26.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113825
Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 24.05.2011 – 15 Sa 533/10
1. Da ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt sein Kündigungsrecht nicht verwirken kann, darf ein Kündigungsberechtigter den Aus- bzw. Fortgang eines Strafermittlungs- bzw. eines Strafverfahrens abwarten und seinen Kündigungsentschluss davon abhängig machen (BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7), er darf dann aber nicht zu einem beliebigen willkürlich gewählten Zeitpunkt außerordentlich kündigen. Für den gewählten Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes, wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen neuen ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für die Kündigung nehmen.
2. Ist der Kündigungsberechtigte der Meinung, aus einem eingeleiteten Strafermittlungsverfahren könnte sich ein umfassenderer Kenntnisstand ergeben, als er ihn ohne Hinzuziehung von Ermittlungsbehörden selbst bereits erlangt und für eine Kündigungserklärung verwandt hat, darf er den Aus- bzw. Fortgang eines Strafermittlungsverfahrens abwarten und zwar unabhängig davon, ob er einen vor Abschluss des Strafermittlungsverfahrens gefassten Kündigungsentschluss bereits durch den Ausspruch einer Kündigung manifestiert hat. Dies muss bereits deshalb gelten, weil bei den Maßnahmen, die der Kündigungsberechtigte einleitet - wie etwa die Anzeigeerstattung - gerade nicht darauf abgestellt werden darf, ob die Maßnahmen des Kündigenden etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren. Die abgewartete Ergebnislosigkeit eines eingeleiteten Strafermittlungsverfahrens kann ebenso gut den Entschluss des Kündigungsberechtigten nach sich ziehen, keine weitere Kündigung erklären zu wollen.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Januar 2010 - 11 Ca 8437/09 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte produziert Analysegeräte für die Labordiagnostik in Auftragsfertigung. Sie beschäftigt an ihrem einzigen Standort in A etwa 110 Mitarbeiter. Es ist ein Betriebsrat gebildet.
Der Kläger ist am 20. Mai 1961 geboren und verheiratet. Er war seit dem 10. März 1999 bei der Beklagten als Informationselektroniker beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt € 3.997,76.
Mit Schreiben vom 18. September 2009, das dem Kläger am 21. September 2009 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht. Vor dieser Kündigung hatte sie den Betriebsrat nicht angehört.
Mit Schreiben vom 23. September 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung an. Sie teilte dem Betriebsrat dabei unter anderem mit, dass feststehe, dass vom Kläger der Firma B am 16. September 2009 angebotene Ware bei der Hausdurchsuchung sichergestellt wurde und dass der Kläger einen Laptop des Unternehmens entwendet habe, der bei der Hausdurchsuchung am 21. September 2009 sichergestellt wurde. Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts der Betriebsratsanhörung wird auf Blatt 49 bis 55 der Akten Bezug genommen.
Sie kündigte sodann das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht mit Schreiben vom 29. September 2009, das dem Kläger am Folgetag zuging.
Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2009, der am selben Tag per Telefax bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main einging, hat der Kläger Kündigungsschutzklage wegen der beiden Kündigungen erhoben.
Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 29. September 2009 sei als außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Er hat gemeint, dies folge daraus, dass die Beklagte spätestens am 7. September 2009 positive vollständige Kenntnis von den Vorfällen gehabt habe. Er hat die Auffassung vertreten, weiterer Aufklärungsmaßnahmen habe es nicht bedurft und neue, weitere Vorfälle habe es nicht gegeben. Er hat behauptet, er habe den Laptop nicht entwendet. Er hat außerdem die Meinung vertreten, die Kündigung verstoße gegen § 623 BGB, weil das Kündigungsschreiben lediglich eine Paraphe aufweise. Zudem hat er gemeint, für eine Verdachtskündigung fehle es an einer ordnungsgemäßen Anhörung, denn seine Erklärung bei der Hausdurchsuchung sei keine Anhörung im Sinne einer arbeitsrechtlichen Anhörung gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. September 2009, zugestellt am 21. September 2009, nicht beendet worden ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. September 2009, zugestellt am 30. September 2009, nicht beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, jede einzelne vom Kläger begangene Tat stelle einen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung dar. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe die Hausdurchsuchung vom 21. September 2009 abwarten dürfen, erst danach habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begonnen. Sie hat behauptet, von dem zweiten Vorfall im Zusammenhang mit der Firma B habe sie erst am 16. September 2009 erfahren., von der Entwendung des Firmenlaptops und dem Verkauf der Firmenware an die Firma C habe sie erst am 21. September 2009 Kenntnis gehabt.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des Vortrages der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Januar 2010 - 11 Ca 8437/09 - gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 96 bis 102 d.A.).
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch vorgenanntes Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die erste Kündigung vom 18. September 2009 nicht aufgelöst worden ist und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat - soweit im zweiten Rechtszug von Bedeutung - angenommen, das Schriftformerfordernis des § 623 BGB sei gewahrt, denn das Kündigungsschreiben vom 29. September 2009 enthalte die Unterschriften der Frau D und des Herrn E. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die von der Beklagten erklärte Tatkündigung sei gegeben, weil der Kläger mehrere Straftaten zu Lasten der Beklagten begangen habe, indem er Ware im Wert von mehreren € 10.000,-- von der Beklagten entwendet habe. Die vorzunehmende Interessenabwägung gehe zu Lasten des Klägers aus und es sei der Beklagten unzumutbar, das Arbeitsverhältnis zum Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Es hat weiter angenommen, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei durch diese Kündigung, die dem Kläger am 30. September 2009 zuging, gewahrt. Die Beklagte habe das Ergebnis der Hausdurchsuchung, die am 21. September 2009 stattfand, abwarten dürfen. Grundsätzlich dürfe ein Kündigungsberechtigter regelmäßig den Aus- bzw. Fortgang eines Strafverfahrens abwarten, er dürfe dann aber nicht zu einem beliebigen willkürlich gewählten Zeitpunkt außerordentlich kündigen. Voraussetzung für eine doch vorgezogene Kündigung sei vielmehr, dass er hierfür einen sachlichen Grund habe. Einen solchen hat es zu Gunsten der Beklagten angenommen, weil diese nach der Hausdurchsuchung bzw. der Durchsuchung des Fahrzeugs des Klägers zum einen neue Tatsachen dergestalt erfahren habe, dass weitere entwendete Waren gefunden worden seien und dass durch Einsicht in Kontoauszüge in Erfahrung gebracht worden sei, dass der Kläger am 21. Juli 2009 Geld von der Firma C für die Lieferung von Waren aus dem Eigentum der Beklagten erhalten hatte. Zum anderen habe die Beklagte neue Beweismittel in Gestalt der sichergestellten weiteren Waren und der Kontoauszüge erlangt. Es hat zudem angenommen, der Betriebsrat sei vor Ausspruch dieser Kündigung mit Schreiben vom 23. September 2009 ordnungsgemäß angehört worden; eine Verlängerung der gesetzlichen Anhörungsfristen habe die Beklagte nicht vorgenommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 24. Mai 2011 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt, soweit seine Klage abgewiesen wurde.
Er verfolgt sein Begehren teilweise unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter und hält an seiner Auffassung fest, dass die Beklagte ihren Kündigungsentschluss nicht am Ausgang des Strafverfahrens orientiert habe. Das zeige sich bereits daran, dass sie den Kündigungsentschluss aufgrund von Informationen vom 7. September 2009 bereits am 18. September 2009 getroffen habe, denn da habe sie die erste Kündigung erklärt. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2005 - 2 AZR 245/01 - meint er außerdem, die Beklagte habe ihren Kündigungsentschluss für die zweite Kündigung nur dann vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens abhängig machen können, wenn sie von der ersten Kündigung Abstand genommen hätte. Zudem habe das Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung festgehalten, dass für weitere Ermittlungen kein Anlass bestehe wenn der Sachverhalt bereits geklärt sei. Dies sei hier der Fall gewesen, denn am 7. September 2009 hätten der Beklagten unumstößliche Beweise bereits vorgelegen. So habe sie schließlich den Erwerb des Diebesgutes mit dem vermeintlichen Käufer koordiniert, ihr habe das Diebesgut, der Kaufvertrag und ein Beleg über den Zahlungseingang des Kaufpreises vorgelegen. Insgesamt seien "verständige Gründe" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für weitere Ermittlungen nach dem 7. September 2009 nicht gegeben gewesen. Zwar sei der Beklagten durch die Hausdurchsuchung der Umfang des Diebstahls klarer geworden, es sei aber unter Berücksichtigung der Höhe des der Beklagten bereits am 7. September 2009 bekannten Diebesgutes auszuschließen, dass weitere Erkenntnisse für die Entscheidung der Beklagten von Bedeutung gewesen seien. Er meint letztlich, für die hilfsweise ordentliche Kündigung sei die Anhörungsfrist gegenüber dem Betriebsrat nicht gewahrt.
Er beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Januar 2010 - 11 Ca 8437/09 - wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. September 2009, zugegangen am 30. September 2009, aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Bezugnahme auf die tatsächlichen Abläufe und meint, es handele sich bei den Taten, von denen sie am 16. und 21. September 2009 erfahren habe, um jeweils eigenständige neue Straftaten und jede einzelne rechtfertige gesondert die außerordentliche Kündigung.
Wegen des vollständigen Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird im Übrigen auf die Berufungsbegründung insgesamt (Bl. 123 - 128 d.A.) und die Berufungsbeantwortung (Bl. 141 - 147 d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 24. Mai 2011 (Bl. 167 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 28. Januar 2010 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig. Das Rechtsmittel ist statthaft, §§ 64 Abs. 2 lit. c), 8 Abs. 2 ArbGG sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG.
II. Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der Kündigung vom 29. September 2009 zu Recht abgewiesen, denn diese außerordentliche fristlose Kündigung, die dem Kläger am 30. September 2009 zugegangen ist, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam zum 30. September 2009 beendet.
1. Mit zutreffender und im Berufungsrechtszug nicht angegriffener Begründung hat das Arbeitsgericht gemäß § 626 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen der Parteien das Vorliegen eines wichtigen Grundes angenommen, der es der Beklagten unzumutbar machte, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufrecht zu erhalten, weil der Kläger Waren, die im Eigentum der Beklagten standen, entwendet und Dritten zum Kauf angeboten hat.
2. Die Kammer folgt zudem den ebenfalls zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB, macht sich diese zu Eigen und nimmt auf diese Bezug, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Im Hinblick auf den Vortrag des Klägers im Berufungsrechtszug ist nur Folgendes zu ergänzen:
a) Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 28. Oktober 1971 - 2 AZR 32/71 - BAGE 23, 475; 6. Juni 1972 - 2 AZR 386/71 - BAGE 24, 341). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ohne Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann das Kündigungsrecht nicht verwirken. Der Kündigende, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur fristlosen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hat der Kündigende nunmehr die Kenntnis des Kündigungssachverhalts, so beginnt die Ausschlussfrist zu laufen. Diese Ermittlungen dürfen zwar nicht hinausgezögert werden. Es darf aber nicht darauf abgestellt werden, ob die Maßnahmen des Kündigenden etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren. Bis zur Grenze, die ein verständig handelnder Arbeitgeber beachten würde, kann der Sachverhalt durch erforderlich scheinende Aufklärungsmaßnahmen vollständig geklärt werden. Allerdings besteht für Ermittlungen dann kein Anlass mehr, wenn der Sachverhalt bereits geklärt oder vom Gekündigten sogar zugestanden worden ist. Der Beginn der Ausschlussfrist wird gehemmt, solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Eile durchführt (BAG 5. Dezember 2001 - 2 AZR 478/01 - AP BGB § 123 Nr. 63 = EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Da ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt sein Kündigungsrecht nicht verwirken kann (s.o.), darf ein Kündigungsberechtigter den Aus- bzw. Fortgang eines Strafermittlungs- bzw. eine Strafverfahrens abwarten und seinen Kündigungsentschluss davon abhängig machen (BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7), er darf dann aber nicht zu einem beliebigen willkürlich gewählten Zeitpunkt außerordentlich kündigen. Für den gewählten Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes, wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen neuen ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für die Kündigung nehmen.
b) Zun ächst verfängt das Argument des Klägers, die Beklagte habe ausweislich ihres Entschlusses zur Kündigung vom 18. September 2009, den sie auf der Basis ihres Informationstandes vom 7. September 2009 getroffen habe, ihren Kündigungsentschluss für die zweite Kündigung vom 29. September 2009 gar nicht am Ausgang des Strafermittlungsverfahrens orientiert, bereits aus tatsächlichen Gründen nicht. Denn die Beklagte hat gegenüber dem Betriebsrat zur Begründung ihres Entschlusses für die beabsichtigte (zweite) Kündigung gerade Tatsachen mitgeteilt, von denen sie erst aufgrund der Hausdurchsuchung, die von den Ermittlungsbehörden durchgeführt wurde, Kenntnis erlangt hat. Diese tatsächlichen Umstände sind also solche, die allein aufgrund des eingeleiteten Strafermittlungsverfahrens bekannt geworden sind. Eine Orientierung der Beklagten am Ausgang des Strafermittlungsverfahrens steht damit fest.
c) Dem eingangs genannten und bereits vom Arbeitsgericht zutreffend herangezogenen Maßstab folgend verfängt auch das Argument des Klägers nicht, die Beklagte habe ihren Entschluss für die zweite Kündigung überhaupt nur dann vom Ausgang des Strafermittlungsverfahrens abhängig machen dürfen, wenn sie von der ersten Kündigung Abstand genommen hätte. Denn der Kläger verkennt, dass es für jede Kündigung einer umfassenden Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt bedarf. Ist der Kündigungsberechtigte der Meinung, aus einem eingeleiteten Strafermittlungsverfahren könnte sich ein umfassenderer Kenntnisstand ergeben, als er ihn ohne Hinzuziehung von Ermittlungsbehörden selbst bereits erlangt und für eine Kündigungserklärung verwandt hat, darf er den Aus- bzw. Fortgang eines Strafermittlungsverfahrens abwarten und zwar unabhängig davon, ob er einen vor Abschluss des Strafermittlungsverfahrens gefassten Kündigungsentschluss bereits durch den Ausspruch einer Kündigung manifestiert hat. Dies muss bereits deshalb gelten, weil bei den Maßnahmen, die der Kündigungsberechtigte einleitet - wie etwa die Anzeigeerstattung - gerade nicht darauf abgestellt werden darf, ob die Maßnahmen des Kündigenden etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren. Die abgewartete Ergebnislosigkeit eines eingeleiteten Strafermittlungsverfahrens kann ebenso gut den Entschluss des Kündigungsberechtigten nach sich ziehen, keine weitere Kündigung erklären zu wollen.
d) Zutreffend weist der Kläger zwar darauf hin, dass für Ermittlungen dann kein Anlass mehr besteht, wenn der Sachverhalt bereits geklärt ist. Er übersieht jedoch, dass bis zur Grenze, die ein verständig handelnder Arbeitgeber beachten würde, der Sachverhalt durch erforderlich scheinende Aufklärungsmaßnahmen vollständig geklärt werden kann. Am 7. September 2009 lag ein Geständnis des Klägers nicht vor. Bei dem nach dem Kenntnisstand der Beklagten vom 7. September 2009 möglicherweise zu erwartenden Ausmaß der vom Kläger begangenen Straftaten und den einem Arbeitgeber nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass im konkreten Einzelfall die Beklagte die von einem verständig handelnden Arbeitgeber beachtete Grenze nicht überschritten hat, als sie weitere Aufklärungsmaßnahmen, insbesondere die Haus- und Fahrzeugdurchsuchung, abwartete, um eine vollständige Klärung desjenigen Sachverhalts zu erlangen, auf den sie dann eine weitere Kündigung stützte. Denn entgegen der Auffassung des Klägers lagen der Beklagten am 7. September 2009 nicht sämtliche Beweise für das strafbare Verhalten des Klägers vor. Weitere Beweise, nämlich weitere Ware, wurde erst bei der Hausdurchsuchung am 21. September 2009 sichergestellt. Dies erkennt letztlich der Kläger selbst, indem er in der Berufungsbegründung anführt, der Beklagten sei "durch die Hausdurchsuchung der Umfang des Diebstahls klarer geworden".
Auf welche Tatsachen der Kläger seine im Übrigen vertretene Auffassung stützt, es sei unter Berücksichtigung der Höhe des der Beklagten am 7. September 2009 bekannten Diebesgutes (gemeint ist wohl der Wert desselben) auszuschließen, dass weitere Erkenntnisse für die Entscheidung der Beklagten von Bedeutung gewesen seien, legt er nicht dar. Der Meinung des Klägers steht aber sogar entgegen, dass die Beklagte dem Betriebsrat in der Anhörung mitteilte, sie werte die Einlassung des Klägers vom 21. September 2009 "dass es wohl so sei", als Geständnis hinsichtlich aller vier aufgeführten Taten.
3. Der Kläger wendet sich im Übrigen nicht gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, mit dem Ergebnis der Hausdurchsuchung habe die Beklagte einen sachlichen Grund für den gewählten Kündigungszeitpunkt bzw. den Fristbeginn für die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehabt.
Auf die Angriffe der Berufung im Hinblick auf die hilfsweise ordentliche Kündigung kommt es danach nicht mehr an.
III. Die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.
IV. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.