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  • 02.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235039

    Landesarbeitsgericht Thüringen: Beschluss vom 06.04.2023 – 2 Ta 49/23


    Tenor:
    1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Suhl vom 06.01.2023 - 1 Ca 819/22 - aufgehoben.


    2. Die Sache wird an das Arbeitsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.



    Gründe



    I. Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, Arbeitsentgelt sowie Schadensersatz und Herausgabeansprüche der Beklagten zu 1) gegen den Kläger.



    Der Kläger ist seit 15.11.2021 als Servicemonteur bei der Beklagten zu 1) beschäftigt. Die Beklagte zu 1) kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.09.2022 ordentlich zum 15.10.2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.



    Der Kläger hat am 26.09.2022 Kündigungsschutzklage gegen die ...... GmbH, Beklagte zu 1), und gegen die ..... GmbH ......., Beklagte zu 2), erhoben. Es handelt sich bei den Beklagten um dieselbe juristische Person, die unter der Bezeichnung .... GmbH firmiert. Der Kläger hat sich darauf berufen, die Kündigung sei gem. § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt und behauptet, die Beklagte beschäftige regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich Auszubildender. Am 21.10.2022 hat der Kläger die Klage auf Zahlung von Vergütung für September 2022 i.H.v. 2.720,00 € nebst Energiepauschale i.H.v. 300,00 Euro erweitert.



    Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, da sie regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftige. Sieben Arbeitnehmer in Vollzeit und ein geringfügig Beschäftigter seien, den Kläger eingerechnet, zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung beschäftigt gewesen. Die Beklagte hat unter Vorlage der Lohnabrechnung für September 2022 behauptet, sie habe 176 Stunden i.H.v. insgesamt 2.640,00 € sowie die Energiepauschale in Höhe von 300,00 € ordnungsgemäß abgerechnet. Sie hat mit Schriftsatz vom 10.10.2022 Widerklage auf Schadensersatz i.H.v. 1.382,70 € sowie auf Herausgabe von Arbeitsschuhen, eines Sweatshirts sowie eines Satzes Makita Schrauberbits erhoben und hinsichtlich der dem Kläger zustehenden Nettovergütung für September 2022 wegen des mit der Widerklage geltend gemachten Zahlungsanspruchs von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht.



    Der Kläger hat Prozesskostenhilfe für die Klage und die Klageerweiterung, ausdrücklich für das gesamte Verfahren, auch für einen etwaigen Mehrvergleich, unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt.



    Am 16.11.2022 hat die Güteverhandlung stattgefunden, in dessen Ergebnis auf übereinstimmenden Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet wurde.



    Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 06.01.2023 wegen unvollständig ausgefüllter Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zurückgewiesen.



    Der Kläger hat gegen den ihm am 11.01.2023 zugestellten Beschluss am 10.02.2023 sofortige Beschwerde eingelegt.



    Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 22.03.2023 nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.



    II. Die nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO an sich statthafte, form- sowie fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und nach § 572 Abs. 3 ZPO zur Zurückverweisung an das Arbeitsgericht.



    1. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zunächst zu Recht zurückgewiesen, da der Kläger die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ordnungsgemäß ausgefüllt hat. Eine vollständige Erklärung lag auch im Zeitpunkt der Nichtabhilfeentscheidung am 22.03.2023 nicht vor. Der Kläger hat jedoch - was zulässig ist - im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens am 29.03.2023 eine ordnungsgemäß ausgefüllte Erklärung nebst des Bescheides des Jobcenters ..... über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 10.03.2023 vorgelegt. Eine abschließende Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist nach diesen Unterlagen möglich. Der Kläger erhält ab 01.04.2023 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 1.102,00 € monatlich. Nach Abzug der Wohnkosten und des Freibetrages verbleibt kein einzusetzendes Einkommen. Danach liegen die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe ab 29.03.2023 ohne Zahlungsbestimmung vor.



    2. Gleichwohl ist hier keine abschließende Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu treffen. Das Beschwerdegericht macht von der auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren eröffneten Möglichkeit nach § 78 S. 1 ArbGG, § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch, die Prüfung der Erfolgsaussicht und damit die abschließende Entscheidung dem Arbeitsgericht zu übertragen.



    a) Zwar obliegt dem Beschwerdegericht als Tatsacheninstanz, den Prozesskostenhilfeantrag in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht neu zu prüfen. Grundsätzlich spricht auch die anzustrebende Beschleunigung des Prozesskostenhilfeverfahrens für eine die Sache abschließende Beschwerdeentscheidung. Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, kann es aber auch nach seinem bei der Entscheidung über die Beschwerde auszuübenden Ermessen von der Möglichkeit Gebrauch machen, der Vorinstanz unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die erforderlichen Anordnungen zu übertragen. So obliegt die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht iSd. § 114 ZPO primär dem erstinstanzlichen Gericht, um vorgreifliche Hinweise des Beschwerdegerichts auf eine Behandlung der Hauptsache zu vermeiden (LSG Baden-Württemberg 9. Mai 2022 - L 3 AS 1216/22 B - juris mwN). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bei erstmaliger und abschließender Prüfung der Erfolgsaussicht durch die Beschwerdekammer um eine erstinstanzliche Prüfung des den Rechtsstreit entscheidenden Arbeitsgerichts gebracht wird.



    b) Nach diesen Grundsätzen hält es die Beschwerdekammer im Ergebnis der Ermessensausübung für angebracht, die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht dem Arbeitsgericht zu übertragen. Das Beschwerdegericht kann die Erfolgsaussicht nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht ohne Weiteres feststellen. Die Beklagte ist dem Vortrag des Klägers zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes entgegengetreten. Der Kläger hat sich hierzu nicht erklärt. Ein Hinweis des Gerichts erfolgte nicht. Die Problematik war ausweislich des Sitzungsprotokolls auch nicht Gegenstand der Güteverhandlung am 16.11.2022. Gleiches gilt für den Zahlungsantrag des Klägers. Das Arbeitsgericht hat daher, ggf. nach Anstellen weiterer Erhebungen gem. § 118 Abs. 2 ZPO, die Erfolgsaussichten zu prüfen. Darüber hinaus hat es im Rahmen seiner Hinweispflicht zu klären, ob sich der Prozesskostenhilfeantrag auch auf die Widerklage erstreckt und ob die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Beschleunigungsgrundsatz steht der Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht nicht entgegen, denn das Verfahren wurde auf übereinstimmenden Antrag der Parteien ruhend gestellt.



    Ein Rechtsmittel ist gegen diesen Beschluss nicht gegeben.



    Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

    Vorschriften§ 1 KSchG, § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 572 Abs. 3 ZPO, § 78 S. 1 ArbGG, § 114 ZPO, § 118 Abs. 2 ZPO