· Fachbeitrag · Auslagen
Aktenversendungspauschale - Bestandsaufnahme, oder: Viel Lärm um 12 EUR
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Münster/Augsburg
| 2003 hat der Gesetzgeber eine Aktenversendungspauschale (AVP) eingeführt, die anfällt, wenn die Justizbehörde Akten ordnungsgemäß versendet (Nr. 9003 KV GKG). Die Pauschale war von Anfang an umstritten. Durch das 2. KostRMoG v. 23.7.13 (BGBl I, 2586) hat der Gesetzgeber einiges geändert. Hierdurch traten neue Streitfragen in der Rechtsprechung auf. Die folgende Checkliste klärt allgemeine Fragen zur AVP. Anschließend erhalten Sie eine Übersicht über die wichtigsten Gerichtsentscheidungen. |
Checkliste / Allgemeine Fragen zur AVP | |
Frage | Antwort |
| Die AVP ist an verschiedenen Stellen geregelt, und zwar in
Wichtig | Ob Nr. 9003 KV GKG auch in sozialgerichtlichen Verfahren gilt, ist umstritten (bejahend für die in § 197 Abs. 1 SGG genannten Fälle: Volpert RVGreport 15, 442 m. w. N.). |
| Die Rechtsprechung verneint dies. Denn die Akten können immer noch kostenlos auf der Geschäftsstelle des Prozessgerichts bzw. der Staatsanwaltschaft eingesehen werden, anstatt versandt zu werden (BVerfG NJW 95, 3177; NStZ 97, 42; OLG Koblenz NStZ-RR 96, 96: AG Oldenburg StV 95, 652). |
| Unter „Akte“ ist die sog. „Papierakte“ zu verstehen, die aus mehreren zusammengefassten Dokumenten nebst Anlagen und ggf. Beiakten besteht (Volpert in: Gesamtes Kostenrecht, 2014, Nr. 9003 KV GKG Rn. 19). |
| Nein. Hierfür fällt die jeweilige Dokumentenpauschale (z. B. Nr. 9000 KV GKG) an (Volpert in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl., Teil A: Gerichtskosten, Rn. 1129 ff.). |
| „Versendung“ bedeutet, dass die Akte von der Stelle, bei der sie geführt wird, an einen anderen Ort geschickt wird (OLG Bamberg AGS 14, 514). Die Akten müssen also das (Gerichtsgebäude) verlassen haben (OLG Koblenz AGS 13, 83; OVG Koblenz NJW 13, 2137). |
| Die AVP entsteht je Sendung. Erhält der Rechtsanwalt daher mehrere Akten in einer Sendung, entsteht die Pauschale nur einmal. Wird dieselbe Akte hingegen mehrfach versandt, entsteht die Pauschale mehrfach (BSG AGS 15, 398; LG Frankenthal MDR 96, 104; AG Frankfurt RVGreport 09, 39; vgl. Volpert RVGreport 15, 442, 443). |
| Nein, die AVP setzt ausdrücklich voraus, dass die Akte „auf Antrag“ versandt wird (OLG Jena VRR 08, 243 [Ls.]; OLG Düsseldorf JurBüro 12, 597). |
| Nein, im Ergebnis kann die AVP nicht in Rechnung gestellt werden (AG Stuttgart StraFo 08, 352; [ähnlich] OLG Koblenz JurBüro 14, 379; OLG Köln RVG prof. 15, 46; LG Arnsberg AGS 15, 77). |
| Es gilt § 17 Abs. 2 GKG. Danach kann ein Vorschuss von 12 EUR gefordert werden.
Wichtig | Das gilt nach § 17 Abs. 4 S. 2 GKG allerdings nicht im Straf- und gerichtlichen Bußgeldverfahren. Dort darf es vor einer rechtskräftigen Entscheidung nicht davon abhängig gemacht werden, die Akten erst zu versenden, wenn die Auslagenpauschale von 12 EUR gezahlt wird (BVerfG NJW 95, 3177; LG Göttingen StV 96, 166; LG Tübingen AnwBl 95, 569; AG Marsberg AnwBl 95, 153; AG Soest StV 95, 652; Volpert VRR 05, 296). |
| Die Pauschale gilt nur für die reinen Versandkosten und die dadurch bedingten Transportkosten (BT-Drucksache 17/11471, S. 345, 308). Sie soll die bei der Aktenversendung anfallenden baren Auslagen der Justiz ersetzen (BT-Drucksache 17/13537, S. 268; OLG Koblenz JurBüro 14, 379; OLG Köln RVG prof. 15, 46; OLG Nürnberg 23.11.15, 2 Ausl AR 16/15, Abruf-Nr. 146427). Darauf hat die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zum 2. KostRMoG v. 23.7.13 (BGBl I, 2586) hingewiesen. Erfasst werden also nicht:
Wichtig | Hin- und Rücksendung gelten als eine Sendung. Die Aktenversendungspauschale entsteht also nur einmal für Hin- und Rücksendung. |
| Nach allgemeiner Meinung schuldet die Kosten der AVP nur der, der beantragt hat, die Akten zu versenden. In Straf- und Bußgeldsachen ist daher der Verteidiger selbst Schuldner der AVP - nur er kann nach § 147 StPO Akteneinsicht nehmen (BVerfG NJW 95, 3177; 96, 2222; OLG Koblenz NStZ-RR 96, 96; OLG Naumburg NStZ-RR 12, 192 [Ls.]; vgl. Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl., Rn. 335).
Wichtig | Auch der Pflichtverteidiger ist daher Kostenschuldner der AVP (BGH RVG prof. 11, 134). |
| Ja, denn die AVP gehört nicht zu den allgemeinen Geschäftskosten des Rechtsanwalts mit der Folge, dass sie durch die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG abgegolten wäre (BGH RVG prof. 11, 134; KG zfs 09, OLG Düsseldorf StV 03, 177; LG Potsdam NStZ-RR 13, 31; LG Zweibrücken RVG prof. 12, 82). |
Das bedeutet:
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| Ja, denn der Rechtsanwalt zahlt die AVP auf eine eigene Kostenschuld. Es handelt sich nicht nur um einen durchlaufenden Posten, sondern um eine umsatzsteuerbare Leistung. Daher hat der Mandant bzw. die Rechtsschutzversicherung die AVP zzgl. Umsatzsteuer zu ersetzen (BGH RVG prof. 11, 134). Der Pflichtverteidiger erhält die AVP aus der Staatskasse ebenfalls zzgl. Umsatzsteuer (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl., Rn. 341). |
Rechtsprechungsübersicht / AVP |
Auf der Grundlage der vorstehend dargestellten Grundsätze gilt:
AVP darf nicht erhoben werden, wenn
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AVP darf nicht erhoben werden, wenn
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AVP darf erhoben werden, wenn
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Weiterführende Hinweise
- Elektronische Akte: Aktenversendungspauschale nur bei qualifizierter elektronischer Signatur, RVG prof. 15, 185, AG Lüdinghausen 13.8.15, 19 OWi 166/15 [b], Abruf-Nr. 145594
- Aktenversendungspauschale fällt an: Externer Kurierdienst sendet an auswärtiges Gerichtsfach, RVG prof. 15, 169, OLG Bamberg 5.3.15, 1 Ws 87/15, Abruf-Nr. 144762
- Akteneinsicht per Gerichtsfach ist kostenlos, RVG prof. 15, 46, OLG Köln 16.10.14, 2 Ws 601/14, Abruf-Nr. 143908
- Auswärtige Verteidigerin bekommt Aktenversendungspauschale erstattet, RVG prof. 14, 101, AG Köln 20.12.13, 53 Ds 44/13, Abruf-Nr. 141529
- Neues zur Aktenversendungspauschale, RVG prof. 14, 65
- Rechtsschutzversicherung muss Umsatzsteuer für Aktenversendungspauschale erstatten, RVG prof. 11. 134, BGH 6.4.11, IV ZR 232/08, Abruf-Nr. 111664