· Fachbeitrag · Vaterschaftsanerkennung
Keine Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter
von RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM Anwaltssozietät, Münster
| Eine Vaterschaftsanerkennung ist nicht mehr möglich, wenn die Mutter stirbt, bevor sie dieser zustimmt. Das hat das OLG Bamberg entschieden und weicht damit von der Rechtsprechung des KG ab. |
Sachverhalt
Die Betroffene B begehrt, dass eine Vaterschaftsanerkennung in ihrem Geburtsregistereintrag beurkundet wird, da ihre Mutter M bei ihrer Geburt verwitwet war. Die M ist verstorben. Später hat H mit notarieller Urkunde die Vaterschaft anerkannt, in die die B mit weiterer notarieller Urkunde eingewilligt hat. Der H ist inzwischen auch verstorben. Das Standesamt hat bezweifelt, dass die Vaterschaftsanerkennung wirksam ist und die Sache dem AG vorgelegt. Das AG hat mit Beschluss angeordnet, dass in dem Geburtenbuch/-registereintrag die Vaterschaftsanerkennung nicht beizuschreiben ist. Die Beschwerde der B dagegen ist erfolglos (OLG Bamberg 26.1.23, 1 W 67/22, Abruf-Nr. 234506).
Entscheidungsgründe
§ 1595 Abs. 1 BGB in der Fassung nach dem Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16.12.97 ist anwendbar, auch wenn die Betroffene vor Inkrafttreten dieses Gesetzes (1.7.98) geboren wurde (KG 3.1.17, 1 W 483/16, Rn. 9).
Ob eine Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter mangels deren Zustimmung (§ 1595 Abs. 1 BGB) möglich ist, ist streitig: Eine Ansicht lehnt dies ab (LG Koblenz 1.8.02, 2 T 487/02). Im Gesetz gebe es keine Anhaltspunkte dafür, das Zustimmungserfordernis einzuschränken. Nach dem Regierungsentwurf zum Kindschaftsrechtsreformgesetz sei in diesem Fall nur das gerichtliche Feststellungsverfahren möglich (BT-Drucksache 13/4899, 54). Auch nach dem Zweck der Regelung sei dies sachgerecht. Insbesondere biete die Zustimmung allein des Kindes (§ 1595 Abs. 2 BGB) keine gleichwertige Gewähr dafür, dass die Anerkennung richtig sei. Denn das Kind habe keine vergleichbare Kenntnis von seiner Abstammung. Wegen der weitreichenden Konsequenzen der Anerkennung seien hohe Anforderungen an den Nachweis der Vaterschaft zu stellen.
Nach der Gegenansicht entfällt mit dem Tod der Mutter das Zustimmungserfordernis (KG Berlin 3.1.17, 1 W 483/16, Rn. 15 ff.). Die höchstpersönliche Erklärung der Mutter werde mit deren Tod entbehrlich. Das Kind habe i. d. R. ein schutzwürdiges Interesse daran, zeitnah und effizient einen Vater zu erhalten. Müsste ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren durchgeführt werden, bliebe es ggf. gegen seinen Willen und gegen den Willen des anerkennungsbereiten Mannes ohne Vater, wenn sich die biologische Vaterschaft nicht feststellen lasse. Die „biologische Wahrheit“ sei bei der Abstammung nicht unbedingt vorrangig, da auch im Fall eines Vaterschaftsanerkenntnisses mit Zustimmung der Mutter weder die biologische Vaterschaft noch die Motive der Mutter für deren Zustimmung geprüft würden. Grund für das Zustimmungserfordernis sei nicht primär der Schutz der Mutter. Der Gesetzgeber habe durch die Anerkennung die Rechtsstellung der Mutter etwa wegen der Umgangsrechte des Vaters als betroffen angesehen (BT-Drucksache 13/4899, 54). Derartige Einwirkungen auf die Rechte der Mutter durch die Rechte des Vaters endeten jedoch mit deren Tod.
Der ersten Meinung ist zu folgen: Die Argumentation, eine Vaterschaftsanerkennung sei im Interesse des Kindes einem Gerichtsverfahren vorzuziehen, beinhaltet eine Wertung, die dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Nach dem Regierungsentwurf zum Kindschaftsrechtsreformgesetz sollte beim Tod der Mutter keine Anerkennung mehr möglich sein. Vielmehr sei „ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren für das Kind wegen der größeren Sicherheit günstiger“ (BT-Drucksache 13/4899, 54). Eine teleologische Reduktion verbietet sich, da der Zweck der Regelung primär darin liegt, Statuswahrheit zu gewährleisten. Das Kind hat aus seinem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) ein Recht auf Kenntnis seiner biologisch-genetischen Abstammung (BVerfG 31.1.89, 1 BvL 17/87). Das Argument, dass auch im Fall eines Vaterschaftsanerkenntnisses mit Zustimmung der Mutter die biologische Vaterschaft nicht geprüft werde, greift insofern zu kurz, als deren Zustimmung zumindest eine höhere Gewähr für die biologische Richtigkeit der Anerkennung bietet als der bloße Wille von Anerkennendem und Kind. Abstammungsverhältnisse ohne hinreichend sichere Feststellung der biologischen Vaterschaft zu ermöglichen, stellt keinen legitimen Zweck des Abstammungsrechts dar, sondern wäre an den Adoptionsregeln zu messen (Balzer in: BeckOGK BGB, Stand: 1.11.22, § 1595 Rn. 13.1).
Relevanz für die Praxis
Nach Ansicht des OLG Bamberg können Vater und Kind im Fall des Todes der Mutter vor der Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung daher nur ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren durchführen.
Musterformulierung / Vaterschaftsfeststellungsantrag |
... wird beantragt festzustellen, dass Herr ... der Vater des Kindes (…), geb. am (…), ist. Begründung: Herr ... hatte während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der unverheirateten Kindesmutter und ist der biologische Vater des Kindes. Beweis: Sachverständigengutachten (Abstammungsgutachten)
Da die Mutter des Kindes verstorben ist, bevor diese einer Vaterschaftsanerkennung durch Herrn ... zustimmen konnte, bedarf es der gerichtlichen Entscheidung. |
Da die Mutter verstorben ist, wird sie im Rubrum nicht aufgeführt, weil sie keine Beteiligte ist. Ihr Versterben ist im Sachverhalt zu erwähnen. Alternativ kann sie im Rubrum mit dem Zusatz: „verstorben am ...“ angegeben werden.
Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Bei der Frage, ob eine Vaterschaftsanerkennung auch noch nach dem Tod der Mutter möglich ist, handelt es sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die von allgemeinem Interesse ist. Der Senat weicht von der Rechtsprechung des KG ab.