28.01.2022 · IWW-Abrufnummer 227198
Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 19.01.2022 – 9 Ta 198/21
Ist eine Rechtsverfolgung mutwillig iSd. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, weil die Partei ihre Anträge mit mehreren Klagen geltend macht, obwohl sie das gleiche Klageziel kostengünstiger im Wege der Erweiterung einer bereits anhängigen Klage erreichen könnte, ist das Gericht nicht verpflichtet, die Rechtsstreite gemäß § 147 ZPO zu verbinden, um der Partei Prozesskostenhilfe bewilligen zu können.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ablehnenden Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 27.10.2021 - 1 Ca 2071/21 - wird gebührenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und die Beiordnung von Rechtsanwalt N als Prozessbevollmächtigten abgelehnt. Denn die Rechtsverfolgung des Klägers war mutwillig iSd. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
1.) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung in der Regel, wenn eine wirtschaftlich leistungsfähige und nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage nicht in gleicher Weise verfolgen würde, weil ihr ein kostengünstigerer Weg offensteht und dieser Weg genauso Erfolg versprechend ist. Mutwilligkeit liegt deshalb regelmäßig vor, wenn eine Partei keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, warum sie ihre Anträge mit mehreren, die Kosten der Rechtsverfolgung erhöhenden Klagen geltend macht, obwohl sie das gleiche Klageziel kostengünstiger im Wege der Erweiterung einer bereits anhängigen Klage erreichen könnte (BAG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 6 AZB 3/11 -, juris, Rn. 9; LAG Köln, Beschluss vom 21. November 2017 - 1 Ta 227/17 -, Rn. 4, juris; Liebscher in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 11a ArbGG, Rn. 98).
2.) Gemessen an diesen Grundsätzen war die Rechtsverfolgung des Klägers mutwillig iSd. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da dieser seine Vergütungsansprüche und die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung in getrennten Prozessen geltend gemacht hat. Daran ändert nichts, dass es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handelte, die, wie der Kläger vorträgt, auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhten. Zwar kann die Erhebung einer gesonderten Klage anstelle der Erweiterung einer bereits anhängigen Klage in Betracht kommen, wenn eine Vielzahl inhaltlich nicht miteinander zusammenhängender Klageanträge zu einer Überfrachtung des Rechtsstreits führen würde (Tiedemann, ArbRB 2012, 97, 98). Das war hier bei den vorliegenden, durchaus überschaubaren Rechtsstreiten aber nicht zu erwarten. Auch die Besorgnis des Klägers, dass Einwendungen der Beklagten gegen die Vergütungsansprüche mit Einwendungen gegen die Kündigung vermischt werden könnten, war unbegründet, da das Arbeitsgericht ohne Weiteres dazu in der Lage ist, beide Sachverhalte und Streitgegenstände zu trennen.
3.) Das Arbeitsgericht war nicht gehalten, durch einen vorherigen Hinweis auf einen Bindungsantrag hinzuwirken oder die Rechtsstreite von Amts wegen zu verbinden. Eine Verbindung von Rechtsstreiten gemäß § 147 ZPO steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und bedarf keines Antrags. Schon von daher bestand keine Pflicht des Arbeitsgerichts, den Kläger auf die Möglichkeit einer entsprechenden Anregung hinzuweisen. Ebenso wenig war das Arbeitsgericht gehalten, die Rechtsstreite von Amts wegen zu verbinden. Bei der Entscheidung über eine Verbindung hat ein Gericht zu prüfen, ob sie aus Rechtsgründen geboten oder unter prozessökonomischen Gesichtspunkten veranlasst ist (vgl. BGH, Beschluss vom 08. November 2017 - VII ZR 82/17 -, Rn. 6, juris). Kein hinreichender Grund für eine Verbindung ist es dabei, einer Partei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu ermöglichen.
4.) Rechtsfolge der Mutwilligkeit ist, dass für die Klage Prozesskostenhilfe gänzlich zu verweigern ist. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beschränkung auf die durch die Erhebung der neuen Klage entstandenen "Mehrkosten" kommt nicht in Betracht. Denn § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthält eine abschließende Regelung der Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Daraus folgt, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe bei Mutwilligkeit nicht teilweise, sondern überhaupt nicht möglich ist (LAG Köln, Beschluss vom 21. November 2017 - 1 Ta 227/17 -, Rn. 7-8, juris; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - 3 Ta 576/13 -, Rn. 12, juris; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. November 2009 - 1 Ta 19/09 -, Rn. 6, juris).
5.) Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.