30.10.2018 · IWW-Abrufnummer 205160
Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 10.08.2018 – 8 Ta 246/18
Leitsatz:
Ein Vergleich, in dem die Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses mit „guter“ Leistungs- und Führungsbeurteilung sowie eine dementsprechende Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel vereinbart wird, ist nur im Hinblick auf das qualifizierte Endzeugnis vollstreckbar. Im Übrigen mangelt es dem Titel an der notwendigen Bestimmtheit. Es sind verschiedene Wortverbindungen denkbar, mit denen sich „Dank“, „Bedauern“ sowie „gute Wünsche“ zum Ausdruck bringen lassen. Ebenso verhält es sich mit der Formulierung „gut“. Der Anspruch auf ein qualifiziertes Endzeugnis wird nicht erfüllt, wenn aufgrund augenfälliger Nachlässigkeiten der Eindruck entsteht, dass es die Absicht des Verfassers ist, sich für Dritte erkennbar von dem Inhalt des Zeugnisses zu distanzieren und die Ausführungen zu dem Leistungs- und Führungsverhalten zu entwerten. Das Zeugnis ist dann offensichtlich nicht dazu geeignet, als eine auf dem Arbeitsmarkt übliche Bewerbungsunterlage herangezogen zu werden.
In dem Beschwerdeverfahren
Gläubiger und Beschwerdegegner
Proz.-Bev.:
Geschäftszeichen
gegen
Schuldner und Beschwerdeführer
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 8
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht als Vorsitzende
ohne mündliche Verhandlung am 10. August 2018
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. April 2018 - 8 Ca 6161/17 - unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Gegen den Schuldner wird zur Erzwingung der Verpflichtung aus Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichs vom 24. Oktober 2017 - 8 Ca 6161/17 -, nämlich dem Gläubiger ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen, ein Zwangsgeld in Höhe von € 1.000,00 (in Worten: Eintausend und 0/100 Euro) verhängt.
Für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, wird für je € 100,00 (in Worten: Einhundert und 0/100 Euro) ein Tag Zwangshaft festgesetzt.
Die Vollstreckung entfällt, sobald der Schuldner die Verpflichtung erfüllt hat.
Im Übrigen wird der Zwangsgeldantrag vom 22. März 2018 zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Schuldner und dem Gläubiger zu jeweils 1/2 auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten nach dem Abschluss eines Vergleichs über die Erteilung und den Inhalt eines Zeugnisses.
Der Schuldner (im Folgenden: Beklagter) und der Gläubiger (im Folgenden: Kläger) haben im schriftlichen Verfahren am 24. Oktober 2017 in dem Rechtsstreit 8 Ca 6161/17 auszugsweise den folgenden gerichtlichen Vergleich geschlossen:
Mit Schriftsatz vom 22. März 2018 hat der Kläger die Festsetzung von Zwangsmitteln gegen den Beklagten beantragt und dies damit begründet, dass er seiner Verpflichtung aus Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichs nicht nachgekommen sei.
Mit Beschluss vom 27. April 2018 (Bl. 43 f. d. A.) hat das Arbeitsgericht gegen den Beklagten wegen der Nichterfüllung seiner Verpflichtung aus Ziff. 4 des Vergleichs, nämlich dem Kläger ein wohlwollend qualifiziertes Endzeugnis mit jeweils "guter" Leistungs- und Führungsbeurteilung sowie einer dementsprechenden Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel zu erteilen und zu übersenden, ein Zwangsgeld in Höhe von € 1.000,00, ersatzweise einen Tag Zwangshaft für je € 100,00 festgesetzt.
Gegen diesen seinem damaligen Prozessbevollmächtigtem am 2. Mai 2018 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit am 16. Mai 2018 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass er das Zeugnis inklusive aller restlichen Abrechnungen per Post an den Kläger versandt habe.
Das zu den Gerichtsakten gereichte, nicht unterschriebene Arbeitszeugnis (Bl. 48 d. A.), das mit einem Adressfeld versehen ist, lautet auszugsweise wie folgt:
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27. Juni 2018 nicht abgeholfen und dies damit begründet, dass der Beklagte die Erfüllung der titulierten Forderung nicht nachgewiesen habe. Er habe nicht dargetan, wann das Zeugnis versandt worden sei. Überdies sei das zu den Gerichtsakten gereichte Zeugnis nicht unterschrieben; ob das dem Kläger übersandte Zeugnis unterschrieben worden sei, habe der Beklagte nicht mitgeteilt. Weitere Defizite des vorgelegten Zeugnisses (Adressfeld oben links, fehlende Punktierung in den Daten der Beschäftigungsdauer) sowie der mit dem Arbeitsverhältnis der Parteien in keinem Zusammenhang stehende Satz "Die Muster GmbH ist ein Automobilzulieferer mit Sitz in Musterstadt." sprächen gegen eine Erfüllung der Zeugnisanspruchs.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 ZPO iVm. § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statthafte sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 569 Abs. 1 und 2 ZPO, § 78 Satz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt worden und daher zulässig. Sie hat in der Sache nur zum Teil Erfolg. Der Beklagte ist seiner Verpflichtung aus Ziff. 4 des Vergleichs, ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, noch nicht nachgekommen. Allerdings ist Ziff. 4 des Vergleichs mangels Bestimmtheit nicht vollstreckbar, soweit dort die Erteilung eines Endzeugnisses mit "guter" Leistungs- und Führungsbeurteilung sowie einer dementsprechenden Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel vereinbart worden ist. Im Einzelnen:
1. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens iSv. § 750 Abs. 1 ZPO (Titel, Klausel, Zustellung) sind gegeben.
2. Der Beklagte hat seine Verpflichtung aus Ziff. 4 des Vergleichs vom 24. Oktober 2017 nicht erfüllt. Dies gilt auch dann, wenn dem Kläger das zu den Gerichtsakten gereichte Zeugnis tatsächlich im Original übersandt worden sein sollte. Allerdings kann der Kläger in der Zwangsvollstreckung nur die Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses durchsetzen. Eine bestimmte Leistungs- und Führungsbeurteilung kann er nicht verlangen, weil die Formulierung "gut" zu unbestimmt ist. Dasselbe gilt für die vereinbarte Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel.
a) Der Kläger kann aufgrund der Vereinbarung in Ziff. 4 des Vergleichs von dem Beklagten ein qualifiziertes Endzeugnis verlangen. Der Beklagte hat sich im Zwangsvollstreckungsverfahren auf den Erfüllungseinwand gemäß § 362 Abs. 1 BGB berufen und hierfür auch unter Darlegung des behaupteten Sachverhalts Beweis angeboten. Dieser Einwand ist zwar erheblich. Denn der Schuldner ist nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage, sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren mit dem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt (BGH 5. November 2004 - IXa ZB 32/04 - NJW 2005, 367 ff.). Allerdings ist die Erfüllung durch das zu den Gerichtsakten gereichte Zeugnis nicht eingetreten. Selbst wenn der Beklagte das Zeugnis übersandt und der Kläger es tatsächlich erhalten haben sollte, hätte dieses nicht den gerichtlichen Vergleich erfüllt.
aa) Zu einem qualifizierten Zeugnis gehören ua. die genaue Firmenbezeichnung des Arbeitgebers, Ort und Datum der Ausstellung sowie die Unterschrift des Ausstellers (HessLAG 13. August 2002 - 16 Ta 255/02 - juris). Jedes Zeugnis schließt mit der eigenhändigen Unterschrift des Arbeitgebers oder des für ihn handelnden Vertreters. § 630 Satz 2 BGB, § 109 Abs. 3 GewO untersagen ausdrücklich die elektronische Form (Küttner/Poeche 25. Aufl. Zeugnis Rn. 21). Aus § 109 Abs. 2 GewO folgt zudem, dass ein Zeugnis keine Merkmale enthalten darf, die eine andere als aus der äußeren Form und dem Wortlaut ersichtliche Aussage treffen, die Aussage des Zeugnisses entwerten oder Anlass zu sonstigen negativen Schlussfolgerungen geben (vgl. auch ErfK/Müller-Glöge 18. Aufl. Rn. 14). Im Zeitalter der mit Rechtschreibkontrolle ausgestatteten Computerprogramme besteht auch ein Anspruch auf ein von Schreibfehlern freies Zeugnis. Da derartige Fehler nicht mehr als Ausdruck der Rechtsschreibschwäche des Ausstellers gedeutet werden können, sondern leicht vermeidbar sind, geben sie Anlass zur negativen Vermutung, der Aussteller des Zeugnisses könnte sich - durch bewusst mangelnde Sorgfalt - vom Inhalt des Zeugnisses distanzieren. Das auf einem Geschäftsbogen vorhandene Adressfeld darf nicht ausgefüllt sein, da dies als Hinweis darauf gewertet werden kann, dass das Zeugnis nicht zeitnah und damit erst nach einem Streit erteilt worden sein könnte (HessLAG 21. Oktober 2014 - 12 Ta 375/14 - juris).
bb) Diesen Maßgaben wird das vom Beklagten erteilte Zeugnis nicht im Ansatz gerecht. Das auf dem Geschäftsbogen vorhandene Adressfeld ist ausgefüllt. Bereits der erste Satz des Zeugnisses enthält eine Auslassung. Denn dort befindet sich anstelle des Geburtsortes ein Leerzeichen. Die Schreibweise der Jahreszahlen ist zudem nicht einheitlich. So heißt es bei der Beschäftigungsdauer "01012017 bis 14082017", nachdem zuvor das Geburtsdatum des Klägers ordnungsgemäß mit "xx.xx.1981" wiedergegeben worden ist. Anlass zu negativen Schlussfolgerungen gibt auch der zweite Absatz, in dem ohne erkennbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis der Parteien von der "Muster GmbH" mit Sitz in "Musterstadt" die Rede ist. Im dritten Absatz wird die Groß- und Kleinschreibung nicht beachtet ("montieren" anstatt "Montieren"). Das Zeugnis endet ohne Unterschrift und Datum.
Allein schon aufgrund dieser augenfälligen Nachlässigkeiten entsteht der Eindruck, dass es die Absicht des Verfassers ist, sich für Dritte erkennbar von dem Inhalt des Zeugnisses zu distanzieren und die Ausführungen zu dem Leistungs- und Führungsverhalten des Klägers zu entwerten. Das Zeugnis ist damit offensichtlich nicht dazu geeignet, als eine auf dem Arbeitsmarkt übliche Bewerbungsunterlage herangezogen zu werden und kann den Anspruch des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses nicht erfüllen.
b) Über ein qualifiziertes Endzeugnis hinaus kann der Kläger aus Ziff. 4 des Vergleichs keine "gute" Leistungs- und Führungsbeurteilung sowie eine dementsprechende Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel verlangen. Insoweit mangelt es dem Titel an der notwendigen Bestimmtheit.
Der Beurteilung "gut" können verschiedene Formulierungen gerecht werden. Eine bestimmte Formulierung ist jedoch nicht in den Vergleichstext aufgenommen worden. Damit fehlt es an der für eine Zwangsvollstreckung notwendigen Bestimmtheit der von dem Beklagten vorzunehmenden Handlungen (vgl. auch BAG 14. Februar 2017 - 9 AZB 49/16 - RDV 2017, 197 ff.; HessLAG 17. November 2016 - 8 Ta 456/16 - juris; HessLAG 19. Februar 2004 - 16 Ta 515/03 - nv.; HessLAG 8. September 2016 - 10 Ta 337/16 - juris.; LAG Nürnberg 3. Mai 2016 - 2 Ta 50/16 - BB 2016, 1908; LAG Köln 4. Juli 2013 - 4 Ta 155/13 - NZA-RR 2013, 490; ErfK/Müller-Glöge 18. Aufl. § 109 GewO Rn. 76a; Hamacher Antragslexikon Arbeitsrecht 2. Aufl. S. 271).
Ebenso verhält es sich mit der Schlussformulierung. Allein aufgrund der im Vergleich getroffenen Regelung lässt sich nicht bestimmen, welche Formulierung der Beklagte im Endzeugnis schuldet. Es mag zwar zutreffend sein, dass es sich bei der "Dankes- und Bedauernsformel" um einen gängigen Begriff für eine abschließende Formulierung im Zeugnis handelt (so LAG Berlin-Brandenburg 5. April 2018 - 9 Ta 1625/17 - BB 2018, 1331). Allerdings sind ebenso wie bei dem Begriff "gut" verschiedene Wortverbindungen denkbar, mit denen sich "Dank", "Bedauern" sowie "gute Wünsche" zum Ausdruck bringen lassen. Insbesondere sind hier zahlreiche Abstufungen möglich. So kann eine Danksagung beispielsweise mit den Adjektiven "groß", "herzlich" oder auch nur der Steigerungsform "sehr" verbunden werden. Der Dank kann im Arbeitsverhältnis u.a. dem Einsatz des Mitarbeiters, seinen Leistungen, aber auch der Zusammenarbeit gelten. Auch ein "Bedauern" kann mit diversen Adjektiven ("groß", "tief", "aufrichtig" etc.) verstärkt oder abgeschwächt werden. Dies muss im Hinblick auf die im Vergleich als "Gute-Wünsche-Formel" bezeichnete Schlussformulierung umso mehr gelten, als dass hier in Zeugnissen häufig zwischen Wünschen für die berufliche und solchen für die private Zukunft unterschieden wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass mit einer "Gute-Wünsche-Formel" häufig auch die Erwartungshaltung verbunden ist, der Arbeitgeber werde für die berufliche Zukunft "weiterhin viel Erfolg" wünschen. Wegen der damit aufgezeigten vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten sind Ziff. 4 des Vergleichs insgesamt keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass sich die Parteien auf bestimmte oder bestimmbare sprachliche Wendungen festgelegt hätten.
Der Kläger ist darauf angewiesen, diese Fragen in einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren klären zu lassen (vgl. HessLAG 19. Februar 2004 - 16 Ta 515/03 - nv.; vgl. auch LAG Köln 4. Juli 2013 - 4 Ta 155/13 - NZA-RR 2013, 490 f.). Wollte man dies anders sehen, so würden Probleme des Erkenntnisverfahrens in das Vollstreckungsverfahren verlagert.
3. Die Höhe des Zwangsgeldes für den vollstreckungsfähigen Inhalt von Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichs ist mit etwas mehr als einem halben Bruttomonatsgehalt verhältnismäßig und wird von dem Beklagten auch nicht angegriffen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 Satz 3, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach die Kosten verhältnismäßig zu teilen sind, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Danach fallen die Kosten des Verfahrens den Parteien jeweils zur Hälfte zur Last.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt aus §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG.