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  • 11.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130543

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 06.12.2012 – 4 Sa 173/12

    Bezieht der Arbeitnehmer während seiner andauernden Arbeitsunfähigkeit nach dem Ende des Krankengeldbezuges Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und ruht das Arbeitsverhältnis deshalb, so entsteht dennoch der gesetzliche Urlaubsanspruch.


    In dem Rechtsstreit
    pp.
    hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2012 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 12.04.2012 - 2 Ca 301/12 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.992,94 brutto

    nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.02.2012 zu zahlen.

    Der Kläger trägt 46% der Kosten des Rechtsstreits, die Beklagte

    54% (beide Instanzen).

    Die Revision wird für beide Parteien nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten um die Urlaubsabgeltung.

    Der am ... 1948 geborene Kläger trat am 18. Juli 1991 als Textilarbeiter in die Dienste der Beklagten ein. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Textilindustrie Hamburg und Schleswig-Holstein Anwendung. Die tarifliche Urlaubsvereinbarung vom 12. Mai 1982 sieht einen Jahresurlaub für alle Arbeitnehmer in Höhe von 30 Arbeitstagen vor.

    In § 3 Nr. 6 der Urlaubsvereinbarung heißt es:

    "Betriebsangehörige mit mehr als achtjähriger Betriebszugehörigkeit erhalten dann beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis den vollen Urlaubsanspruch, wenn das Ausscheiden auf Invalidität oder Altersgründen (Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze) beruht."

    Zur Abgeltung heißt es in § 7 Nr. 4 der Urlaubsvereinbarung:

    "Eine Abgeltung des Urlaubs in Geld soll grundsätzlich nicht erfolgen. Sie kann nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt werden, wenn bei bestehendem Urlaubsanspruch vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb aus zwingenden betrieblichen Gründen Freizeit auch während der Kündigungsfrist nicht gewährt werden kann."

    Wegen des weiteren Inhalts der Urlaubsvereinbarung wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 36 - 41 d.A.).

    Der Kläger war seit dem 23. Juli 2007 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Im Laufe des Jahres 2008 wurde für ihn die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festgestellt. Er bezog bis zum 18. Januar 2009 Krankengeld und wurde sodann von der zuständigen Krankenkasse "ausgesteuert".

    Bereits zuvor unter dem 29. Dezember 2008 erteilte die Beklagte dem Kläger auf dessen Bitte eine Bescheinigung gemäß § 312 SGB III zur Beantragung von Arbeitslosengeld (Bl. 33 - 36 d.A.). Der Kläger bezog ab dem 19. Januar 2009 bis zum 17. Januar 2011 von der Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld wegen Leistungsminderung nach § 125 SGB III.

    Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers mit Ablauf des 31. Januar 2011.

    In dem Kündigungsschreiben des Klägers heißt es:

    "Hiermit kündige ich mein bestehendes Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2011 aufgrund des altersbedingten Ausscheidens. Meine Altersrente für schwerbehinderte Menschen beginnt am 01. Februar 2011."

    Mit Schreiben vom 21. Januar 2011 bat der Kläger um Abgeltung des bestehenden Urlaubsanspruches in Geld für die Jahre 2010 und 2011.

    Der Kläger begehrt die Abgeltung des gesetzlichen Urlaubsanspruches für 20 Tage bezogen auf das Jahr 2010 und ebenfalls für 20 Tage bezogen auf das Jahr 2011, wobei er hinsichtlich dieses Jahres der Auffassung ist, ihm stehe der volle gesetzliche Urlaubsanspruch wegen § 3 Nr. 6 der Urlaubsvereinbarung zu. Ausgehend von abzugeltenden 20 Tagen pro Jahr beläuft sich die Urlaubsabgeltung für das Jahr 2010 und für das Jahr 2011 jeweils auf einen Betrag in Höhe von 1.839,64 EUR brutto, der zwischen den Parteien unstreitig ist (20 Arbeitstage Urlaub pro Jahr, also 4 x 37 Stunden/Woche x EUR 12,43/Stunde).

    Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe trotz des Arbeitslosengeldbezuges der Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Urlaubes zu.

    Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, für die Jahre 2010 und 2011 seien keine Urlaubsansprüche entstanden, da das Arbeitsverhältnis der Parteien insoweit durchgehend geruht habe.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Inhalt des angefochtenen Urteils.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses könnten Urlaubsansprüche nicht entstehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

    Der Kläger hat gegen das ihm am 27. April 2012 zugestellte Urteil am 25. Mai 2012 mit Fax- und am 29. Mai 2012 mit Originalschriftsatz Berufung eingelegt und diese am 15. Juni 2012 begründet.

    Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, der Bezug des Arbeitslosengeldes und das Ruhen des Arbeitsverhältnisses stünden der Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruches für die Jahre 2010 und 2011 nicht entgegen. Entscheidend sei, dass er Arbeitslosengeld nur und ausschließlich deshalb bezogen habe, weil er jedenfalls für die der Beklagten geschuldete Arbeitsleistung weiterhin arbeitsunfähig krank gewesen sei. Ihm stehe für das Jahr 2011 auch der volle gesetzliche Urlaubsanspruch zu, denn er sei aufgrund von Invalidität aus dem Betrieb ausgeschieden.

    Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 12.04.2012

    - 2 Ca 301/12 - abzuändern und die Beklagte zu ver-

    urteilen, ihm 3.679,28 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe

    von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

    ab dem 09. Februar 2012 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

    Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und ist weiterhin der Auffassung, während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses könnten keine Urlaubsansprüche entstehen. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07. August 2012 stehe dem nicht entgegen, denn es befasse sich nur mit dem Fall des Bezugs von befristeter Rente wegen Erwerbsminderung. Jedenfalls habe der Kläger für das Jahr 2011 keinen Anspruch auf den vollen gesetzlichen Urlaub. § 3 Nr. 6 der Urlaubsvereinbarung sei nicht einschlägig. Der Kläger sei weder wegen Invalidität noch aus Altersgründen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Das Arbeitsverhältnis sei nicht wegen Erreichens der Regelaltersgrenze beendet worden. Ein Fall der Invalidität liege zudem auch nicht vor. Schließlich enthalte die Urlaubsvereinbarung in § 7 Nr. 4 eine von der gesetzlichen Regelung abweichende tarifliche Abgeltungsvorschrift, deren Voraussetzungen der Kläger nicht erfülle.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie zu einem etwas überwiegenden Teil Erfolg. Der Kläger hat gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung seines gesetzlichen Urlaubes (20 Tage) für das Jahr 2010 in Höhe von insgesamt 1.839,64 EUR brutto. Für das Jahr 2011 hat er jedoch nur einen Anspruch auf Abgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in Höhe eines Zwölftel seines gesetzlichen Jahresurlaubes, folglich einen Abgeltungsanspruch in Höhe von 153,30 EUR (1.839,64 : 12). Die weitergehende Berufung ist unbegründet. Dazu im Einzelnen:

    1.
    Der Kläger hat gegen die Beklagte für das Jahr 2010 Anspruch auf Abgeltung von 20 Tagen in Höhe von EUR 1.839,64 brutto gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

    a.
    Der gesetzliche Urlaub gemäß § 3 BUrlG ist auch für das Jahr 2010 entstanden. Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger während des gesamten Jahres 2010 im noch bestehenden Arbeitsverhältnis Arbeitslosengeld bezog und das Arbeitsverhältnis deshalb ruhte.

    aa.
    Für das Entstehen des Urlaubsanspruches ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat. Der Urlaubsanspruch entsteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet (BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 -, zitiert nach [...] Rn. 8).

    bb.
    Die Annahme, dass Urlaubsansprüche im ruhenden Arbeitsverhältnis auch dann nicht entstehen, wenn das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen ist, ist nach Auffassung des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 -, zitiert nach [...] Rn. 15) nicht mit der in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG angeordneten Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs zu vereinbaren. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung deutlich ausgeführt, dass der Hinweis einiger Instanzgerichte auf das willensgesteuerte Element auf Seiten des Arbeitnehmers nicht überzeuge. Der 9. Senat führt dazu aus (BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 -, zitiert nach [...] Rn. 16), von den §§ 1, 2 und § 3 Abs. 1 BUrlG könnten nach der ausdrücklichen Anordnung in § 13 Abs. 1 BUrlG weder die Tarifvertragsparteien geschweige denn die Arbeitsvertragsparteien abweichen, indem sie im Rahmen einer Ruhensvereinbarung ausdrücklich oder konkludent vorsähen, dass keine Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers entstehen, wenn dieser aus gesundheitlichen Gründen längere Zeit an seiner Arbeitsleistung gehindert sei. § 2 Satz 1 BUrlG nehme arbeitsunfähige Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis kraft Abrede der Arbeitsvertragsparteien oder aufgrund tariflicher Anordnung ruhe, nicht aus. Sinn und Zweck der §§ 1, 2 BUrlG verlange auch keine teleologische Reduktion. Die Entstehung des Urlaubsanspruches sei weder von einem konkreten noch von einem abstrakten Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers abhängig.

    b.
    Zwar befasst sich die obige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts mit dem Fall der befristeten Rente der Erwerbsminderung und dem tariflich angeordneten Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Bezugs dieser Rente. Die dortigen Grundsätze sind jedoch ohne weiteres auf den Fall des ruhenden Arbeitsverhältnisses bei Bezug von Arbeitslosengeld zu übertragen.

    aa.
    Das Bundesarbeitsgericht hat in der oben erwähnten Entscheidung ganz allgemein ausgeführt, dass das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nicht das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruches hindere, wenn das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen sei. Es hat weiterhin ausgeführt, dass das zum Teil von den Instanzgerichten angeführte willensgesteuerte Element nicht überzeuge. Diese Ausführungen sind von allgemeiner Art und beziehen sich nicht lediglich auf den Fall des ruhenden Arbeitsverhältnisses bei Bezug einer befristeten Rente wegen Erwerbsminderung, sondern sprechen allgemein aus, dass Urlaubsansprüche auch im ruhenden Arbeitsverhältnis jedenfalls dann entstehen, wenn das Ruhen auf eine Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen ist. Die Arbeitsvertragsparteien seien nicht befugt, im Rahmen einer Ruhensvereinbarung ausdrücklich oder konkludent vorzusehen, dass keine Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers entstünden, wenn dieser aus gesundheitlichen Gründen längere Zeit an seiner Arbeitsleistung gehindert werde.

    bb.
    Diese allgemeinen Ausführungen sind ohne Einschränkungen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zu übertragen. Nimmt man nämlich ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld an, so ist festzustellen, dass auch in diesem Fall das Ruhen des Arbeitsverhältnisses allein auf die Arbeitsunfähigkeit des Klägers zurückzuführen war. Nur deshalb, weil er auch noch im Jahre 2010 arbeitsunfähig erkrankt war, bezog er das Arbeitslosengeld. Es ist also allein die Arbeitsunfähigkeit, auf die das Ruhen des Arbeitsverhältnisses zurückzuführen war. Insoweit besteht überhaupt kein Unterschied zu dem vom Bundesarbeitsgericht am 07.08.2012 entschiedenen Sachverhalt. Hier wie dort war die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers Ursache und Anlass für das Ruhen des Arbeitsverhältnisses.

    cc.
    Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Hinweis der Beklagten auf die Erreichbarkeitsanordnung vom 16.11.2001. Diese allein sozialversicherungsrechtliche Vorschrift hat keinen Einfluss auf das Entstehen oder Nichtentstehen eines gesetzlichen Urlaubsanspruches im bestehenden Arbeitsverhältnis. Zutreffend hat bereits das Landesarbeitsgericht Niedersachsen im Urteil vom 29.03.2012 (7 Sa 662/11, zitiert nach [...] Rn. 38) ausgeführt, es sei unerheblich für die Entstehung des gesetzlichen Jahresurlaubes, in welcher Weise der Arbeitnehmer während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit sozialversicherungsrechtlich abgesichert sei. Weder die Zahlung von Krankengeld durch die Krankenversicherung noch der Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente durch die Rentenversicherung noch der Bezug von Arbeitslosengeld durch die Arbeitslosenversicherung im Wege der sogenannten Gleichwohl-Gewährung habe Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis und den Grundsatz, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auch bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit entstehe. Es sei zu differenzieren zwischen dem Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien untereinander auf der einen Seite und dem Verhältnis des Arbeitnehmers gegenüber den Sozialversicherungen andererseits.

    dd.
    Schließlich folgt auch nichts anderes aus der vom Beklagtenvertreter in der Berufungsverhandlung erwähnten jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Kurzarbeit und der Berechnung des Urlaubsanspruches (EuGH, Urteil v. 08.11.2012 - C 229/11 -). Das Bundesarbeitsgericht hat auch insoweit bereits entschieden (BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 -, zitiert nach [...] Rn. 17), dass aus der zu § 3 Abs. 1 BUrlG abgeleiteten Umrechnungsformel für die Fälle der Beschäftigung an nicht allen Werktagen der Kalenderwoche nicht abgeleitet werden könne, dass Urlaubsansprüche im ruhenden Arbeitsverhältnis auch dann nicht entstünden, wenn die Ruhensvereinbarung für den Fall des Bezugs einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Arbeitnehmers getroffen wurde. In einem solchen Fall könne der Arbeitnehmer ebenso wie ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer ohne Ruhensvereinbarung aus gesundheitlichen Gründen seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllen. Dadurch reduziere sich der Umfang der Arbeitsleistung jedoch nicht auf "Null'". Auch im ruhenden Arbeitsverhältnis werde "an sich" eine Arbeitsleistung geschuldet, die Pflicht ruhe lediglich. Die Umrechnungsformel setze gerade das Bestehen eines Urlaubsanspruchs voraus und könne daher nicht zur Klärung der Frage herangezogen werden, ob überhaupt für bestimmte Zeiträume ein Urlaubsanspruch entstanden sei.

    c.
    Der Kläger hat daher für das Jahr 2010 Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubes in der unstreitigen Höhe von 1.839,64 EUR. Er hat diesen Abgeltungsanspruch rechtzeitig mit Schreiben vom 21. Jan. 2011 geltend gemacht.

    2.
    Für das Jahr 2011 hat der Kläger allerdings nur einen Abgeltungsanspruch in Höhe von 153,30 EUR.

    a.
    Auch für das Jahr 2011 begehrt der Kläger ausdrücklich nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Der gesetzliche Urlaubsanspruch beläuft sich aber wegen § 5 Abs. 1 c BUrlG nur auf ein Zwölftel des gesetzlichen Jahresurlaubes. Wenn der Kläger für das Jahr 2011 den gesamten Jahresurlaub unter Hinweis auf § 3 Nr. 6 der tariflichen Urlaubsvereinbarung begehrt, so ist er darauf hinzuweisen, dass es sich damit nicht mehr um den gesetzlichen Urlaub handelt, sondern um einen darüber hinausgehenden tariflichen Urlaubsanspruch. Denn § 3 Nr. 6 der Urlaubsvereinbarung ordnet entgegen § 5 Abs. 1 c BUrlG unter bestimmten Voraussetzungen an, dass im Falle des Ausscheidens im Laufe des Urlaubsjahres dem Arbeitnehmer der volle Jahresurlaub zusteht. Ein solcher weitergehender tariflicher Urlaubsanspruch ist aber nicht Streitgegenstand, denn der Kläger hat sich ausdrücklich darauf berufen, nur den gesetzlichen Urlaub geltend zu machen. Dies ergibt sich sowohl aus der Klagschrift als auch aus der Berufungsbegründungsschrift. Wenn er aber nur den gesetzlichen Urlaub für das Jahr 2011 geltend macht, ist er insoweit bereits wegen § 5 Abs. 1 c BUrlG auf ein Zwölftel des gesetzlichen Jahresurlaubes beschränkt.

    b.
    Aber auch unabhängig davon könnte der Kläger im Hinblick auf § 3 Nr. 6 der Urlaubsvereinbarung nicht die Abgeltung von 20 Urlaubstagen für das Jahr 2011 begehren. Dies gilt unabhängig davon, ob er überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Nr. 6 der Urlaubsvereinbarung im Hinblick auf Invalidität oder Altersrente erfüllt. Entscheidend ist, dass die unionsrechtlichen Vorgaben ausschließlich dem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen betreffen. Den Mitgliedstaaten steht es deshalb frei, Arbeitnehmern über diesen hinaus Urlaubsansprüche einzuräumen und die Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des Mehrurlaubs nach nationalem Recht festzulegen. Die Tarifvertragsparteien können daher Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (BAG, Urteil vom 22.05.2012 - 9 AZR 618/10 -, zitiert nach [...] Rn. 11). Diese Befugnis schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Einem von Tarifvertragsparteien angeordneten Verfall tariflichen Mehrurlaubs steht Unionsrecht damit nicht entgegen (BAG, Urteil vom 22.05.2012 (9 AZR 618/10 -, zitiert nach [...] Rn. 11 am Ende). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein Regelungswille der Tarifvertragsparteien erkennbar ist, den Mehrurlaub einem eigenen von dem des Mindesturlaubs abweichenden Fristenregime zu unterstellen. Dafür müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen (BAG, Urteil vom 22.05.2012 - 9 AZR 618/10 -, zitiert nach [...] Rn. 13). Solch ein eigenständiger Regelungswille bezüglich der Abgeltung des Mehrurlaubs ist eindeutig feststellbar.

    aa.
    Bereits aus § 3 Nr. 5 der Urlaubsvereinbarung ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien differenzieren wollten zwischen dem gesetzlichen und dem tariflichen Urlaub. Denn dort heißt es, der über den gesetzlichen Urlaub hinausgehende Anspruch entfalle, wenn das Arbeitsverhältnis wegen eines Verhaltens des Arbeitnehmers fristlos beendet werde. Damit wird hinreichend deutlich, dass die Tarifvertragsparteien sehr wohl differenzieren wollten zwischen dem gesetzlichen Urlaubsanspruch und dem tariflichen Urlaubsanspruch.

    bb.
    Das Bundesarbeitsgericht betont allerdings in der Entscheidung vom 22.05.2012 (9 AZR 618/10, zitiert nach [...] Rn. 24), dass für die Beantwortung der Frage, ob die Tarifvertragsparteien die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs abweichend von der gesetzlichen Bestimmung in § 7 Abs. 4 BUrlG geregelt haben, eine eigenständige Prüfung erforderlich sei. Diese habe unabhängig von der Beurteilung zu erfolgen, ob die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Befristung, der Übertragung und des Verfalls des tariflichen Mehrurlaubs Sonderregelungen getroffen hätte. Beinhalte ein Tarifvertrag eigenständige Fristen für die Übertragung und den Verfall des Urlaubs, schließe dies nicht aus, dass die Tarifvertragsparteien die gesetzliche Urlaubsabgeltungsregelung für angemessen gehalten und deshalb insoweit auf eine Sonderregelung für den tariflichen Mehrurlaub verzichtet hätten (BAG, Urteil vom 22.05.2012 - 9 AZR 618/10 -, zitiert nach [...] Rn. 24).

    cc.
    Hier ist entscheidend, dass die Tarifvertragsparteien in § 7 Nr. 4 der Urlaubsvereinbarung bezüglich der Urlaubsabgeltung eine eigenständige von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung getroffen haben. Es heißt dort nämlich, dass die Abgeltung des Urlaubes nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt werden könne, wenn bei bestehendem Urlaubsanspruch vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb aus zwingenden betrieblichen Gründen Freizeit auch während der Kündigungsfrist nicht gewährt werden könne. Mit anderen Worten: Die Tarifvertragsparteien haben dort eine Abgeltung des Urlaubs nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen vorgesehen, nämlich dann, wenn aus zwingenden betrieblichen Gründen Freizeit während der Kündigungsfrist nicht gewährt werden konnte. Wenn Freizeit gerade wegen der Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gewährt werden kann, soll folglich keine Abgeltung stattfinden. Die Tarifvertragsparteien haben damit in § 7 Abs. 4 der Urlaubsvereinbarung eigenständig geregelt, dass der den Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigende tarifliche Mehrurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur unter bestimmten Voraussetzungen abzugelten ist. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen nicht, weil er die Freizeit nicht aus zwingenden betrieblichen Gründen innerhalb der Kündigungsfrist nicht nehmen konnte, sondern weil er arbeitsunfähig war. Der Ausschluss der Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs durch eine tarifliche Regelung ist insoweit zulässig (vgl. dazu BAG, Urteil vom 22.05.2012 - 9 AZR 618/10 -, zitiert nach [...] Rn. 22).

    Nach alledem hat der Kläger nur Anspruch auf die Abgeltung von einem Zwölftel des gesetzlichen Urlaubsanspruches für das Jahr 2011.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG, § 92 Abs. 1 ZPO.

    Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Das Berufungsgericht sieht keine Veranlassung, für die Beklagte die Revision im Hinblick auf die beim Bundesarbeitsgericht noch anhängigen verschiedenen Rechtsstreite zum Urlaubsanspruch beim Bezug von Arbeitslosengeld zuzulassen (z.B. Entscheidung LAG Schleswig-Holstein vom 21.06.2012 - 5 Sa 80/12). Die insoweit beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Revisionen beziehen sich alle auf Entscheidungen verschiedener Landesarbeitsgerichte vor Verkündung der Entscheidung des 9. Senats vom 07.08.2012 (9 AZR 353/10). Das Berufungsgericht sieht mit dieser Entscheidung die von den Instanzgerichten angesprochenen Probleme zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses als geklärt an, weshalb keine Veranlassung besteht, insoweit erneut auch hier die Revision zuzulassen. Wie bereits oben ausgeführt, besteht kein Unterschied für die Entstehung des gesetzlichen Urlaubes zwischen dem Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen des Bezuges einer befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente auf der einen Seite und dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen Bezugs von Arbeitslosengeld andererseits. In beiden Fällen ist Ursache jeweils die dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht aber mit der Entscheidung vom 07.08.2012 allgemein geklärt, dass die Annahme, Urlaubsansprüche entstünden im ruhenden Arbeitsverhältnis auch dann nicht, wenn das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen sei, nicht mit § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG zu vereinbaren ist. Für den Kläger wiederum war die Revision bezogen auf die teilweise Zurückweisung seiner Berufung nicht zuzulassen. Tragender Grund war insoweit bereits der andere - nicht anhängige - Streitgegenstand.

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    Verkündet am 06.12.2012