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  • 10.06.2021 · IWW-Abrufnummer 222883

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 26.01.2021 – 1 Sa 241 öD/20


    In dem Rechtsstreit
    pp.
    hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein - 1. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts ..., den ehrenamtlichen Richter ... und den ehrenamtlichen Richter ... auf die mündliche Verhandlung vom 26.01.2021
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 01.07.2020 - 4 Ca 89 öD a/20 - geändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 24./29.06.2015 mit dem 31.12.2019 beendet ist.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

    Die Revision wird zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.



    Das beklagte Klinikum ist gemäß § 82 Abs. 1 des Hochschulgesetzes des Landes Schleswig-Holstein (HSG) eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Es wird gemäß § 87 Abs. 2 HSG durch den Vorstand vertreten. Dessen Aufgaben sind in § 87 Abs. 1 HSG und ergänzend in der Hauptsatzung des Klinikums geregelt. Das Klinikum gliedert sich nach § 82 Abs. 2 HSG in die nicht rechtsfähigen Anstalten Campus K... und Campus L.... Daneben sind nach § 82 Abs. 3 HSG zwei campusübergreifende Zentren gebildet: das Radiologiezentrum und das Diagnostikzentrum. Das Klinikum beschäftigt insgesamt ca. 12.000 Arbeitnehmer.



    Die campusübergreifenden Zentren werden durch die Zentrumsleitung geführt. Dieser gehörten bis zu einer Änderung der Hauptsatzung im Jahr 2019 ein geschäftsführender Direktor mit Antrags- und Stimmrecht, ein weiterer (bei Approbation: ärztlicher) Direktor und ein pflegerischer Direktor beide ohne Stimmrecht an. Wegen weiterer Einzelheiten der Hauptsatzung zu der Organisation der Zentren wird auf die Anlage B6 verwiesen.



    Die Rechtsstellung, Aufgaben und Organisation der Zentren wurde im Jahr 2015 durch die Zentrumsordnung vom 01.07.2012 geregelt. Nach § 3 Abs. 4.1 der Zentrumsordnung übt der geschäftsführende Direktor sein Amt hauptberuflich aus und wird vom Vorstand für fünf Jahre bestellt. Nach § 3 Abs. 5 der Zentrumsordnung ist er unter Einhaltung der Vorgaben des Vorstands und der mit diesem geschlossenen Zielvorgaben für das wirtschaftliche Ergebnis des Zentrums verantwortlich. Wegen der Aufgaben des geschäftsführenden Direktors wird auf § 10 Abs. 6 der Hauptsatzung (Anlage B 6) sowie die umfangreiche Aufstellung in § 3 Abs. 5 der Zentrumsordnung (Anlage B 10) verwiesen.



    Der Kläger war zunächst auf Grundlage eines vom 01.07.2013 bis 30.6.2018 befristeten Arbeitsvertrags als geschäftsführender Direktor des campusübergreifenden Diagnostikzentrums und des campusübergreifenden Radiologiezentrums für das beklagte Klinikum tätig. Ausweislich § 1 Abs. 3 seines Arbeitsvertrags (Anlage K 1) betrug seine wöchentliche Arbeitszeit 42 Stunden. In der Einteilung seiner Arbeitszeit war der Kläger unter Berücksichtigung der dienstlichen Erfordernisse frei. Seine Bruttojahresvergütung betrug € 135.000,-- zuzüglich eines erfolgsabhängigen Bonus von € 30.000,-- brutto/Jahr bei 100%iger Zielerreichung. Mit Änderungsvertrag vom 24./29.06.2015 (Anlage K 4) vereinbarten die Parteien, dass der Kläger nunmehr vom 01.07.2013 bis zum 31.12.2019 als geschäftsführender Direktor der beiden campusübergreifenden Zentren tätig sein sollte. Sein Gehalt wurde auf ein Festgehalt von € 165.000,-- brutto/Jahr sowie eine variable Vergütung von € 5.000,--/Jahr bei 100%iger Zielerreichung festgelegt.



    Durch Änderung der Hauptsatzung im Februar 2019 wurden die campusübergreifenden Zentren der Zentrumsdirektion unterstellt. Dieser gehörten gemäß § 10 Abs. 3 der geänderten Hauptsatzung (Anlage B 1) ein wissenschaftlicher Direktor, ein kaufmännischer Direktor sowie drei weitere Personen an. Wegen der inneren Ordnung der Zentrumsdirektion verweist die Hauptsatzung auf §§ 88 a Abs. 2 - 5, 88 b Abs. 3 HSG. Der Kläger war seit dem Inkrafttreten der Hauptsatzung als kaufmännischer Direktor tätig.



    Das beklagte Klinikum entschied sich im Jahr 2019, den Arbeitsvertrag des Klägers nicht zu verlängern. Ein von diesem beabsichtigter Wechsel zur C... kam nicht zustande. Am 02.01.2020 bot der Kläger gegenüber der Leiterin Personal seine Arbeitsleistung an.



    Mit seiner am 17.01.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsverhältnisses geltend.



    Er hat die Auffassung vertreten, für die Befristung seines Arbeitsverhältnisses gebe es keinen Grund. Er habe keine eigenständige operative Entscheidungskompetenz gehabt, insbesondere sei seine Position auch nicht mit der eines GmbH-Geschäftsführers vergleichbar gewesen.



    Das beklagte Klinikum hat erwidert: Die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei durch die Eigenart der Arbeitsleistung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt. Aufgabe des Klägers in seiner Funktion als geschäftsführender Direktor und später als kaufmännischer Direktor sei es gewesen, alle wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen. Er habe die kaufmännische und wirtschaftliche Verantwortung für zwei von vier weitestgehend verselbständigten Untergliederungen des Klinikums getragen. Die Erledigung seiner Aufgaben erfordere zwingend eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand. Dieser könne über die wesentlichen, die beiden campusübergreifenden Zentren betreffenden Aufgabenbereiche nicht eigenständig entscheiden, sondern sei auf das Einverständnis der Zentrumsdirektion angewiesen. Das im HSG begründete Organisationsmodell des beklagten Klinikums beruhe auf dem Modell einer konsensualen Leitung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, soweit die campusübergreifenden Zentren betroffen seien. Dies rechtfertige auch unter Berücksichtigung des Bestandsinteresses des Klägers die Befristung. Dies folge bereits aus der Höhe der mit diesem vereinbarten Vergütung, die kein anderer Arbeitnehmer in der Verwaltung erhalte. Untypisch sei auch die freie Einteilung der Arbeitszeit und die sehr lange Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Monatsende. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei damit dem eines Geschäftsführers einer GmbH, das typischerweise befristet sei, angenähert.



    Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz, des Wortlauts weiterer Bestimmungen der Hauptsatzung sowie der Zentrumsordnung und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.



    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Maßgeblich sei die Befristung der Parteien im Änderungsvertrag vom 29.06.2015, bei dem es sich nicht nur um einen unselbständigen Annex handele. Die Befristung sei wirksam, da sie durch die Eigenart der Arbeitsleistung des Klägers gerechtfertigt sei. Der Kläger sei zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Abschluss des Änderungsvertrags einziges Mitglied der Zentrumsleitung mit Antrags- und Stimmrecht gewesen. Eine unbefristete Tätigkeit sei in der Hauptsatzung nicht vorgesehen, die allerdings "keine gesetzliche Regelung" darstelle. In der Position des Klägers müssten Innovationen umgesetzt werden. Um dies zu ermöglichen, müssten im öffentlichen Dienst Arbeitsverhältnisse erweitert befristet werden können. Die Stellung des Klägers sei herausgehoben, so dass sie mit der Position eines GmbH-Geschäftsführers vergleichbar sei. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass der geschäftsführende Direktor Disziplinarvorgesetzter der Beschäftigten der Service Dienste der Verwaltung sei. Er vertrete das Zentrum gegenüber dem Vorstand und der medizinischen Fakultät der Universität und nehme arbeitgeberähnliche Funktionen wahr. Die herausgehobene Stellung werde durch die Höhe der Vergütung bestätigt. Die Änderungen der Hauptsatzung im Jahr 2019 seien für die rechtliche Bewertung unerheblich. Auch im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung überwiege das Interesse des Beklagten an der Befristung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.



    Gegen das am 16.07.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.08.2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 16.10.2020 am 14.10.2020 begründet.



    Er führt aus: Die vom Arbeitsgericht angenommene Eigenart der Arbeitsleistung, nämlich Innovationen umzusetzen, lasse sich weder der Hauptsatzung, noch der Zentrumsordnung entnehmen. Sie könne auch nicht die Befristung rechtfertigen. Das Arbeitsgericht habe sich auf eine selektive Prüfung von Auszügen der Hauptsatzung beschränkt, statt die tatsächlichen praktischen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu prüfen und zu bewerten. Hauptsatzung und Zentrumsordnung seien für die rechtliche Prüfung der Befristung unerheblich. Seine vollkommen fehlende eigenständige operative Entscheidungs- und Steuerungskompetenz sei vom Arbeitsgericht komplett ausgeblendet und nicht berücksichtigt worden. Ein Vergleich mit einem leitenden Angestellten im Sinne des KSchG gehe fehl, da er - unstreitig - keinen einzigen Mitarbeiter eingestellt oder entlassen habe und hierzu auch nicht befugt gewesen sei. Auch übe er nur partielle Arbeitgeberfunktionen etwa als Disziplinarvorgesetzter aus.



    Das tue aber auch jeder andere Abteilungsleiter in jedem privaten oder öffentlichen Unternehmen. Dem entsprechend sei auch der Vergleich mit einem GmbH-Geschäftsführer substanzlos. Arbeitgeberfunktion übe allein der Vorstand des beklagten Klinikums aus. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, warum die Wahrnehmung arbeitgeberähnlicher Funktionen die Befristung rechtfertigen könne. Er habe allein krankenhausinterne Routineaufgaben wahrgenommen. Zu keinem Zeitpunkt sei seine Stellung der eines faktischen Geschäftsführers auch nur angenähert gewesen, was er im Einzelnen ausführt. Bei seiner Interessenabwägung habe das Arbeitsgericht erkennbar falsche Tatsachengrundlagen einbezogen. Der Arbeitsvertrag enthalte Regelungen, die üblicherweise in allen Arbeitsverträgen enthalten seien. Eine Kündigung sei, anders als bei Geschäftsführerdienstverträgen üblich, nicht ausgeschlossen gewesen. Sein Bruttogehalt entspreche in etwa dem eines Oberarztes in der Radiologie. Im Übrigen sei der Sachgrund nach § 14 Abs.1 S. 2 Nr. 4 TzBfG eng auszulegen.



    Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 01.07.2020 - 4 Ca 89 öD a/20 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 24./29.06.2015 mit dem Ablauf des 31.12.2019 beendet worden ist.



    Das beklagte Klinikum beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Es verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weise Besonderheiten auf, die dessen Befristung rechtfertigten. Zu Recht habe das Arbeitsgericht zur Bestimmung dieser Besonderheiten auf die Hauptsatzung zurückgegriffen, die eine verbindliche Vorgabe für die Aufgaben- und Pflichtenverteilung der verschiedenen Organe und damit auch des geschäftsführenden Direktors als Teil der Zentrumleitung darstelle. Maßgeblich seien insoweit die Vorgaben aus § 10 Abs. 6, 10 und 11 der Hauptsatzung, die die Verantwortlichkeit des geschäftsführenden Direktors umfassend regelten. Schon das mache ihn mit einem GmbH-Geschäftsführer vergleichbar, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt habe. Auch die Befristung der Tätigkeit des geschäftsführenden Direktors auf fünf Jahre in der Hauptsatzung zeige, dass dessen Tätigkeit Besonderheiten aufweise, die eine Befristung rechtfertigten. Als einziges stimmberechtigtes Mitglied des Zentrumsvorstands habe der Kläger die maßgeblichen Entscheidungen allein getroffen. Die herausgehobene Stellung des Klägers werde durch die Regelungen in § 3 der Zentrumsordnung bestätigt. Er habe die dort im Einzelnen genannten Aufgaben wahrnehmen müssen, etwa die Mitwirkung bei der Strategieentwicklung des beklagten Klinikums, die operative Umsetzung dieser Strategie und weiteres mehr. Im Bereich der Forschung und Lehre gehöre die Sicherstellung der für die Ausübung der Forschungs- und Lehrfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG maßgeblichen Voraussetzungen zu seinen Aufgaben.



    An die Vorgaben durch Hauptsatzung und Zentrumsordnung sei auch der Vorstand gebunden, sodass eine faktisch abweichende Kompetenzverteilung rechtlich gar nicht möglich sei. Die anderslautende Behauptung des Klägers, er habe keine Kompetenzen gehabt, sei schlicht falsch. Selbst wenn sich aber nach Vertragsschluss die tatsächlichen Umstände geändert hätten, sei dies unerheblich, weil es für die im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Befristung anzustellende Prognose auf die Umstände bei Vertragsschluss ankomme. Die Behauptungen des Klägers zur tatsächlichen Durchführung des Arbeitsverhältnisses seien zudem unzutreffend. Der Kläger habe faktisch die Rolle eines "Unternehmensleiters" innegehabt, die mit der eines unternehmerisch verantwortlichen GmbH-Geschäftsführers vergleichbar sei. Die Berechtigung des Klägers ergebe sich unmittelbar aus der Hauptsatzung, nämlich den dort in § 10 Abs. 6 genannten Verantwortlichkeiten. Der Kläger bestätige auch selbst, dass er alle wesentlichen und unwesentlichen Investitionsentscheidungen für die Zentren bis zur Entscheidungsreife habe gründlich aufzuklären und qualitativ hochwertig strukturiert aufbereiten müssen und für die operative Umsetzung dieser Entscheidungen zuständig gewesen sei. Zutreffend habe das Arbeitsgericht erkannt, dass die gebotene Interessenabwägung ergebe, dass ihr Befristungsinteresse die Interessen des Klägers überwiege. So enthalte der Arbeitsvertrag Regelungen, die denen in Dienstverträgen eines Geschäftsführers entsprächen, etwa zur Arbeitszeit, zum Urlaub oder zu Nebentätigkeiten und Wettbewerbsverboten. Auch sei die Vergütung des Klägers außergewöhnlich hoch gewesen und in seinem Interesse eine besonders lange Kündigungsfrist gewählt worden. Das Interesse des Klinikums ergebe sich daraus, dass der Kläger mit dem Vorstand besonders vertrauensvoll habe zusammenarbeiten müssen, was wiederum die Befristung rechtfertige.



    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    Die gem. § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist unwirksam.



    Die als Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG statthafte Klage ist begründet.



    I. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gilt nicht bereits gemäß den §§ 17 Satz 2 TzBfG, 7 KSchG als wirksam. Der Kläger hat am 17.01.2020 formwirksam im elektronischen Rechtsverkehr die Klage eingereicht und damit innerhalb von drei Wochen nach dem beabsichtigten Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2019. Die Klage ist dem beklagten Klinikum am 23.01.2020 und damit demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden, sodass mit Klageeingang die Klagefrist gewahrt ist.



    II. Die von den Parteien vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2019 ist unzulässig. Ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG liegt nicht vor. Insbesondere ist die Befristung entgegen der Auffassung des beklagten Klinikums nicht durch die Eigenart der Arbeitsleistung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt.



    1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt.



    In § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist nicht näher bestimmt, welche Eigenarten der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen können. Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass mit dem Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs.3 GG) ergebenden Besonderheiten Rechnung getragen werden soll (BT-Drs. 14/4374, Seite 19). Der Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung ist jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf diese Fallgruppen beschränkt, sondern kann auch in anderen Fällen zur Anwendung kommen. Weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG auf derartige verfassungsrechtlich geprägte Arbeitsverhältnisse beschränkt sein soll.



    Der Begriff der "Eigenart der Arbeitsleistung" ist nicht so zu verstehen, dass nur die Eigenart der Arbeitsleistung als solche, nicht aber Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können. Allerdings ist nicht jegliche Eigenart der Arbeitsleistung geeignet, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Nach der dem Teilzeit- und Befristungsgesetz zugrundeliegenden Bewertung ist der unbefristete Arbeitsvertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme. Daher kann die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG erfordert daher eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, bei der auch das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen ist (BAG, Urteil vom 16.01.2018 - 7 AZR 312/16 - juris, Rn 15/16).



    Aber auch dann, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung in besonderen Fällen außerhalb verfassungsrechtlich geprägter Arbeitsverhältnisse zur sachlichen Rechtfertigung einer befristeten Beschäftigung herangezogen werden könnte, setzt der Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG jedenfalls voraus, dass das Arbeitsverhältnis durch außergewöhnliche Umstände geprägt ist, die ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung begründen können, etwa Verschleißtatbestände, das Abwechslungsbedürfnis des Publikums oder auch ein Wechselinteresse des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 21.03.2017 - 7 AZR 207/15 - juris, Rn 104).



    2. Für die Wirksamkeit einer Befristung sind grundsätzlich die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Spätere Abweichungen können lediglich eine indizielle Bedeutung dafür haben, dass der Sachgrund für die Befristung bei Vertragsschluss in Wahrheit nicht vorlag, sondern lediglich vorgeschoben ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BAG vom 16.11.2005 - 7 AZR 81/05 - juris, Rn 41).



    3. Nach diesen Grundsätzen ist für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Befristung auf die Lage im Juni 2015 abzustellen. Zu jenem Zeitpunkt lag ein die Befristung rechtfertigender Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG nicht vor.



    a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung ist die Rechtslage zum Zeitpunkt des Änderungsvertrags der Parteien im Juni 2015. Bei dem Änderungsvertrag handelt es sich nicht lediglich um einen unselbständigen Annexvertrag. Das hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend begründet und ist von den Parteien auch nicht weiter angegriffen worden, sodass zunächst auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen wird.



    aa) Ein unselbständiger Annexvertrag, bei dem es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Befristung nicht auf dessen Abschluss, sondern auf den des ursprünglichen Vertrags ankommt, liegt dann vor, wenn die Änderung nur auf eine verhältnismäßig geringfügige Korrektur des im früheren Vertrag vereinbarten Endzeitpunkts des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, die sich am Sachgrund für die Befristung des früheren Vertrags orientiert und allein in der Anpassung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit an erst später eintretende, zum Zeitpunkt des vorangegangenen Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Umstände durchsteht. Den Parteien darf es nur darum gegangen sein, die Laufzeit des alten Vertrags mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang zu bringen (BAG, Urteil vom 24.02.2016 - 7 AZR 182/14 - juris, Rn 21).



    bb) Danach ist vorliegend für die Prüfung der Rechtmäßigkeit auf den Änderungsvertrag vom Juni 2015 abzustellen. Mit diesem wurde das ursprüngliche Arbeitsverhältnis um 18 Monate und damit nicht mehr nur geringfügig im Sinne der genannten Rechtsprechung verlängert. Im Übrigen ist im Zusammenhang mit der Änderung des Arbeitsvertrags auch das Gehalt des Klägers erheblich angehoben worden, so dass es auch nicht allein um das Herausschieben der Vertragslaufzeit ging.



    cc) Maßgeblich für die Bestimmung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses und der Frage, ob sich hieraus Eigenarten ergeben, die eine Befristung rechtfertigen können, sind daher die die Aufgaben des Klägers festlegende Hauptsatzung der Beklagten vom 26.11.2009 (Anlage B 6) sowie die Zentrumsordnung des beklagten Klinikums vom 01.07.2012 (Anlage B 10). Entgegen der erstinstanzlich vom beklagten Klinikum geäußerten Auffassung kommt es demgegenüber nicht auf die in den §§ 88 a und 88 b HSG definierten Aufgaben der Campusdirektionen an. Diese Vorschriften sind erst durch eine Änderung im Februar 2016 in das HSG aufgenommen worden. In der Vorgängerfassung, die im Juni 2015 galt, gab es vergleichbare Vorschriften nicht.



    b) Das beklagte Klinikum kann zur Rechtfertigung der Eigenart des Arbeitsverhältnisses nicht auf verfassungsrechtliche Besonderheiten, insbesondere die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre zurückgreifen. Das beklagte Klinikum betreibt ein Krankenhaus. Zwar wird an diesem im Rahmen der Krankenversorgung auch geforscht und gelehrt im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist hiervon jedoch nicht bestimmt. Der Kläger ist kein wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG. Er ist allein für die Vorhaltung der für die Forschung, Lehre, Studium notwendigen Voraussetzungen sowie weitere in § 3 Abs. 5.2 Zentrumsordnung genannte Gewährleistungen zuständig.



    Er hat zwar dafür zu sorgen, dass die im Bereich der Forschung und Lehre tätigen Beschäftigten des beklagten Klinikums und der Universität L... und der Universität K... in der Ausübung der Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit nicht beeinträchtigt werden, sein Arbeitsverhältnis selbst wird jedoch von den verfassungsrechtlichen Besonderheiten der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre nicht erfasst. Funktionell ist die Aufgabe des Klägers mit der jedes anderen Verwaltungsmitarbeiters des beklagten Klinikums vergleichbar und auf die Herstellung eines organisatorischen Rahmens gerichtet, in dem andere Beschäftigte im Rahmen ihrer durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechte tätig werden können.



    c) Das Arbeitsverhältnis des Klägers weist auch nicht sonstige außergewöhnliche Umstände auf, die dessen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 TzBfG rechtfertigen können.



    aa) Diese folgen nicht aus der herausgehobenen Stellung des Klägers im Rahmen der Organisation des beklagten Klinikums.



    (1) Das beklagte Klinikum stellt zur Begründung außerordentlicher Umstände maßgeblich auf die herausgehobene Stellung des Klägers ab, die nach ihrer Einschätzung mit der eines GmbH-Geschäftsführers vergleichbar sei und verweist in diesem Zusammenhang auf die dem Kläger durch § 10 Abs. 6 der Hauptsatzung und § 3 Abs. 5 der Zentrumsordnung zugewiesenen Aufgaben sowie darauf, dass der Kläger nach § 3 Abs. 3 lit. d) der Zentrumsordnung einziges stimmberechtigtes Mitglied der Zentrumsleitung ist. Dabei betreffen die Aufgaben des Klägers nach § 3 Abs. 5.1 Zentrumsordnung die Bereiche Strategie, operative Steuerung, Zielvereinbarungen, Wirtschaftsplanung und Investitionsplanung. Sie sind im Zusammenwirken mit dem Vorstand wahrzunehmen. Dies korrespondiert damit, dass entsprechende Aufgaben auch dem Vorstand im Zusammenwirken mit der Zentrumsleitung nach § 2 Abs. 3 Zentrumsordnung zugewiesen sind. Die Aufgaben sind dann auch noch einmal beschrieben in § 10 Abs. 6 der Hauptsatzung.



    Darüber hinaus nimmt der Kläger im Bereich Forschung und Lehre (§ 3 Abs. 5.2 Zentrumsordnung) seine Aufgaben eigenständig wahr. Das Zusammenwirken mit dem Vorstand ist in diesem Bereich nicht vorgeschrieben. Sowohl in den in § 3 Abs. 5.1 geregelten Zuständigkeiten, als auch bei den in § 3 Abs. 5.2 aufgeführten Fällen steht dem Vorstand jedoch nach § 2 Abs. 1 Zentrumsordnung die Aufsicht über den Kläger zu. Ferner ist dort ausdrücklich festgelegt, dass der Vorstand gegenüber der Zentrumsleitung und damit dem Kläger generelle Anordnungen treffen kann und Einzelweisungen erteilen darf. Auch wenn also in § 3 Abs. 5.2 Zentrumsordnung für den Bereich der Forschung und Lehre nicht ausdrücklich ein Zusammenwirken mit dem Vorstand geregelt ist, bedeutet das nicht, dass der Kläger in diesem Bereich weisungsfrei handelt.



    Die Einbindung in die Hierarchie des beklagten Klinikums zeigt sich auch in § 10 Abs. 10 Hauptsatzung, auf die das beklagte Klinikum hingewiesen hat. Danach steht dem Ärztlichen Direktor als Mitglied der Zentrumsleitung gegen Entscheidungen des Klägers, die wesentliche Belange der Patientenversorgung betreffen, ein Widerspruchsrecht zu, über den der Vorstand entscheidet. Darüber hinaus ist der Kläger nach § 10 Abs. 11 Hauptsatzung verpflichtet, den Vorstand über alle wesentlichen Angelegenheiten zu unterrichten.



    (2) Aus diesen Aufgabenzuweisungen und der Berichtspflicht in Verbindung mit der Befugnis des Vorstands, generelle Anordnungen und Einzelanweisungen zu treffen, folgt, dass der Kläger strikt in die Hierarchie des Klinikums eingebunden ist, wenn auch an herausgehobener Stelle. Zum GmbH-Geschäftsführer fehlt ihm die Befugnis zur Vertretung des beklagten Klinikums nach außen, wie sie dem GmbH-Geschäftsführer nach § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz übertragen ist sowie jedenfalls die Befugnis zur Einstellung und Entlassung von Personal. Damit ist der Kläger auch kein leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG.



    Aus der herausgehobenen Stellung des Klägers ergibt sich, dass das beklagte Klinikum besonders auf dessen Fähigkeiten und Loyalität vertrauen können muss. Auch wenn der Vorstand des beklagten Klinikums in weiten Teilbereichen im Zusammenwirken mit dem Kläger arbeitet, so ist doch bei einer Einrichtung mit mehr als 12.000 Arbeitnehmern an zwei Standorten im Bundesland ein weitgehendes Maß an selbständiger und eigenverantwortlicher Tätigkeit des Klägers notwendig. Das belegt etwa auch die Regelung zur freien Gestaltung seiner Arbeitszeit durch den Kläger und das für einen Verwaltungsmitarbeiter einer Anstalt des öffentlichen Rechts hohe Gehalt.



    (3) Damit weist das Arbeitsverhältnis des Klägers aber keine Besonderheiten auf, die dessen Befristung rechtfertigen können. Die insoweit erforderliche Interessenabwägung geht zugunsten des Klägers am unbefristeten Bestand seines Arbeitsverhältnisses aus. Herausgehobene Tätigkeiten, wie sie der Kläger wahrnimmt, fallen in jedem größeren Unternehmen an. Sie sind keine Eigenart der Arbeitsleistung des Klägers oder lassen sich mit Besonderheiten der Branche begründen, in der das beklagte Klinikum tätig ist. Mitarbeiter mit derart herausgehobener Stellung gibt es nach Einschätzung der Kammer in allen Branchen in großen Unternehmen mit - wie das beklagte Klinikum - ca. 12.000 Mitarbeitern.



    Dass in der vom Aufsichtsrat des beklagten Klinikums erlassenen Hauptsatzung nur die befristete Bestellung des geschäftsführenden Direktors vorgesehen ist, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Ein Arbeitgeber kann nicht durch Vorgaben seiner Organe für sein Unternehmen Befristungsgründe setzen.



    Rechtlich gibt nach Auffassung der Kammer das Kündigungsschutzgesetz die Maßgaben vor, nach denen das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters in Führungsposition befristet werden kann. Ist dieser organschaftlicher Vertreter, so dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet (§ 14 Abs. 1 KSchG), ist eine Befristung im Arbeitsvertrag grundsätzlich zulässig. Ob dieser Grundsatz auch für Angestellte im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG gilt, für die die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes im Wesentlichen gelten, bedarf hier keiner Entscheidung, da der Kläger nicht unter diesen Personenkreis fällt. Im Übrigen sieht das Gericht allein in der herausgehobenen Stellung eines im Übrigen aber weisungsabhängig tätigen Mitarbeiters keine Eigenart eines bestimmten Arbeitsverhältnisses.



    bb) Das vom Arbeitsgericht herangezogene, vom beklagten Klinikum erstinstanzlich gar nicht behauptete, "Innovationsbedürfnis" für den Inhaber der Position des geschäftsführenden Direktors kann die Annahme, das Arbeitsverhältnis des Klägers weise besondere Eigenarten auf, nicht rechtfertigen. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits ausdrücklich entschieden (Urteil vom 31.03.2017 - 7 AZR 207/15 - juris, Rn 104).



    cc) Ob das Arbeitsverhältnis, wie der Kläger behauptet hat, abweichend von der Satzung und der Zentrumsordnung durchgeführt ist und es weitgehende Weisungen des Vorstands gegeben hat, ist für die Entscheidung des Rechtstreits nicht erheblich.



    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der im Zusammenhang mit dem Befristungsgrund nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 TzBfG aufgetretenen Rechtsfragen zugelassen worden.

    Vorschriften§ 82 Abs. 1 des Hochschulgesetzes des Landes Schleswig-Holstein (HSG), § 87 Abs. 2 HSG, § 87 Abs. 1 HSG, § 82 Abs. 2 HSG, § 82 Abs. 3 HSG, §§ 88 a Abs. 2 - 5, 88 b Abs. 3 HSG, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG, § 14 Abs.1 S. 2 Nr. 4 TzBfG, Art. 5 Abs. 3 GG, § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG, § 17 Satz 1 TzBfG, §§ 17 Satz 2 TzBfG, 7 KSchG, § 167 ZPO, § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs.3 GG, §§ 88 a, 88 b HSG, § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 TzBfG, § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz, § 14 Abs. 2 KSchG, § 14 Abs. 1 KSchG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO