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  • · Fachbeitrag · Steuerrecht

    Haftung von Banken nach § 13c UStG bei debitorisch geführten Geschäftskonten

    von Rechtsassessor Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof und Speyer

    | Das FG Münster hatte darüber zu entscheiden, inwiefern eine Hausbank für die Umsatzsteuerschulden ihres Kunden nach § 13c UStG vom Finanzamt in Haftung genommen werden kann, wenn auf einem debitorisch geführten Konto Zahlungen inklusive Umsatzsteuer für den Kunden von dessen Geschäftspartnern eingehen ( Urteil vom 23.4.2020, 5 K 2400/17 U ). Die Regelung des § 13c UStG hat aufgrund des Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15.12.2003 (BGBl I 03, S. 2645) Eingang ins UStG gefunden und hat durch das Zweite Bürokratieentlastungsgesetz vom 30.6.2017 mit Wirkung vom 1.1.2017 Änderungen bezüglich der Haftung bei Factoring erfahren. |

    Sachverhalt

    Die D-GmbH betrieb im Streitjahr 08 ein Unternehmen zur Herstellung und Vertrieb von Leuchten und sonstigen Einrichtungsgegenständen. Im Jahr 07 wurde nach entsprechendem Insolvenzantrag der D-GmbH eine vorläufige Insolvenzverwalterin mit Zustimmungsvorbehalt über das Vermögen der D-GmbH bestellt und im Jahr 08 das Insolvenzverfahren eröffnet, welches aber wegen Masseunzulänglichkeit im Jahr 17 wieder eingestellt wurde. Aufgrund der Umsatzsteuervoranmeldungen 7/07 und 8/07 schuldete die D-GmbH dem beklagten Finanzamt Umsatzsteuer. Bei Insolvenzantragstellung unterhielt die D-GmbH vier Konten bei der Klägerin, einer Bank, wobei eines als Hauptkonto mit Kontokorrent geführt wurde.

     

    Die Klägerin hatte sich von der D-GmbH Bruttoforderungen aus diversen Ausgangsrechnungen einzeln abtreten lassen. Im Haftungszeitraum waren auf dem Hauptkonto der Klägerin Zahlungen eingegangen, die bei der D-GmbH in 7/07 und 8/07 versteuert wurden. Lastschriften auf dem Hauptkonto wurden regelmäßig zurückgebucht, während jedoch Rechnungen von Zulieferern im Haftungszeitraum ausgeführt wurden. Das Hauptkonto war regelmäßig über die Kreditlinie überzogen.

     

    Am 26.3.2008 meldete das Finanzamt die Umsatzsteuerforderungen zur Insolvenztabelle an. Mit Bescheid vom 30.6.2009 wurde die Umsatzsteuer 8/07 festgestellt (§ 185 InsO i. V. m. § 251 Abs. 3 AO). Gegenüber der Insolvenzverwalterin erging am 30.9.2009 auch ein Umsatzsteuerjahresbescheid 07.

     

    Mit Haftungsbescheid vom 25.11.08 nahm das Finanzamt die Klägerin nach § 191 Abs. 1 AO i. V. m. § 13c UStG für die Umsatzsteuerschulden der D-GmbH betreffend die Voranmeldungszeiträume 07/07 und 08/07, die sich aus den abgetretenen Forderungen ergaben, in Haftung.

     

    Die Klägerin ging erfolglos mit dem Einspruch gegen die Haftungsinanspruchnahme vor, wobei sie insbesondere darauf abstellte, dass eine konkludente Kreditrahmengewährung vorgelegen habe und keine Vereinnahmung der entsprechenden Forderungen der D-GmbH vorläge bzw. bei einer nicht offen gelegten Abtretung eine Haftung nach § 13c UStG ausscheide. Auch finde die vom Finanzamt auf Abschn. 13c.1 Abs. 25 UStAE gestützte Fiktion einer Forderungsvereinnahmung bei einer Überschreitung des Kreditrahmens um mehr als 15 % keine Stütze im Gesetzeswortlaut des § 13c UStG. Zudem verstoße § 13c UStG gegen höherrangiges Recht.

     

    Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht beglich die Klägerin die Haftungsschuld.

    Entscheidungsgründe

    Das FG Münster erachtet den Haftungsbescheid für rechtmäßig.

     

    Kein Verstoß gegen EU-Recht

    Das FG Münster sieht § 13c UStG durch Art. 205 i. V. m. Art. 193 MwStSystRL gedeckt, wonach eine gesamtschuldnerische Haftung derart möglich ist, dass eine andere Person als der Steuerschuldner für dessen Umsatzsteuerschuld einzustehen hat. Zu beachten sind hierbei die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts, insbesondere der Grundsatz der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit (EuGH 11.5.2006, C-384/04, DStR 06, S. 897). Insofern geht der BFH davon aus, dass § 13c UStG nicht gegen höherrangiges Recht bzw. Unionsrecht verstößt (BFH 20.3.2013, XI R 11/12, BStBl II 16, S. 107; 21.11.2013, V R 21/12, BStBl II 16, S. 74).

     

    Festsetzung der in der übertragenen Forderung enthaltenen Steuer

    Die Haftung setzt voraus, dass die Steuer bereits festgesetzt ist (§ 13c Abs. 2 UStG).

     

    Zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme war die Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum 7/07 und 8/07 durch die Vorauszahlungsbescheide gegenüber der D-GmbH bereits festgesetzt, wobei grundsätzlich ein spätere Umsatzsteuerjahresbescheid bzw. die Anmeldung zur Insolvenztabelle respektive der Erlass eines Feststellungsbescheides, zu einer Erledigung des Vorauszahlungsbescheides führt und diese für die Berechnung der Haftungsschuld an deren Stelle treten (BFH 21.11.2013, V R 21/12, BStBl II 16, S. 74).

     

    Zwar ist ein wirksamer Umsatzsteuerjahresbescheid 07 nicht ergangen, da dieser nicht für Steuerschulden aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung gegenüber der Insolvenzverwalterin wirksam ergehen kann (BFH 2.7.1997, I R 11/97, BStBl II 98, S. 428). Allerdings ist für den Voranmeldungszeitraum 8/07 der Vorauszahlungsbescheid durch den Feststellungsbescheid nach § 185 InsO i. V. m. § 251 Abs. 3 AO vom 30.6.2009 ersetzt worden. Da für den Voranmeldungszeitraum 07/07 keine Eintragung in die Insolvenztabelle erfolgte und auch kein Feststellungsbescheid erging, ist weiterhin der Vorauszahlungsbescheid Grundlage für die Haftungsschuld. Dabei steht insofern das Unterlassen der Geltendmachung des Steueranspruchs im Insolvenzverfahren der Haftung nach § 13c UStG nicht entgegen (BFH 21.11.2013, V R 21/12, BStBl II 16, S. 74).

     

    Klägerin als Abtretungsempfängerin

    Die Klägerin war auch Abtretungsempfängerin i. S. v. § 13c UStG, denn die Haftung knüpft an alle Formen der Abtretung an, mithin auch an Globalzessionen und an die Fälle stiller Zession (BFH 20.3.2013, 20 XI R 11/12, BStBl II 16, S. 107; 21.11.2013, V R 21/12, BStBl II 16, S. 74). Denn hat der Abtretungsempfänger den Forderungsbetrag vereinnahmt, ist es unerheblich, ob die Abtretung offengelegt worden ist (FG Münster 16.4.2015, 5 K 815/12, UStB 15, S. 285).

     

    Steuerpflichtige Umsätze der D-GmbH sowie Unternehmereigenschaft von Zedent und Zessionar

    Die D-GmbH hat auch steuerpflichtige Umsätze i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbracht. Des Weiteren sind sowohl die Klägerin als auch die D-GmbH Unternehmer gem. § 2 UStG, so dass insoweit auch die Haftungsvoraussetzungen des § 13c UStG erfüllt sind.

     

    Haftungszeitraum

    Die Haftung bezieht sich nur auf bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingezogenen Forderungen (FG Münster 16.4.2015, 5 K 815/12, UStB 15, S. 285). Dies ist im Fall gegeben.

     

    Vereinnahmung der abgetretenen Forderung einschließlich enthaltener Umsatzsteuer

    Eine Vereinnahmung der abgetretenen Forderung inklusive der hierin enthaltenen Umsatzsteuer i. S. v. § 13c UStG liegt vor, soweit der Abtretungsempfänger eine Zahlung aus der abgetretenen Forderung erhalten hat (BFH 20.3.13, XI R 11/12, BStBl II 16, S. 107; FG Münster 16.4.2015, 5 K 815/12, UStB 15, S. 285).

     

    Bei einer Gutschrift auf einem Kontokorrentkonto differenziert das FG Münster:

     

    • Soweit der abtretende Unternehmer aufgrund der Kreditvereinbarung nicht daran gehindert ist, frei über den gutgeschriebenen Betrag zu verfügen, liegt noch keine haftungsbegründende Vereinnahmung durch den Zessionar vor.

     

    • Ist die Kreditlinie aber wie im Fall bereits überschritten und kann das Kreditinstitut weiteren Verfügungen des Kontoinhabers jederzeit widersprechen, ohne dass dieser einen Rechtsanspruch auf eigene Verfügungsbefugnis hat, so ist von einer Vereinnahmung auszugehen (FG München 27.4.2010, 14 V 921/10, MwStR 15, S. 554; a.A. FG Köln 29.10.2014, 3 K 796/11, EFG 15, S. 857; offengelassen von BFH 25.11.2015, V R 65/14; BFH/NV 16, S. 953).

     

    Auch wenn die Bank weitere Verfügungen des Zedenten über das Konto nicht verhindert, steht dies der Vereinnahmung nicht entgegen, da die Beträge zunächst von der Bank vereinnahmt worden sind; mithin genügt die Möglichkeit des Zugriffs bei der Haftung nach § 13c UStG. Andernfalls würde der Sinn und Zweck der Haftungsvorschrift des § 13c UStG verfehlt. Auch hat die Bank es in der Hand, weitere Verfügungen zu verhindern und sie wird diese regelmäßig nur zulassen, wenn diese der Vereinnahmung der Forderung dienen, wie sich dies im Fall der Bezahlung von Zulieferern darstellt.

     

    Zudem wird diese Auslegung auch durch die im Jahr 17 eingeführte Enthaftungsregelung gem. § 13c Abs. 1 S. 4 und 5 UStG beim echten Factoring gestützt, wonach bereits die Möglichkeit des Zugriffs des Abtretungsempfängers auf das Konto, auf welches er die für den Forderungskauf entrichtete Summe einzahlt, die Enthaftung scheitern lässt.

     

    Das FG Münster sieht hierin auch keine unverhältnismäßige Haftung der Klägerin, da sie es ja in der Hand hat, der Haftung zu entgehen, in dem sie auch vorhandene Mittel für die Begleichung der Steuerschuld an die D-GmbH freigeben kann. Andernfalls könnte die Klägerin den Betrieb der D-GmbH künstlich aufrecht erhalten und noch höhere Steuerausfälle produzieren.

     

    Das FG Münster lässt es dahingestellt, ob innerhalb einer 15 %-Grenze über den vereinbarten Kreditrahmen die D-GmbH die Erfüllung ihrer Kontoanweisungen von der Klägerin noch erwarten kann (vgl. Abschn. 13c.1 Ab. 25 UStAE), da im Streitfall diese Grenze jedenfalls überschritten ist.

     

    Zahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht verhindert nicht Inhaftungnahme

    Zwar führt eine Zahlung des Steuerpflichtigen bzw. eine Haftungsschuldners auf die der Haftung zugrunde liegenden Steuerschulden vor Erlass der Einspruchsentscheidung betreffen den Haftungsbescheid dazu, dass insoweit der Haftungsbescheid rechtwidrig wird. Dies gilt aber nicht für Zahlungen, welche ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geleistet werden, denn ansonsten könnte der Haftungsschuldner mit nur vorläufigen Zahlungen dem Haftungsbescheid bereits die Grundlage entziehen.

    Relevanz für die Praxis

    Das FG Münster hat die Revision zugelassen, weil die Frage noch nicht vom BFH geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen durch Eingang von Gutschriften auf einem Kontokorrentkonto im Fall der Überschreitung des vereinbarten Kreditrahmens eine Vereinnahmung i. S. v. § 13c UStG gegeben ist. Dabei steht die Entscheidung des FG Münster im Einklang mit der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, wie sie in Abschn. 13c.1 Abs. 24 UStAE niedergelegt ist. Insofern hat der BFH die Gelegenheit sich zur Verwaltungsanweisung zu positionieren.

     

    Das Besondere bei der Haftung nach § 13c UStG ist, dass dem Finanzamt kein Entschließungsermessen zusteht, wie sich aus § 13c Abs. 2 S. 2 UStG ergibt (Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 13, Rn. 485).

     

    Auch ist die Haftung insofern so gefährlich, als sie durch eine Teilabtretung nicht derart umgangen werden kann, dass zwischen Zedenten und Zessionar vereinbart wird, dass die Umsatzsteuer im Abtretungsbetrag nicht enthalten ist (BGH 17.1.2007, VIII ZR 171/06, NJW-RR 07, S. 687).

     

    Zusätzlich ist zu beachten, dass Abschn. 13c.1 Abs. 35 S. 2 UStAE anordnet, dass die Finanzverwaltung auf die Haftung nach dieser Norm ein besonderes Augenmerk zu legen hat, was sich daraus erklärt, dass dieser Haftungstatbestand auf eine Anregung des Bundesrechnungshofes zurückgeht (Gehm, StBp 19, S. 31).

     

    Daher ist damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung vermehrt in vergleichbaren Konstellationen Banken nach § 13c UStG in Haftung nimmt, sofern der BFH nicht der Rechtsauffassung des FG Münster entgegentritt.

    Quelle: ID 46628218