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  • 17.06.2020 · IWW-Abrufnummer 216290

    Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 19.05.2020 – 5 Sa 173/19

    1. Hat der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns abgeschlossen, hat er nach § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde. Der Arbeitnehmer ist dann so zu stellen, als hätte er den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen.

    2. Eine Verhandlungssituation ist als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht.


    Tenor:
    1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 26.06.2019 - 4 Ca 1702/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.


    2. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages.



    Der im September 1965 geborene Kläger ist Diplom-Agraringenieur und arbeitete zunächst im Tiefbau als Technologe und Bauleiter. Anschließend war er bei einem Callcenter tätig und dort für Fragen der Datenbankanwendungen zuständig. Im Jahr 2004 wechselte er zu einem Reiseveranstalter, bei dem er in der Personalsteuerung eingesetzt war.



    Am 18.10.2016 schloss der Kläger mit dem beklagten Land, vertreten durch den Leiter der Regionalschule C., einen befristeten Arbeitsvertrag für die Dauer vom 01.11.2016 bis 09.12.2016 zwecks Übernahme einer Unterrichtsvertretung für eine rentenbedingt ausgeschiedene Lehrkraft. Die Parteien vereinbarten eine Vollzeitbeschäftigung mit einem Unterrichtsumfang von 27/27 Wochenstunden. Der Arbeitsvertrag sieht eine Vergütung nach Entgeltgruppe 12 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vor. Der Kläger unterrichtete an der Regionalschule die Fächer Informatik, Physik und AWT. Mit dem Änderungsvertrag vom 09.12.2016 verlängerten die Parteien die befristete Beschäftigung auf den Zeitraum 10.12.2016 bis 31.07.2017. Der Kläger war weiterhin an der Regionalschule C. eingesetzt. Ab Mitte 2017 besuchte der Kläger eine berufsbegleitende pädagogische Fortbildung, die sich über 1 Jahr erstreckte. Am 13.08.2017 schlossen die Parteien einen weiteren Änderungsvertrag, mit dem sie rückwirkend zum 01.08.2017 eine sachgrundlos befristete Beschäftigung für die Dauer eines weiteren Jahres, d. h. bis zum 31.08.2018, vereinbarten.



    Zwischenzeitlich hatte sich der Kläger an der Förderschule E-Stadt auf eine unbefristete Stelle als Lehrkraft beworben. An dieser Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen werden rund 75 Kinder von der 3. bis zur 9. Klasse unterrichtet. Am 13.09.2018 schloss das beklagte Land mit dem Kläger rückwirkend zum 01.08.2018 einen unbefristeten Arbeitsvertrag als vollbeschäftigte Lehrkraft und setzte ihn an der Förderschule E-Stadt ein. Laut Arbeitsvertrag gilt für das Arbeitsverhältnis der TV-L in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Mecklenburg-Vorpommern jeweils gilt, solange der Arbeitgeber hieran gebunden ist. Die Vergütung richtete sich weiterhin nach der Entgeltgruppe 12 TV-L. In dem Arbeitsvertrag heißt es sodann unter

    "§ 3 Die Probezeit nach § 2 Absatz 4 TV-L beträgt sechs Monate."



    Die kommissarische Leiterin der Förderschule E-Stadt, Frau E., besuchte mehrfach den Unterricht des Klägers. Am 25.10.2018 hospitierte sie in der ersten Schulstunde. Im Anschluss daran äußerte sie sich noch im Klassenraum, aber außer Hörweite der Schüler kurz gegenüber dem Kläger zu ihren Eindrücken. Der Inhalt dieser Äußerung ist streitig. Der Kläger war jedenfalls von der Aussage sehr getroffen, meldete sich bei Frau E. ab und suchte umgehend seinen Hausarzt auf, der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst bis zum 30.10.2018 ausstellte. Danach gab der Kläger seine Schlüssel für die Schule und die ihm überlassenen Schulbücher in der Schule ab. Frau E. informierte das zuständige Schulamt C-Stadt. Am Nachmittag kam es zu einem Telefonat zwischen Herrn F., dem Justiziar des Schulamtes C-Stadt, und dem Kläger. Herr F. lud den Kläger zu einem Gespräch am nächsten Tag ein, zu dem der Kläger vereinbarungsgemäß erschien.



    Das Gespräch am 26.10.2018 dauerte etwa 10-15 Minuten. Der Kläger unterschrieb einen von Herrn F. erstellten Aufhebungsvertrag, den der Justiziar zwischendurch vom Schulamtsleiter unterzeichnen ließ, mit dem folgenden Inhalt:

    "... Das zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch den Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, dieser vertreten durch das Staatliche Schulamt C-Stadt und Herrn A., geb. am 01.09.1965, bestehende Arbeitsverhältnis wird hiermit im gegenseitigen Einvernehmen gemäß § 33 TV-L zum 30.11.2018 (letzter Tag) aufgelöst. Grund: persönliche Gründe Zusatzvereinbarung: keine ..."



    Im Anschluss daran unterzeichneten der Kläger und der Justiziar die folgende Zusatzvereinbarung:

    "... Vereinbarung zum Aufhebungsvertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch den Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, dieser vertreten durch das Staatliche Schulamt C-Stadt und Herrn A. wird ergänzend zum Aufhebungsvertrag vom 26.10.2018 die Zusatzvereinbarung geschlossen, 1. Herr A. erhält ein positives, wohlwollendes, arbeitsförderndes Zeugnis. 2. Herr A. bittet nachdrücklich um den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Auf eine weitere Bedenkzeit hat Herr A. ausdrücklich verzichtet, sondern vielmehr um sofortige Beendigung des Arbeitsvertrages ersucht, um sich sofort neu bewerben zu können. 3. Mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages bestehen zwischen den Vertragspartnern, abgesehen von der Zeugniserteilung gem. Ziffer 1 keine weiteren wechselseitigen Ansprüche. ..."



    Anschließend suchte der Kläger die Arbeitsagentur auf, die ihn auf die Möglichkeit einer Sperrzeit hinwies.



    Spätestens mit Fax vom 06.11.2018 erklärte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigen, die Anfechtung des Aufhebungsvertrages.



    Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass der Aufhebungsvertrag nichtig sei. Die kommissarische Schulleiterin der Förderschule E-Stadt, Frau E., habe ihm am 25.10.2018 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, das Arbeitsverhältnis mit ihm innerhalb der Probezeit zu beenden. Sie werde eine entsprechend negative Bewertung verfassen. Frau E. habe ihn dann aufgefordert, seine Schlüssel und Arbeitsunterlagen abzugeben. Das habe beim Kläger einen enormen psychischen Druck ausgelöst, weshalb er einen Arzt habe aufsuchen müssen. Nach dem Arztbesuch habe Herr F. bei ihm angerufen und ihn freundlich zu einem Gespräch bei einer Tasse Kaffee am nächsten Tag eingeladen, um die Situation zu besprechen, da "wohl etwas schiefgelaufen" sei. Der Kläger sei sogar erleichtert gewesen und davon ausgegangen, dass sich gemeinsam mit Herrn F. eine Lösung finden lasse, insbesondere durch Wechsel an eine andere Schule. In dem Gespräch am 26.10.2018 habe Herr F. dann unumwunden erklärt, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen, und sich auf die Probezeit berufen. Anstatt einer makelbehafteten Kündigung in der Probezeit habe Herr F. einen Aufhebungsvertrag vorgeschlagen. Die vom Kläger erbetene Bedenkzeit habe Herr F. kategorisch abgelehnt. Wenn er nicht an Ort und Stelle unterschreibe, erhalte er eine Kündigung in der Probezeit. Der Aufhebungsvertrag habe bereits unterschriftsreif auf dem Tisch gelegen. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt um eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebeten. Vielmehr sei er nach den befristeten Verträgen froh gewesen, endlich unbefristet beschäftigt zu sein. Den Aufhebungsvertrag habe er nur unterschrieben, weil Herr F. andernfalls eine Kündigung in der Probezeit in Aussicht gestellt habe, gegen die sich der Kläger nicht wehren könne.



    Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch den Aufhebungsvertrag vom 26.10.2018 zum 30.11.2018 beendet worden ist, sondern unverändert über den 30.11.2018 hinaus fortbesteht.



    Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die kommissarische Schulleiterin der Förderschule E-Stadt habe dem Kläger zu keiner Zeit mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gedroht. Sie habe nach der Hospitation lediglich sinngemäß erklärt, dass es bei uns an der Schule so nicht gehe. Sie habe sich über die fehlende Kritikfähigkeit des Klägers gewundert und die mangelnde Bereitschaft, eklatante Verhaltens- und Regelverstöße abzustellen. Am 26.10.2018 sei der Kläger im Schulamt erschienen und habe um Auflösung seines Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung gebeten, da ihn die Arbeit an der Förderschule extrem belaste und er nicht im Schuldienst bleiben wolle. Aus Kulanz und zur Vermeidung besonderer Härten sei eine Beendigung zum 30.11.2018 zugestanden worden.



    Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung angeführt, dass der Aufhebungsvertrag vom 26.10.2018 nichtig sei, weil der Kläger ihn wegen der widerrechtlichen Drohung mit einer Kündigung wirksam angefochten habe. Das beklagte Land habe mit dem Kläger im Arbeitsvertrag vom 13.09.2018 eine Probezeit vereinbart, obwohl das aufgrund der annähernd zweijährigen ununterbrochenen Vorbeschäftigung nicht mehr zulässig gewesen sei. Die kommissarische Schulleiterin sei ausweislich ihrer eigenen Stellungnahme ebenfalls davon ausgegangen, dass sich der Kläger noch in der Probezeit befunden habe. Der Justiziar des Staatlichen Schulamts C-Stadt, Herr F., der das beklagte Land auch im Verfahren vertreten habe, sei der Darstellung des Klägers zum Gesprächsverlauf nicht substantiiert entgegengetreten. Ohne eine Drohung mit einer Probezeitkündigung hätte der Kläger überhaupt keinen nachvollziehbaren Grund gehabt, das Arbeitsverhältnis aufzugeben. Der Kläger habe - anders als der Jurist des Schulamtes - nicht erkennen können, dass die Probezeitvereinbarung von vornherein unwirksam gewesen sei. Einen Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes habe es nicht gegeben.



    Darüber hinaus sei der Aufhebungsvertrag auch unter Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns zustande gekommen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit führe. Der Kläger sei arbeitsunfähig gewesen, was dem Schulamt bekannt gewesen sei, da es anderenfalls nicht diesen Gesprächstermin vereinbart hätte. Das beklagte Land habe die psychische Situation des Klägers ausgenutzt und ihn überrumpelt, wie schon die kurze Dauer des Gesprächs zeige. Zudem habe es die Bitte des Klägers nach einer Bedenkzeit abgelehnt.



    Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die kommissarische Schulleiterin der Förderschule E-Stadt, Frau E., dem Kläger erklärt habe, es sei eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses beabsichtigt, und ihn aufgefordert habe, Schlüssel und Arbeitsmaterialien abzugeben. Vielmehr habe der Kläger die Schlüssel und Arbeitsmaterialien aus eigenem Antrieb abgegeben. Die Schulleiterin sei gar nicht berechtigt, Kündigungen auszusprechen. Das obliege dem Schulamt. Sie habe deshalb das zuständige Schulamt von dem Vorfall informiert. Bei den Hospitationen habe sich herausgestellt, dass der Kläger sowohl methodische als auch didaktische Probleme habe. Vor diesem Hintergrund habe Frau E. erklärt, dass es an der Schule so nicht gehe. Die Probleme im Unterricht des Klägers seien auch der Integrationsbegleiterin aufgefallen.



    Des Weiteren habe das Arbeitsgericht einen unzutreffenden Ablauf des Gesprächs mit Herrn F. am 26.10.2018 zugrunde gelegt. Unklar sei schon, wer das Treffen initiiert habe. Herr F. könne sich jedenfalls nicht daran erinnern, den Kläger von sich aus angerufen zu haben. Der Kläger habe das Schulamt freiwillig aufgesucht. Der Aufhebungsvertrag habe nicht unterschriftsreif vorgelegen, sondern sei erst im Verlauf des Gesprächs ausgedruckt worden. Der Kläger sei nach Einschätzung des Justiziars von der Arbeit in der Schule in hohem Maß genervt und damit unzufrieden gewesen. Er habe die Arbeitssituation möglichst schnell beenden wollen. Herr F. habe daraufhin am Rechner einen Aufhebungsvertrag erstellt. Der Kläger habe sich nach dem Gespräch für die unbürokratische Hilfe und das Verständnis bedankt. Die Möglichkeit einer Kündigung, insbesondere in der Probezeit, habe der Justiziar nicht angesprochen. Der Kläger habe sich offensichtlich bereits nach der Hospitation durch die Schulleiterin innerlich von seinem Arbeitsverhältnis gelöst. Das beklagte Land habe keine psychische Drucksituation ausgenutzt.



    Das beklagte Land beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 26.06.2019 - 4 Ca 1702/18 - abzuändern und die Klage abzuweisen.



    Der Kläger beantragt,

    die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.



    Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen. Das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt vollständig wiedergegeben und rechtlich zutreffend gewürdigt. Der Kammervorsitzende habe in der mündlichen Verhandlung Herrn F. mehrfach explizit gebeten, zu den Aussagen des Klägers konkret Stellung zu nehmen, wozu Herr F. nicht bereit gewesen sei. Herr F. habe den Schilderungen des Klägers, u. a. zu dem bereits vorgefertigten Aufhebungsvertrag, nicht widersprochen. Irritierend sei die Behauptung des beklagten Landes, der Justiziar könne sich nicht mehr daran erinnern, wer das Treffen im Schulamt einberufen habe. Es bleibe auch dabei, dass die Schulleiterin nicht nur Kritik geübt, sondern dem Kläger die bereits mit dem Schulamt abgestimmte Kündigung während der Probezeit in Aussicht gestellt habe. Gerade das habe beim Kläger einen Schock ausgelöst, weshalb er den Arzt habe aufsuchen müssen.



    Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptungen des Klägers, dass die Zeugin E. in dem Gespräch am 25.10.2018 eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Probezeit in Aussicht gestellt habe, und dass der Zeuge F. in dem Gespräch am 26.10.2018 eine Kündigung in der Probezeit in Aussicht gestellt habe, falls der Kläger einen Aufhebungsvertrag nicht schließe. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung des beklagten Landes ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit der zutreffenden Begründung stattgegeben.



    Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch den Aufhebungsvertrag vom 26.10.2018 beendet worden. Der Aufhebungsvertrag ist unwirksam, da er unter Verstoß gegen das sog. Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen ist (§ 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB).



    Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB).



    Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Dies gilt auch bei Vertragsverhandlungen, insbesondere über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Es geht dabei nicht um ein Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses. Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist aber noch nicht gegeben, wenn der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt. Auch ist eine Ankündigung der beabsichtigten Aufhebungsvereinbarung nicht erforderlich. Eine Verhandlungssituation ist vielmehr erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht (BAG, Urteil vom 07. Februar 2019 - 6 AZR 75/18 - Rn. 34, juris = NJW 2019, 1966; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Dezember 2019 - 10 Sa 1319/19 - Rn. 47, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 2019 - 7 Sa 421/18 - Rn. 65, juris = AuA 2019, 674).



    Hat der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns abgeschlossen, hat er nach § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde. Der Arbeitnehmer ist dann so zu stellen, als hätte er den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen (BAG, Urteil vom 07. Februar 2019 - 6 AZR 75/18 - Rn. 39, juris = NJW 2019, 1966).



    Der Aufhebungsvertrag zwischen den Parteien vom 26.10.2018 ist unter Verletzung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen. Das beklagte Land hat beim Kläger eine psychische Drucksituation geschaffen und diese ausgenutzt, um den Aufhebungsvertrag zu schließen.



    Zunächst hat das beklagte Land in dem unbefristeten, wenige Wochen zuvor geschlossenen Arbeitsvertrag vom 13.09.2018 ausdrücklich unter Hinweis auf § 2 Abs. 4 TV-L eine Probezeit vereinbart, obwohl nur die ersten sechs Monate einer Beschäftigung als Probezeit gelten. Die ununterbrochenen Vorbeschäftigungen des Klägers ab dem 01.11.2016 waren dem Schulamt bekannt. Da der Kläger anders als das Schulamt nicht über nähere Kenntnisse des Tarifrechts verfügt, musste er davon ausgehen, sich vorerst in der Probezeit zu befinden und ohne weitere Begründung kündbar zu sein. Der Kläger durfte die vom Schulamt vorgelegten Vertragsbestimmungen für wirksam halten.



    Des Weiteren kannte das beklagte Land den bisherigen Bildungs- und Berufsweg des Klägers. Da der Kläger keine pädagogische Ausbildung absolviert hat und nicht über eine Lehrbefähigung verfügt, musste der Einsatz als Lehrer an einer Förderschule für ihn zwangsläufig eine besondere Herausforderung darstellen. Diese Lehrtätigkeit erfordert regelmäßig ein mehrjähriges fachbezogenes Studium. Der Kläger verfügt nicht über die methodischen und didaktischen Kenntnisse für den Unterricht an dieser Schulform, wie die Schulleiterin schon nach kurzer Zeit feststellte. Mit welchem Wortlaut sich die Schulleiterin nach ihrer Hospitation am 25.10.2018 noch im Klassenzimmer gegenüber dem Kläger geäußert und wie dieser die Äußerung im Hinblick auf sein Arbeitsverhältnis verstanden hat, kann dahinstehen. Selbst eine Äußerung wie "So geht es bei uns an der Schule nicht" baute bei dem nicht einschlägig ausgebildeten und im Förderschulunterricht unerfahrenen Kläger einen massiven Druck auf. Der Kläger musste daraufhin jedenfalls an sich und seinen Fähigkeiten zweifeln.



    Diese Situation hat das Schulamt ausgenutzt, um das Arbeitsverhältnis mit dem zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähigen Kläger durch Aufhebungsvertrag zu beenden. Der Kläger war nach Aussage des die Verhandlungen führenden Justiziars "völlig verzweifelt" und "mit seinen Nerven am Ende". Der Justiziar wusste aufgrund eines Telefonats mit der Schulleiterin, dass der Kläger den Unterricht abgebrochen und bereits die Schulschlüssel abgegeben hatte. Der Kläger hatte aufgrund der Kürze des Gesprächs gar keine Gelegenheit, sich zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen. Es wurde weder über die Ursachen der Verzweiflung gesprochen noch alternative Einsatzmöglichkeiten oder anderweitige Hilfestellungen erörtert. Der Kläger war angesichts seines aufgelösten Zustandes erkennbar nicht in der Lage, seine Interessen wahrzunehmen und eine freie und überlegte Entscheidung zu treffen.



    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

    Vorschriften§ 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 241 Abs. 2 BGB, § 2 Abs. 4 TV-L, § 97 Abs. 1 ZPO