26.06.2013 · IWW-Abrufnummer 132241
Landesarbeitsgericht: Urteil vom 17.04.2013 – 2 Sa 237/12
Überschreitet der Verlängerungsvertrag gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG den Zwei-Jahres-Zeit-Raum um einen Tag ist eine Anfechtung des Arbeitsvertrages unter dem Gesichtspunkt des Erklärungs- oder Inhaltsirrtums grundsätzlich nicht gegeben. Es liegt ein unbeachtlicher Kalkulationsirrtum vor.
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Anfechtung des Arbeitsvertrages sowie über die Wirksamkeit einer Befristungsabrede und einer ordentlichen Kündigung.
Hinsichtlich des Sachverhaltes heißt es im Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 04.09.2012 - 1 Ca 800/12 - unter anderem wie folgt:
Die Beklagte stellte die am 29.12.1987 geborene Klägerin mit Arbeitsvertrag vom 13.07.2010 befristet für die Dauer eines Jahres vom 30.07.2010 bis zum 29.07.2011 als Vollzeitbeschäftigte ein und wies ihr eine Tätigkeit im Referat Kaufmännisches Rechnungswesen, Dezernat Finanzen, Bereich Kreditorenbuchhaltung/Rechnungseingang zu. Die Klägerin verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen, die sie zuletzt bei der Beklagten ableistete.
Die Parteien verlängerten später das Arbeitsverhältnis durch Änderungsvertrag um den Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 30.07.2012. Als Befristungsgrund ist im Vertrag angegeben: "§ 14 Abs. 2 TzBfG der jeweiligen Fassung". Die Klägerin bezog zuletzt eine durchschnittliche monatliche Bruttovergütung in Höhe von € 1.980,-.
Am 11.05.2012 machte die Klägerin nach anwaltlicher Beratung gegenüber der Beklagten den unbefristeten Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses geltend wegen Überschreitung der Zwei-Jahres-Frist für sachgrundlose Befristungen.
Daraufhin beantragte die Beklagte mit Schreiben vom 14.05.2012 beim Personalrat die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin zum 30.07.2012 für den Fall, dass die Anfechtung des Arbeitsvertrages - ergänzt um das Angebot eines nunmehr auf den 29.07.2012 befristeten Änderungsvertrages - nicht greifen sollte. Der Personalrat stimmte der beabsichtigten Kündigung am 16.05.2012 zu.
Mit Schreiben vom 21.05.2012 focht die Beklagte das Arbeitsverhältnis an und stellte die Klägerin mit sofortiger Wirkung von der Arbeit frei. Zugleich bot sie an, einen neuen befristeten Vertrag bis zum 29.07.2012 abzuschließen, was die Klägerin jedoch ablehnte. Des Weiteren kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 21.05.2012 vorsorglich das Arbeitsverhältnis zum 30.07.2012, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Das Arbeitsgericht Rostock hat mit der vorgenannten Entscheidung für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 21.05.2012 noch durch die Befristung des Arbeitsvertrages zum 30.07.2012 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 21.05.2012, zugegangen am gleichen Tag, zum 30.07.2012 bzw. dem nächstzulässigen Termin geendet hat.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert beträgt € 9.900,-.
In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, weder ein Irrtum in der Erklärungshandlung noch ein Irrtum über den Erklärungsinhalt läge vor. Unter den letzteren Irrtum falle ein Kalkulationsirrtum nicht. Die Befristungsabrede sei unwirksam. Ein Sachgrund läge nicht vor. Die Höchstdauer von § 14 Abs.2 Satz 1 TzBfG sei überschritten. Kündigungsgründe hinsichtlich der Kündigungserklärung vom 21.05.2012 seien nicht vorgetragen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Beklagte ist der Ansicht, aus dem Mitbestimmungsantrag vom 06.06.2012 sei deutlich geworden, dass die Vertragsparteien über eine zweijährige sachgrundlose Befristung verhandelt hätten. Es liege ersichtlich ein Schreibfehler vor. Richtiger Weise hätte es im Anschluss an die Erstbefristung heißen müssen: "30.07.2011 bis 29.07.2012". Nachdem ersichtlich ein Schreibfehler vorgelegen habe, sei auch ein Erklärungsirrtum gegeben. Die Beklagte habe sich auch über die das Arbeitsverhältnis prägenden Rechtsfolgen geirrt. Sie habe bei Abschluss des Anschlussvertrages eine Weiterbeschäftigung bis zur Dauer von zwei Jahren, gerechnet vom Beginn des Arbeitsverhältnisses, vereinbaren wollen. Darüber hinaus sei die Befristungsabrede zum 30.07.2012 unter dem Gesichtpunkt der Erprobung gerechtfertigt. Die Kündigungserklärung vom 21.05.2012 habe darüber hinaus das Arbeitsverhältnis beendet. Die Klägerin habe die an sie gestellten Anforderungen nicht erfüllt. Eine Besserung der Leistung erfolgte trotz durchgeführter Gespräche nicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichtes - 1 Ca 800/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin tritt der angefochtenen Entscheidung bei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Arbeitsgericht Rostock hat mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben. Zu den Angriffen der Berufung gilt Folgendes:
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt ein sogenannter Inhaltsirrtum nicht vor. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass bei der Angabe des Datums "30.07.2012" über den objektiven Sinn der verwendeten Erklärungszeichen ein Irrtum bestanden hätte. Die Angabe des Datums ist handschriftlich erfolgt. Ein Vertippen ist damit ausgeschlossen. Alles spricht dafür, dass ein schlichter Rechenfehler vorgelegen hat, dass die Beklagte nämlich davon ausgegangen ist, mit dem 30.07.2012 sei die Zwei-Jahres-Frist des § 14 Abs. 2 TzBfG abgelaufen. Damit hat aber die Beklagte genau die Erklärung abgegeben, die sie hat abgeben wollen. Dass sie sich an der Frist an § 14 Abs. 2 TzBfG orientieren wollte, ist lediglich Motiv ihrer Erklärung. Zu dem Irrtum über den Erklärungsinhalt hat das Arbeitsgericht bereits ausreichend ausgeführt. Auch die ausführlichen Ausführungen in der Berufungsbegründungschrift ändern nichts daran, dass im vorliegendem Fall ein Kalkulationsirrtum vorliegt.
Die Befristung ist auch nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TzBfG gerechtfertigt. Nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, das die Klägerin zum Zeitpunkt der hier in Frage stehenden Befristungsvereinbarung bereits zwei Jahre bei der Beklagten beschäftigt war, davon ein Jahr in einem Ausbildungsverhältnis und ein Jahr in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Lässt man das Ausbildungsverhältnis unberücksichtigt, hätte nach Ablauf der ersten Befristung eine Erprobung von 12 Monaten vorgelegen.
Dies wäre im vorliegenden Fall ausreichend gewesen. Eine weitere Erprobung war nicht gerechtfertigt. Im Allgemeinen werden nach dem Vorbild des § 1 Kündigungsschutzgesetz und der Kündigungsfristenregelung für Kündigungen während der Probezeit 6 Monate als Erprobungszeit ausreichend. Längere Befristungen zur Erprobung auf Grund besonderer Einzelfallumstände sind grundsätzlich möglich (BAG vom 02.06.2010 - 7 AZR 85/09 -). Besondere Umstände, die eine Verlängerung der Probezeit über die bereits vorgenommene Verdoppelung der üblichen Probezeit hinaus rechtfertigen können, sind nicht vorgetragen.
2. Die Kündigung vom 21.05.2012 ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Kündigungsschutzgesetz. Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Klägerin die an sie gestellten Anforderungen trotz Hilfestellung nicht erfolgt habe. Würdigt man dies unter dem Gesichtspunkt der verhaltensbedingten Kündigung fehlt es an der hierfür erforderlichen Abmahnung (vgl. BAG vom 09.06.2011 - 2 AZR 284/10 -). Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die nach Ansicht der Beklagten nicht ausreichende Leistung der Klägerin auf einem nicht steuerbaren Verhalten beruhen und somit eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommen würde, bestehen nicht. Hierzu ist der Vortrag der Beklagten zu Allgemein gehalten. Es hätte vorgetragen werden müssen, um welche konkreten Aufgaben es sich gehandelt hat, so dass der Klägerin eine substantiierte Verteidigung möglich gewesen werde. Darüber hinaus wird die Grenze zwischen steuerbaren Leistungserhöhungen und persönlichem Unvermögen nie scharf zuziehen sein. Gerade deshalb ist im Zweifelsfall eine Abmahnung erforderlich. Erst dann erkennt der Arbeitnehmer, in welcher Gefahr er sich befindet, wenn er sich nicht ernsthaft um eine Leistungserhöhung bemüht. Eine derartige Abmahnung liegt jedoch nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 ZPO.
Zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Absatz 2 Arbeitsgerichtsgesetzt besteht kein Anlass.