30.10.2018 · IWW-Abrufnummer 205175
Landesarbeitsgericht München: Beschluss vom 19.06.2018 – 7 Ta 281/17
Die Prozessvollmacht des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats im Ausgangsfahren rechtsfertigt auch einen Vollstreckungsantrag gemäß § 101 Satz 2 BetrVG. Der ein Beschlussverfahren einleitende Beschluss des Betriebsrats ist nicht auf einzelne Verfahrensanträge beschränkt.
Tenor:
Gegen die Antragsgegnerin wird ein Ordnungsgeld in Höhe von € 10.000,00 verhängt.
Gründe
I.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.10.2014 - 34 BV 628/13 die Arbeitgeberin verpflichtet, zukünftig zu unterlassen, Arbeitnehmer, deren Zeitguthaben den Wert der zweifachen individuellen wöchentlichen Arbeitszeit überschritten haben und sich daher in der "roten Phase" befinden, täglich länger als die im jeweiligen Dienstplan festgelegte Arbeitszeit zu beschäftigen oder eine solche Beschäftigung zu dulden, sofern nicht der Betriebsrat dem zugestimmt hat, solange die Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit vom 30.04.2007 rechtliche Wirksamkeit entfaltet. Die von der Arbeitgeberin dagegen mit Schriftsatz vom 12.12.2014 eingelegte Beschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Beschluss vom 12.01.2016 - 7 TaBV 74/14 - zurückgewiesen.
Mit Beschluss vom 27.09.2016 - 34 BV 628/13 - (Bl. 418-419 d. A.) hat das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.10.2014 - 34 BV 628/13 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 € angedroht.
Mit einem am 01.06.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat beantragt, gegen die Arbeitgeberin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 € pro Fall der Zuwiderhandlung festzusetzen.
Zur Begründung des Antrags hat er darauf verwiesen, dass die Arbeitgeberin gegen ihre Unterlassungsverpflichtung aus dem Beschluss vom 15.10.2014 verstoßen habe und dass die Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit vom 30.04.2007 weiterhin rechtliche Wirksamkeit entfalte. Es sei festgestellt worden, dass mit Stand 07.04.2017 die Mitarbeiterinnen S. und F. aus der Filiale M. sich in der "roten Phase" ihres Arbeitszeitkontos mit Stand S. 107,51 und Stand F. 189,82 befanden. Ihre wöchentliche Arbeitszeit habe jeweils 19,25 Stunden betragen, so dass der Wert der zweifachen individuellen Arbeitszeit im Zeitguthaben deutlich überschritten gewesen sei und sich die Mitarbeiterinnen daher in der "roten Phase" der Betriebsvereinbarung befunden hätten. Dennoch habe die Arbeitgeberin eine Arbeitsplanung für die Mitarbeiterinnen dem Betriebsrat zur Zustimmung vorgelegt, wonach die Mitarbeiterinnen weiterhin Mehrarbeit hätten leisten sollen. Die Planung habe ein Plus über der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit für Frau S. von 6,683 Stunden und für Frau F. von 2,766 Stunden enthalt. Der Betriebsrat habe dieser Planung nicht zugestimmt und der Arbeitgeberin mit E-Mail vom 11.04.2017 seine Ablehnung zur Kenntnis gebracht.
Dennoch habe der Betriebsrat feststellen müssen, dass die Mitarbeiterinnen S. und F. in der Woche vom 10. bis 15.04.2017 zu ungenehmigten Zeiten wie folgt gearbeitet hätten:
Frau S.: Montag und Dienstag zehn Stunden, Freitag 3,850 Stunden, somit insgesamt 23,850 Stunden, was einer Mehrarbeit von 4,6 Stunden über der Wochenarbeitszeit von Frau S. entsprochen habe.
Frau F.: Montag und Donnerstag zehn Stunden, Freitag 3,850 Stunden, Samstag vier Stunden, somit insgesamt 27,850 Stunden, was einer Mehrarbeit von 8,6 Stunden über der Wochenarbeitszeit von Frau F. entsprochen habe.
Der Betriebsrat hat gemeint, dass ein eklatanter Verstoß gegen den rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.10.2004 vorliege und dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 € pro Fall des Verstoßes angemessen und gerechtfertigt sei.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen und sich dagegen mit einem sechzehnseitigen Schriftsatz vom 07.07.2017 (Bl. 466 - 481 d. A.), auf den Bezug genommen wird, gewandt. Sie hat mit Nichtwissen das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses zur Einleitung des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens bestritten. Weiter hat die Arbeitgeberin behauptet, dass, eine Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses vom 15.10.2014 sei nicht und gerügt, dass ebenso keine Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses vom 27.09.2016 (= Ordnungsgeldandrohung in Höhe von bis zu 10.000,00 €) erfolgt sei. Die Arbeitgeberin hat auch gemeint, der Antrag des Betriebsrats sei schon als unzulässig abzuweisen, denn ein Ordnungsgeld könne nur festgesetzt werden, wenn der Schuldner gegen eine Verpflichtung zuwiderhandelt, eine näher bezeichnete Handlung zu unterlassen und dass diese Voraussetzung läge nicht vor. Sie hat zudem gemeint, dass der Vollstreckungstitel auch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe, da er nicht hinreichend bestimmt sei. Zu Begründung dieser Auffassung hat sie ausgeführt, dass als Vollstreckungstitel iSd. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur insoweit in Betracht kommen könne, als dieser einen aus sich heraus genügend bestimmten oder doch bestimmbaren Inhalt habe. Der Schuldner müsse zuverlässig erkennen können, welche Handlungen ihm verboten seien, was heiße, er müsse bereits aus rechtsstaatlichen Gründen wissen, in welchen Fällen er durch Verhängung eines Ordnungsgeldes bestraft werden könne. Für den Fall der Unterlassung einer Maßnahme ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats bedürfe es der genauen Bezeichnung derjenigen betrieblichen Fallgestaltungen, für die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Anspruch genommen werde und Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürften nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden, dessen Aufgabe es sei zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen sei, nicht aber worin diese bestehe. Die Unterlassungsverpflichtung habe alle nur denkbaren Möglichkeiten von Mehrarbeit eingeschlossen und habe umfassend Eilfälle und Notfälle ebenso wie Überstunden, die ein einzelner Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch oder wegen individueller Besonderheiten leiste, etwa weil nur er für die betreffende Arbeit im Betriebe überhaupt in Frage komme, umfasst und diese Globalverpflichtung lasse die zwischen Antragsteller und Antragsgegner abweichend getroffene Regelung zum Thema "Mehrarbeit" in der Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit vom 30.04.2007 ("BV Arbeitszeit") unbeachtet. § 5 Ziff. 3 (richtig: Ziff. 5) der BV Arbeitszeit habe hinsichtlich des Antrags- und Genehmigungsverfahrens bei Abweichungen vom Dienstplan im "roten" Bereich auf § 3 der BV Arbeitszeit verwiesen und § 3 Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung habe den Arbeitgeber bei sogenannten Eilfällen zur Anordnung bzw. Duldung von täglicher Mehrarbeit von mehr als einer Stunde ohne jeweils im Voraus erteilte Zustimmung des Betriebsrates ermächtigt, wobei die Zustimmung des Betriebsrates als erteilt gelte, wenn er lediglich unverzüglich informiert werde. Auch in Notfällen, das heißt bei plötzlich auftretenden, nicht vorhersehbaren und schwerwiegenden Situationen wie Brand oder Überschwemmungen seien einseitige Anordnungen des Arbeitgebers ohne Rücksicht auf die Ampelfarbe eines Arbeitszeitkontos zulässig. Hingegen habe der Beschluss vom 15.10.2014 als Vollstreckungstitel die Fallgestaltungen, nach denen Mehrarbeit auch ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates zulässig sei (Eilfälle, Notfälle), völlig unbeachtet gelassen und sei damit als Vollstreckungstitel nicht ausreichend bestimmt.
Die Arbeitgeberin hat aber unabhängig davon ausdrücklich unstreitig gestellt, dass die vertraglich geschuldete Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen S. und F. jeweils 19,25 Stunden pro Woche betrage, dass sich beide Mitarbeiterinnen am 07.04.2017 in der roten Phase ihres Arbeitszeitkontos befunden hätten und dass die vom Betriebsrat angegebenen Arbeitszeit von 23,850 Stunden von Frau S. in der Kalenderwoche 15/2017 und von Frau F. in Kalenderwoche 15/2017 in Höhe von 27,850 Stunden zuträfen und somit Frau S. 4,6 Stunden und Frau F. 8,6 Stunden über ihrer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit gearbeitet hätten ohne dass dafür eine ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats vorgelegen habe. Die Arbeitgeberin hat weiter darauf verwiesen, dass sie alles in ihrer Macht Stehende unternommen habe, um "Rotkonten"-Verstöße zu verhindern und dass sie ihre Personaleinsatzbeauftragten, die IBL-Filialen und die Filialleiter, die für die Arbeitnehmer in den Jahresarbeitszeitfilialen die Dienstplanung machen, über die Einhaltung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Mehr- und Minderleistungen wiederholt in Textform und mündlich unterrichtet und belehrt habe. Weiter hat sich die Arbeitgeberin darauf berufen, dass ein Verschulden eines ihrer Organmitglieder nicht vorgelegen habe und dass Fehlverhalten von Arbeitnehmern ihr nicht zurechenbar sei. Die Dienstplanung für die Kalenderwoche 15/2017 sei durch Frau S., die diese Aufgabe stellvertretend für die erkrankte Filialleiterin Frau K. wahrgenommen habe, erfolgt und der Personaleinsatzbeauftragte Z. habe diese Planung unverändert an den Betriebsrat weitergegeben und sei nicht eingeschritten und diese Zuwiderhandlungen könnten der Arbeitgeberin nicht zugerechnet werden, weil beide Arbeitnehmer keine Leitungsaufgabe im Münchner Betrieb hätten und ein Organisationsverschulden sei nicht zu bejahen. Im Hinblick auf die Höhe des Ordnungsgeldes sei zu berücksichtigen, dass es sich bei insgesamt 850 Arbeitnehmern im Betrieb M. nach dem Erkenntnisverfahren um erstmals gerügte Verstöße gehandelt habe, was die volle Ausschöpfung des Ordnungsgeldrahmens ausschließe.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 16.08.2017 (Bl. 551-552 d. A.) den Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes vom 31.05.2017 zurückgewiesen. Es hat darauf abgestellt, dass der Betriebsrat zwei Fälle aus dem Jahr 2017 benannt habe, in denen ein Verstoß gegen die einschlägige Betriebsvereinbarung vorgelegen habe und die Auslegung und Überprüfung dieser Betriebsvereinbarung bezogen auf die Einzelfälle auf der Grundlage der Entscheidung vom 15.10.2014 im Zwangsvollstreckungsverfahren sei unzulässig, da hier durch ein Erkenntnisverfahren das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert würde.
Der Betriebsrat hat gegen diesen Beschluss vom 16.08.2017, der seinem Prozessbevollmächtigten am 24.08.2017 zugestellt wurde, mit einem am 24.08.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Der Betriebsrat rügt, dass das Arbeitsgericht verkenne, dass Auslegung und Überprüfung der Betriebsvereinbarung vom 30.04.2007 gerade bereits Gegenstand eines Erkenntnisverfahrens gewesen sei, auf dessen Grundlage eben die hier zugrundeliegende rechtskräftige Entscheidung vom 15.10.2014 ergangen ist. Das damalige Beschlussverfahren sei gerade aus dem Grunde angestrengt worden, um weitere Verstöße gegen die Betriebsvereinbarung zu verhindern und der Betriebsrat habe in dem Verfahren vollumfänglich obsiegt. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb sodann bei einem erneuten Verstoß, nachdem die Festsetzung des Ordnungsgeldes auch mit Beschluss vom 27.09.2016 angedroht war, eine Ordnungsgeldfestsetzung mit dieser Argumentation abgewiesen werde, da dies das zu Grunde liegende Beschlussverfahren - Erkenntnisverfahren ad absurdum führe. Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft der Meinung, dass bei jedem neuen Verstoß gegen die Arbeitszeit ein neues Erkenntnisverfahren durchgeführt werden müsse, was dazu führe, dass eine Ordnungsgeldfestsetzung wegen erneuten Verstoßes faktisch niemals möglich wäre.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 31.08.2017 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die statthafte und insbesondere form- und fristgerechte und daher zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist begründet, denn gegen die Arbeitgeberin ist wegen ihres Verstoßes gegen die Verpflichtung aus dem rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 15.10.2014 - 34 BV 628/13 ein Ordnungsgeld zu verhängen. Der Beschluss des Arbeitsgerichts war daher abzuändern.
1. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin bedarf es keiner weiteren Darstellung bzw. Aufklärung, ob der Betriebsrat für die Einleitung des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens einen ordnungsgemäßen Beschluss gefasst hat, denn die Einleitung des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens ist bereits von der Mandatierung seiner Verfahrensbevollmächtigten für das vorangegangenen Beschlussverfahren mitumfasst. Dass der Betriebsrat für die Einleitung des Beschlussverfahrens einen ordnungsgemäßen Beschluss gefasst hat und sodann seine Prozessbevollmächtigten mit der Durchführung dieses Verfahrens bevollmächtigt hat, ist den Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 12.01.2016 - 7 TaBV 74/14 zu entnehmen auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
a) Auch das Hessisches Landesarbeitsgericht ist der Auffassung, dass die Prozessvollmacht des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats im Ausgangsfahren jedenfalls auch einen Vollstreckungsantrag gemäß § 101 Satz 2 BetrVG legitimiert, da der ein Beschlussverfahren einleitende Beschluss eines Betriebsrats sich nicht auf einzelne Verfahrensanträge beschränkt (Beschluss, 13.12. 2009 - 4 Ta 717/08). Und da eine vom Betriebsrat seinem Verfahrensbevollmächtigten erteilte Prozessvollmacht diesen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch zur Einlegung von Rechtsmitteln berechtigt (BAG, 18.03.2015 - 7 ABR 4/13; 11.09. 2001 - 1 ABR 2/01), wäre es systemwidrig und inkonsequent, für die Durchsetzung einer obsiegenden Entscheidung in dem sich daran anschließendes Vollstreckungsverfahren das Vorliegen einer Vollmacht zu leugnen.
b) Das Beharren auf einer weiteren Erteilung einer gesonderten Vollmacht für das Vollstreckungsverfahren käme zudem nicht nur einer überflüssige Förmelei gleich, sondern würde dem Schuldner auch einen nicht zu rechtfertigenden Zeitgewinn bzw. eine Verzögerung des Verfahrens ermöglichen, wie es vorliegend auch im vorangegangenen Beschlussverfahren der Fall war. Denn dort war wegen des Bestreitens der Arbeitgeberin bezüglich einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats für die Einleitung des Verfahrens die Einvernahme von sechzehn Personen an mehreren Sitzungstagen erforderlich, um letztendlich festzustellen, dass die Beschlussfassung des Betriebsrats ordnungsgemäß war. Dass einem Schuldner ein solches Verzögerungsmittel über den formalen Einwand, die Beschlussfassung des Betriebsrats für die Einleitung eines Vollstreckungsverfahren mit Nichtwissen zu bestritten, nicht zustehen darf, liegt auf der Hand.
2. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung der Zwangsvollstreckung (Titel, Androhung, Zustellung, Klausel) liegen vor.
a) Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 15.10.2014 - 34 BV 628/13 wurde der Arbeitgeberin bereits am 24.11.2014 von Amts wegen zugestellt (Bl. 106 d. A. = Empfangsbekenntnis der Arbeitgeberin, damals noch ohne Verfahrensbevollmächtigte). Weiter wurde dem Betriebsrat am 01.07.2016 eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses vom 15.10.2104 erteilt und schließlich wurde der Arbeitgeberin mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 27.09.2016 ein Ordnungsgeld iHv. bis zu € 10.000.- angedroht für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.10. 2014.
b) Für den Beginn der Zwangsvollstreckung ist es unerheblich, ob der gerichtliche Unterlassungstitel nebst Vollstreckungsklausel dem Schuldner zugestellt worden ist, denn regelmäßig muss die Vollstreckungsklausel gemäß § 750 Abs. 1 ZPO nicht zugestellt werden (LArbG Berlin-Brandenburg, 05.04.2017 - 15 Ta 1522/16 mit Verweis auf BGH 05.07. 2005 - VII ZB 14/05; Zöller 32. Aufl. § 750 ZPO Rn. 18). Gleiches hat für die vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 27.09.2016, mit dem der Arbeitgeberin bereits ein Ordnungsgeld angedroht wurde, zu gelten. Ausreichend ist vielmehr, dass der Beschluss mit der Ordnungsgeldandrohung der Arbeitgeberin zugestellt wurde (§ 890 Abs. 2 ZPO).
3. Die im Beschluss vom 15.10.2014 enthaltene Unterlassungsverpflichtung der Arbeitgeberin ist auch hinreichend bestimmt und hat einen vollstreckungsfähigen Inhalt. Es liegen auch nicht aus dem Vollstreckungstitel zu klärende Unbestimmtheiten vor, die in einem Erkenntnisverfahren zu klären wären (vgl. Zöller, ZPO 32. Aufl., § 704 Rdn. 5).
a) Die Arbeitgeberin hatte in vollem Umfang iSd. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.02.2003 (1 AZB 53/02) Klarheit darüber, in welchen Fällen sie durch die Verhängung eines Ordnungsgeldes bestraft werden kann. Nach dem eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 15.10.2014 war ihr jederzeit bewusst, dass sie es zu unterlassen hat, Arbeitnehmer, deren Zeitguthaben den Wert der zweifachen individuellen wöchentlichen Arbeitszeit überschritten haben und sich daher in der "roten Phase" befinden, täglich länger als die im jeweiligen Dienstplan festgelegte Arbeitszeit zu beschäftigen oder eine solche Beschäftigung zu dulden, sofern nicht der Antragsteller dem zugestimmt hat. Letztlich beruft sich die Arbeitgeberin mit ihrem Vorbringen auch nicht auf eine Unklarheit oder Interpretationsbedürftigkeit der Beschlussformel. Aus der Beschlussformel ergibt sich auch zwanglos die Rechtsfolge, dass die Anordnung von Überarbeit für Arbeitnehmer, die sich in der "roten Phase" befinden, ohne die Zustimmung des Betriebsrates nicht erlaubt ist, genauso wenig wie die Entgegennahme dieser Arbeit. Dass die Arbeitgeberin diese Unterlassungsverpflichtung sehr wohl erkannte und dem Grunde nach auch gewillt war dieser nachzukommen, zeigen ihre Ausführungen im Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 07.07.2017 (Seite 5 f.), wonach sie alles in ihrer Macht Stehende unternommen habe, um Rotkontenverstöße ohne Zustimmung des Betriebsrates zu verhindern.
b) Soweit die Arbeitgeberin meint, eine Unbestimmtheit der Unterlassungsverpflichtung vom 15.10.2014 ergäbe sich daraus, dass dieser Eilfälle nicht ausnehme, wird sie darauf verwiesen, dass etwaige Eilfälle das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gerade nicht ausschließen (BAG, 17.11.1998 - 1 ABR 12/98). Zudem wird zu der Thematik, dass sog. Eilfälle der ergangenen Unterlassungsverpflichtung nicht entgegenstehen, auf die Gründe B) 2. f) aa) - cc) des Beschlusses des LAG München vom 12.01.2016 verwiesen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Im Übrigen wäre beim Einsatz von Mitarbeitern in sogenannten Notfällen -soweit ein solcher überhaupt möglich ist- bei der gebotenen Prüfung, ob ein Verschulden bzw. ein Rechtfertigungsgrund für den Verstoß vorliegt, ausreichend zu berücksichtigen. Der Arbeitgeberin ist in diesem Zusammenhang aber auch entgegenzuhalten, dass sie es ist, die mit ihren Ausführungen zu Eil- und Notfällen nunmehr im Vollstreckungsverfahren versucht, dieses in das Erkenntnisverfahren zurückzuführen, obwohl bereits eine entsprechende Entscheidung und Begründung hierzu im Erkenntnisverfahren erfolgt ist und dieser Versuch ist unzulässig.
c) Soweit sich die Arbeitgeberin wegen einer behaupteten Unbestimmtheit der Unterlassungsverpflichtung vom 15.10.2014 auf die Möglichkeit der Ableistung von "freiwilligen Überstunden" beruft, ist ihr ebenfalls entgegenzuhalten, dass in diesem Zusammenhang die Unterlassungsverfügung nicht gegenstandslos wird. Auch diesbezüglich versucht die Arbeitgeberin unzulässiger Weise in einem Vollstreckungsverfahren das Erkenntnisverfahren wieder aufzurollen, noch dazu mit einem Sachverhalt der für den vorliegenden Verstoß nicht einschlägig ist.
4. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes in der vorliegenden Höhe ist zwingend geboten, denn die Arbeitgeberin hat, was sie selbst einräumt, in zwei Fällen gegen ihre Unterlassungsverpflichtung aus dem Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.10.2014 verstoßen.
Das Berufen der Arbeitgeberin auf ein fehlendes Verschulden im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen die vorliegende Unterlassungsverpflichtung ist ohne Erfolg. Ihre Ausführungen, dass ein Verschulden ihrer Organmitglieder nicht vorliege, ist unbehelflich, da es darauf nicht kommt. Die Arbeitgeberin ist vielmehr vorzuhalten, dass ganz offensichtlich die Vorkehrungen auf die sie sich beruft, dass kein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung erfolgt, nicht ausreichend waren und somit ein Organisationsverschulden vorliegt. Nach ihrem eigenen Sachvortrag hat der Personaleinsatzbeauftragte Z. die unzulässige Personalplanung der Frau S. unverändert an den Betriebsrat weitergegeben hat und ist nicht eingeschritten. Bereits dies spricht gegen die Behauptung der Arbeitgeberin, dass sie ihre Personaleinsatzbeauftragten hinreichend mündlich unterrichtet und belehrt habe. Es ist offensichtlich, dass nach der Organisation der Arbeitgeberin in der Filiale in M. die Arbeitnehmer Z. und S. die Personaleinsatzplanung vornehmen konnten und durften. Dann muss sich die Arbeitgeberin aber auch ein fehlerhaftes Handeln dieser Personen zurechnen lassen. In diesem Zusammenhang geht die Auffassung der Arbeitgeberin ins Leere, wenn sie meint, dass ihr die vorliegenden Zuwiderhandlungen nicht zugerechnet werden könnten, weil die Arbeitnehmer Z. und S. keine Leitungsaufgaben im Betrieb M. innehätten. Dies Argumentation hat keinen Erfolg, denn ansonsten könnte die Arbeitgeberin die Gestaltung ihrer Personaleinsatzpläne grundsätzlich auf einen Personenkreis ohne Leitungskompetenz delegieren und bei einem fehlerhaften Handeln dieser Personen sich ihrer Verantwortung mit dem Scheinargument "fehlende Leitungsaufgabe" entziehen. Im Übrigen erscheint es äußerst zweifelhaft, denjenigen Personen, die zur Personaleinsatzplanung befugt sind, auch wenn dies nur vertretungsweise der Fall ist, eine Leitungskompetenz abzusprechen.
5. Im Zusammenhang mit der Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes war zu berücksichtigen, dass gerade im Hinblick auf einen äußerst langwierigen und umfangreichen Rechtsstreit im Zusammenhang mit dem Einsatz von Arbeitnehmern in der "roten Phase" ein gravierender Verstoß vorliegt, wenn trotz des Widerspruchs des Betriebsrats gegen eine Einteilung von Arbeitnehmern, die sich bereits in der roten Phase befinden, eine solche erfolgt. Diese in besonderer Weise gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebspartner (§ 2 Abs. 1 BetrVG) zuwiderlaufende Vorgehensweise bedurfte einer maßgerechten Sanktion. Daher war die Festsetzung eines Ordnungsgeldes iHv. € 5000,00 für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung, zusammen € 15.000,00, geboten
6. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, denn das Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 85 Abs. 1 ArbGG zählt noch zum Beschlussverfahren.
7. Die Entscheidung ist unanfechtbar, denn zur Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung.
Hinweise
Die Arbeitgeberin wurde verurteilt, es zu unterlassen Arbeitnehmer, die sich in einer sogenannten "roten Phase" nach den Regelungen einer Betriebsvereinbarung befinden ohne Zustimmung des Betriebsrats länger als die im jeweiligen Dienstplan festgelegte Arbeitszeit zu beschäftigen oder eine solche Beschäftigung zu dulden. Nachdem die Arbeitgeberin hiergegen in zwei Fällen verstoßen hat, war auf Antrag des Betriebsrats ein entsprechendes Ordnungsgeld festzusetzen. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin umfasste die den Verfahrensbevollmächtigten für das vorangegangene Beschlussverfahren erteilte Vollmacht auch die Vollmacht zur Einleitung des Ordnungsgeldverfahrens und machte eine gesonderte Beschlussfassung des Betriebsrats hierzu entbehrlich. Die weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen, Titel, Klausel, Zustellung lagen vor und der Titel hatte auch einen vollstreckungsfähigen Inhalt.