18.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211232
Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 23.03.2015 – 16 Sa 646/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hessen
Urt. v. 23.03.2015
Az.: 16 Sa 646/14
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 20. März 2014 - 9 Ca 493/13 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte ist ein Automobilhersteller und beschäftigt in ihrem Werk in A mehrere Tausend Arbeitnehmer. Dort ist ein Betriebsrat gebildet. Die Personalangelegenheiten sind einem Personalausschuss übertragen, der aus 6 Mitgliedern besteht.
Die am xxxxxxx geborene, verheiratete und gegenüber 2 minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist bei der Beklagten seit 1. September 1990, zuletzt als Güteprüferin mit einer Bruttomonatsvergütung von 4200 €, beschäftigt.
Die Klägerin war an folgenden Tagen unbezahlt betriebsabwesend: 6./7. März 2013, 3. Mai 2013, 17./18. September 2013. Nachdem sie von der Personalabteilung sowie ihren Vorgesetzten auf die fehlenden Bescheinigungen für ihre Abwesenheit angesprochen wurde, übersandte sie der Beklagten die durch eine dritte Person erstellten manipulierten ärztlichen Bescheinigungen; insoweit wird auf Bl. 26-29 d.A. Bezug genommen).
Der als Aussteller angegebene Kinderarzt, Hr. B, gab gegenüber der Beklagten auf Nachfrage an, es habe in diesen Zeiträumen keinerlei Kontakt zwischen ihm und der Klägerin bzw. dem Kind gegeben (Bl. 30 der Akten).
Am 21. November 2013 hörte die Beklagte den Personalausschuss, von dessen 6 Mitgliedern 3 bei dieser Sitzung anwesend waren, zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen Urkundenfälschung an (Bl. 44 d.A.). Der Personalausschuss stimmte am selben Tag dieser Maßnahme zu (Bl. 23 d.A.).
Mit Schreiben vom 21. November 2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31. Januar 2014 (Bl. 3,4 der Akten). Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 6. Dezember 2013 am Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 57-64 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zwar sei das Verhalten der Klägerin an sich als Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Im Rahmen der Interessenabwägung sei der Beklagten jedoch eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin zuzumuten.
Die Interessen der Beklagten hätten ausreichend mit dem Ausspruch einer Abmahnung gewahrt werden können. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 64-74 d.A.) verwiesen.
Dieses Urteil wurde der Beklagten am 25. April 2014 zugestellt. Sie hat dagegen mit einem am 8. Mai 2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. Juli 2014 am 17. Juli 2014 begründet.
Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Im Betrieb gelte eine Arbeitsordnung, die der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Einstellung ausgehändigt wurde, in deren § 4 die Urkundenfälschung als Grund für eine fristlose Kündigung ausdrücklich genannt werde. Darum gehe es hier. Die Beklagte beruft sich insoweit auf die Rspr. des Bundesarbeitsgerichts zur sogenannten Vorratsabmahnung. Das Verhalten der Klägerin stelle einen ganz erheblichen Vertrauensmissbrauch gegenüber der Beklagten dar. Die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen, da die Klägerin genau gewusst habe, was sie erwartete, wenn sie ihrem Arbeitgeber manipulierte Bescheinigungen vorlegt. Für den Betreuungsbedarf des Kindes, dessen Erkrankung bestritten wird, liege nach wie vor kein Nachweis vor. Der Personalausschuss sei ordnungsgemäß angehört worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 20. März 2014 -9 Ca 493/13-abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Der kleinere Sohn C der Klägerin leide seit vielen Jahren an kurzfristig auftretender Bronchitis, Ohrenschmerzen und Pseudo-Krupp. Wegen dieser Erkrankungen sei die Klägerin an den betreffenden Tagen im März, Mai und September 2013 zuhause geblieben. Erstmals im Herbst 2013 habe die Mitarbeiterin der Personalabteilung bei der Klägerin wegen der fehlenden Bescheinigungen nachgefragt und in massiver Weise Druck auf sie ausgeübt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Klägerin in einer schwierigen gesundheitlichen Situation befunden. Sie habe unter Medikamenten gestanden und sei gesundheitlich angeschlagen gewesen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beklagten kein wirtschaftlicher Schaden durch das Verhalten der Klägerin entstanden sei. Die Kinder seien an den betreffenden Tagen tatsächlich krank gewesen. Es habe lediglich die formale Bescheinigung des Arztes gefehlt. Die Klägerin räumt ein, dass sie im November 2013 bei der Personalabteilung der Beklagten Bescheinigungen einreichte, die nicht von der Arztpraxis ausgestellt waren. Sie bestreitet die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung. Es bedürfe der konkreten Darlegung, ob und wie der Betriebsrat diese Aufgabe dem Ausschuss übertragen hat und wie der Ausschuss zusammengesetzt ist bzw. damals war. Ferner sei erstinstanzlich bereits gerügt worden, dass in der Anhörung weitere Fehlzeiten aus den Jahren 2009-2013 erwähnt wurden, die nicht als Kündigungsgrund dienten. Insoweit sei der falsche Eindruck entstanden, dass weitergehende Pflichtverletzungen vorliegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist statthaft, § 8 Abs. 2 ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2b ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO und damit insgesamt zulässig.
II.
Die Berufung ist begründet.
Der Antrag der Klägerin, festzustellen dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose hilfsweise ordentliche Kündigung vom 21. November 2013 nicht aufgelöst wurde, ist unbegründet.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Als dann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles- jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist- zumutbar ist oder nicht (Bundesarbeitsgericht 20. November 2014-2 AZR 651/13-Rn. 13 m.w.N.).
Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass die Vorlage manipulierter Bescheinigungen seitens der Klägerin an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Es hat dann gemeint, aufgrund der über 20jährigen ungestört verlaufenen Betriebszugehörigkeit habe sich die Klägerin einen erheblichen Vorrat an Vertrauen erarbeitet, der durch den einmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt worden sei.
Deshalb sei der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten. Diese Wertung teilt die Berufungskammer nicht.
Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen einer erheblichen Pflichtverletzungen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen.
Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragsverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck- nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses- zu erreichen. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich -auch für den Arbeitnehmer erkennbarausgeschlossen ist (Bundesarbeitsgericht 20. November 2014 -2 AZR 651/13- Rn. 21,22).
Bei Anwendung dieser Grundsätze waren der Beklagten aufgrund des Verhaltens der Klägerin sowohl eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung noch sonstige mildere Mittel, insbesondere der Ausspruch einer Abmahnung, unzumutbar.
Das Arbeitsgericht hat folgenden Sachverhalt als unstreitig festgestellt: Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 15. November 2013 bat die Klägerin eine dritte Person, unter Verwendung einer ärztlichen Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes die Daten betreffend der Krankheitstage an die Abwesenheitszeiten der Klägerin vom 6./7. März 2013, 3. Mai 2013 sowie 17./18. September 2013 "anzupassen". Diese reichte sie sodann bei der Personalabteilung der Beklagten ein.
Darauf, ob das Verhalten der Klägerin strafrechtlich als Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) anzusehen ist, kommt es nicht an. Für die kündigungsrechtliche Bewertung ist nicht die strafrechtliche Beurteilung maßgeblich, sondern die Schwere der Vertragspflichtverletzung (Bundesarbeitsgericht 11. Mai 2010-2 AZR 845/08).
Im Hinblick auf die Schwere der Vertragspflichtverletzung kann der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden. Die Klägerin hat der Beklagten von einem Dritten hergestellte -nicht von dem als Aussteller angegebenen Arzt verfasste-Bescheinigungen über die Erkrankungen ihres Kindes vorgelegt. Sie handelte vorsätzlich, denn ihr war bekannt, dass diese Bescheinigungen nicht von ihrem Kinderarzt stammten. Ihr Verhalten erscheint nicht deshalb in einem milderen Licht, weil die Beklagte sie zuvor zur Vorlage der Bescheinigungen wiederholt eindringlich und aufgefordert hat. Selbst wenn sich die Klägerin hierdurch unter Druck gesetzt fühlte, rechtfertigt oder entschuldigt dies ihr Verhalten nicht, noch lässt es dieses auch nur verständlich oder nachvollziehbar erscheinen. Wenn die Klägerin über die Originalbescheinigungen nicht oder nicht mehr verfügte, hätte sie sich diese entweder von dem Arzt nochmals ausstellen lassen oder gegenüber der Beklagten einräumen müssen, diese nicht vorlegen zu können. Die Vorlage manipulierter Bescheinigungen ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hinnehmbar. Das Verhalten der Klägerin erscheint auch nicht deshalb in einem milderen Licht, weil sie nicht die Erlangung eines Vermögensvorteils erstrebte. Dies wäre vielmehr gegebenenfalls zusätzlich als belastender Umstand zu berücksichtigen. Bereits die Vorlage der manipulierten Bescheinigungen wiegt so schwer, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Zulasten der Klägerin ist ferner zu berücksichtigen, dass ihr Verhalten auf Heimlichkeit angelegt war. Der Vortrag der Klägerin, sie habe im November 2013 unter Medikamenten gestanden und sei gesundheitlich angeschlagen gewesen, sie befinde sich seit September 2013 u.a. wegen Depressionen in ärztlicher Behandlung, ist in tatsächlicher Hinsicht ohne Substanz. Sie legt nicht im Einzelnen dar, welche Diagnose von welchem Arzt in Bezug auf ihren Gesundheitszustand gestellt wurde und inwiefern sich dieser auf ihr Verhalten bzw. ihre Einsichtsfähigkeit ausgewirkt hat. Sie trägt auch nicht vor, welche Medikamente verordnet wurden und inwiefern diese Auswirkungen auf ihre Handlungsweise und Handlungsfähigkeit hatten. Nicht entlastend wirkt auch ihr Vortrag, die Kinder seien an den betreffenden Tagen tatsächlich krank gewesen, es habe lediglich an der formalen Bescheinigung des Arztes gefehlt. Wenn dem so war, hätte sie dies der Beklagten mitteilen müssen, als diese sie um die Vorlage der Atteste bat. Keinesfalls war sie berechtigt, dem Arbeitgeber manipulierte Bescheinigungen vorzulegen. Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu Gunsten der Klägerin ihre familiäre Situation, insbesondere die hieraus resultierenden Unterhaltspflichten, ihre langjährige Betriebszugehörigkeit von mehr als 23 Jahren sowie ihr Lebensalter zu berücksichtigen. Zu Gunsten der Klägerin ist weiter zu berücksichtigen, dass sie sich mit E-Mail vom 6. Dezember 2013 (Bl. 118,119) bei ihrem Vorgesetzten entschuldigt hat. Allerdings erfolgte dies erst nach Zugang der Kündigung. Ferner enthält die E-Mail die als Schutzbehauptung zu wertende Äußerung, die Klägerin sei mit beiden Kindern in dieser Woche beim Hausarzt gewesen, weshalb sie das richtige Attest auf Nachfrage sofort ausgestellt bekommen habe. Ein derartiges Attest hat die Klägerin bislang nicht vorgelegt. Die Kammer muss daher davon ausgehen, dass die Klägerin insoweit in ihrer Entschuldigung die Unwahrheit gesagt hat, was deren Bedeutung stark relativiert. Als Ausdruck einer grundlegenden Umkehr zur Ehrlichkeit, die ernsthaft eine Wiederholungsgefahr für die Zukunft ausschließen könnte, kann die E-Mail vom 6. Dezember 2013 jedenfalls nicht gewertet werden. Dasselbe gilt im Hinblick darauf, dass es während der Prozessbeschäftigung der Klägerin nicht zu weiteren vergleichbaren Vorfällen gekommen ist. Insgesamt ist der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Schwere des vorsätzlichen, auf Heimlichkeit angelegten Fehlverhaltens der Klägerin nicht zuzumuten.
Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht, denn es handelte sich um eine so schwere Pflichtverletzung, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich -auch für den Arbeitnehmer erkennbar- ausgeschlossen war. Auf die bei der Beklagten geltende Arbeitsordnung (Gesamtbetriebsvereinbarung vom 3. Juni 1977), in deren § 4 die Urkundenfälschung als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ausdrücklich aufgeführt wird, und die der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Einstellung im Jahr 1990 ausgehändigt wurde, stellt die Kammer nicht entscheidend ab. Dass man dem Arbeitgeber keine manipulierten Bescheinigungen vorlegen darf, war der Klägerin ebenso bekannt, wie der Umstand dass ein Arbeitgeber ein derartiges Verhalten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt hinnehmen kann.
Auch der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung als milderes Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung war der Beklagten nicht zuzumuten. Zum Zeitpunkt der Kündigung musste die Beklagte von einer erheblichen Wiederholungsgefahr ausgehen.
Im Hinblick auf die Dauer der Kündigungsfrist von 9 Wochen zum Monatsende oder sogar -im Falle der Unwirksamkeit der Differenzierung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist wegen des Alters (vgl. dazu EuGH 19. 1. 2010, C-555/07) -18 Wochen zum Monatsende war es der Beklagten nicht zuzumuten, das Risiko weiterer Manipulationen seitens der Klägerin im Falle einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist einzugehen. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Verhalten der Klägerin vorsätzlich und auf Heimlichkeit angelegt war.
Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam. Wie sich aus dem Kurzprotokoll der Personalausschusssitzung vom 21. November 2013 (Bl. 44 d.A.) ergibt, hat die Beklagte dem Personalausschuss die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die Kündigung im Einzelnen geschildert und die gefälschten ärztlichen Bescheinigungen für die Zeiträume 6. bis 7. März 2013, 3. Mai 2013 und 17. bis 18. September 2013 vorgelegt. Aus dem Kurzprotokoll der Personalausschusssitzung vom 21. November 2013 ergibt sich auch eindeutig, dass Kündigungsgrund ausschließlich die manipulierten ärztlichen Bescheinigungen für die Zeiträume 6. und 7. März 2013, 3. Mai 2013 und 17. bis 18. September sein sollen. Dies reicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes der subjektiven Determinierung aus. Soweit die Klägerin rügt, der Personalausschuss sei nicht beschlussfähig gewesen, da von 6 Mitgliedern nur 3 anwesend waren, trifft dies nicht zu. Die Regelung in § 8 S. 2 der Geschäftsordnung des Betriebsrats gilt ausdrücklich nur für die Beschlussfähigkeit des Betriebsrats. Im Übrigen stellt diese Regelung eine Abweichung von der zwingenden Vorschrift des § 33 Abs. 2 BetrVG dar und ist deshalb unwirksam (vgl. Fitting, BetrVG, 25. Aufl., § 33 Rn. 7; GK-Raab, BetrVG, 10. Auflage, § 33 Rn. 5). Eine analoge Anwendung der unwirksamen Geschäftsordnungsvorschrift auf Ausschusssitzungen scheidet aus. Die wirksame Bildung des Personalausschusses ergibt sich aus § 2 der Geschäftsordnung des Betriebsrats (Bl. 146-152 d.A.).
Der Weiterbeschäftigungsantrag ist unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen Kündigung beendet wurde.
III.
Als unterlegene Partei hat die Klägerin gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtstreites zu tragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.
RechtsgebietBGBVorschriften§ 626 BGB