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  • · Fachbeitrag · §§ 62 ff. EStG

    Kindergeldanspruch in mehreren EU-Staaten

    | Sind für denselben Zeitraum und für denselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer EU-Staaten zu gewähren, so ist vorrangig der Staat zuständig, in dem eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird bzw. sofern die Ansprüche in den EU-Staaten durch den Wohnsitz ausgelöst werden der Staat, in dem sich der Wohnsitz des Berechtigten befindet. Steht dem Antragsteller rein wirtschaftlich kein ausländisches Kindergeld zu, ist eine Kürzung des deutschen Kindergeldanspruchs nicht zu rechtfertigen. |

     

    Sachverhalt

    Streitig war, ob dem Anspruchsberechtigen für seinen Sohn, der im Streitzeitraum ebenso wie der Anspruchsberechtigte und die Kindesmutter in London wohnte, ein ungekürzter deutscher Kindergeldanspruch zusteht.

     

    Der Anspruchsberechtigte ist Rechtsanwalt und Partner einer Rechtsanwaltskanzlei, die sowohl in Deutschland als auch in England Stützpunkte unterhält. Im Streitzeitraum (April 2013 bis September 2014) war er für die Sozietät in beiden Ländern tätig. Seine daraus resultierenden Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit beliefen sich im Jahr 2013 auf rd. 2,1 Mio. EUR und im Jahr 2014 auf rd. 1,7 Mio. EUR. Daneben erzielte er im mittleren fünfstelligen Bereich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Er wurde vom zuständigen FA gemäß § 1 Abs. 3 EStG zur Einkommensteuer veranlagt.

     

    Im Streitzeitraum wohnte der Anspruchsberechtigte zusammen mit der Kindesmutter, deren Erwerbstätigkeit im maßgeblichen Zeitraum wegen Mutterschutz/ Erziehungszeit ruhte, und dem Kind in einer Wohnung in London. In der Zeit von April 2013 bis September 2014 unterhielt er keinen deutschen Wohnsitz.

     

    In England stellten weder der Anspruchsberechtigte noch die Kindesmutter einen Antrag auf Festsetzung von „Kindergeld“ für das oben genannte Kind. Auf den in Deutschland vom Kläger gestellten Kindergeldantrag setzte die Familienkasse Differenzkindergeld fest, wobei vom deutschen Kindergeldanspruch die in Großbritannien zu beanspruchenden Familienleistungen abgezogen wurden.

     

    Hiergegen richteten sich Einspruch und nachfolgend die Klage, mit der ein Anspruch auf ungekürztes deutsches Kindergeld geltend gemacht wurde.

     

    Entscheidung

    Das FG kam zu dem Ergebnis, dass der Anspruchsberechtigte zum ungekürzten Kindergeldbezug berechtigt ist. Eine Anrechnung englischen Kindergelds aus unionsrechtlichen Gründen kommt nicht in Betracht.

     

    Sind die Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer EU-Staaten zu gewähren und wird in diesen Staaten jeweils eine Beschäftigung bzw. eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, aus den jeweiligen EU-Staaten eine Rente bezogen oder werden die Ansprüche in den EU-Staaten allein durch den Wohnsitz ausgelöst, so ist der Staat vorrangig zuständig, in dem sich der Wohnort der Kinder befindet. Voraussetzung ist, dass in dem Wohnstaat der Kinder eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, aus diesem Staat eine Rente bezogen wird bzw. sich in diesem Staat der Wohnort eines der Berechtigten befindet (vgl. Art. 68 Abs. 1 Buchst. b EU-VO 883/2004).

     

    Der Sohn lebte im Streitzeitraum mit dem Anspruchsberechtigten und der Kindesmutter in Großbritannien. Zwei anspruchsberechtigte Personen (sowohl der Anspruchsberechtigte als auch die Kindesmutter) übten in Großbritannien eine Erwerbstätigkeit aus (wobei es sich bei der Kindesmutter um eine einer Erwerbstätigkeit gleichgestellte Tätigkeit handelt). In diesem Fall ist in der Folge auf den Wohnort des Kindes abzustellen, weshalb der Kindergeldanspruch in Großbritannien vorliegend gegenüber dem deutschen Kindergeldanspruch vorrangig ist (Art. 67, 68 Abs. 1 Buchst. b, Ziffer i EU-VO 883/2004).

     

    Nach Art. 68 Abs. 2 der EU-VO 883/2004 ist grundsätzlich vorgesehen, dass vom nachrangig zuständigen Staat (hier: Deutschland) die Ansprüche auf Familienleistungen ausgesetzt werden, und zwar bis zur Höhe der vom vorrangig zuständigen Staat (hier: Großbritanien) vorgesehenen Leistungen. In diesen Fällen ist verfahrensrechtlich nach Art. 68 Abs. 3 der EU-VO 883/2004 weiter vorgesehen, dass der nachrangige Staat bei Antragstellung bei ihm, den Antrag unverzüglich an den vorrangig zuständigen Träger zur dortigen Prüfung weiterleitet und vorläufig (nur) den Unterschiedsbetrag leistet.

     

    Der Ausschluss der Kindergeldzahlung tritt jedoch nach Auffassung des FG nicht ein, wenn ein Rechtsanspruch auf die andere Leistung dem Grunde nach zwar besteht, seine Verwirklichung aber aus anderen Gründen als der fehlenden oder verspäteten Antragstellung ausgeschlossen ist. Für den Ausschluss der Kindergeldzahlung in Deutschland reicht ein Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach jedenfalls dann nicht aus, wenn der Anspruch auf die ausländische Leistung durch Einkommensgrenzen, Altersgrenzen o. Ä. ausgeschlossen ist. Die Tatsache, dass ein Antrag nicht gestellt wurde, reicht zum Kindergeldausschluss nicht aus, wenn geltend gemacht wird, dass er z. B. wegen der Höhe des Einkommens aussichtslos gewesen wäre. Dann muss aber die Einkommenshöhe (des Kindes oder des Berechtigten) nachgewiesen werden.

     

    Im Streitfall hatte der Anspruchsberechtigte einen Anspruch auf deutsches Kindergeld in ungekürzter Höhe. Zwar hat er grundsätzlich auch einen englischen Kindergeldanspruch, seine Verwirklichung scheitert aber aus anderen Gründen als der fehlenden Antragstellung. Denn der Anspruch ist faktisch deshalb ausgeschlossen, weil der Anspruchsberechtigte aufgrund des von ihm in den Jahren 2013 und 2014 erzielten bereinigten Nettoeinkommens (weit) über einem Betrag von 60.000 GBP (britischen Pfund) jährlich lag und ihm das in England grundsätzlich zustehende Kindergeld deshalb vollständig durch die „higher income child benefit charge“ aufgezehrt wurde.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 46839501