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  • 12.02.2019 · IWW-Abrufnummer 207122

    Landesarbeitsgericht Niedersachsen: Urteil vom 26.09.2018 – 7 Sa 336/18

    1. Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen der § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG trifft den Arbeitnehmer.

    2. Macht der Arbeitnehmer bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit einen Entgeltfortzahlungsanspruch aufgrund neuer Erkrankung geltend, trifft ihn auch die Darlegungs- und Beweislast für das Ende der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit.


    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 7. März 2018 - 11 Ca 378/17 - abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

    Die Revision wird zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.



    Die Klägerin verlangt für sechs Wochen vom 19. Mai bis einschließlich 29. Juni 2017 Entgeltfortzahlung in Höhe von 3.364,90 € brutto. Die Klägerin, die gelernte Krankenschwester ist, war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 2001 als Pflegefachkraft tätig. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung der Klägerin zum 31. Juli 2017. Seit dem 1. August 2017 befindet sich die Klägerin in Rente.



    Die Klägerin war vom 9. bis 25. Januar 2017 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 26. Januar bis 6. Februar 2017 befand sie sich im Urlaub. Vom 7. Februar bis jedenfalls zum 18. Mai 2017 war die Klägerin wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Am 27. März 2017 fand eine probatorische Sitzung der Klägerin bei Dr. O. statt. Ab dem 30. März 2017 hatte die Klägerin wegen der psychischen Erkrankung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ihrer Hausartzpraxis Dr. E./G. erhalten. Am Freitag, den 5. Mai 2017 attestierte die Zeugin G. der Klägerin letztmalig mit einer Folgebescheinigung eine Arbeitsunfähigkeit wegen der psychischen Erkrankung bis zum Donnerstag, den 18. Mai 2017. Am Freitag, den 19. Mai 2017 wurde die Klägerin wegen einer Gebärmuttersenkung operiert. Unter dem 18. Mai 2017 ("festgestellt am") hatte die Frauenärztin, die Zeugin Dr. F., der Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Erstbescheinigung wegen einer Gebärmuttersenkung ausgestellt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nannte als Beginn der Arbeitsunfähigkeit den 19. Mai 2017 und als deren voraussichtliches Ende den 16. Juni 2017. Später attestierte die Zeugin Dr. F. der Klägerin im Wege einer Folgebescheinigung eine weitere Arbeitsunfähigkeit bis zum 30. Juni 2017. Wegen der psychischen Erkrankung wurde der Klägerin unter dem 15. März 2017 Citalopram verschrieben. Bereits zuvor hatte die Frauenärztin, die Zeugin Dr. F., der Klägerin wegen der psychischen Erkrankung Opipramol verschrieben. Die Medikamente nahm die Klägerin ein.



    Mit Schreiben vom 28. Juni 2017 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2017. Im Zeitraum vom 1. Juli bis einschließlich 31. Juli 2017 war die Klägerin - wie von ihr mit der Pflegedienstleitung der Beklagten abgesprochen - unter Anrechnung von Urlaub und Überstunden unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt.



    Nachdem die Klägerin zunächst auf einen Platz für eine Psychotherapie warten musste, begann sie ab etwa Juli 2017 eine Psychotherapie bei dem Neurologen Dr. von H.. Dieser verschrieb der Klägerin ebenfalls Citalopram, was die Klägerin einnahm. Bei dem Neurologen stellte sich die Klägerin einmal im Vierteljahr vor. Inzwischen ist die Behandlung beendet, und die Medikamente sind abgesetzt.



    Für den Zeitraum vom 19. Mai bis einschließlich 30. Juni 2017 erhielt die Klägerin weder Entgeltfortzahlung noch Krankengeld. Auch auf Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 31. August 2017 unter Fristsetzung zum 7. September 2017 leistete die Beklagte nicht.



    Mit ihrer der Beklagten am 14. September 2017 zugestellten Klage verlangt die Klägerin Entgeltfortzahlung für sechs Wochen.



    Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei ab dem 19. Mai 2017 aufgrund einer neuen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Die Arbeitsunfähigkeit wegen der psychischen Erkrankung sei am 18. Mai 2017 beendet gewesen. Die Arbeitsunfähigkeit wegen der gynäkologischen Erkrankung sei erst am 19. Mai 2017 durch die Operation eingetreten. Zuvor sei sie wegen der Gebärmuttersenkung nicht arbeitsunfähig gewesen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18. Mai 2017 sei von ihrer Frauenärztin im Vorgriff auf die Operation ausgestellt worden.



    Die Klägerin hat beantragt,



    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 19. Mai 2017 bis 30. Juni 2017 Entgeltfortzahlung in Höhe von 3.364,90 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. September 2017 sowie eine Schadenspauschale von 40,00 € zu leisten.



    Die Beklagte hat beantragt,



    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat sich auf eine Einheit des Verhinderungsfalls berufen. Sie hat behauptet, die Klägerin sei über den 18. Mai 2017 hinaus wegen der psychischen Erkrankung arbeitsunfähig gewesen. Zudem habe die gynäkologische Erkrankung bereits vor dem 19. Mai 2017 zu einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin geführt. Sie hat gemeint, aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V folge, dass mit dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch die Frauenärztin - hier dem 18. Mai 2017 - ein Krankengeldanspruch entstehe. Da die Klägerin an diesem Tag noch wegen der psychischen Erkrankung arbeitsunfähig gewesen sei, sei ebenfalls von einer Einheit des Verhinderungsfalls auszugehen sei.



    Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 7. März 2018 stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, im Zweifel ende die Arbeitsunfähigkeit am Ende des in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angegebenen Kalendertages. Die Beklagte habe keine gewichtigen Indizien dafür dargetan, dass die psychische Erkrankung der Klägerin entgegen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 5. Mai 2017 nicht mit Ablauf des 18. Mai 2017 geendet habe. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht darauf stützen, dass die Klägerin nach dem 30. Juni 2017 die Arbeit nicht mehr aufgenommen habe. Denn die Beklagte habe weder konkret behauptet, dass die Klägerin im Juli 2017 wiederum aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig gewesen sei, noch den gegenteiligen Vortrag der Klägerin, dass sie arbeitsfähig gewesen sei, nämlich Urlaub- und Überstundenausgleich in Anspruch habe nehmen können, bestritten. Die Beklagte habe auch keine Indizien dafür vorgetragen, dass die Klägerin wegen der Unterleibsproblematik bereits vor dem 19. Mai 2017 arbeitsunfähig gewesen sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergebe sich dies auch nicht aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Frauenärztin vom 18. Mai 2017. Denn diese bescheinige der Klägerin nicht Arbeitsunfähigkeit ab dem 18. Mai 2017, sondern ab dem 19. Mai 2017. Nach allem habe die Klägerin ausreichend dargelegt, dass zwischen den beiden Krankheiten kurze Zeit, jedenfalls außerhalb der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit, Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V folge nichts anderes. Nach dieser Vorschrift bestehe ein Anspruch auf Krankengeld vom Tag der ärztlichen Feststellung an. Ärztliche Feststellung in diesem Sinne sei nicht der Tag, an dem das Attest ausgestellt werde, sondern der Tag, ab dem der Arzt tatsächlich Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe.



    Die Beklagte hat gegen das ihr am 22. März 2018 zugestellte Urteil am 16. April 2018 Berufung eingelegt und diese am 17. Mai 2018 begründet. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der Berufungsinstanz erklärt, dass Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 19. Mai bis 29. Juni 2017 begehrt werde.



    Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dass sich bereits aus der Erstbescheinigung der Frauenärztin vom 18. Mai 2017 die Einheit des Verhinderungsfalls ergebe. Denn der Krankengeldanspruch nach § 46 SGB V beginne zwingend mit dem Tag der Feststellung der Erkrankung. Sie behauptet, am 18. Mai 2017 und danach hätten zwei sich überschneidende Erkrankungen vorgelegen. Die Klägerin sei bereits am 18. Mai 2017 wegen einer gynäkologischen Erkrankung arbeitsunfähig gewesen. Die psychische Erkrankung habe über den 18. Mai 2017 hinaus jedenfalls bis zur Ausheilung der gynäkologischen Erkrankung angedauert. Die letzte Folgebescheinigung wegen der psychischen Erkrankung sei in Kenntnis des Operationstermins nur bis zum 18. Mai 2017 ausgestellt worden.



    Die Beklagte beantragt,



    das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 7. März 2018 zu Geschäftsnummer 11 Ca 378/17, zugestellt am 22. März 2018, abzuändern,



    die Klage kostenpflichtig abzuweisen.



    Die Klägerin beantragt,



    die Berufung zurückzuweisen



    und verteidigt die angefochtene Entscheidung.



    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsprotokolle sowie auf die in den mündlichen Verhandlungen vom 16. und 29. August 2018 sowie 26. September 2018 abgegebenen Erklärungen Bezug genommen.



    Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. E. und der Zeugin G. zu der Frage, ob die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wegen der psychischen Erkrankung mit dem Diagnoseschlüssel F 48.0 mit Ablauf des 18. Mai 2017 beendet war. Das Landesarbeitsgericht hat außerdem Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Dr. F. zu der Frage, ob die Klägerin in ihrem Beruf als Altenpflegerin am 18. Mai 2017 trotz eines Genitalprolapses arbeitsfähig war. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme betreffend die Vernehmung des Zeugen Dr. E. und der Zeugin Dr. F. wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29. August 2018 Bezug genommen. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme betreffend die Vernehmung der Zeugin G. wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26. September 2018 Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    I.



    Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und deshalb zulässige Berufung (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO) ist begründet.



    1.



    Die Klägerin hat für die Zeit vom 19. Mai bis einschließlich 29. Juni 2017 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.



    a)



    Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer, der unverschuldet durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen.



    b)



    Wird der Arbeitnehmer nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, entsteht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG grundsätzlich ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 10).



    c)



    Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG jedoch auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechs-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist die Entscheidung des Arztes, der Arbeitsunfähigkeit - unabhängig von der individuellen Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers - im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertags bescheinigen wird. Dabei ist es unerheblich, ob das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeits- oder arbeitsfreien Tag fällt (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 13).



    d)



    Der Einheit des Verhinderungsfalls betrifft eine der Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Meldet sich der Arbeitnehmer in unmittelbarem Anschluss an den ausgeschöpften sechs Wochenzeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG erneut mit einer Erstbescheinigung arbeitsunfähig krank, bestreitet der Arbeitgeber mit der Berufung auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls, dass Arbeitsunfähigkeit infolge der "neuen" Krankheit erst jetzt eingetreten sei (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 19).



    e)



    Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG trägt - nach allgemeinen Grundsätzen - der Arbeitnehmer. Ebenso wie er für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher beweispflichtig ist, trifft ihn auch für deren Beginn und Ende die objektive Beweislast (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 20). Für Darlegung und Nachweis von Beginn und Ende einer auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit kann sich der Arbeitnehmer zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 21).



    f)



    Ist jedoch unstreitig oder bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruht, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat, und zu einer Krankheit, wegen derer der Arbeitnehmer bereits durchgehend sechs Wochen arbeitsunfähig war, hinzugetreten ist, muss der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs den von ihn behaupteten Beginn der "neuen" krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen. Dafür steht ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 22).



    g)



    Gleiches muss geltend, wenn der Arbeitgeber - im umgekehrten Fall - gewichtige Indizien dafür vorträgt, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit - entgegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - nicht vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer neuen Erkrankung geendet hat. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer das Ende der vorangegangenen krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen. Auch in einem solchen Fall steht dem Arbeitnehmer das Zeugnis des behandelnden Arztes zur Verfügung.



    h)



    Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin ab dem 7. Februar 2017 bis zum 18. Mai 2017 wegen der psychischen Erkrankung arbeitsunfähig war. In der mündlichen Verhandlung am 16. August 2018 ist unstreitig geworden, dass die Klägerin sich am 19. Mai 2017 einer gynäkologischen Operation unterziehen musste. Unstreitig ist ebenfalls, dass die Klägerin bis zum 30. Juni 2017 im Anschluss an die gynäkologische Operation arbeitsunfähig war. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die psychische Erkrankung auch über den 18. Mai 2017 hinaus zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin führte.



    i)



    Vorliegend bestanden unstreitige, gewichtige Indizien dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wegen der psychischen Erkrankung über den 18. Mai 2017 hinaus bestand:



    aa)



    Die psychische Erkrankung der Klägerin bestand seit mehr als drei Monaten, jedenfalls seit dem 7. Februar 2017. Unstreitig bestand die psychische Erkrankung auch über den 18. Mai 2017 hinaus. Die Klägerin wartete im Zeitpunkt der gynäkologischen Operation auf einen Platz zur Psychotherapie und befand sich etwa ab Juli 2017 in psychologischer Behandlung. Schon seit dem 15. März 2017 nahm sie das ihr verschriebene Medikament Citalopram ein, das ihr auch im Juli 2017 weiter verschrieben wurde. Zuvor war ihr Opipramol verschrieben worden, das sie ebenfalls einnahm.



    bb)



    Um ihr Fernbleiben vom Arbeitsplatz zu entschuldigen und ihren Nachweispflichten gegenüber der Arbeitgeberin nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG zu genügen, benötigte die Klägerin keine weitere Krankschreibung wegen der psychischen Erkrankung ab dem 19. Mai 2017. Denn die Klägerin war ab dem 19. Mai 2017 infolge der gynäkologischen Operation arbeitsunfähig und konnte Krankschreibungen wegen der gynäkologischen Erkrankung vorlegen.



    cc)



    Die Klägerin nahm ihre Arbeit für die Beklagte auch nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit wegen der gynäkologischen Operation am 30. Juni 2017 nicht wieder auf. Im Juli 2017 arbeitete die Klägerin nicht mehr. Sie war unter Anrechnung auf Überstunden und Urlaub in Abstimmung mit der Beklagten von der Arbeitsleistung freigestellt. Aufgrund der Freistellung bedurfte es auch in diesem Zeitpunkt keiner Krankschreibung, um der Arbeit fernbleiben zu können. Dabei übersieht das Gericht weder § 9 BUrlG noch die Problematik des Überstundenausgleichs durch bezahlte Arbeitsbefreiung während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (vgl. BAG 4. September 1985 - 7 AZR 53/82 -). Indiz für einen Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit wegen der psychischen Erkrankung über den 18. Mai 2017 hinaus war allein, dass die Klägerin ihre Arbeit bei der Beklagten während ihrer psychischen Erkrankung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht wiederaufnahm und keiner weiteren Krankschreibung bedurfte, um ihre Abwesenheit am Arbeitsplatz zu entschuldigen.



    dd)



    Die Klägerin konnte auf Nachfrage des Gerichts nicht mitteilen, aus welchen Gründen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen der psychischen Erkrankung am 18. Mai 2017 endete. Ob der Zeuge Dr. E. von der Operation gewusst habe, wisse sie nicht. Auf die Frage, was ohne Operation am 19. Mai 2017 gewesen wäre, erklärte die Klägerin, dass sie dann nach Befindlichkeit gearbeitet hätte. Sie wäre zur Arbeit gegangen und hätte geguckt, ob sie zurechtkomme. Aus dieser Erklärung ergab sich für das Gericht, dass die Klägerin von einer möglichen, nicht aber von einer gesicherten Arbeitsfähigkeit trotz der psychischen Erkrankung ab dem 19. Mai 2017 ausging.



    i)



    Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass die Arbeitsunfähigkeit wegen der psychischen Erkrankung am 18. Mai 2017 beendet war.



    Der Zeuge Dr. E. hat zwar bekundet, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 18. Mai 2017 abgeschlossen gewesen sei. Auf die Frage, wie er zu dieser Schlussfolgerung komme, hat der Zeuge erklärt, dass die Klägerin danach wegen der Erkrankung nicht mehr bei ihm gewesen sei. Die Klägerin sei am 30. März völlig fertig gewesen. Deshalb habe er sie bis zum 7. April krankgeschrieben. Eine weitere Krankschreibung habe er vom 7. April bis zum 21. April ausgestellt. Die weiteren Krankschreibungen am 21. April und 5. Mai habe seine Kollegin Frau G. ausgestellt. Wie seine Kollegin zu der Krankschreibung bis zum 18. Mai gekommen sei, könne er nicht sagen. Bei ihm sei die Klägerin wegen psychischen Problemen oder Erschöpfung später nicht mehr in Behandlung gewesen.



    Nach diesen Angaben fehlte es an ausreichenden Tatsachen und Anhaltspunkten für die Schlussfolgerung, dass die Klägerin trotz der psychischen Erkrankung am 19. Mai 2017 wieder arbeitsfähig war. Aus eigener Wahrnehmung - wie Untersuchung oder Patientengespräch - konnte der Zeuge zur Krankschreibung bis zum 18. Mai 2017 keine Angaben machen. Hinzu kommt, dass der Zeuge den Zustand der Klägerin am 30. März 2017 als völlig fertig beschrieb, nach dem 7. April 2017 - mehr als einen Monat vor dem 18. Mai 2017 - keinen Kontakt mehr zur Klägerin im Zusammenhang mit ihrer psychischen Erkrankung hatte, bei seiner Krankschreibung am 7. April 2017 noch von einem Ende der Arbeitsunfähigkeit am 21. April 2017 ausging und auch nicht angeben konnte, welche Schlussfolgerungen - abgesehen vom Nichterscheinen der Klägerin zum Zwecke weiterer Krankschreibungen - dazu geführt hatten, dass die Arbeitsunfähigkeit mit dem 18. Mai 2017 enden konnte.



    Die Zeugin G. hat bekundet, dass sie zu der psychischen Erkrankung der Klägerin wenig sagen könne. Die Krankschreibungen habe sie in Vertretung des in der Praxis zum Zeitpunkt der Krankschreibung abwesenden Dr. E. unterschrieben. Dieser habe den MFA`s gesagt, dass sie die Krankschreibungen vorbereiten sollten, die die Zeugin in Vertretung unterschrieben habe. Ein Gespräch mit der Klägerin über ihren Zustand oder eine Untersuchung zur Erkrankung habe sie nicht durchgeführt. Dr. E. habe ihr gesagt, wo sie weitere Krankschreibungen ausstellen solle. Aus welchem Grund die Krankschreibung bis zum 18. Mai erfolgt sei, könne sie nicht sagen. Eventuell sei denkbar, dass es ein verlängertes Wochenende gewesen sei. Sie könne aber auch nicht sagen, ob sie damals im Blick gehabt habe, dass dies Krankschreibung an einem Donnerstag oder Freitag ende.



    Da die Zeugin die Klägerin weder untersucht noch mit ihr ein Patientengespräch geführt hatte und auch nicht sagen konnte, aus welchem Grund eine Krankschreibung bis zum 18. Mai 2017 erfolgt war, konnte das Gericht auch dieser Zeugenaussage keine ausreichenden Tatsachen oder Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Klägerin ab dem 19. Mai 2017 trotz ihrer psychischen Erkrankung arbeitsfähig war.



    2.



    Da kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, besteht auch kein Zinsanspruch.



    3.



    Ein Anspruch auf Zahlung einer Verzugspauschale besteht nicht (vgl. BAG 25. September 2018 - 8 AZR 26/18 -).



    II.



    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.



    Die Revision wurde nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

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