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  • 07.05.2013

    Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 19.09.2012 – 15 Ta 1766/12

    1. Im Überstundenprozess genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substanziiert erwidern (1. Prüfungsschritt).

    2. Ist streitig, ob der Arbeitnehmer Überstunden geleistet hat, muss der Arbeitnehmer nach der neueren Rechtsprechung des BAG nicht mehr von vornherein darlegen, welche geschuldete Tätigkeit er während der Mehrarbeit verrichtet hat.

    3. Die Anwesenheit eines Arbeitnehmers im Betrieb an seinem Arbeitsplatz begründet eine Vermutung dafür, dass die Überstunden zur Erledigung der Arbeit jeweils notwendig waren. Hierauf hat der Arbeitgeber substanziiert für jeden einzelnen Tag zu erwidern (2. Prüfungsschritt).

    4. Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer hat nicht in Anlagen, sondern im Schriftsatz selbst zu erfolgen. Dies gilt jedenfalls bei Anlagen, die nicht aus sich heraus verständlich sind.


    In Sachen

    pp

    hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer

    durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K.

    am 19. September 2012 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:

    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.08.2012 - 42 Ha 10415/12 - wird zurückgewiesen

    Gründe

    I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für einen Klageentwurf vom 5. Juni 2012. Insofern soll der Antragsgegner verurteilt werden, an ihn 13.721,10 € nebst Zinsen zu zahlen.

    Zur Begründung führt der Antragsteller aus, er habe in den Jahren 2009 bis 2011 insgesamt 1.854,5 Überstunden geleistet. Bei einem Stundenlohn von 6,31 € stünden ihm 11.701,90 € brutto zu. Für die Jahre 2009 und 2010 könne er ferner Urlaubsabgeltung in Höhe von jeweils 1.009,60 € brutto verlangen.

    Der Antragsteller war jeweils befristet für einzelne Teile des Jahres 2009, 2010 und 2011 bei dem Antragsgegner als Schaustellergehilfe tätig. Die Parteien hatten sich auf eine vierzigstündige Arbeitswoche bei einem Bruttogehalt von 700,-- € sowie einem sonstigen Sachbezug für kostenfreie Wohnung und Verpflegung in Höhe von 309,70 € geeinigt. Der Anstellungsvertrag vom 15. Mai 2011 war nur vom Antragsgegner unterzeichnet worden. Dieser sieht in § 11 eine Verfallklausel vor.

    Der Antragsgegner hat behauptet, der Antragsteller habe seinen Urlaub in 2009 und 2010 regulär erhalten. Überstunden seien nie schriftlich angeordnet worden. Der Antragsteller habe Zeiten als Arbeitszeiten aufgelistet, in denen er Pause machen sollte oder in denen er von Platz zu Platz gefahren wurde. Wenn man ihn angewiesen habe, seine Arbeit zu beenden, habe er regelmäßig geantwortet: "Was soll ich im Wohnwagen, da habe ich nichts zu tun. Ich bleibe lieber hier." Sofern es an einzelnen Tagen Überstunden (Auf- und Abbautage) gegeben habe, so seien diese vorher oder an den Folgetagen durch Freizeit ausgeglichen worden.

    Mit Beschluss vom 9. August 2012 hat das Arbeitsgericht Berlin den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Es hat dies u. a. damit begründet, dass die beabsichtigte Klage nicht schlüssig sei. Es fehle an Darlegungen, wann der Antragsteller regulär zu arbeiten gehabt hätte und wer von ihm wann welche Arbeiten für welche Tage und innerhalb welcher Zeitspanne verlangt habe. Auch trage er nicht vor, welche Arbeiten er diesbezüglich konkret zu erledigen gehabt hätte. Im Übrigen seien die Ansprüche gem. § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 15. Mai 2011 verfallen.

    Dieser Beschluss ist dem Antragsteller am 16. August 2012 zugestellt worden. Am 13. September 2012 ging die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde beim Arbeitsgericht Berlin ein. Der Antragsteller ist insofern der Ansicht, dass § 11 des Arbeitsvertrages schon deswegen nicht wirksam geworden sei, weil er den Vertrag zu keinem Zeitpunkt unterzeichnet habe. Auch in den davor liegenden Jahren seien zwischen den Parteien keine schriftlichen Arbeitsverträge ausgefertigt worden.

    Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

    II. Die form- und fristgerecht eingereichte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin dem Antragsteller für seinen Klageentwurf keine Prozesskostenhilfe bewilligt.

    1. Mit der Begründung des Arbeitsgerichts kann die mangelnde Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage jedoch nicht begründet werden.

    1.1 Das Arbeitsgericht rügt insofern, der Antragsteller habe nicht vorgetragen, welche Arbeiten er bzgl. der Überstunden konkret zu erledigen gehabt habe. Insofern verkennt das Arbeitsgericht die neuere Rechtsprechung des BAG zur abgestuften Darlegungslast.

    Im Überstundenprozess genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereit gehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substanziiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (BAG, 16.05.2012 - 5 AZR 347/11 - NZA 2012, 939 Rn. 27). Ist streitig, ob der Arbeitnehmer Überstunden geleistet hat, muss dieser nach der neueren Rechtsprechung des BAG nicht mehr von vornherein darlegen, welche geschuldete Tätigkeit er während der Mehrarbeit verrichtet haben will (so aber noch BAG, 25.05.2005 - 5 AZR 319/04 - NZA 2005, 1432).

    1.2 Das Arbeitsgericht hat auch deswegen eine Erfolgsaussicht verneint, weil der Antragsteller nicht dargelegt habe, wer von ihm wann welche Arbeiten für welche Tage und innerhalb welcher Zeitspannen verlangt habe. Mit dieser Begründung kann die Erfolgsaussicht ebenfalls nicht verneint werden.

    In einem zweiten Prüfungsschritt wird von der Rechtsprechung jedoch durchgängig die Darlegung des Arbeitnehmers verlangt, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (wohl erstmals BAG, 15.06.1961 - 2 AZR 436/60 - DB 1961, 1168). Die Anwesenheit eines Arbeitnehmers im Betrieb an seinem Arbeitsplatz begründet jedoch eine Vermutung dafür, dass die Überstunden zur Erledigung der Arbeit jeweils notwendig waren (LAG Berlin-Brandenburg, 23.12.2011 - 6 Sa 1941/11 - juris Rn. 24). Hierauf hat der Arbeitgeber substanziiert für jeden einzelnen Tag zu erwidern.

    Das momentane Vorbringen des Antraggegners genügt diesem Erfordernis nicht, da die Einwendungen pauschal und nicht konkretisiert für einzelne Tage erhoben werden.

    2. Die Verneinung der Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage stellt sich jedoch aus anderen Gründen als zutreffend dar.

    Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer hat nicht in Anlagen, sondern im Schriftsatz selbst zu erfolgen (BAG, 16.05.2012 aaO. Rn. 29). Dies gilt jedenfalls bei Anlagen, die nicht aus sich heraus verständlich sind (Vgl. LAG Berlin-Brandenburg 5.6.2007 - 12 Sa 524/07 - juris Rn 25).

    Der Antragsteller hat in seinem Klageentwurf nur Monat für Monat die jeweilige Gesamtzahl der Überstunden aufgelistet. Dies ist nicht ausreichend. Der Antragsteller schuldete keine monatliche Gesamtarbeitszeit, sondern eine reguläre Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche. Insofern hätte im Schriftsatz eine Aufgliederung nach der jeweiligen Arbeitswoche (Montag - Sonntag) erfolgen müssen. Daran fehlt es.

    Dieser Vortrag kann jedenfalls im hiesigen Fall auch nicht unter Hinweis auf die vom Antragsteller in Anlagen aufgelisteten Arbeitszeiten ersetzt werden. Dort hat der Antragsteller für jeden einzelnen Tag Arbeitsbeginn und Arbeitsende einschließlich der Pause und eine Gesamtarbeitszeit angegeben. Er hat dann eine Gesamtstundenzahl errechnet und für den jeweiligen Monat eine Überstundenzahl aufgelistet. Insofern fehlt es auch hier an der Darlegung der Überstunden für die jeweilige Arbeitswoche. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, denn die Anlagen sind in sich nicht schlüssig. Dies soll nachfolgend an zwei Beispielen erläutert werden.

    Für November 2009 errechnet der Antragsteller eine Gesamtzahl von 205 Stunden und 40,5 Überstunden. Nachvollziehbar ist dies nicht. Nach seinen Darlegungen leistete der Antragsteller in der 1. Woche 55 Stunden, in der zweiten Woche 39 Stunden, in der 3. Woche 41 und in der 4. Woche 65,5 Stunden. Daraus ergeben sich 15, 0, 1 und 25,5 Überstunden für die jeweiligen Wochen, somit insgesamt 41,5 Überstunden. Rechnet man die vom Antragsteller für Montag, den 30. November 2009 aufgelisteten 1,5 Überstunden hinzu, ergäben sich insgesamt 43 Überstunden. Welche Überstunden der Antragsteller für diesen Monat somit geltend machen will, erschließt sich konkret nicht.

    Noch gravierender sind die Abweichungen für den letzten geltend gemachten Monat, August 2011. Der Antragsteller gibt hier eine Gesamtarbeitszeit von 296 Stunden an, woraus er 136 Überstunden ableitet. Der Monat umfasst vier volle Wochen und drei Arbeitstage. Dies wären regulär 184 zu leistende Stunden. Zieht man diese von der Gesamtarbeitszeit (296 Stunden) ab, ergeben sich allenfalls 112 Überstunden. Der Antragsteller hat jedoch die täglichen Gesamtarbeitszeiten falsch addiert. In der Summe ergeben sich aus seiner Liste 310 geleistete Stunden. Unter Berücksichtigung der 184 regulären Stunden verblieben somit 126 Überstunden. Nach keinem der Rechenmodelle ergeben sich die vom Antragsteller begehrten 136 Überstunden.

    3. Es kann offen bleiben, ob aufgrund der Verfallklausel in § 11 des Arbeitsvertrages vom 15. Mai 2011 entsprechend der Annahme des Arbeitsgerichts sämtliche Ansprüche bis Juli 2011 verfallen sind, weil der Antragsteller erst mit Schreiben vom 13. Februar 2012 gegenüber dem Antragsgegner seine Ansprüche angemeldet hat. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, warum aufgrund dieses Vertrages Ansprüche aus den Jahren 2009 und 2010 verfallen sein sollen, denn durch diesen Vertrag wird nur das Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 14. März 2011 bis 31. Dezember 2011 geregelt. Offen bleiben kann auch, ob trotz der nicht erfolgten Unterschrift des Antragstellers dieser Vertrag ggf. konkludent angenommen wurde.

    4. Soweit der Antragsteller Urlaubsabgeltung für die Jahre 2009 und 2010 begehrt, besteht ebenfalls keine Erfolgsaussicht. Erlischt der Urlaubsanspruch mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers, so entsteht auch kein Abgeltungsanspruch (BAG, 07.12.1993 - NZA 1994, 802 [BAG 07.12.1993 - 9 AZR 683/92]). Hier endete das befristete Arbeitsverhältnis jeweils mit dem Ende des Kalenderjahres. Mit diesem Tag erlosch ein evtl. Urlaubsanspruch (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG), denn der Antragsteller hat nichts dazu vorgetragen, warum es zu einer Übertragung in das nächste Urlaubsjahr hätte kommen können.

    5. Dem Antragsteller war auch nicht hilfsweise eine Beiordnung nach § 11 a ArbGG zu gewähren. Eine solche Beiordnung kann nur in einem bereits anhängigen Gerichtsverfahren erfolgen, somit frühestens zum Zeitpunkt der Klageerhebung (Schwab, Weth, § 11 a ArbGG Rn. 21).

    6. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Insofern ist gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel nicht gegeben.

    VorschriftenBGB § 612 Abs. 1, BUrlG § 7 Abs. 3 S. 2, ZPO § 114, ZPO § 130 Nr. 3, 4, § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG, § 11 a ArbGG