27.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225498
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Beschluss vom 05.08.2021 – 3 Ta 45/21
1. Ein Rechtsstreit kann in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO auch dann ausgesetzt werden, wenn bezogen auf die streitentscheidende Norm ein Normenkontrollverfahren oder eine Verfassungsbeschwerde anhängig ist. Die Vorschrift will nach einhelliger Auffassung eine doppelte Prüfung derselben Frage in mehreren Verfahren verhindern. Das dient der Prozesswirtschaftlichkeit und der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen ( BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A) , Rn. 38; BAG 20. Mai 2010 - 6 AZR 481/09 (A) , Rn. 9).
2. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO nur möglich, wenn in Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot des § 9 Abs. 1 ArbGG eine Aussetzung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien angemessen erscheint. Dies ist bei der nach § 148 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Ermessenausübung anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ( BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A) , Rn. 44; BAG 16. April 2014 - 10 AZB 6/14 , Rn. 5).
3. Im Beschwerdeverfahren kann die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO nur darauf überprüft werden, ob ein Aussetzungsgrund im Sinne der Vorgreiflichkeit des anderen Rechtsstreits vorliegt und ob das Arbeitsgericht bei der Ausübung seines Ermessens dessen Grenzen eingehalten hat und auch sonst keine Ermessensfehler gegeben sind ( LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20 , Rn. 19; BGH 25. Juli 2019 - I ZB 82/18 , Rn. 39 mwN). Dabei ist die materiell-rechtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das erstinstanzliche Gericht nicht zu überprüfen. Deren Überprüfung bleibt einem etwaigen späteren Rechtsmittelverfahren gegen die Sachentscheidung vorbehalten ( BAG 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09 , Rn. 9; LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20 , Rn. 19; BGH 25. Juli 2019 - I ZB 82/18 , Rn. 38). Dies gilt jedenfalls, soweit das Arbeitsgericht die Sach- und Rechtslage nicht offensichtlich verkannt hat (vgl. BAG 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09 , Rn. 9; LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20 , Rn. 19).
4. Bei einer fehlerhaften Ermessensausübung darf das Beschwerdegericht die Aussetzungsentscheidung lediglich aufheben. Dies gilt auch dann, wenn das erstinstanzliche Gericht sein Ermessen nicht oder nur ungenügend ausgeübt hat. Darin liegt ein zur Aufhebung der Aussetzungsentscheidung führender Ermessensfehler ( LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20 , Rn. 19; BGH 25. Juli 2019 - I ZB 82/18 - Rn. 39 mwN). Das Beschwerdegericht darf sein Ermessen nicht an die Stelle des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens setzen ( Hessisches LAG 31. Mai 2021 - 15 Ta 34/21 , Rn. 21; Zöller/Greger, ZPO 33. Auflage § 252 Rn. 3). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist ( LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20 , Rn. 19; BGH 25. Juli 2019 - I ZB 82/18 - Rn. 39 mwN). Entsprechendes gilt bei Zurückweisung eines Aussetzungsantrages.
5. Eine Aussetzung kommt in der Regel erst in Betracht, wenn das Verfahren "ausgeschrieben" ist ( LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20 , Rn. 24). Erst dann kann die Vorgreiflichkeit festgestellt werden.
6. Die Aussetzung kann im erstinstanzlichen Verfahren anders zu beurteilen sein als im Berufungsverfahren.
7. Bei einer Aussetzung wegen einer anhängigen Verfassungsbeschwerde ist auch deren Befristung in Betracht zu ziehen.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des beklagten Landes wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 22. April 2021 - 4 Ca 2529/19 E - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 25. Mai 2021 aufgehoben (berichtigt gemäß Beschluss vom 09. September 2021).
Die erforderliche Anordnung wird dem Vorsitzenden der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Magdeburg übertragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin, die über eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Schreibtechnik verfügt, ist bei dem beklagten Land seit dem 30. September 1991 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen der Länder (TV-L) in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung sowie die Entgeltordnung zum TV-L (TV-L EntgeltO) Anwendung.
Seit dem 12. Juni 2006 ist die Klägerin gemäß Mitteilung des beklagten Landes vom 05. September 2006 (Anlage K13 zur Klageschrift) als "Geschäftsstellenverwalterin einer großen und einer kleinen Strafkammer - Serviceeinheit" tätig. In der "Tätigkeitsdarstellung und -bewertung" vom 04. September 2006 (Anlage K14 zur Klageschrift) ist die Tätigkeit als "Serviceeinheit in Strafsachen" bezeichnet. Nach der Tätigkeitsbewertung (Anlage K14 zur Klageschrift) des beklagten Landes soll sich die Tätigkeit aus sechs Arbeitsvorgängen zusammensetzen und nach der damaligen Vergütungsgruppe VII (Fallgruppe (Fg) 1a Teil II BAT-O) zu bewerten sein, da nur vier Arbeitsvorgänge mit einem Zeitanteil von insgesamt 15 % der Gesamtarbeitszeit die Anforderungen an "schwierige Tätigkeiten" im Sinne der damaligen Protokollnotizen 2b, 2c, 2g und 2h erfüllen sollen.
Aufgrund der Erfüllung der neunjährigen Bewährungszeit erhielt die Klägerin seit dem 01. Juni 2012 Vergütung nach der Vergütungsgruppe VIb BAT-O (Fg 1b Teil II BAT-O). Zum 01. November 2006 erfolgte die Überleitung in die Entgelttruppe 6 TV-L.
Mit ihrer Klage vom 23. September 2019 begehrt die Klägerin nach erfolgloser vorprozessualer Geltendmachung die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes, sie für die Zeit vom 01. Februar 2018 bis 31. Dezember 2018 nach der Entgeltgruppe 9 TV-L und ab dem 01. Januar 2019 nach der Entgeltgruppe 9a TV-L zu vergüten.
Sie ist unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Februar 2018 (4 AZR 816/18) der Ansicht, dass allen dreizehn Einzeltätigkeiten (Aufstellung Seite 9 der Klageschrift) nur ein Arbeitsvorgang zugrunde liege. Darin enthalten seien u. a. die Bearbeitung von Sachstandsanfragen und Auskunftsersuchen, die Beglaubigung von gerichtlichen Schreiben, die Erteilung von Bescheinigungen, Vollstreckungsklauseln und Verkündungsvermerken sowie die Verteilung der neu eingegangenen Verfahren entsprechend des Geschäftsverteilungsplans und die Feststellung des zuständigen Richters. Diese Tätigkeiten seien als "schwierig" im tariflichen Sinne zu bewerten und machten insgesamt einen Zeitanteil von 13 % an der Gesamtarbeitszeit aus. Daraus ergebe sich, dass in diesem einen Arbeitsvorgang in rechtserheblichem Umfang schwierige Tätigkeiten im Sinne der Entgeltgruppen 9 bzw. 9a TV-L anfielen, sodass der Arbeitsvorgang insgesamt dieses tarifliche Heraushebungsmerkmal erfülle. Selbst wenn die Protokollführung mit einem Zeitanteil von 20 % unberücksichtigt bliebe, ändere dies nichts an der Eingruppierung.
Das beklagte Land ist demgegenüber der Ansicht, dass die Tätigkeiten nicht zu einem großen Arbeitsvorgang zusammenzufassen seien. Zudem seien nach seiner Auslegung die von der Klägerin als "schwierig" im tariflichen Sinne bewerteten Tätigkeiten tatsächlich nicht als schwierig anzusehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Seiten 9 bis 14 - insbesondere 9 und 11 - der Klageerwiderung vom 23. Januar 2020 Bezug genommen.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit zwei Entscheidungen vom 09. September 2020 (4 AZR 195/20 und 4 AZR 196/20) Klagen von Beschäftigten in Serviceeinheiten bei einem Amtsgericht auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a Teil II Abschnitt 12.1 der Entgeltordnung zum TV-L stattgegeben und in Fortführung der Entscheidung vom 28. Februar 2018 (4 AZR 816/18) zur Begründung seiner Auffassung, dass die gesamte Tätigkeit der Serviceeinheit an dem Amtsgericht einen Arbeitsvorgang ausmache, darauf abgestellt, dass die Tarifvertragsparteien die Tätigkeit als Beschäftigte in einer Serviceeinheit zum Tätigkeitsmerkmal erhoben und damit klargestellt hätten, dass alle in dieser Funktion auszuübenden Tätigkeiten insgesamt einheitlich zu bewerten und als ein Arbeitsvorgang anzusehen seien, soweit sie nicht für bestimmte Tätigkeiten spezielle Tätigkeitsmerkmale geschaffen hätten (BAG 09. September 2020 - 4 AZR 195/20 und 4 AZR 196/20 - jeweils Rn. 41). Diese Auslegung entspräche dem in den tariflichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien (BAG 09. September 2020 - 4 AZR 195/20 und 4 AZR 196/20 - jeweils Rn. 44 ff.). Sowohl das dort beklagte Land als auch die Tarifgemeinschaft der Länder haben gegen die beiden am 18. Januar 2021 zugestellten Urteile am 18. Februar 2021 Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG eingelegt (1 BvR 328/21). Zur Begründung machen sie geltend, das Bundesarbeitsgericht greife mit diesen Entscheidungen in den sachlichen Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ein, weil es durch seine Auslegung des § 12 TV-L in Verbindung mit der Entgeltordnung Anlage A zum TV-L den Inhalt des Verhandlungsergebnisses der Tarifvertragsparteien verändere und diese durch eine eigene, im Wege der Rechtsfortbildung geschaffene Regelung ersetze. Auch sei der sachliche Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 2 und 3 GG betroffen, weil das Bundesarbeitsgericht bei der Auslegung des Tarifvertrages die sich spezifisch im Bereich der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebenden Grenzen zulässiger Auslegung überschritten habe.
Das beklagte Land hat unter Hinweis auf die eingelegte Verfassungsbeschwerde und das Vorliegen 78 weiterer Höhergruppierungsanträge im Bezirk des Landgerichts Magdeburg die Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts beantragt. Die Klägerin hat dessen Zurückweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens mit Beschluss vom 22. April 2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen einer Aussetzung nach § 148 ZPO seien nicht gegeben. Seine unmittelbare Anwendung scheitere bereits daran, dass die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängig sei, das Gegenstand eines anderen Verfahrens sei. Eine Aussetzung in analoger Anwendung von § 148 ZPO wegen der anhängigen Verfassungsbeschwerden komme nicht in Betracht. Soweit ein Gericht eine Norm eines formellen Gesetzes für verfassungswidrig erachte, sei es verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen. Halte das Gericht die Vorschrift für verfassungsgemäß, müsse es sie anwenden. Gemessen hieran sei entgegen der Ansicht des beklagten Landes sowohl hinsichtlich der Begriffsbestimmung des Arbeitsvorganges als auch des Verhältnisses der Entgeltgruppen 6 bis 9 bzw. 9a TV-L eine Verfassungswidrigkeit nicht ersichtlich. Auch im Hinblick auf die insgesamt 79 Höhergruppierungsbegehren sei der Rechtsstreit nicht aus prozessökonomischen Gründen auszusetzen, da § 148 ZPO keine allgemeine Ermächtigung enthalte, die Verhandlung eines Rechtsstreits zur Abwendung einer vermeidbaren Mehrbelastung des Gerichts auszusetzen.
Gegen den ihm am 30. April 2021 zugestellten Beschluss hat das beklagte Land mit dem am 10. Mai 2021 per Fax und am 17. Mai 2021 im Original bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 06. Mai 2021 sofortige Beschwerde eingelegt und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. September 2020 (6 AZR 136/19 (A)) geltend gemacht, dass eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits in analoger Anwendung von § 148 ZPO auch dann möglich sei, wenn bezogen auf die die streitentscheidende Norm ein Normenkontrollverfahren oder eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig sei. Sinn und Zweck der Vorschrift sei nach einhelliger Auffassung, eine Doppelüberprüfung derselben Frage in mehreren Verfahren zu verhindern. Das diene der Prozesswirtschaftlichkeit und der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen. So liege der Fall auch hier. Im vorliegenden Verfahren seien dieselben Rechtsfragen zu beantworten wie in den den Verfassungsbeschwerden zugrundeliegenden Urteilen des Bundesarbeitsgerichts. Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 25. Mai 2021 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorlegt, da sie neues, rechtserhebliches Vorbringen nicht enthalte.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen beider Instanzen ergänzend Bezug genommen.
B. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.
I. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist das nach § 252, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel und gemäß § 78 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 569 Abs. 1 und 2 ZPO form- und fristgerecht innerhalb der Zwei-Wochenfrist bei dem Arbeitsgericht Landesarbeitsgericht eingelegt worden.
II. Sie ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg ist aufzuheben. Das Arbeitsgericht hat sein Ermessen nur unzureichend ausgeübt. Darin liegt ein zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung führender Ermessensfehler. Dem Arbeitsgericht sind deshalb die erforderlichen Anordnungen gemäß § 572 Abs. 3 ZPO zu übertragen.
1. Nach § 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus. Vorgreiflichkeit ist insbesondere gegeben, wenn in einem anderen Rechtsstreit eine Entscheidung ergeht, die für das auszusetzende Verfahren materielle Rechtskraft entfaltet oder Gestaltungs- bzw. Interventionswirkung erzeugt. Der Umstand, dass in dem anderen Verfahren über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, von deren Beantwortung die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ganz oder teilweise abhängt, rechtfertigt die Aussetzung der Verhandlung nicht. Anderenfalls würde das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozessparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigt. Eine Aussetzung allein aus Zweckmäßigkeitsgründen sieht das Gesetz nicht vor (vgl. zum Ganzen: BAG 28. Juni 2021 - 4 AZR 324/20 (A) - nv., Rn. 7; BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 35; BGH 27. Juni 2019 - IX ZB 5/19, Rn. 7 mwN).
2. Wenn eine solche Vorgreiflichkeit nicht besteht, kann § 148 Abs. 1 ZPO über seinen Wortlaut hinaus auf vergleichbare Fallgestaltungen entsprechend angewendet werden.
a) Dies gilt nicht nur, um eine Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV vorzunehmen (vgl. nur: BAG 30. Januar 2019 - 10 AZR 299/18 (A), Rn. 114), selbst wenn die Vorlage an den Gerichtshof in einem anderen Rechtsstreit erfolgt ist (BAG 20. Mai 2010 - 6 AZR 481/09 (A), Rn. 7 ff.), sondern auch, wenn bezogen auf die streitentscheidende Norm ein Normenkontrollverfahren oder eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Die entsprechende Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO ist bei einer Vorlage an den Gerichtshof durch eine gleichartige Interessenlage gerechtfertigt. Die Vorschrift will nach einhelliger Auffassung eine doppelte Prüfung derselben Frage in mehreren Verfahren verhindern. Das dient der Prozesswirtschaftlichkeit und der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen (BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 38; BAG 20. Mai 2010 - 6 AZR 481/09 (A), Rn. 9). Die entsprechende Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO ist durch die Einfügung von § 148 Abs. 2 ZPO nicht ausgeschlossen (BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 39 ff.).
b) Jedoch kommt eine gleichsam automatische Aussetzung der Verhandlung in Parallelverfahren nicht in Betracht. Zu berücksichtigen ist, dass Vorlagen an den Gerichtshof oder Normenkontrollverfahren durch die Fachgerichte eingeleitet werden, während demgegenüber die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG als außerordentlicher Rechtsbehelf durch die unterlegene Partei eingelegt wird. Anderenfalls könnte die unterlegene Partei durch die bloße Einlegung der Verfassungsbeschwerde in einem durch die Fachgerichtsbarkeit bereits letztinstanzlich entschiedenen Verfahren die Aussetzung in zahlreichen Parallelverfahren herbeiführen. Eine solche Wirkung kann der Verfassungsbeschwerde, die die Rechtskraft des angegriffenen Urteils nicht hemmt (BVerfG 18. Januar 1996 - 1 BvR 2116/94, zu B der Gründe), nicht beigemessen werden (BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 43).
c) Andererseits kann bei parallel gelagerten Fällen eine einzelne Verfassungsbeschwerde ausreichen, um eine umfassende Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen. Das ist der Fall, wenn weitere zu erwartende Verfassungsbeschwerden nicht zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage für das Bundesverfassungsgericht führen und das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht beschleunigen würden. Zahlreiche weitere Verfassungsbeschwerden in Parallelverfahren würden im Gegenteil nur zu einer unnötigen Belastung des Bundesverfassungsgerichts führen und könnten im Extremfall die Funktionsfähigkeit des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde, das auch dem Ziel dient, das objektive Verfassungsrecht zu wahren, auszulegen und fortzubilden (BVerfG 13. April 2010 - 1 BvR 216/07, Rn. 35; BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 44), gefährden (zum Gedanken der Schonung der Ressourcen des höherrangigen Gerichts vgl. BGH 24. Januar 2012 - VIII ZR 158/11, Rn. 9).
d) In diesem Spannungsfeld ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO nur möglich, wenn in Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot des § 9 Abs. 1 ArbGG eine Aussetzung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien angemessen erscheint. Dies ist bei der nach § 148 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Ermessenausübung anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 44; BAG 16. April 2014 - 10 AZB 6/14, Rn. 5). Zur Vermeidung einer überlangen Verfahrensdauer bedarf es einer Einschätzung der Gesamtdauer des Verfahrens (vgl. BVerfG 5. August 2013 - 1 BvR 2965/10, Rn. 20; BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 45). Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist stets im Lichte der aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, zu beurteilen (BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 45; BGH 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, Rn. 27 mwN). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt dabei allerdings ebenso wenig wie das Bundesverfassungsgericht feste Fristen vor, sondern stellt auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ab (BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 45; BAG 13. Dezember 2017 - 5 AZA 84/17 - Rn. 6).
3. Nach diesen Grundsätzen ist die Vorgreiflichkeit nicht gegeben, weil es sich bei den Verfahren, deren Entscheidung mit der Verfassungsbeschwerde angriffen wird, um unabhängige Rechtsstreitigkeiten handelt und lediglich die zu entscheidenden Rechtsfragen parallel gelagert sind.
4. Die Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO kann jedoch nicht mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung abgelehnt werden.
a) Das Arbeitsgericht stellt maßgeblich darauf ab, dass eine Aussetzung wegen der anhängigen Verfassungsbeschwerden nicht in Betracht komme, weil ein Gericht, das eine Norm eines formellen Gesetzes für verfassungswidrig erachte, verpflichtet sei, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen. Halte das Gericht die Vorschrift für verfassungsgemäß, müsse es sie anwenden. Gemessen hieran sei entgegen der Ansicht des beklagten Landes sowohl hinsichtlich der Begriffsbestimmung des Arbeitsvorganges als auch des Verhältnisses der Entgeltgruppen 6 bis 9 bzw. 9a TV-L nicht ersichtlich.
b) Das Arbeitsgericht übersieht nicht nur, dass vorliegend gar kein Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist, sondern eine Individualverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und dass für die der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegende Problematik der Auslegung und Anwendung der tariflichen Eingruppierungsvorschriften des TV-L und des TV EntgeltO schon mangels Vorliegens eines Gesetzes ein Normenkontrollverfahren nicht in Betracht kommt, sondern auch, dass nach der zutreffenden Entscheidung des BAG vom 10. September 2020 (6 AZR 136/19 (A)), auf die das beklagte Land zu Recht verwiesen hat, nach den dargelegten Grundsätzen eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO möglich ist.
c) Demzufolge hat das Arbeitsgericht auch nicht die nach den vorgenannten Grundsätzen und Kriterien erforderliche Interessenabwägung umfassend vorgenommen.
5. Das führt zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an das Arbeitsgericht.
a) Im Beschwerdeverfahren kann die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO nur darauf überprüft werden, ob ein Aussetzungsgrund im Sinne der Vorgreiflichkeit des anderen Rechtsstreits vorliegt und ob das Arbeitsgericht bei der Ausübung seines Ermessens dessen Grenzen eingehalten hat und auch sonst keine Ermessensfehler gegeben sind (LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20, Rn. 19; BGH 25. Juli 2019 - I ZB 82/18, Rn. 39 mwN). Dabei ist die materiell-rechtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das erstinstanzliche Gericht nicht zu überprüfen. Deren Überprüfung bleibt einem etwaigen späteren Rechtsmittelverfahren gegen die Sachentscheidung vorbehalten (BAG 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09, Rn. 9; LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20, Rn. 19; BGH 25. Juli 2019 - I ZB 82/18, Rn. 38). Dies gilt jedenfalls, soweit das Arbeitsgericht die Sach- und Rechtslage nicht offensichtlich verkannt hat (vgl. BAG 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09, Rn. 9; LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20, Rn. 19).
b) Bei einer fehlerhaften Ermessensausübung darf das Beschwerdegericht die Aussetzungsentscheidung lediglich aufheben. Dies gilt auch dann, wenn das erstinstanzliche Gericht sein Ermessen nicht oder nur ungenügend ausgeübt hat. Darin liegt ein zur Aufhebung der Aussetzungsentscheidung führender Ermessensfehler (LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20, Rn. 19; BGH 25. Juli 2019 - I ZB 82/18 - Rn. 39 mwN). Das Beschwerdegericht darf sein Ermessen nicht an die Stelle des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens setzen (Hessisches LAG 31. Mai 2021 - 15 Ta 34/21, Rn. 21; Zöller/Greger, ZPO 33. Auflage § 252 Rn. 3). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist (LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20, Rn. 19; BGH 25. Juli 2019 - I ZB 82/18 - Rn. 39 mwN).
c) Nach diesen Grundsätzen ist der angefochtene Beschluss in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses abzuändern und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht nach § 572 Abs. 3 ZPO zurückzuverweisen. Das Ermessen ist nicht auf Null reduziert.
aa) Die Zurückverweisung ist zunächst schon deshalb erforderlich, da das Arbeitsgericht die Vorgreiflichkeit prüfen muss. Dazu genügt es entgegen der Ansicht des beklagten Landes nicht, auf die Verfassungsbeschwerde zu verweisen. Eine Vorgreiflichkeit besteht nur, soweit die Klage begründet ist. Ist sie hingegen schon aus anderen Gründen abzuweisen, kommt es auf die Verfassungsbeschwerde schon nicht an. Deshalb kommt eine Aussetzung in der Regel erst in Betracht, wenn das Verfahren "ausgeschrieben" ist (LAG Berlin-Brandenburg 25. November 2020 - 21 Ta 1223/20, Rn. 24). Im Streitfall haben die Parteien zwar schon ausführlich schriftsätzlich vorgetragen. Das beklagte Land hat sich jedoch insbesondere mit der Klageerwiderung nicht darauf beschränkt, abweichend von den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts geltend zu machen, dass die von der Klägerin auszuübenden Tätigkeiten zu einem großen Arbeitsvorgang zusammenzufassen sind, sondern darüber hinaus auch die Ansicht vertreten, dass die Tätigkeiten jedenfalls nicht als "schwierig" im tariflichen Sinne anzusehen seien. Träfe dies zu, wäre die Klage schon aus diesem Grunde abzuweisen, ohne dass auf die Verfassungsbeschwerde ankäme.
bb) Sollte das Arbeitsgericht die Vorgreiflichkeit bejahen, so muss es die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen mit dem Beschleunigungsgebot des § 9 Abs. 1 ArbGG unter angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Parteien gegeneinander abwägen (BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 45).
(1) Für die Aussetzung spricht bei Feststellung der Vorgreiflichkeit, dass - insbesondere bei einer zeitlich befristeten Aussetzung - die Gefahr eines Verfalls der von ihr geltend gemachten Ansprüche nicht besteht, da nach § 37 Abs. 1 Satz 2 TV-L für denselben Sachverhalt zur Wahrung der Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen die einmalige Geltendmachung genügt (vgl. BAG 28. Juni 2021 - 4 AZR 324/20 (A), Rn. 13). Auch würde eine Aussetzung der Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO keinen Stillstand des Verfahrens nach § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB herbeiführen (BAG 28. Juni 2021 - 4 AZR 324/20 (A), Rn. 13).
(2) Ebenfalls für die Aussetzung könnte die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sprechen.
(a) Jedoch ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass gegen eine klagestattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts für das beklagte Land bei dem zugrunde zu legenden Streitwert zulassungsunabhängig noch das Rechtsmittel der Berufung gegeben ist (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG).
(b) Demgegenüber wäre bei einer auf der Grundlage der nunmehr mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfolgenden klagestattgebenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts voraussichtlich mangels Revisionszulassung nur noch die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, die jedoch - wie die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 04. März 2021 (5 Sa 925/20 E) durch das Bundesarbeitsgericht (BAG 01. Juni 2021 - 4 AZN 220/21) zeigt - keinen Erfolg haben dürfte, und der außerordentliche Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde gegeben. In diesem Zusammenhang dürfte auch einiges dafür sprechen, dass weitere Verfassungsbeschwerden nicht zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage für das Bundesverfassungsgericht führen und das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht beschleunigen würden (vgl. BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 48; BAG 28. Juni 2021 - 4 AZR 324/20 (A), Rn. 11), sondern im Gegenteil zu einer Mehrbelastung des Bundesverfassungsgerichts führen würde (vgl. BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A), Rn. 44; BAG 28. Juni 2021 - 4 AZR 324/20 (A), Rn. 11). Dies spricht dafür, dass die Frage der Aussetzung im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren mit guten Gründen unterschiedlich beantwortet werden kann.
(3) Weiter bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen ist die Einschätzung der Verfahrensdauer, die vorliegend gegen die Aussetzung sprechen könnte.
(a) Die Klage datiert vom 23. September 2019 und betrifft Vergütungsansprüche für den Zeitraum seit dem 01. Februar 2018. Bei einer auch nur befristeten Aussetzung bis zum
30. September 2022 (LAG Sachsen-Anhalt 13. Juli 2021 - 5 Sa 350/20 E zur Aussetzung eines Berufungsverfahrens) oder 31. Dezember 2022 (BAG 28. Juni 2021 - 4 AZR 324/20 (A), Rn. 9 zur Aussetzung eines Revisionsverfahrens) würde allein das erstinstanzliche Verfahren drei Jahre in Anspruch nehmen.
(b) Zudem dürfte aufgrund der Klageerwiderung damit zu rechnen sein, dass auch bei einer Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde von dem beklagten Land Berufung gegen eine klagestattgebende Entscheidung eingelegt werden wird, sodass noch die Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung sowie mindestens ein Jahr für das Berufungsverfahren hinzuzurechnen wären.
(c) In die Abwägung mit einzubeziehen ist auch, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG 28. Juni 2021 - 4 AZR 324/20 (A), Rn. 9, 12) und auch das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt in den bei ihnen bereits anhängigen Revisions- bzw. Berufungsverfahren nur eine befristete Aussetzung (LAG Sachsen-Anhalt 13. Juli 2021 - 5 Sa 350/20 E) bis zum 31. Dezember 2022 bzw. 30. September 2022 vorgenommen haben und ein Kammertermin im Berufungsverfahren voraussichtlich auch nicht vor dem 30. September 2022 stattfinden könnte, das Verfahren dann in jedem Fall ausgeschrieben wäre und dann das Landesarbeitsgericht entscheiden könnte, ob es das Berufungsverfahren aussetzt, sofern das Verfassungsbeschwerdeverfahren noch nicht beendet sein sollte.
(4) Soweit das beklagte Land auf 78 weitere allein im Bezirk des Landgerichts Magdeburg erfolgte Höhergruppierungsanträge und damit Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit und Kostenbelastung verweist (vgl. zu diesem Argument: OLG Stuttgart 5. August 2002 - 17 EF 25/02, zu II1b der Gründe = Rn. 12), dürfte sich allein aus dieser Tatsache kein Grund für eine Aussetzung ergeben. Weder ist vom beklagten Land vorgetragen noch vom Arbeitsgericht festgestellt, dass in allen diesen Fällen oder zumindest in ihrer Mehrzahl auch bereits Rechtsstreite geführt werden noch, dass diesen identische Tätigkeiten zugrunde liegen. Im Übrigen ist dem Landesarbeitsgericht zwar bekannt, dass im Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes Sachsen-Anhalt Rechtsstreite wegen der Eingruppierungen von Mitarbeitern der Serviceeinheiten bzw. Geschäftsstellen geführt werden. Jedoch ist weder die genaue Zahl bekannt noch ist ersichtlich, dass in allen Rechtsstreitigkeiten, wie bereits ausgeführt, die Vorgreiflichkeit gegeben ist. Sofern das Arbeitsgericht bei seiner neuen Entscheidung für eine Aussetzung maßgeblich auf die Kostenbelastung und Prozesswirtschaftlichkeit abstellen will, wird es dazu die erforderlichen Feststelllungen treffen und auch prüfen müssen, ob dem möglichen Problem der Kostenbelastung nicht mit Musterverfahren begegnet werden kann.
cc) Aus alledem ergibt sich, dass das Ermessen vorliegend nicht auf Null reduziert ist. Die Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich insbesondere nicht aus der Aussetzungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 13. Juli 2021 (5 Sa 350/20 E) und der dort in Bezug genommenen Aussetzungsentscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 26. März 2021 (13 Sa 1609/19). Beiden Aussetzungsentscheidungen liegen - anders als im Streitfall - Berufungsverfahren zugrunde, in denen die Landesarbeitsgerichte die Vorgreiflichkeit angenommen haben. Zudem handelt es sich, wie bereits ausgeführt, bei der Aussetzung eines erst- und der Aussetzung eines zweitinstanzlichen Verfahrens um völlig unterschiedliche Konstellationen. Das Arbeitsgericht hat danach im Rahmen der Abhilfeentscheidung über die sofortige Beschwerde des beklagten Landes sein Ermessen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände auszuüben und die seiner Entscheidung zugrundeliegenden Erwägungen in seinem Beschluss offen zu legen (Hessisches LAG 31. Mai 2021 - 15 Ta 34/21, Rn. 13). Sollte es zu der Auffassung gelangen, dass der Rechtsstreit auszusetzen ist, wird es insoweit auch erwägen müssen, ob die Aussetzung nur befristet erfolgt.
III. Die Entscheidung bedurfte keiner mündlichen Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO) und hatte gemäß § 78 Satz 3 ArbGG i. V. m. § 572 Abs. 4 ZPO durch Beschluss des Vorsitzenden ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu ergehen
IV. Eine Kostenentscheidung hat nicht zu ergehen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens nach §§ 91 ff ZPO von der in der Sache unterlegenen Partei zu tragen sind (Hessisches LAG 31. Mai 2021 - 15 Ta 34/21, Rn. 21; LAG Düsseldorf 12. August 2016 - 4 Ta 488/16, Rn. 33; LAG Mecklenburg-Vorpommern 17. März 2017 - 5 Ta 8/17, Rn. 30; BGH 25. Juli 2019 - I ZB 82/18, Rn. 46; BGH 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04, Rn. 12).
V. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.