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  • · Fachbeitrag · Ehescheidung

    Ehe ohne Zustimmung des Mannes geschieden ‒ BGH hält die Scheidung dennoch für wirksam

    von RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM Anwaltssozietät, Münster

    | Der BGH hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen für eine auf die Verletzung von Verfahrensrechten gestützte Beschwerde eine Beschwerdeberechtigung vorliegt und welchen Anforderungen die Beschwerdebegründung genügen muss. |

     

    Sachverhalt

    Die Eheleute M und F leben seit dem 11.1.20 getrennt. F hat beantragt, die Ehe zu scheiden, und Folgesachen anhängig gemacht. Der M hat der Scheidung nicht zugestimmt. Das AG hat die Ehe geschieden und die Folgesachen geregelt, nachdem es nur die F angehört hat. Die dagegen gerichtete Beschwerde des M sowie seine Rechtsbeschwerde sind erfolglos.

     

    • 1. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet nur dann eine Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG, wenn der Rechtsmittelführer durch die verfahrenswidrig ergangene Entscheidung gleichzeitig in materiellen Rechten betroffen ist und es bei einer korrekten Verfahrensgestaltung auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu einer günstigeren Entscheidung für den Rechtsmittelführer hätte kommen können (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17.10.18, XII ZB 641/17, FamRZ 19, 229).
    • 2. Ein Beschwerdeführer, der sich mit seinem Rechtsmittel gegen die ohne seine Zustimmung ausgesprochene Scheidung seiner Ehe wendet, ist beschwerdeberechtigt i. S. v. § 59 Abs. 1 FamFG.
    • 3. Für den notwendigen Inhalt der nach § 117 Abs. 1 FamFG erforderlichen Beschwerdebegründung können im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO gelten (im Anschluss an Senatsbeschluss 5.12.18, XII ZB 418/18, FamRZ 19, 378).
     

    Entscheidungsgründe

    Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die angefochtene Entscheidung verletzt weder das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) noch das Grundrecht des M auf effektiven Rechtsschutz, Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG. Der beschwerdeberechtigte M hat die Beschwerde nicht hinreichend begründet.

     

    MERKE | Beschwerdeberechtigt ist, der durch die erstinstanzliche Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist, d. h., wenn deren Entscheidungssatz unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift, § 59 Abs. 1 FamFG.

    Dies ist der Fall, wenn die angefochtene Entscheidung ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufhebt, beschränkt, mindert, ungünstig beeinflusst oder gefährdet, die Ausübung dieses Rechts stört oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthält oder erschwert (BGH FamRZ 23, 1615 Rn. 12). Sind Verfahrensvorschriften verletzt, ist die Beschwerdeberechtigung nur gegeben, wenn der Rechtsmittelführer dadurch gleichzeitig in materiellen Rechten betroffen ist und es ohne den Verfahrensverstoß auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte kommen können (BGH 17.10.18, XII ZB 641/17, FamRZ 19, 229 Rn. 23).

     

    M ist beschwerdeberechtigt, § 59 Abs. 1 FamFG. Zwar hat er sich nur darauf berufen, dass das Verfahrensrecht mangels seiner Anhörung verletzt ist. Die Beschwerdeberechtigung hängt aber nicht von entsprechenden Darlegungen ab. Das Beschwerdegericht muss von Amts wegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen prüfen. Die unmittelbare Betroffenheit des M in eigenen Rechten ergibt sich aus der Beschlussformel und den Gründen der angegriffenen Entscheidung, weil die Ehe ohne Zustimmung des M gegen dessen erklärten Willen geschieden wurde (anders als im Fall BGH 17.18, XII ZB 641/17, FamRZ 19, 229).

     

    Die Beschwerde ist aber mangels einer den Anforderungen entsprechenden Beschwerdebegründung unzulässig. Nach § 117 Abs. 1 S. 1 FamFG muss der Beschwerdeführer in Ehe- und Familienstreitsachen einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Da die Norm den Inhalt der Beschwerdebegründung nicht regelt, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Nach dem auch für den Inhalt der Beschwerdebegründung maßgeblichen § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO (BGH 5.12.18, XII ZB 418/18, FamRZ 19, 378 Rn. 7) müssen in der Beschwerdebegründungsschrift die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Zudem müssen konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, bezeichnet (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO) sowie etwaige neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel benannt werden (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO).

     

    Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung hier nicht gerecht. Zwar hat der M vorgebracht, dass er nicht angehört worden ist. Damit hat er die der Rechtsverletzung zugrunde liegenden Umstände bezeichnet. Die Beschwerdebegründung des M lässt nicht erkennen, warum die Voraussetzungen für eine Scheidung trotz einer unstreitig vorangegangenen Trennungszeit von mehr als drei Jahren nicht vorgelegen haben sollten und der Scheidungsausspruch daher unrichtig sein könnte. Denn damit ist die unwiderlegbare Vermutung nach § 1566 Abs. 2 BGB verbunden, dass die Ehe gescheitert ist.

     

    Relevanz für die Praxis

    Es ist wie folgt zu unterscheiden: Zulässigkeit: Das Beschwerdegericht prüft von Amts wegen, ob der Beschwerdeführer durch die verfahrenswidrige Entscheidung in materiellen Rechten betroffen ist und es ohne diesen Verstoß auch materiell-rechtlich zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte kommen können. Begründetheit: Der Beschwerdeführer muss darlegen und ggf. beweisen, dass der Verfahrensverstoß entscheidungserheblich ist.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2024 | Seite 167 | ID 50138325