20.09.2022 · IWW-Abrufnummer 231310
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 21.06.2022 – 2 Sa 21/22
In dem Rechtsstreit
pp.
hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein - 2. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ...als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer auf die mündliche Verhandlung vom 21.06.2022
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16.12.2021 - 4 Ca 592 a/21 - abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 11.06.2021 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits (I. und II. Instanz).
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Entschädigungszahlung wegen einer geschlechterdiskriminierenden Stellenausschreibung.
Der Kläger ist am ...1994 geboren, ledig, gelernter Industriekaufmann und absolviert ein Fernstudium zum Wirtschaftsjuristen.
Bei der Beklagten handelt es sich um einen familiengeführten Kleinbetrieb mit weniger als zehn Arbeitnehmern, welcher seinen Betriebssitz ca. 250 km entfernt vom Wohnsitz des Klägers hat. Die Beklagte unterhält eine Werkstatt und veräußert Gebrauchtfahrzeuge.
Die Tochter des Geschäftsführers der Beklagten ist im Empfang sowie in der Buchhaltung eingesetzt und führt daneben anfallende Schreibtätigkeiten und die Aktenablage aus.
Im Namen der Beklagten hat der im Werkstattbereich der Beklagten tätige Bruder des Geschäftsführers auf dem Internetportal eBay-Kleinanzeigen am ...04.2021 eine Anzeige eingestellt:
Der Wortlaut der Anzeige lautet wie folgt:
Über die Chat-Funktion der App entwickelte sich folgender Nachrichtenaustausch zwischen dem Kläger und der Beklagten:
Kläger:
Kläger:
27.04.2021, 21.04 Uhr
Beklagte:
27.04.2021, 21.05 Uhr
Kläger:
27.04.21, 21.08 Uhr
Beklagte:
27.04.21, 21.39 Uhr
Am 30.04.2021 rief der Kläger bei der Beklagten an und beschwerte sich wegen Diskriminierung. Sein Anliegen wurde wiederum abschlägig beschieden unter Hinweis auf das Geschlecht.
Mit Schreiben vom 27.05.2021 wandte sich der Kläger an die Beklagte mit der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs. Diesem Schreiben war ein vorformulierter Vergleichsvorschlag mit einer Entschädigungssumme in Höhe von 3.500,00 € beigefügt (Bl. 8 d. erstinstanzlichen Akte). Zu einer Vereinbarung kam es nicht.
Mit Klage vom 11.06.2021, bei dem Arbeitsgericht Elmshorn am 14.06.2020 eingegangen und der Beklagten am 17.06.2021 zugestellt, verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei als Bewerber wegen des Geschlechts diskriminiert worden und habe Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 7.800,00 €. Die ausschließlich auf eine Frau gerichtete Ausschreibung und eine erteilte Absage habe er enttäuscht zur Kenntnis genommen.
Er, der Kläger, hätte wahrscheinlich bei einer Beschäftigung bei der Beklagten einen Durchschnittsbruttomonatsverdienst von 2.600,00 € gehabt, er habe keine andere Anstellung gefunden und beziehe Arbeitslosengeld.
In der Sache liege ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor. Eine spätere Einladung durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei nicht ausreichend.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Die Beklagte war der Ansicht, der Kläger habe sich bei der Beklagten nicht beworben, um eine offene Stelle zu erhalten, sondern ausschließlich um einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen.
Im Kleinbetrieb der Beklagten sei es zu der Ausschreibung gekommen, nachdem der Bruder des Geschäftsführers eigenmächtig, ohne Rücksprache mit dem Geschäftsführer, für seine im Betrieb tätige Nichte Unterstützung suchen wollte und die streitgegenständliche eBay-Kleinanzeige dazu ausgebracht hatte. Da er ausschließlich im Werkstattbereich arbeite und vornehmlich mit Ersatzteilbeschaffung betraut sei, verfüge er über keine Personalerfahrung. Er habe erstmals eine Stellenanzeige ausgebracht. Vor diesem Hintergrund sei die unstreitig nicht geschlechtsneutrale Anfrage gestartet worden. Ein qualitatives Bewerbungsverfahren wollte der Bruder des Geschäftsführers der Beklagten gar nicht einleiten.
Der Kläger habe sich auch zu keiner Zeit ernsthaft bei der Beklagten beworben, insbesondere zu keiner Zeit eine Bewerbung ausgebracht, d. h. übliche Bewerbungsunterlagen bei der Beklagten vorgelegt.
Die Stelle wäre unter Berücksichtigung der betrieblichen Struktur der Beklagten höchstens mit 1.200,00 € brutto (120 Stunden x 10,00 €/Stunde) dotiert.
Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.12.2021 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die zulässige, insbesondere im Sinne von § 61 b Abs. 1 ArbGG fristgemäße Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sei unbegründet. Dem Kläger stehe ein Entschädigungsanspruch nicht zu. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG sei vorliegend nicht geöffnet, § 6 Abs. 1 AGG. Der Kläger sei nicht Bewerber im Sinne dieser Vorschrift gewesen.
Der Kläger habe - unstreitig - lediglich über die Chat-Funktion der ebay-Kleinanzeigen-App Kontakt aufgenommen und ein nachfolgendes Telefonat geführt. Er habe über seine Nachfrage hinaus, ob die Beklagte nur eine Frau suche, konkret ein weiterführendes Bewerbungsbegehren nicht (mehr) ausgebracht. Er habe sich nicht bei der Beklagten im Sinne des persönlichen Geltungsbereichs des AGG beworben. Dies setze nach Auffassung der Kammer zumindest voraus, dass sich der Stellensuchende als Person konkretisiert/vorstellt, also hinsichtlich seiner Person und Qualifikation in Bezug auf die Stelle ein Mindestmaß an Informationen übermittelt, die zumindest Bewerbungsverfahren ermöglichten. Dieses Mindestmaß sei im Falle des Klägers nicht erreicht. Es handele sich letztlich um eine Kontaktaufnahme, im Ergebnis nicht um eine Bewerbung im Sinne des AGG.
Die Beklagte habe lediglich Informationen aus der Chat-Funktion der App gehabt, d. h. einen mitgeteilten Nachnamen, aber ohne Adresse, Email und weitere regelmäßige Informationen wie Alter, Familienstand, berufliche Erfahrungen u.ä.. Inhaltlich habe der Kläger lediglich den Hinweis gegeben, er sei gelernter Industriekaufmann. Weitere Informationen hätten nicht vorgelegen, auch nicht im Rahmen des Telefonats vom 30.04.2021. Unterlagen, Nachweise und eine konkrete Bewerbung seien nicht erfolgt.
Bei diesem Sachverhalt gehe die Kammer davon aus, dass dieses Verhalten die Grenzen einer bloßen Kontaktaufnahme/Interessenbekundung nicht überschritten habe, es handele sich lediglich um die Vorstufe zu einer Bewerbung, einem Vorfühlen vor einer Bewerbung. Nehme der Kläger in diesem Stadium auf den Hinweis, man suche eine Frau, bereits Abstand von einer eigentlichen Bewerbung, ob nun schriftlich, persönlich oder auf elektronischem Wege, sei für ihn der Schutzbereich des § 15 Abs. 2 AGG (noch) nicht eröffnet, unabhängig davon, dass die Stellenausschreibung unstreitig (geschlechter-) diskriminierend erfolgte und damit dem grundsätzlichen Diskriminierungsverbot unterfiel. Er habe aber über die bloße Kontaktaufnahme/Interessenbekundung hinaus den (rechtlichen) Status eines Bewerbers nicht erlangt. Damit lägen die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs gemäß § 15 Abs. 2 AGG im Ergebnis nicht vor.
Gegen dieses, dem Kläger am 13.01.2022 zugestellte Urteil hat er am 10.02.2022 Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.04.2022, am 13.04.2022 begründet.
Der Kläger trägt vor, dass der Begriff des "Bewerbers" richtlinienkonform weit auszulegen sei. Bewerber seien nicht nur Personen, die konkret ihr Interesse an einer Beschäftigung bekundet haben, sondern dies auch tun könnten. Auf das Vorliegen eines formellen Bewerbungsschreibens komme es nicht an. Die Angabe von Namen und Qualifikation im Chatportal Ebay-Kleinanzeigen sei ausreichend, um sich zu bewerben. Er, der Kläger, habe sich ausdrücklich "beworben". Das Arbeitsgericht habe einen Rechtsmissbrauch nicht ansatzweise konkretisiert.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt ergänzend aus, dass sich der Kläger zu keiner Zeit ernsthaft auf die Bürostelle beworben habe, sondern dass es ihm einzig und allein darum gegangen sei, einen Entschädigungsanspruch gegenüber einem unerfahrenen Kleinstbetrieb geltend zu machen. Der Kläger habe weder nach Aufforderung durch die Beklagte Unterlagen eingereicht noch ließen sich die von ihm angegebenen Qualifikationen wie "hohe kaufmännische Ausbildung" und "Durchführung eines Fernstudiums zum Wirtschaftsjuristen" mit der ausgeschriebenen Stelle in Einklang bringen. Im Übrigen habe der Kläger seine Korrespondenz einzig und allein darauf ausgerichtet, die Beklagte zu "provozieren", eine vermeintlich zum Schadensersatz führende Erklärung abzugeben.
Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt ein Interesse an der Tätigkeit gehabt und die Behauptung, dass er seinen Lebensmittelpunkt verlegen wolle, sei eine reine Schutzbehauptung. Auch das vorgerichtliche Verhalten des Klägers durch die Verwendung von Textbausteinen in seinen Schreiben und der Unterbreitung eines finanziellen Vergleichsvorschlages mache deutlich, dass der Kläger den Status als "Bewerber" erhalten wollte, um Entschädigungsansprüche geltend zu machen.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrages wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO.
In der Sache selbst hat die Berufung Erfolg.
1. Der Kläger hat Anspruch auf die Zahlung einer Entschädigung wegen Geschlechtsdiskriminierung nach § 15 AGG. Nach § 15 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
a) Bei der Beklagten handelt es sich um eine Arbeitgeberin, im Sinne von § 6 Abs. 2 AGG. "Arbeitgeber" ist derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (BAG, Urteil vom 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 -, juris). Als Beschäftigte im Sinne des AGG gelten auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis, § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass der Bruder des Geschäftsführers die Anzeige geschaltet habe, aber kein Bewerbungsverfahren einleiten wollte und in solchen Fragen unerfahren sei, entlastet dies die Beklagte nicht. Die Beklagte muss sich das Verhalten des Bruders als Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB zurechnen lassen. Im Übrigen spricht der Wortlaut der Anzeige ganz deutlich für eine Aufforderung zur Bewerbung und damit für eine Stellenausschreibung. Im weiteren Verlauf hat dann die Tochter des Geschäftsführers am 27.04.2021 nochmals darauf hingewiesen, dass eine "Dame" als Sekretärin gesucht werde. Die Tochter des Geschäftsführers ist ebenfalls Angestellte der Beklagten, auch ihr Verhalten muss sich die Beklagte nach § 278 BGB zurechnen lassen.
b) Der Kläger ist "Bewerber" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Er hat sich auf eine Stellenanzeige beworben. Zu Recht hat bereits das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 16.12.2021 darauf hingewiesen, dass die Eigenschaft als Bewerber nach der Rechtsprechung des BAG´s formal danach zu bestimmen ist, ob ein Bewerbungsschreiben eingegangen (BAG, Urt. v. 21.02.2013, NZA 2013, 955 [BAG 21.02.2013 - 8 AZR 68/12]: BAG, Urt. v. 19.12.2019, NZA 2020, 707 [BAG 19.12.2019 - 8 AZR 2/19]) und dem Arbeitgeber zugegangen ist. Vorliegend hat die Beklagte die Stellenausschreibung über das Internet Portal Ebay-Kleinanzeigen geschaltet. Der Kläger hat über die Antwortfunktion dieses Portals geantwortet und ausdrücklich erklärt, er bewerbe sich auf die Stelle. Damit ist ein digitales Bewerbungsschreiben zugegangen.
Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der Kläger sich nicht im Sinne des persönlichen Geltungsbereiches des AGG beworben habe, da er hinsichtlich seiner Person und Qualifikation nicht ein Mindestmaß an Informationen übermittelt habe, welches ein Bewerberverfahren ermögliche und es sich lediglich um eine Kontaktaufnahme gehandelt habe. Ein inhaltliches Mindestmaß an Angaben zur Person des Bewerbers wird gesetzlich nicht gefordert. Die Person des Bewerbers muss identifizierbar sein. Dies war der Fall. Der Kläger hat seinen Namen "M. W." und seine Qualifikation als Industriekaufmann angegeben. Er hat durch mehrmalige Bitte um eine Rückmeldung sein Interesse an der Stelle bekundet. Er hat ausdrücklich erklärt, sich zu bewerben. Die Beklagte hat sich selbst für eine Ausschreibung auf dem Internetportal Ebay-Kleinanzeigen entschieden. Sie musste damit rechnen, dass Bewerbungen über den Antwortbutton von Ebay-Kleinanzeigen erfolgen. Dies ist der übliche Weg einer Kontaktaufnahme und Bewerbung, wenn der Weg einer digitalen Ausschreibung gewählt wird.
c) Mit der Aussage gegenüber dem Kläger, dass die Beklagte nur eine Frau als Sekretärin einstellen wolle, hat die Beklagte eine Geschlechtsdiskriminierung begangen, da sie den Kläger wegen seines männlichen Geschlechts abgelehnt hat. Die Beklagte hat den Kläger im Hinblick auf das Diskriminierungsmerkmal "Geschlecht" im Sinne des § 1 AGG benachteiligt. Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden, § 1 Abs. 1 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Indem die Beklagte dem Kläger auf seine mehrfache Frage, ob die Beklagte ausschließlich eine Frau suche bejahte und ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat, ist ihm die Chance auf eine Einstellung versagt worden. Die Beklagte hat vorgetragen, dass im weiteren Verlauf der Suche nach einer Sekretärin später eine Frau eingestellt worden sei. Damit hat der Kläger zumindest im Vergleich zu der Person, die später eingestellt worden ist, eine weniger günstige Behandlung erfahren. Diese weniger günstige Behandlung ist auch wegen seines Geschlechts erfolgt, so dass der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der weniger günstigen Behandlung und des in § 1 AGG genannten Grundes gegeben ist. Der Kausalzusammenhang ist nämlich bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen in § 1 AGG genannten Grund anknüpft oder dadurch motiviert ist. (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27.03.2017 - 3 Sa 487/16 -, Rn. 44, juris). Die Beklagte hat den Kläger einzig und allein wegen seines männlichen Geschlechts abgelehnt. Auf andere Gründe für die Aussage, dass sie eine Frau als Sekretärin suche, hat sie sich nicht berufen. Insbesondere hat sich die Beklagte nicht auf Gründe berufen, die auf eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts schließen lassen.
Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, dass der die Stellenanzeige aufgebende Bruder in derartigen Stellenausschreibungsangelegenheiten unerfahren sei, ist darauf zu verweisen, dass eine Benachteiligung weder ein schuldhaftes Handeln noch eine Benachteiligungsabsicht voraussetzt (BAG, Urt. v. 27.01.2011 - 8 AZR 580/09 - AP Nr. 3 zu § 22 AGG).
d) Dem Entschädigungsverlangen des Klägers steht nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sich der Kläger zu keiner Zeit ernsthaft auf die Bürostelle beworben habe, sondern dass es ihm einzig und allein darum gegangen sei, einen Entschädigungsanspruch gegenüber einem unerfahrenen Kleinstbetrieb geltend zu machen. Der Kläger habe weder nach Aufforderung durch die Beklagte Unterlagen eingereicht noch ließen sich die von ihm angegebenen Qualifikationen wie "hohe kaufmännische Ausbildung" und "Durchführung eines Fernstudiums zum Wirtschaftsjuristen" mit der ausgeschriebenen Stelle in Einklang bringen. Im Übrigen habe der Kläger seine Korrespondenz einzig und allein darauf ausgerichtet, die Beklagte zu "provozieren", eine vermeintlich zum Schadensersatz führende Erklärung abzugeben. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt ein Interesse an der Tätigkeit gehabt und die Behauptung, dass er seinen Lebensmittelpunkt verlegen wolle, sei eine reine Schutzbehauptung. Auch das vorgerichtliche Verhalten des Klägers durch die Verwendung von Textbausteinen in seinen Schreiben und der Unterbreitung eines finanziellen Vergleichsvorschlages mache deutlich, dass der Kläger den Status als "Bewerber" erhalten wollte, um Entschädigungsansprüche geltend zu machen.
aa) Sowohl ein Entschädigungsverlangen eines erfolglosen Bewerbers nach § 15 Abs. 2 AGG als auch sein Verlangen nach Ersatz des materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG können dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch wäre anzunehmen, sofern ein Kläger sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (vgl. ua. BAG, 11. August 2016 - 8 AZR 406/14 - Rn. 48 ff.; 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 32 ff., BAGE 155, 149).
bb) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. etwa BAG, 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 44; 21. Oktober 2014 - 3 AZR 866/12 - Rn. 48; 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 33; BGH 6. Februar 2002 - X ZR 215/00 - zu I 2 c der Gründe; 6. Oktober 1971 - VIII ZR 165/69 - zu I der Gründe, BGHZ 57, 108). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor (etwa BGH 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21).
cc) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. ua. BAG, 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 26; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 37; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54).
(1) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).
Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts (vgl. ua. EuGH, 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 37; 28. Januar 2016 - C-50/14 - [CASTA ua.] Rn. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet (etwa EuGH, 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 55 mwN; 9. März 1999 - C-212/97 - [Centros] Rn. 24, Slg. 1999, I-1459; 2. Mai 1996 - C-206/94 - [Brennet/Paletta] Rn. 24, Slg. 1996, I-2357).
(2) Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht.
Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (ua. EuGH, 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 36 mwN) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (zu der hier einschlägigen Richtlinie 2000/78/EG vgl. EuGH, 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 56 mwN; vgl. im Übrigen etwa EuGH, 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 31 ff.; 16. Oktober 2012 - C-364/10 - [Ungarn/Slowakei] Rn. 58; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 74 ff., Slg. 2006, I-1609; 21. Juli 2005 - C-515/03 - [Eichsfelder Schlachtbetrieb] Rn. 39, Slg. 2005, I-7355; 14. Dezember 2000 - C-110/99 - [Emsland-Stärke] Rn. 52, 53, Slg. 2000, I-11569). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (etwa EuGH, 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 33; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 75, aaO). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (ua. EuGH, 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 65 mwN).
(3) Sowohl aus dem Titel als auch aus den Erwägungsgründen und dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG folgt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder "in Beschäftigung und Beruf" gleich-behandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe geboten wird (ua. EuGH, 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 23; 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 49, Slg. 2011, I-7965). Ferner ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - ebenso wie aus Art. 1 Satz 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/EG -, dass diese Richtlinie für eine Person gilt, die eine Beschäftigung sucht und dies auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung (vgl. EuGH, 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 33).
(4) Damit handelt eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung oder Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG geltend zu machen, auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich (vgl. EuGH, 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).
e) Gemessen an diesen Vorgaben lassen die von der Beklagten bisher vorgetragenen Umstände weder für sich betrachtet noch in ihrer Gesamtschau den Schluss zu, dass die Voraussetzungen des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands (§ 242 BGB) erfüllt sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten lassen sich aus dem Gesamtverhalten des Klägers keine hinreichenden objektiven Umstände entnehmen, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben würden.
aa) Entgegen der Annahme der Beklagten kann vorliegend nicht schon aus den Nachfragen des Klägers auf dem Internet-Portal Ebay-Kleinanzeigen entnommen werden, der Kläger habe sich bei der Beklagten nur beworben, um eine Ablehnung zu provozieren und Ansprüche nach dem AGG geltend zu machen.
Zwar hat der Kläger mehrfach nachgefragt, ob die Beklagte denn tatsächlich nur eine Frau als Sekretärin suche. Diese Nachfrage könnte als bewusste Herausforderung verstanden werden, um die Beklagte zu einer Absage ihm gegenüber zu drängen. Allerdings besteht ebenso die Möglichkeit, dass dieses Verhalten des Klägers eine andere Erklärung hat. So hat der Kläger aufgezeigt, dass er zum damaligen Zeitpunkt arbeitssuchend war und einen Umzug in den Raum H. beabsichtigte, um mit seiner Freundin zusammenzuziehen. Die Beklagte hat diese Aussage zwar als Schutzbehauptung qualifiziert, aber keine Tatsachen vorgetragen, die diese Behauptung stützen würden.
Zudem hat er dargetan, dass er mit seiner Nachfrage, ob nur eine Frau gesucht wurde, der Beklagten die Gelegenheit geben wollte, ein etwaiges Missverständnis in der Stellenausschreibung auszuräumen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Kläger Wirtschaftsrecht studiert und dort auch mit dem Bereich des Arbeitsrechts befasst ist, lässt sich für seine Nachfrage auch die Erklärung finden, dass er schlichtweg erstaunt über die deutlich diskriminierende Stellenausschreibung war.
bb) Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger bereits vorgerichtlich ein juristisch formuliertes Vergleichsangebot unterbreitet hat. Auch dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass sich der Kläger im Studium mit Arbeitsrecht auseinandersetzt und nunmehr im privaten Bereich seine bereits erworbenen Kenntnisse anwendet, soweit er sich betroffen fühlte. Immerhin hat der Kläger noch versucht, eine vorgerichtliche gütliche Einigung herbeizuführen, ehe er die Beklagte verklagt hat.
cc) Auch der Hinweis des Klägers auf sein Studium des Wirtschaftsrechts und eine hohe kaufmännische Ausbildung sprechen gegen die Annahme eines Rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Der Kläger ist als Industriekaufmann für die ausgeschriebene Stelle qualifiziert gewesen. Der Verweis auf sein Studium und seine hohe kaufmännische Ausbildung kann eher als "Werbemaßnahme" im eigenen Interesse verstanden werden, nicht jedoch als provozierendes Verhalten um eine Absage zu erhalten.
dd) Soweit sich die Beklagte darauf stützt, dass der Kläger die nachfolgende Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht angenommen habe; erlaubt dieser Umstand nicht den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob jemand sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern ob es ihm vielmehr darum gegangen ist, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung oder Schadensersatz geltend zu machen, ist in der Regel der Zeitpunkt der Bewerbung. Damit können im Rahmen der Prüfung, ob ein Entschädigungs- und Schadensersatzverlangen dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt sind, in der Regel nur Umstände aus der Zeit bis zur Absage berücksichtigt werden und deshalb regelmäßig nicht solche, die zeitlich danach liegen. Vorliegend datiert die Absage der Beklagten vom 27.04.2021, das Schreiben der Beklagten, mit der sie dem Kläger anheimstellt, aussagekräftige Bewerbungsunterlagen an die Beklagte zu übersenden, datiert vom 09.06.2021.
Vorliegend kommt hinzu, dass die Beklagte den Kläger erst zu einem Gespräch eingeladen hatte, nachdem sie ihm eine Absage erteilt und der Kläger Ansprüche nach dem AGG geltend gemacht hatte. Vor diesem Hintergrund ist es nicht auszuschließen, dass die Gesprächseinladung der Beklagten - wie der Kläger geltend macht - dazu diente, Ansprüche nach dem AGG abzuwenden. Im Übrigen wirkt sich aus, dass die nachträgliche Einladung einem zunächst abgelehnten Bewerber de facto häufig nicht dieselbe "Chance" einer Einstellung wie eine ursprüngliche Einladung eröffnet und dass insbesondere nicht in jedem Fall zu erwarten ist, dass der Bewerber unbefangen in ein "nachgeholtes" Vorstellungsgespräch geht oder der potentielle Arbeitgeber es auszublenden vermag, wenn der Bewerber sich gegen die Absage bereits zur Wehr gesetzt hat (BAG, 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 59).
ee) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe mit einem "Formularschreiben" vom 27.05.20221 mit vorgefertigten Textbausteinen den streitgegenständlichen Entschädigungsanspruch geltend gemacht. So spreche der anonymisierte Aufbau des Schreibens sowie der Umstand, dass der Kläger es in Absatz 2 der zweiten Seite verabsäumt habe, das "alte" Datum zu aktualisieren, dafür, dass es sich bereits um ein für einen vorherigen Fall vorgefertigtes Musterschreiben handele.
Diese - in den Instanzen - vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers zu, das auf der Annahme beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher "Gewinn" verbleiben, weil die Beklagte - sei es bereits unter dem Druck des vorgerichtlichen Geltendmachungsschreibens oder im Verlauf des Prozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Zahlung einlässt.
(1) Auf Rechtsmissbrauch kann nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG, 11. August 2016 - 8 AZR 4/15 - Rn. 59; 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 50, BAGE 155, 149; 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 63; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56 mwN; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 52, BAGE 131, 232). Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der Bewerber, weil er sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungs- und/oder Schadensersatzklage zulässigerweise seine Rechte nach dem AGG wahrnimmt.
Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Person sich häufig auf solche Stellenausschreibungen beworben hat, die Formulierungen, insb. Anforderungen enthalten, die mittelbar oder unmittelbar an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen und deshalb "auf den ersten Blick" den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe die Stelle entgegen § 11 AGG, wonach ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden darf, ausgeschrieben. Dies folgt bereits daraus, dass der Bewerber auch in einem solchen Fall mit einer Entschädigungs- und/oder Schadensersatzklage grundsätzlich ein nicht unerhebliches Risiko eingeht, den Prozess zu verlieren und damit nicht nur keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG bzw. Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG zu erlangen, sondern auch mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden (vgl. etwa BAG, 11. August 2016 - 8 AZR 4/15 - Rn. 60; 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 51, BAGE 155, 149).
(2) Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass selbst dann, wenn die Geltendmachung von Entschädigungs- und/oder Schadensersatzansprüchen aufgrund anderer erfolgloser Bewerbungen rechtsmissbräuchlich (gewesen) sein sollte, dies nicht ohne Weiteres auch für die jeweils streitgegenständliche gelten muss, sind an die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Dies kann in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher "Gewinn" verbleiben, weil der Arbeitgeber - sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungs- bzw. Schadensersatzklage oder im Verlaufe eines Prozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Zahlung einlässt (vgl. etwa BAG, 11. August 2016 - 8 AZR 4/15 - Rn. 67; 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 58, BAGE 155, 149).
(3) Die bislang von der Beklagten vorgetragenen (Gesamt-)Umstände rechtfertigen jedenfalls nicht den Schluss, auch die Bewerbung des Klägers auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle und die sich an die Ablehnung anschließende Entschädigungs- und Schadensersatzklage seien Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens des Klägers im Rahmen eines "Geschäftsmodells". Vielmehr verbleibt, die "gute Möglichkeit", dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der Stelle hatte, und dass er mit der Erhebung der Entschädigungs- und Schadensersatzklage zulässigerweise seine Rechte nach dem AGG wahrgenommen hat (vgl. zum Ganzen: BAG, Urteil vom 26. Januar 2017 - 8 AZR 848/13 -, Rn. 124 - Rn. 152, juris).
2. Der Eintritt eines immateriellen Schadens wird nach der Gesetzeskonzeption im Falle einer verbotenen Benachteiligung unwiderleglich vermutet (Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 36; Däubler/Bertzbach/Dainert, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 51). Ein Verschulden des Arbeitgebers ist nicht Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf Entschädigung (s. o.; Richardi, NZA 2006, Seite 881, 885).
Hinsichtlich der Höhe sieht die Berufungskammer die Festsetzung von 3,0 Monatsgehältern als angemessen an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Höhe der Entschädigung geeignet sein muss, den Arbeitgeber künftig zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten nach dem AGG anzuhalten - spezialpräventive Funktion - und Dritte von ähnlichen Verstößen abzuhalten -generalpräventive Funktion (Bauer/Göpfert/Krieger, a.a.O., Rn. 36; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 38 ff.; Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 19. November 2008 - 5 Sa 556/08 -, Rn. 343 - 355, juris). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Kläger nicht nur einmal bei der Antwort auf seine Nachricht auf dem Internetportal Ebay-Kleinanzeigen, sondern noch ein zweites Mal bei seiner direkten Nachfrage, ob die Beklagte tatsächlich nur eine Frau einstellen wolle, diskriminiert hat. Hierbei wirkt auch die vorliegende unmittelbare Benachteiligung schwerer als eine mittelbare Benachteiligung. Im Übrigen ist der vom EuGH geforderte Präventionszweck bei der Festsetzung der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Entschädigung von 2.600,00 € monatlich hat sich zwar die Beklagte darauf berufen, dass sie eine Bewerberin gefunden habe, die an vier Nachmittagen die Woche zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 966,00 € gearbeitet habe und unter Berücksichtigung der betrieblichen Struktur die Stelle in einem Umfang von 120 Stunden höchstens mit 10,00 € /Stunde zu dotieren sei. Der Kläger hat sich entsprechend der Stellenausschreibung in Vollzeit beworben. Nach Ansicht der Kammer ist im H. Umland unter Beachtung der laufenden Stellenangebote für eine Sekretärin in Vollzeit ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2.700,00 € zu zahlen, so dass die Forderung in Höhe von drei Gehältern in Höhe von 2.600,00 €, demgemäß 7.800,00 € nicht überzogen ist.
Auf die Frage, ob der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, kam es vorliegend nicht an, da sich der Kläger mit seinem Antrag auf die Zahlung von drei Bruttomonatsgehältern beschränkt hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 91 ZPO.
4. Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich. Auf § 72a ArbGG wird verwiesen.