02.07.2008 · IWW-Abrufnummer 162756
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 16.10.2006 – 6 Ta 491/06
1. Eine Änderungsschutzklage gegen eine Änderungskündigung ist regelmäßig mit 2 Monatsverdiensten zu bewerten, wenn der Arbeitnehmer den Vorbehalt gemäß § 2 KSchG erklärt hat. Streitgegenstand einer Änderungsschutzklage nach Erklärung des Vorbehalts ist lediglich die Frage, zu welchen Bedingungen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden kann. Es handelt sich nicht um eine Klage auf wiederkehrende Differenzleistungen.
2. Ein unechter Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung ist nur dann im Rahmen der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen, wenn über diesen Antrag entschieden wird oder insoweit eine vergleichsweise Regelung getroffen wird.
Tenor: Die Beschwerde der Rechtsanwälte G. pp. vom 05.09.2006 gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Solingen vom 24.08.2006 - 5 Ca 2143/05 lev - wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Gründe: I. Die Klägerin, die seit dem 01.02.2002 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Leiterin für das Stadtmarketing zu einem Monatsgehalt von zuletzt 5.743,29 EUR beschäftigt war, hat sich in dem Ausgangsverfahren gegen eine Änderungsk ündigung vom 27.09.2005 gewandt, in der ihr andere Aufgaben bei einer geringeren Vergütung zugewiesen werden sollten. Die Klageanträge lauteten wie folgt: 1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 27.09.2005 gegenüber der Klägerin sozial ungerechtfertigt und auch aus anderen Gründen unwirksam ist. 2. Sollte die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, dass sie die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiterbeschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, stellen wir folgenden weiteren Antrag: a) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen aus dem Arbeitsvertrag vom 21.11.2001 als Angestellte mit dem Aufgabengebiet einer Marketingleiterin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen. Nachdem die Güteverhandlung gescheitert war, hat die Klägerin vor Durchführung der Kammerverhandlung die Klage zurückgenommen, nachdem die Parteien eine außergerichtliche Einigung getroffen hatten. Das Arbeitsgericht hat den Streitwert durch Beschluss vom 24.08.2006 auf zwei Monatsverdienste der Klägerin festgesetzt. Gegen diese Streitwertfestsetzung wendet sich die Beschwerde der Beschwerdeführer vom 05.09.2006, die der Auffassung sind, dass der Streitwert für den Klageantrag zu 1. auf drei Monatsverdienste und für den Klageantrag zu 2. auf zwei Monatsverdienste festzusetzen sei. II. Die Beschwerde vom 05.09.2006 der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 32 Abs. 1 RVG, 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Streitwert insgesamt lediglich auf zwei Monatsverdienste der Klägerin festgesetzt. 1. Zu Recht ist das Arbeitsgericht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf gefolgt und hat den Streitwert für eine Änderungsschutzklage, die unter Vorbehalt angenommen worden ist, auf zwei Monatsverdienste festgesetzt. Auch die nunmehr zuständige Kammer hält an dieser Rechtsprechung fest. Besteht das Arbeitsverhältnis infolge der nach § 2 KSchG erklärten Annahme des Änderungsangebotes fort, so geht der Änderungsschutzstreit zwar um die Durchsetzung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, der sich hier als Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses darstellt. Dieser Streit kann nur nach § 42 Abs. 4 Satz 1 ArbGG bewertet werden. Diese Vorschrift gilt für die "Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses". Die Ausfüllung des Ermessensrahmens nach § 42 Abs. 4 Satz 1 ArbGG richtet sich nach § 3 ZPO. Insoweit hält die auch nunmehr zuständige Beschwerdekammer weiter daran fest, dass der Streitwert für ein Verfahren, das über die Wirksamkeit einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung geführt wird, regelmäßig auf zwei Monatseinkommen festzusetzen ist (Beschluss des LAG Düsseldorf vom 08.11.1990 - 7 Ta 355/90 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 87 und etwa die Beschlüsse der bis zum 31.12.2005 zust ändigen 17. Kammer des LAG Düsseldorf vom 19.04.2002 - 17 Ta 159/02 -; vom 24.01.2005 - 17 Ta 724/05 und Beschluss der erkennenden Kammer vom 31.01.2006 - 6 Ta 19/06 -). Dass der in § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG genannte Dreimonatsstreitwert im Regelfall zu unterschreiten ist, beruht darauf, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses selbst nicht infrage steht. Andernfalls ergäben sich Wertungswidersprüche. Mit der Festsetzung auf zwei Monatseinkommen wird zudem den Erfordernissen der Praxis nach einem einheitlichen und einfach handhabbaren Ermessensvollzug Rechnung getragen, einem Grundsatz typisierender Wertbemessung, den auch das Bundesarbeitsgericht im Streitwertbemessungsverfahren nicht infrage gestellt hat (Beschluss vom 30.11.1984, AP Nr. 9 zu § 12 ArbGG 1979). Soweit die Beschwerdeführer sich auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1989 berufen, wonach bei der Wertfestsetzung grundsätzlich vom dreifachen Jahresbetrages des Wertes der Änderung auszugehen ist und als Höchstgrenze die Regelung in § 12 Abs. 7 Satz 1 und 2 ArbGG a. F. = nunmehr § 42 Abs. 4 Satz 1 und 2 GKG damit das Vierteljahreseinkommen nicht überschritten werden dürfen, folgt die Beschwerdekammer weiterhin nicht der insoweit nicht konsequenten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Insoweit kann auf die Begründung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.11.1990 - 7 Ta 355/90 - verwiesen werden. Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Bundesarbeitsgericht nicht berücksichtigt hat, dass auch eine unter Vorbehalt angenommene Änderungskündigung eine Kündigung ist, so dass § 17 Abs. 3 GKG a. F = nunmehr § 42 Abs. 3 GKG nicht heranzuziehen ist, weil § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG a.F. = nunmehr § 42 Abs. 4 GKG ("über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses") einschlägig ist und diese Vorschrift lex spezialis zu § 42 Abs. 3 GKG ist. Bei der Änderungskündigung sind im Übrigen die gleichen verfahrensmäßigen Regelungen zu beachten wie bei einer Vollkündigung; auch die sachliche Überprüfung erfolgt nach ähnlichen Gesichtspunkten, so dass auch von daher alles dafür spricht, § 42 Abs. 4 GKG heranzuziehen (vgl. auch Anm. Schneider zu der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in EzA § 12 Streitwert Nr. 35 und 37; Germelmann/Matthes/Prütting/N.-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 12 Rdn. 112 m. w. N.). Es ist dabei unerheblich, ob der von der Änderung betroffene Bereich bezifferbar ist oder nicht. Streitgegenstand einer Änderungsschutzklage ist nicht eine Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen, sondern die Frage, ob der Inhalt der Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung zulässigerweise geändert werden kann. Da bei dem erklärten Vorbehalt nicht der Bestand des Arbeitsverhältnisses selbst in Frage steht, ist der in § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG für den Streit um eine Beendigungskündigung vorgegebene Höchstrahmen des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts zu unterschreiten. Soweit die Beschwerdeführer sich weiter auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.01.1997 - 5 AZR 658/95 - NZA 1997, 711/713) berufen, gibt diese Entscheidung für die Rechtsauffassung der Beschwerdeführer nichts her, da Streitgegenstand des dortigen Verfahrens nicht etwa eine Änderungskündigung war, sondern ausdrücklich nach dem vom Bundesarbeitsgericht ausgelegten Antrag die Feststellung, "... dass der Klägerin eine nicht aufzehrbare, an Tariferhöhungen teilnehmende pensionsfähige Ausgleichszulage in Höhe von 1.372, DM" zustehe. Bei diesem Antrag hat das Bundesarbeitsgericht sicherlich zu Recht festgestellt, dass die Parteien nicht über den Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern über Gehaltsdifferenzen gestritten haben. Ein derartiger Fall liegt im Ausgangsverfahren jedoch aufgrund der eindeutig ausgesprochenen Änderungskündigung gerade nicht vor. 2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den angekündigten weiteren Antrag, der nur für den Fall angekündigt war, dass die Beklagte sich nicht in der Güteverhandlung in bestimmter Weise äußert, nicht bei der Streitwertfestsetzung berücksichtigt. Ganz abgesehen davon, dass ein derartiger Antrag unzulässig sein dürfte (vgl. BAG vom 08.04.1988 - 2 AZR 777/87 - NZA 1988, 741) hat die Klägerin die Stellung eines derartigen Antrages lediglich angekündigt für den Fall, dass die von ihr gesetzte willkürliche Bedingung nicht eintreten wird. Es ist dem Akteninhalt jedoch nicht zu entnehmen, dass die Klägerin in der Güteverhandlung oder danach ihre Ankündigung wahr gemacht hat und den Antrag gestellt hat. Darüber hinaus wäre entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ein derartiger Antrag wie ein echter oder unechter Hilfsantrag zu werten, den die Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in ständiger Rechtsprechung nicht berücksichtigen, so lange nicht über diesen Antrag entschieden wird. Entsprechendes gilt, wenn in dem Vergleich nicht über einen derartigen Hilfsantrag eine Regelung getroffen wird (vgl. LAG Düsseldorf vom 27.07.2000 - 7 Ta 249/00 - NZA RR 2000, 2613; Beschluss vom 02.11.2005 17 Ta 616/05 ; Beschluss der erkennenden Kammer vom 06.07.2006, 6 Ta 371/06 ; Beschluss vom 02.03.2006 - 6 Ta 113/06 -). Dies folgt aus § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch nur dann zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Dies gilt auch für einen unechten Hilfsantrag (vgl. ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern des LAG Düsseldorf, Beschlüsse vom 09.12.2002 - 17 Ta 516/02 -, 08.04.2003 - 17 Ta 139/03 und 27.07.2000 - 7 Ta 249/00). Auch die nunmehr zuständige Beschwerdekammer teilt die bislang vertretene Auffassung, dass unter dem in § 19 Abs. 1 GKG a. F. = 45 Abs. 1 GKG n. F genannten "hilfsweise geltend gemachten Anspruch" auch ein (zulässiger; s. RGZ 144, 77; BAG EzA § 611 BGB Nr. 30) uneigentlicher Hilfsantrag fällt. Zur Begründung dieser von der 7. Kammer zu § 19 GKG a. F. in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung wird auf die veröffentlichten Entscheidungen JurBüro 1990, 243; LAGE § 19 GKG Nr. 7 und 10 verwiesen. Nach wie vor gilt insbesondere, dass es keinen Sinn macht, die Zulässigkeit eines uneigentlichen Hilfsantrags zu begründen, wenn er nicht zu der nunmehr in § 45 Abs.1 GKG genannten kostenrechtlichen Besserstellung für die Partei führen würde. Nach der Neufassung der Vorschrift durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 und der Neufassung ab 01.07.2004 erweist sich diese Auffassung umso mehr als richtig, weil der Gesetzgeber, dem die Kontroverse um den uneigentlichen Hilfsantrag bekannt sein musste, diesen Antrag nicht aus dem Geltungsbereich der Vorschrift herausgenommen hat. Heranzuziehen ist mithin § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG. Auch ein unechter Hilfsantrag ist ein Hilfsantrag, der lediglich an das Obsiegen mit dem Hauptantrag geknüpft ist und nicht an ein Unterliegen, wie bei einem - echten - Hilfsantrag. Eine kumulative Klagehäufung liegt erst dann vor, wenn über den entsprechenden Antrag entschieden worden ist. Demnach kann der Hilfsantrag streitwertmäßig nicht berücksichtigt werden, weil über ihn keine Entscheidung ergangen ist. Der Rechtsstreit ist durch Vergleich beendet worden, der hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs auch nicht etwa eine Regelung enthält.