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  • 11.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130547

    Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 17.10.2012 – 7 Ta 281/12

    Das Arbeitsgericht darf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender PKH-Erklärung i.S.d. § 117 Abs. 2 ZPO erst zurückweisen, wenn es dem Antragsteller eine Frist zum Nachreichen gesetzt hat und diese verstrichen ist (vgl. OVG Lüneburg, FamRZ 2007, 295).

    Dies gilt auch im Falle der Beendigung des Klageverfahrens durch ein klageabweisendes Versäumnisurteil jedenfalls dann, wenn sich aus den ohne das gesetzlich vorgeschriebene Formular eingereichten Unterlagen (hier: SGB II-Bescheid) ergibt, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung ohne Zweifel vorliegen.


    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 25. Mai 2012 - 1 Ca 16/12 - aufgehoben.

    Die erneute Entscheidung des Prozesskostenhilfegesuchs unter Berücksichtigung der am 19. September 2012 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers wird dem Arbeitsgericht übertragen.

    Gründe

    I. Der Kläger hatte am 25. Januar 2012 beim Arbeitsgericht Offenbach am Main Kündigungsschutzklage erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Herrn Rechtsanwalt A, in B, beantragt. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers (PKH-Erklärung) war dem Antrag nicht beigefügt, sondern deren Nachreichen angekündigt.

    Am 07. Februar 2012 ging beim Arbeitsgericht eine Fotokopie des Bescheides des "Integrationscenter für Arbeit in B" vom 31. Januar 2012 ein, wonach dem Kläger in der Zeit vom 01. Januar 2012 bis 30. Juni 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II in Höhe von monatlich 374,00 € bewilligt wurden (Bl. 2f des Beihefts). Im Begleitschreiben (Bl. 1 des Beihefts) kündigte der Klägervertreter erneut an, die PKH-Erklärung umgehend nachzureichen.

    Am 24. April 2012 erging ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil, gegen das kein Einspruch eingelegt wurde.

    Mit Beschluss vom 25. Mai 2012 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, er habe bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsstreits "keine vollständigen und die Bewilligung rechtfertigenden Unterlagen, insbesondere keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt".

    Gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am 30. Mai 2012 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit dem per Telefax am 28. Juni 2012 eingegangenen Schreiben vom selben Tag Beschwerde eingelegt. Nachdem das Arbeitsgericht den Kläger mit Schreiben vom 12. Juli 2012 gebeten hatte, seine Beschwerde bis zum 31. Juli 2012 zu begründen, wies der Kläger in seinem Schreiben vom 19. Juli 2012, wegen dessen Inhalt auf Bl. 8 des Beihefts verwiesen wird, insbesondere darauf hin, dass er wegen seiner bestehenden Alkoholerkrankung nicht in der Lage gewesen sei, seine Angelegenheit nach der fristlosen Kündigung kontinuierlich zu verfolgen.

    Mit weiterem Beschluss vom 01. August 2012 (Bl. 9 des Beihefts) hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat dies damit begründet, dass der Kläger auch innerhalb der ihm gewährten Nachfrist keine Angaben gemacht und entsprechende Glaubhaftmachungsmittel vorgelegt habe, die eine Abhilfe rechtfertigen würden.

    Das Beschwerdegericht hat die dem Kläger zunächst bis zum 07. September 2012 eingeräumte Frist zur Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss auf dessen Antrag hin bis zum 30. September 2012 verlängert. Mit Schreiben vom 17. September 2012 hat der Kläger sodann eine ausgefüllte und unterzeichnete PKH-Erklärung (Bl. 16 des Beihefts) sowie den Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 27. August 2012 (Bl. 17 - 19 des Beihefts) zu den Akten gereicht.

    II. Die Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und wurde fristgerecht eingelegt (§§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 S. 3 ZPO).

    Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, denn das Arbeitsgericht hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit einer unzutreffenden Begründung abgelehnt. Es wird deshalb über den Antrag unter Berücksichtigung der Feststellungen dieses Beschlusses erneut zu entscheiden haben.

    Gemäß § 114 ZPO kann einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig ist. Dem ordnungsgemäßen Antrag muss gem. § 117 Abs. 2 ZPO eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt werden.

    Diese PKH-Erklärung hat der Kläger zwar erst nach Abschluss des Verfahrens durch das Versäumnisurteil, gegen das kein Einspruch eingelegt wurde, zu den Akten gereicht. Trotz Beendigung der Instanz kann aber Prozesskostenhilfe gleichwohl rückwirkend bewilligt werden, wenn das Gericht gestattet, fehlende Unterlagen nachzureichen und so faktisch das Instanzende "hinauszuschieben". In diesem Fall wird ein Vertrauenstatbestand geschaffen (vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss vom 23. November 2005 - 16 Ta 509/05 - juris; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. § 117 Rn 2b m.w.N.).

    Im vorliegenden Fall hat es das Arbeitsgericht pflichtwidrig unterlassen, dem Kläger diese Möglichkeit einzuräumen. Benutzt eine Partei den gesetzlich in § 117 Abs. 2 ZPO vorgeschriebenen Vordruck nicht, füllt sie ihn unvollständig aus oder fügt sie keine Belege bei, so darf ihr PKH-Gesuch nicht sofort zurückgewiesen werden. Vielmehr ist ihr eine Frist zu setzen, innerhalb derer sie den Vordruck einzureichen, zu vervollständigen oder die fehlenden Belege nachzureichen hat. Erst wenn sie diese Frist verstreichen lässt, darf das Gericht die Prozesskostenhilfe ablehnen (vgl.OVG Lüneburg FamRZ 2007, 295; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. § 117 Rn 17).

    Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, in dem der Kläger zwar die PKH-Erklärung nicht vorgelegt hatte, sich aber bereits aus dem zu den Akten gereichten Bewilligungsbescheid des "Integrationscenter für Arbeit" ergab, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH-Bewilligung mit größter Wahrscheinlichkeit vorlagen und einer sofortigen Bescheidung des Antrags nur das Formerfordernis des § 117 Abs. 2 ZPO entgegenstand. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass in einem solchen Fall die PKH-Erklärung lediglich in den Rubriken A bis D zu den persönlichen Verhältnissen ausgefüllt und am Ende unterzeichnet werden muss, so wäre die Auflage unter Fristsetzung, dieses formale Erfordernis nachzuholen, erst recht geboten gewesen.

    Auch im Beschwerdeverfahren hat das Arbeitsgericht sodann nicht etwa darauf hingewirkt, dass der Kläger in angemessener Frist noch das fehlende Formular nachreicht, sondern ihn mit Schreiben vom 12. Juli 2012 lediglich gebeten, seine "Beschwerde zu begründen". Insofern geht auch die Begründung des Beschlusses, mit dem die Abhilfe abgelehnt wurde, fehl, denn dem Kläger wurde gerade keine Nachfrist gewährt, in der er "Angaben" machen und "entsprechende Glaubhaftmachungsmittel" vorlegen sollte. Die notwendigen Angaben (Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts) hatte der Kläger ja bereits gemacht und durch Vorlage der Kopie des Bewilligungsbescheids auch glaubhaft gemacht. Es fehlte hier schlicht das gesetzlich vorgeschriebene PKH-Formular, zu dessen Vorlage der Kläger niemals unter Fristsetzung aufgefordert wurde.

    Daraus folgt, dass bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers auch noch die in der nachgereichten PKH-Erklärung nebst Anlagen gemachten Angaben berücksichtig werden müssen, denn mangels vorherigen Hinweises durfte das Arbeitsgericht seinen ablehnenden Beschluss nicht auf das Fehlen von Angaben stützen.

    Da das Arbeitsgericht sich konsequenterweise über die Frage, ob die Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die eingereichte Erklärung und die Erfolgsaussichten der Klage bewilligt werden kann, keine Gedanken gemacht hat, war ihm diese Entscheidung zu übertragen.

    Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, weil bei erfolgreicher Beschwerde im PKH-Verfahren keine Gerichtskosten anfallen und es eine Kostenerstattung nicht gibt (§ 127 Abs. 4 ZPO).

    Dieser Beschluss ist mangels einer gesetzlich begründeten Veranlassung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde unanfechtbar, §§ 78, 72 Abs. 2 ArbGG.

    VorschriftenZPO § 117 Abs. 2