinzu, dass der Kläger durch sein Fehlverhalten nicht nur einen nachhaltigen Eignungsmangel dokumentiert, sondern durch das bewusste und zielgerichtete Verändern auf das Arbeitsverhältnis bezogener Dokumente zugleich schutzwürdige Interessen der Beklagten und damit seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB schuldhaft verletzt hat. Der Kläger hatte angesichts seiner kaufmännischen Tätigkeit keinen objektiv begründbaren Anlass damit zu rechnen, dass ihm das Verfälschen von Abrechnungen im Rahmen einer Vertragsanbahnung und zum Zwecke des Kreditbetrugs von der Beklagten nachgesehen oder als nicht relevant eingestuft und es für das Arbeitsverhältnis folgenlos bleiben wird. Von einer Billigung, Hinnahme oder auch nur Relativierung dieses Verhaltens konnte er nicht ausgehen. Vielmehr musste sich ihm die dadurch veranlasste Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aufdrängen, deren Realisierung er nunmehr im Ergebnis des Abwägungsprozesses hinzunehmen hat.
2. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Bei Eingang der polizeilichen Anfrage am 23. Januar 2019 und Kündigungszugang am 5. Februar 2019 ist die dort normierte Zweiwochenfrist ersichtlich eingehalten.
3. Die Beklagte hat den Betriebsrat nach Ablauf und Inhalt gem. § 1 Abs. 1 u. 2 BetrVG ordnungsgemäß zur streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung angehört. Dies steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen und begleitender unstreitiger Umstände zur Überzeugung der Berufungskammer fest. Die vom Kläger reklamierte Unwirksamkeitsfolge nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG greift danach nicht.
a. Für die Berufungskammer steht zunächst fest, dass die Beklagte das Anhörungsverfahren mit E-Mail an den Zeugen C am 29. Januar 2019 gegen 8.30 Uhr eingeleitet hat. Dafür spricht zunächst der Ausdruck der vom Zeugen C am 4. Februar 2019 per E-Mail übermittelten Antwort (Bl. 177 d. A.), der sich erkennbar auf genau diese einleitende Nachricht bezieht. Ebenso datiert das Anhörungsschreiben selbst (Bl. 176 d. A.) auf den 29. Januar 2019. Die Zeugin B, welche die Nachricht auch nach Angaben des Zeugen C übermittelte, hat glaubhaft bekundet, diese Nachricht am 29. Januar 2019 selbst gefertigt und verschickt zu haben, wovon sie sich in Vorbereitung ihrer Vernehmung durch Blick in die von ihr bearbeiteten Personalunterlagen vergewissert habe, was plausibel ist. Der Zeuge C wiederum hat mit Blick auf die ihm im Beweistermin vorgehaltenen Ausdrucke (Bl. 177/178 d. A.) bestätigt, dass es sich dabei um die ihm von der Zeugin B zugeleitete E-Mail zur Einleitung des Anhörungsverfahrens sowie um seine Antwortmail handelt. Diese miteinander korrespondierenden Aussagen betten sich widerspruchsfrei in den äußeren Geschehensablauf im Übrigen ein und betreffen zunächst einmal nur das Verfahren selbst. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer von der Richtigkeit der insoweit übereinstimmenden Angaben beider Zeugen überzeugt, weil sie zudem mit erkennbar sicherem Erinnerungsvermögen jeweils eingebettet in einen nachvollziehbaren Kontext und mit dem spürbaren Willen um eine wahrheitsgemäße Darstellung der Abläufe beigetragen worden sind.
b. Erst nach Durchführung der Beweisaufnahme ist unstreitig geworden, dass der Geschäftsführer K das Kündigungsschreiben am Samstag, den 2. Februar 2019 persönlich zur Post eingeliefert hat. Danach steht bei schon festgestellter Einleitung des Anhörungsverfahrens am 29. Januar 2019 ebenso fest, dass sich die Beklagte der Kündigungserklärung erst nach Ablauf der dreitätigen Stellungnahmefrist gem. § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG entäußert hat. Denn zwischen der Einleitung des Anhörungsverfahrens und dem Versand des Kündigungsschreibens lagen mit dem 30. und 31. Januar sowie dem 1. Februar 2019 drei volle Werktage. Es kann daher, wozu zuvor umfänglich Beweis erhoben worden ist, dahinstehen, ob der Zeuge C gegenüber der Zeugin B bereits am 31. Januar 2019 telefonisch eine abschließende Stellungnahme abgegeben hatte, wovon die Berufungskammer allerdings ebenfalls überzeugt ist.
c. Die Beklagte hat das Anhörungsverfahren letztlich auch mit hinreichendem Inhalt eingeleitet.
aa. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber kündigt, ohne den Betriebsrat überhaupt beteiligt zu haben. Sie ist es vielmehr auch dann, wenn der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden ist, vor allem, wenn der Arbeitgeber seiner in § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG begründeten Informationspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist (BAG, Urteil vom 17. März 2016 - 2 AZR 182/15 - zitiert nach juris m. w. N.). Eine inhaltlich ordnungsgemäße Anhörung setzt voraus, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die den Kündigungsentschluss bestimmenden Gründe umfassend mitteilt (APS/Koch, 6. Auflage 2021, § 102 BetrVG Rn 88 m. w. N.).
Dabei gilt der Grundsatz der subjektiven Determinierung, wonach die den eigenen Entschluss tragenden Gründe umfassend anzugeben sind, woran es fehlt, wenn ein aus Arbeitgebersicht unrichtiger oder unvollständiger Sachverhalt dargestellt wird (BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - zitiert nach juris). Insoweit dürfen dem Arbeitgeber bekannte, bei objektiver Betrachtung für den kündigungsbetroffenen Arbeitnehmer günstige Umstände, etwa entlastende Gesichtspunkte, dem Betriebsrat nicht vorenthalten werden (APS/Koch, 21. Auflage 2021, § 102 BetrVG Rn 89). Der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt ist danach so genau zu umschreiben, dass der Betriebsrat in die Lage versetzt ist, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe selbst einzuschätzen und sich ein eigenes Bild zu machen (BAG, Urteil vom 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - zitiert nach juris).
bb. Diesen Anforderungen ist vorliegend durch die von der Beklagten am 29. Januar 2019 initiierte Anhörung genüge getan.
(1) Das Anhörungsschreiben gibt zunächst die Sozial- und Beschäftigungsdaten des Klägers zutreffend und vollständig wieder. Dort ist ausdrücklich benannt, dass eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung beabsichtigt ist. Es wird zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte durch Schreiben der Polizeibehörde L mit Eingang am 23. Januar 2019 Kenntnis von den dort gegen den Kläger geführten Ermittlungen erlangt hat. Angeführt wird weiter, dass einer vom Kläger nach Kredit angefragten Bank zu diesem Zweck Gehaltsabrechnungen zum Arbeitsverhältnis der Parteien vorgelegt worden sind. Ferner wird darauf hingewiesen, dass diese - nach eigener Prüfung - als Fälschungen identifiziert werden konnten. Daraus wird erkennbar der Vorwurf eines Vermögensdelikts des Klägers zulasten der angefragten Bank abgeleitet.
(2) Die Beklagte hat allein damit genau den tatsächlichen Kern ihres im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Kündigungssachverhalts zum Gegenstand der Anhörung gemacht, ohne diesen dabei im Rahmen der Anhörung schon in einer Weise substantiieren zu müssen, wie dies nach prozessualen Gesichtspunkten im Kündigungsschutzverfahren gefordert ist. Innerhalb des danach gesteckten Rahmens hat sie sich im vorliegenden Rechtsstreit bewegt und dabei den Kündigungssachverhalt weiter erläutert, nicht aber substantiell oder qualitativ verändert. Soweit der Kläger die Darstellung von Entlastungstatsachen verlangt, waren solche zum Anhörungszeitpunkt schlicht nicht vorhanden. Mit dem ebenso unwahrscheinlichen wie einfachen Bestreiten einer Beteiligung an den Fälschungen, welches der Kläger am 28. Januar 2019 gegenüber dem örtlichen Shopleiter vorgetragen hat, war kein objektiv zu seiner Entlastung geeigneter Gesichtspunkt verbunden. Inhaltlich, wenngleich unglaubhaft und letztlich widerlegt, zur Sache eingelassen hat sich der Kläger erstmals im Gütetermin, weshalb die Beklagte keinen subjektiv oder objektiv begründeten Anlass hatte, dem Betriebsrat für den Kläger günstige Umstände mitzuteilen, um die sie zum fraglichen Zeitpunkt nicht wusste.
(3) Nach Anhörung des Geschäftsführers K als Partei und unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen C steht - soweit man dies im Rahmen der Anhörung überhaupt verlangen will - zur Überzeugung der Berufungskammer darüber hinaus fest, dass die Beklagte in Person des Geschäftsführers den Zeugen C am 29. Januar 2019 aus eigener Initiative im Rahmen eines von ihr initiierten Telefonats ergänzend mündlich zum Kündigungssachverhalt informiert hat. So hat der Zeuge C, der sichtlich um Wahrheit bemüht war und vor allem durch den Zeitablauf bedingte Erinnerungslücken freimütig eingeräumt hat, bestätigt, dass es zu einer ergänzenden telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Geschäftsführer K und im Rahmen dieser zu einem ergänzenden Austausch zu den Kündigungsgründen gekommen ist. Wegen des Inhalts dieses Telefonats folgt die Kammer den Angaben des Geschäftsführers K mit aus dessen persönlicher Anhörung in der mündlichen Verhandlung nach § 286 Abs. 1 ZPO gebildeter Überzeugung dahin, dass dieser insbesondere die durch die Tat gestörte Vertrauensbeziehung zum Kläger und die Notwendigkeit einer solchen für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses betont hat. Denn aus der Anhörung hat die Kammer den festen Eindruck gewonnen, dass der Geschäftsführer, über die Fälschung der Abrechnungen noch immer spürbar empört, sich noch gut an die Geschehnisse im Januar 2019 erinnern konnte und sich hinsichtlich des in den Kläger gesetzten Vertrauens enttäuscht sah. Dies scheint für einen von genannten Fälschung betroffenen Arbeitgeber wegen der daraus folgenden Ausnahmesituation ohne weiteres als plausibel. Die Kammer ist daher auch davon überzeugt, dass im Kontext der Beteiligung des Betriebsrats der Gesichtspunkt des durch die Straftat zerstörten Vertrauens in der geschilderten Weise thematisiert worden ist.
4. Da bereits die außerordentliche Kündigung der Beklagten rechtswirksam ist, geht deren hilfsweise ordentliche Kündigung in Leere, womit sich Überlegungen zur Wirksamkeit dieser Kündigung erübrigen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG bestehen nicht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die keine grundsätzliche Bedeutung hat und die nicht auf einer Abweichung von sonstiger obergerichtlicher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung beruht.