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  • 21.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230366

    Landesarbeitsgericht Sachsen: Urteil vom 01.11.2021 – 1 Sa 330/20

    1. Der Auflösungsantrag nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG setzt einen anhängigen Kündigungsschutzrechtsstreit voraus.

    2. Der Arbeitgeber gerät nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer nicht bereit ist, die geschuldete Leistung zu erbringen.


    Tenor:
    1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 24.07.2020, Aktenzeichen 12 Ca 3662/19 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.


    2. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand

    1


    Der Kläger verfolgt im Berufungsrechtszug noch Ansprüche auf Zahlung von Lohn ohne Arbeit aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs und begehrt die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien.


    2


    Von der erneuten Darstellung des im ersten Rechtszug festgestellten Tatbestandes wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 24.07.2020, Az.: 12 Ca 3662/19 Bezug genommen. Nach Aktenlage ist das Vorbringen beider Parteien im Tatbestand des Ersturteils richtig beurkundet. Zudem sind Tatbestandsrügen nicht erhoben. Zu ergänzen ist lediglich Folgendes:


    3


    Am 29.11.2019 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger statt, in dessen Rahmen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses thematisiert wurde. In dem Gespräch wurde über einen Aufhebungsvertrag verhandelt. Der Kläger forderte eine Abfindung. Der Geschäftsführer der Beklagten teilte mit, er halte diese Forderung für verwerflich, weil sie in Bezug zum Risiko des Arbeitgebers stehe, nach einer Kündigung im Falle eines Kündigungsschutzprozesses Arbeitsentgelt nachzahlen zu müssen, ohne dass der Kläger dafür Leistung erbringe müsse. Nach Scheitern der Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag kündigte die Beklagte den Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung an und zugleich, dass sie, wenn der Kläger die außerordentliche Änderungskündigung nicht für rechtmäßig halte, die Fortsetzung der Arbeitsleistung in Form des ursprünglichen Vertrages nicht ablehnen werde.


    4


    Nach Zugang der außerordentlichen Änderungskündigung vom 02.12.2019 wandte sich der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 05.12.2019 an die Beklagte und teilte auszugsweise mit:


    5


    „(…) Mein Mandant ist in Ihrem Unternehmen auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom … als CTO zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von Euro 5250,00 beschäftigt. Gemäß § 10.3 ist das Arbeitsverhältnis erstmals nach zwei Jahren ordentlich mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zu kündigen. Eine Kündigung kann daher frühestens zum 30.11.2020 erfolgen.


    6


    Mit Schreiben vom 02.12.2020 sprachen Sie eine außerordentliche Änderungskündigung auf eine Stelle als Softwareentwickler zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von Euro 3750,00 aus. (…)


    7


    Mein Mandant nimmt Ihr Änderungsangebot nicht an. Er wird daher auch nicht am 05.12.2019 um 12:00 Uhr im Unternehmen erscheinen. Gegen die ausgesprochene fristlose Kündigung wird Kündigungsschutzklage erhoben werden. Eine Klärung erfolgt dann im arbeitsgerichtlichen Verfahren.


    8


    Zur Vermeidung einer längeren gerichtlichen Auseinandersetzung könnte sich mein Mandant folgendem Vergleich mit den nachfolgenden Eckpunkten anschließen:


    9


    1. Beendigung zum 31.08.2020 bei Freistellung unter Vergütungsfortzahlung


    10


    alternativ


    11


    1. Beendigung zum 31.03.2020 bei Freistellung unter Vergütungsfortzahlung


    12


    2. Sozialabfindung in Höhe von EUR 15.000,00 nach §§ 9 , 10 KSchG (…)“


    13


    Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzanträgen des Klägers gegen die außerordentliche Änderungskündigung vom 02.12.2019 und die außerordentliche Kündigung vom 14.12.2019 stattgegeben. Den Antrag des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum 01.12.2019 bis 29.02.2020 und die Widerklage der Beklagten hat das Arbeitsgericht abgewiesen.


    14


    Zur Begründung der Abweisung des Zahlungsantrages hat das Erstgericht ausgeführt, dem Kläger stehe aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs kein Anspruch zu, weil die Beklagte nicht in Annahmeverzug geraten sei.


    15


    Gegen das ihm am 07.09.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mittels eines am 21.09.2020 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatzes Berufung eingelegt. Diese hat er durch einen am 02.11.2020 eingegangenen Schriftsatzes begründet. Die Beklagte hat die Berufung nach Verlängerung der Frist zur Berufungserwiderung bis 04.01.2021 an diesem Tage erwidert und gleichzeitig unter einer Prozessbedingung Anschlussberufung eingelegt.


    16


    Der Kläger greift das erstinstanzliche Urteil als rechtsfehlerhaft an, soweit es die Voraussetzungen des Annahmeverzugs der Beklagten verneint. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers ende nach Ausspruch einer unwirksamen Kündigung nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer zur Arbeitsaufnahme für die Dauer des Rechtsstreits unter Aufrechterhaltung der Kündigung aufgefordert werde. Der Kläger müsse sich auch keinen entgangenen Zwischenverdienst anrechnen lassen, weil die von der Beklagten angebotene geänderte Tätigkeit nicht i. S. von § 11 Nr. 2 KSchG zumutbar gewesen sei. Dem Kläger sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar, weil die Beklagte dem Kläger schon in erster Instanz vorgeworfen habe, die Arbeit verweigert und am Arbeitsplatz herumgeschrien zu haben, ihm ferner Unfähigkeit und Beleidigung von Mitarbeitern unterstellt habe.


    17


    Unter Erweiterung seiner Klage um Annahmeverzugslohn für März 2020 sowie um einen Auflösungsantrag


    18


    beantragt der Kläger


    19


    1. die Beklagte unter dahingehender Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 24.07.2020 zu Aktenzeichen 12 Ca 3662/19 zu verurteilen, an den Kläger 21.000,00 € brutto abzüglich gezahlter 584,64 € netto und auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener 9.915,15 € zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 4.665,36 € seit dem 04.01.2020 und aus jeweils 5.250,00 € seit dem 04.02.2020 und 04.03.2020 und 04.04.2020 zu zahlen.

    20


    2. das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.03.2020 gegen Zahlung einer Abfindung, die in der Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000,00 € nicht unterschreiten sollte, aufzulösen.

    21


    ferner


    22


    die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

    23


    Die Beklagte beantragt,


    24


    1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

    25


    2. hilfsweise, für den Fall, dass der Kläger mit seinem Berufungsantrag zu 1 obsiegt, auf die Anschlussberufung der Beklagten und Berufungsbeklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 24.07.2020, Aktenzeichen 12 Ca 3662/19 teilweise abzuändern und den Kläger auf die Widerklage hin zu verurteilen,

    26


    2.1 gegenüber der Beklagten (Auskunftsklägerin) Auskunft in Textform darüber zu geben, ob und in welcher Höhe und von wann bis wann der Kläger in der Zeit zwischen 02.12.2019 bis zum Zeitpunkt der Auskunft einen tatsächlichen Verdienst erzielte, und diese Auskunft durch Belege nachzuweisen, und zwar wie folgt: bei nicht selbstständiger Arbeit hat der Kläger die Höhe seines Verdienstes durch Entgeltbescheinigungen des Arbeitgebers nachzuweisen, bei anderer als nicht selbstständiger Arbeit hat der Kläger (Auskunftsbeklagter) die Höhe seines Verdienstes durch rechtskräftige Steuerbescheide nachzuweisen; soweit diese noch nicht ergangen oder noch nicht rechtskräftig sind, hat der Kläger (Auskunftsbeklagter) die Höhe seines Verdienstes durch Nachweise von Einnahmen-Überschuss-Rechnungen bzw. Bilanzen samt eidesstattlicher Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Einnahmen-Überschuss-Rechnungen bzw. Bilanzen nachzuweisen,

    27


    2.2 gegenüber der Beklagten (Auskunftsklägerin) Auskunft in Textform darüber zu geben, ob und in welcher Höhe der Kläger in der Zeit zwischen 02.12.2019 bis zum Zeitpunkt der Auskunft einen Verdienst hätte erzielen können, aber dies böswillig unterlassen hatte, und diese Auskunft wie folgt zu konkretisieren: Der Kläger hat jeden Anbahnungsversuch von einem potentiellen Arbeitgeber und zu einem potentiellen Arbeitgeber aufzulisten samt Namen des potentiellen Arbeitgebers, Datum des ersten und letzten Kontakts mit dem potentiellen Arbeitgeber, (zwischenzeitlichem) Ergebnis des Anbahnungsversuchs und ‒ soweit bekannt ‒ der Höhe des zu erwartenden Entgelts im Falle der Einstellung,

    28


    2.3 den Kläger zu verurteilen, der Beklagten gegenüber Auskunft in Textform zu erteilen, welche Stellenangebote Dritter ihm von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter im Zeitraum vom 02.12.2019 bis zum Zeitpunkt der Auskunft unterbreitet wurden unter Nennung der Tätigkeit, der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sowie der Vergütung in Euro,

    29


    2.4 die Richtigkeit der gemäß Antrag zu 2.1 bis Antrag zu 2.3 getätigten Angaben eidesstattlich zu versichern.

    30


    Die Beklagte verweist darauf, dass der Kläger im Gespräch vom 29.11.2019 darauf hingewiesen wurde, dass die Beklagte die rechtlichen und finanziellen Folgen eines Annahmeverzugs nicht eintreten lassen wolle. Deshalb habe die Beklagte in der außerordentlichen Änderungskündigung vom 02.12.2019 ausdrücklich erklärt, dass sie den Kläger im Falle seiner Ablehnung der außerordentlichen Kündigung (also im Falle, dass er von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehe) am 05.12.2019 zum Arbeitsantritt erwarte. Dasselbe habe sie in der außerordentlichen Beendigungskündigung vom 14.12.2019 zum 17.12.2019 zum Ausdruck gebracht, wo sie darauf hingewiesen habe, dass sie den Kläger am 17.12.2019 zum Arbeitsantritt erwarte, wenn er die außerordentliche Kündigung ablehne (also weiterhin von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehe). Den Auflösungsantrag hält die Beklagte für unbegründet, weil sie berechtigt sei, im Kündigungsschutzprozess die Kündigungsgründe zu wiederholen und weitergehende Umstände zur Begründung des Auflösungsantrages nicht hinzugetreten seien.


    31


    Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung vom 01.11.2021, die in erster Instanz vorgelegten Anlagen K 2 und K 6 sowie den Schriftwechsel der Parteien verwiesen.




    Entscheidungsgründe



    I.

    32


    Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Die Berufung blieb jedoch ohne Erfolg, weil der in der Berufungsinstanz gestellte Auflösungsantrag unzulässig und die erweiterte Zahlungsklage unbegründet ist. Die Anschlussberufung der Beklagten ist deshalb nicht zur Entscheidung der Kammer angefallen.


    33


    1. Der Kläger hat seine Klage in der Berufungsinstanz um einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn für März 2020 erweitert. Ebenso hat er in der Berufungshauptverhandlung erstmals einen Auflösungsantrag gestellt. Diese nachträgliche Klagehäufung ist nach allgemeiner Ansicht ebenso zu bewerten wie eine Klageänderung, weshalb § 263 ZPO entsprechend anwendbar ist (vgl. Greger in Zöller, ZPO-Kommentar, 34. Auflage 2022, § 263 Rn. 2).


    34


    Die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Klageänderung ‒ hier in der Berufungsinstanz, § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 533 Nr. 1 ZPO ‒ liegen vor. Die Kammer erachtet die nachträgliche Klagehäufung als sachdienlich i.S.d. § 533 Nr.1 ZPO . Die Mitentscheidung der nachträglich gestellten Anträge ist geeignet, das Streitverhältnis der Parteien insgesamt zu befrieden. Zudem kann über sämtliche Anträge ohne weitere Verhandlung, mithin ohne Verletzung des Beschleunigungsgebots entschieden werden.


    35


    2. Soweit der Kläger einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. §§ 13 Abs.1 Satz 3 , 10 ff. KSchG gestellt hat, ist seine geänderte Klage unzulässig. Eine Auflösung eines Arbeitsverhältnisses durch gerichtliches Urteil ist dem Arbeitsrecht außerhalb der vom Kündigungsschutzgesetz normierten Fälle unbekannt. Liegt keiner der im Kündigungsschutzgesetz normierten Fälle vor, fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen für ein Auflösungsverfahren. Der Auflösungsantrag nach § 13 Abs.1 Satz 3 KschG setzt voraus, dass ein Kündigungsschutzrechtsstreit im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes anhängig ist. Bei dieser Voraussetzung für eine Auflösung handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung eigener Art, deren Mangel von Amts wegen, d. h. auch ohne Rüge in jeder Lage des Rechtsstreits zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 29.05.1959, 2 AZR 450/58 zu II. der Gründe). Die vom Bundesarbeitsgericht zu § 7 Abs.1 Satz 1 KschG 1951 angestellten Erwägungen gelten für einen Auflösungsantrag des Arbeitnehmers nach einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses i. S. von § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG in gleicher Weise. Auch hier stellt ein anhängiger Kündigungsschutzrechtsstreit eine besondere Sachurteilsvoraussetzung für den Auflösungsantrag dar.


    36


    Nachdem das Arbeitsgericht den Kündigungsschutzanträgen des Klägers in erster Instanz rechtskräftig entsprochen hat, diese also nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind, fehlt es dem in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Auflösungsantrag an der besonderen Sachurteilsvoraussetzung eines anhängigen Kündigungsschutzrechtsstreits. Dies führt zur Unzulässigkeit des Auflösungsantrags.


    37


    3. Die auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum Dezember 2019 bis März 2020 gerichteten Anträge des Klägers sind unbegründet, weil es an einer Anspruchsgrundlage fehlt. Lohn ohne Arbeit kann der Kläger für den genannten Zeitraum nach §§ 615 Satz 1 , 293 ff. BGB nur verlangen, wenn die Beklagte mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug war. Am Annahmeverzug der Beklagten fehlt es freilich, weil der Kläger nicht i. S. von § 297 BGB leistungswillig war. Auf die Frage, ob dem Kläger die geänderten Bedingungen i. S. § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG zumutbar waren, kommt es nicht an.


    38


    Im Einzelnen:


    39


    a) Der Arbeitgeber kommt nach allgemeiner Meinung durch den Ausspruch einer rechtsunwirksamen Kündigung in Annahmeverzug, ohne dass es eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots des Arbeitnehmers bedarf, die Arbeitsleistung weiterhin erbringen zu wollen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts endet der Annahmeverzug auch nicht allein dadurch, dass der Arbeitgeber unter Aufrechterhaltung der Kündigung die Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen anbietet ( BAG, Urteil vom 13.07.2005, 5 AZR 578/04 zu II. 1. der Gründe).


    40


    Voraussetzung des Annahmeverzugs bleibt jedoch auch in diesem Fall, dass der Arbeitnehmer i. S. von § 297 BGB leistungswillig ist. Das Erfordernis der Leistungsbereitschaft bezieht sich dabei auf die nach dem Arbeitsvertrag vorgesehene Tätigkeit. Es muss unabhängig von der den Annahmeverzug begründenden Kündigung die Bereitschaft bestehen, die betreffende Arbeit bei dem Vertragspartner zu den vertraglichen Bedingungen weiterhin zu leisten. Die fehlende Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers kann deutlich werden, wenn der Arbeitgeber trotz einer Kündigung weiterhin vertragsgemäße Arbeit anbietet (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 13.05.2005, aaO II. 4. b der Gründe).


    41


    b) Die Kammer ist nach dem Inhalt der Berufungshauptverhandlung und dem Sachvortrag der Parteien davon überzeugt ( § 286 Abs. 1 ZPO ), dass der Kläger bei Zugang der außerordentlichen Änderungskündigung vom 02.12.2019 und auch nach Zugang der außerordentlichen Beendigungskündigung vom 14.12.2019 nicht bereit war, die nach dem ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 15.08.2018 geschuldete Arbeit als Chief Technology Officer (CTO) zu leisten.


    42


    Im Vorgespräch der Parteien vom 29.11.2019 brachte der Geschäftsführer der Beklagten zum Ausdruck, er werde die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Form des ursprünglichen Vertrages nicht ablehnen, wenn der Kläger die beabsichtigte außerordentliche Änderungskündigung nicht für rechtmäßig halte.


    43


    Dementsprechend enthält die Kündigungserklärung vom 02.12.2019 den ungewöhnlich anmutenden Zusatz:


    44


    „Im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt.“


    45


    In der fristlosen Beendigungskündigung vom 14.12.2019 heißt es entsprechend:


    46


    „Im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung (also im Falle, dass Herr B… weiterhin von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgeht) erwarten wir Herrn B… am 17.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt.“


    47


    Mit Blick auf die Wirksamkeit der Kündigung ist es nicht sinnvoll, wenn ein Arbeitgeber ein vertraglich vorübergehend nicht ordentlich kündbares Arbeitsverhältnis außerordentlich (Änderungs-)kündigt und dabei aus Angst vor Annahmeverzugsansprüchen für den Fall, dass der Arbeitnehmer mit der Kündigung nicht einverstanden ist, gleichzeitig die Weiterbeschäftigung zu den ursprünglichen Arbeitsbedingungen anbietet. Durch solches Vorgehen widerlegt der Arbeitgeber den für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB erforderlichen wichtigen Grund selbst, denn er gibt zu erkennen, dass ihm eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen zumutbar ist.


    48


    Der Umstand, dass die Beklagte die kündigungsschutzrechtliche Lage insoweit verkannt hat, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kläger seinerseits nicht willens war, die nach dem Arbeitsvertrag vom 15.8.2018 geschuldete Arbeitsleistung als CTO zu erbringen. Der Kläger hat erkannt, dass ihm die weitere Tätigkeit zu unveränderten Arbeitsbedingungen offenstand, wenn er mit den Kündigungen nicht einverstanden ist. Er musste die Kündigungserklärungen vom 02.12.2019 und vom 14.12.2019 im Lichte seiner Kenntnisse aus dem Vorgespräch vom 29.11.2019 verstehen. Er wusste um den wirklichen Willen der Beklagten ( § 133 BGB ), Annahmeverzugsansprüche vermeiden zu wollen, sei es auch um die Preisgabe der Absicht, dem Kläger im Wege der außerordentlichen Änderungskündigung geänderte Arbeitsbedingungen aufzuzwingen oder sich im Wege der Beendigungskündigung ganz von ihm zu trennen. Der Kläger ließ in Kenntnis der genannten Umstände durch Anwaltsschreiben vom 05.12.2019 erklären, er werde am 5.12.2019 nicht im Unternehmen erscheinen, Kündigungsschutzklage erheben und bot zugleich Verhandlungen über die Freistellung unter Vergütungsfortzahlung oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung an. Dadurch wird seine fehlende Leistungsbereitschaft zur Überzeugung der Kammer deutlich. Annahmeverzugsansprüche scheiden ‒ wie es auch das Erstgericht im Ergebnis richtig erkannt hat ‒ mangels Leistungsbereitschaft des Klägers aus.


    II.


    49


    Die Kosten seiner erfolglosen Berufung fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.


    III.


    50


    Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen. Die Kammer hat einen Einzelfall auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Beurteilung der Frage, ob der Kläger i. S. von § 297 BGB leistungswillig war, nicht zu.


    Vorschriften§ 263 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 533 Nr. 1 ZPO, § 533 Nr.1 ZPO, §§ 13 Abs.1 Satz 3, 10 ff. KSchG, § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG, §§ 615 Satz 1, 293 ff. BGB, § 297 BGB, § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG, § 286 Abs. 1 ZPO, § 626 Abs. 1 BGB, § 133 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG